OGH 11Ns51/21w

OGH11Ns51/21w26.7.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juli 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Almir I***** wegen des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG in dem zu AZ 8 U 6/21p des Bezirksgerichts Neulengbach und zu AZ 31 U 119/21z des Bezirksgerichts Linz geführten Kompetenzkonflikt nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0110NS00051.21W.0726.000

 

Spruch:

Das Hauptverfahren ist vor dem Bezirksgericht Linz zu führen.

 

Gründe:

[1] Im Verfahren AZ 8 U 6/21p des Bezirksgerichts Neulengbach legte die Staatsanwaltschaft Almir I***** mit Strafantrag vom 25. Februar 2021 zur Last, er habe am 11. Februar 2021 in A*****, wenn auch nur fahrlässig, eine verbotene Waffe (§ 17 WaffG), nämlich einen Schlagring unbefugt besessen und erachtete dadurch das Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG als verwirklicht.

[2] Das Bezirksgericht Neulengbach überwies die Sache mit der Begründung, dass der Genannte laut Abschlussbericht ON 2 „den Schlagring bereits bei seiner Abfahrt in Linz besessen hat“, dem Bezirksgericht Linz (AB‑Bogen S 2).

[3] Das Bezirksgericht Linz verfügte die Vorlage der Akten an den Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Kompetenzkonflikt, weil es nicht Gegenstand des Strafantrags sei, ob „der Angeklagte die Waffe auch in L***** besessen hat“.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

[5] Dauerdelikte als tatbestandliche Handlungseinheiten im engeren Sinn (vgl RIS‑Justiz RS0122006; Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 89) sind dadurch gekennzeichnet, dass durch die Straftat ein rechtswidriger Zustand geschaffen wird, den der Täter in der Folge aufrecht erhält, wodurch die Rechtsgutbeeinträchtigung intensiviert wird (RIS‑Justiz RS0076137).

[6] Beim Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG handelt es sich um ein Dauerdelikt; bei einem – wie hier – zusammenhängenden Tatzeitraum (unbefugter Besitz einer verbotenen Waffe am 11. Februar 2021 im Zuge einer Autofahrt des Angeklagten von seinem Wohnort in L***** bis zur Autobahnpolizeiinspektion A***** – vgl ON 2 S 3 verso) liegt materiell wie prozessual nur eine Tat vor (RIS‑Justiz RS0128941).

[7] Nach § 36 Abs 3 StPO ist für das Hauptverfahren das Gericht primär zuständig, in dessen Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte. Wenngleich § 37 Abs 2 zweiter Satz StPO den Sonderfall des Dauerdelikts nicht ausdrücklich regelt, kommt in dieser Bestimmung, wonach das Verfahren im Fall mehrerer Straftaten dem Gericht zukommt, in dessen Zuständigkeit die frühere Straftat fällt, der Grundsatz der Anknüpfung an das frühere kriminelle Handeln zum Ausdruck (RIS‑Justiz RS0126604; siehe auch 14 Ns 78/20m [zur unterschiedlichen örtlichen Anknüpfung bei tatbestandlichen Handlungseinheiten im weiteren Sinn]).

[8] Demnach hat das Bezirksgericht Neulengbach angesichts seiner fehlenden örtlichen Zuständigkeit für das Hauptverfahren die Sache mit Recht unter Anwendung der allgemeinen Regelung über Kompetenzkonflikte (§ 38 StPO) dem örtlich zuständigen Bezirksgericht Linz überwiesen (vgl Birklbauer, StPO Vor §§ 210–215 Rz 11; Bauer, WK‑StPO § 450 Rz 9).

[9] Dass die Staatsanwaltschaft zur Individualisierung der Tat im Strafantrag neben der sich über den ganzen Tag erstreckenden Tatzeit nicht auch L***** als (frühesten bekannten – vgl ON 2 S 35 f) Tatort nennt (§ 451 Abs 1 iVm § 211 Abs 1 Z 2 StPO), vermag an der Zuständigkeit des Bezirksgerichts Linz für das Hauptverfahren nichts zu ändern (RIS‑Justiz RS0131309 [T3]; vgl Birklbauer, WK‑StPO § 211 Rz 8 f, 12 f, 15, 18 ff).

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