OGH 11Fss2/22s

OGH11Fss2/22s11.10.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Oktober 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter über den von * S* im Verfahren AZ 28 Hv 20/15g des Landesgerichts Innsbruck gestellten Fristsetzungsantrag nach Einsichtnahme durch die Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:011FSS00002.22S.1011.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Der Antragwird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] * S* wurde mit (rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 19. Mai 2015, AZ 28 Hv 20/15g‑345, mehrerer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Informationen aus der Integrierten Vollzugsverwaltung (IVV) zufolge wird die Strafe – nach Anrechnung von Vorhaftzeiten – in der Justizanstalt Stein mit errechnetem Strafende bis 13. Oktober 2022 vollzogen.

 

[2] Am 23. Juni 2022 langte beim Oberlandesgericht Innsbruck ein Fristsetzungsantrag des Verurteilten vom 21. Juni 2022 ein (unjournalisiert in den Akten AZ 7 Fss 2/22i des Oberlandesgerichts Innsbruck), mit welchem dieser begehrte, der Oberste Gerichtshof wolle dem Oberlandesgericht Innsbruck eine angemessene Frist zurEntscheidung über einen von ihm (angeblich) gestellten „Fristsetzungsantrag vom 17. Mai 2022“ und zur „Anordnung der vorläufigen Hemmung oder Unterbrechung des geg. Strafvollzugs (§ 410 Abs 3 StPO) setzen“.

[3] Dieses Schreiben wurde vom erwähnten Oberlandesgericht mit Verfügung vom 1. August 2022 (unjournalisiert in den Akten AZ 7 Fss 2/22i des Oberlandesgerichts Innsbruck) an das Landesgericht Innsbruck „zur allfälligen weiteren Veranlassung“ mit dem Hinweis übermittelt, dass dem Oberlandesgericht kein Fristsetzungsantrag vom 17. Mai 2022 vorliege.

[4] Am8. August 2022 langte beim Oberlandesgericht Innsbruck ein weiteres Schreiben des Verurteilten vom 4. August 2022 ein (unjournalisiert in den Akten AZ 7 Fss 2/22i des Oberlandesgerichts Innsbruck), in welchem sich Letzterer erneut auf seinen (angeblichen) Fristsetzungsantrag vom 17. Mai 2022sowie jenen vom 21. Juni 2022 bezieht und (neuerlich) eine Fristsetzung durch den Obersten Gerichtshof begehrt.

[5] Das Oberlandesgericht hätte „unverzüglich, sogar sofort entscheiden müssen“, weil die Frist des § 91 Abs 2 GOG längst abgelaufen sei.

[6] Am 27. September 2022 langten die Akten AZ 7 Fss 2/22i des Oberlandesgerichts Innsbruck beim Obersten Gerichtshof mit einer Stellungnahme vom 20. September 2022 ein.

Rechtliche Beurteilung

[7] Gemäß § 91 Abs 1 GOG setzt der Erfolg eines Fristsetzungsantrags voraus, dass das betroffene Gericht mit der Vornahme einer Verfahrenshandlung, etwa der Anberaumung oder Durchführung einer Tagsatzung oder Verhandlung, der Einholung eines Sachverständigen-gutachtens oder der Ausfertigung einer Entscheidung säumig ist.

[8] Ein solcher – an das übergeordnete Gericht gerichteter – Antrag ist nach § 91 Abs 1 GOG stets bei dem Gericht zu stellen, dessen Säumigkeit im eben aufgezeigten Sinn behauptet wird. Dieses hat den Antrag – außer im Fall des Absatz 2 der Bestimmung – mit seiner Stellungnahme dem übergeordneten Gericht sofort vorzulegen.

[9] Wird der Fristsetzungsantrag fälschlich direkt beim übergeordneten Gericht eingebracht, ist er dem angeblich säumigen Gericht zu übermitteln, um diesem die Möglichkeit zu eröffnen, nach § 91 Abs 2 GOG vorzugehen. Eine diesbezügliche Überwachungspflicht trifft das übergeordnete Gericht nicht (RIS‑Justiz RS0113502 [T2]).

[10] Wird der Antrag dem übergeordneten Gericht in weiterer Folge nicht gemäß § 91 Abs 1 letzter Halbsatz GOG vorgelegt, entsteht demgemäß für dieses auch keine Entscheidungskompetenz oder gar -pflicht im Sinn des § 91 Abs 3 GOG. Es kann vielmehr davon ausgehen, dass das säumige Gericht die im Antrag genannten Verfahrenshandlungen binnen vier Wochen nach dessen Einlangen durchgeführt und den Antragsteller hievon verständigt hat sowie dass dieser nicht binnen 14 Tagen nach Zustellung der Verständigung erklärt hat, den Antrag aufrechtzuerhalten (§ 91 Abs 2 GOG; RIS‑Justiz RS0059246).

[11] Im konkreten Fall lag dem Oberlandesgericht Innsbruck – aus dessen Stellungnahme ersichtlich – der in Rede stehende (angebliche) Fristsetzungsantrag vom 17. Mai 2022 bis zum Einlangen des Fristsetzungsantrags vom 21. Juni 2022 und der Eingabe vom 4. August 2022 nicht vor. Mit einem entsprechenden Hinweis hatte es den Fristsetzungsantrag vom 21. Juni 2022 dem Landesgericht Innsbruck zur weiteren Veranlassung übermittelt. Jedenfalls bis zum 20. September 2022 erfolgte keine Vorlage des (angeblichen) Fristsetzungsantrags vom 17. Mai 2022 durch das Landesgericht Innsbruck.

[12] Demzufolge kam dem Oberlandesgericht Innsbruck eine Entscheidung über einen Fristsetzungsantrag vom 17. Mai 2022 ebensowenig zu wie eine Entscheidung nach § 410 Abs 3 StPO. Eine Fristsetzung kommt insoweit nicht in Betracht (RIS‑Justiz RS0059242; 15 Fss 1/21x; vgl auch 14 Fss 3/19d [14 Fss 4/18a]).

[13] Der Antrag war daher zurückzuweisen.

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