OGH 10ObS87/19w

OGH10ObS87/19w13.9.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Wolfgang Kozak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Mag. Aleksandra Fux, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15–19, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. Februar 2019, GZ 8 Rs 6/19i‑15, womit das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 23. Mai 2018, GZ 9 Cgs 9/18v‑11, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:010OBS00087.19W.0913.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 418,78 EUR (darin enthalten 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist eine „Krisenpflegemutter“. Im Jahr 2017 hatte die Klägerin ua zwei Kinder in Pflege: die am 21. 11. 2014 geborene L***** (im Zeitraum von 15. 11. 2016 bis 28. 4. 2017) und den am 3. 12. 2016 geborenen A***** (im Zeitraum von 16. 2. 2017 bis 24. 3. 2017).

Mit Antrag vom 28. 3. 2017 begehrte sie für das Pflegekind L***** das Kinderbetreuungsgeld in der Variante 30+6 für den Zeitraum ab 15. 11. 2016 und erhielt es entsprechend ihrem Antrag ausgezahlt. Am 16. 2. 2017 nahm sie als zweites (jüngeres) Krisenpflegekind A***** auf und stellte für ihn einen Antrag auf Kinderbetreuungsgeld in der pauschalen Variante 12+2 für den Zeitraum ab 16. 2. 2017. Dieser Antrag wurde mit (in Rechtskraft erwachsenem) Bescheid vom 14. 11. 2017 mit der Begründung abgewiesen, dass die Voraussetzung eines gemeinsamen Hauptwohnsitzes nicht erfüllt sei.

Am 18. 9. 2017 (bei der beklagten Partei eingelangt am 20. 9. 2017) stellte die Klägerin einen (dritten) Antrag auf Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes und zwar für den Zeitraum von 16. 2. 2017 bis 28. 4. 2017, diesmal für das Pflegekind L*****.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 14. 11. 2017 unter Hinweis darauf abgewiesen, dass der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für L***** mit der Übernahme des weiteren (jüngeren) Pflegekindes am 16. 2. 2017 geendet habe.

Gegen den Bescheid über die Ablehnung des Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld für L***** für den Zeitraum von 16. 2. 2017 bis 28. 4. 2017 richtet sich die Klage.

Die Klägerin bringt zusammengefasst vor, der Kinderbetreuungsgeldanspruch für das weitere Krisenpflegekind A***** sei rechtskräftig mit der Begründung abgewiesen worden, dass dieses Kind nur 36 Tage in ihrer Pflege verblieben sei. Bei der Erlassung des angefochtenen Bescheids vom 14. 11. 2017 habe die beklagte Partei aber offensichtlich übersehen, dass es zu einem Erlöschen des Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld nur dann komme, wenn für das weitere (jüngere) in Pflege genommene Kind überhaupt ein Kinderbetreuungsgeldanspruch entstehe, was hier nicht der Fall sei. Da der Anspruch für das jüngere Kind nicht entstanden sei, sei durch dessen Aufnahme der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für das ältere Krisenpflegekind L***** nicht erloschen, sondern lebe gemäß § 24b Abs 8 KBGG „nahtlos“, sohin für den Zeitraum von 16. 2. 2017 bis 28. 4. 2017, wieder auf.

Die Beklagte wendet ein, mit der Aufnahme des zweiten (jüngeren) Krisenpflegekindes am 16. 2. 2017 habe der Anspruch für das ältere Krisenpflegekind geendet. Erst mit der Beendigung der Pflege des zweiten Kindes am 24. 3. 2017 könnte der Anspruch für das ältere Kind wieder aufleben. Da der Antrag für dieses (ältere) Kind erst am 20. 9. 2017 bei der beklagten Partei eingelangt sei und Kinderbetreuungsgeld rückwirkend nur bis zum Höchstausmaß von 6 Monaten gebühre, wäre jedenfalls erst von einem Bezugsbeginn am 21. 3. 2017 auszugehen.

Das Erstgericht sprach der Klägerin das begehrte Kinderbetreuungsgeld für L***** für den Zeitraum von 16. 2. 2017 bis 28. 4. 2017 zu. Rechtlich ging es davon aus, dass der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für das ältere Kind mit der Inpflegenahme des weiteren (jüngeren) Pflegekindes ende (§ 3 Abs 6 KBGG). Da der Antrag der Klägerin auf Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes für das jüngere Pflegekind jedoch abgewiesen worden sei, lebe der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für das ältere Kind wieder auf (§ 3 Abs 6 Satz 2 KBGG). § 3 Abs 6 Satz 2 KBGG umfasse nicht nur jene Fälle, in denen der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für das zweite Kind ende, sondern auch den Fall, dass der Anspruch für das zweite Kind gar nicht entstanden sei. Wenngleich nach § 4 Abs 2 KBGG das Kinderbetreuungsgeld nur rückwirkend bis zum Höchstausmaß von sechs Monaten gebühre, gehe dieser Regelung im vorliegenden Fall § 3 Abs 6 Satz 2 KBGG vor.

Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung der beklagten Partei die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es der Klägerin Kinderbetreuungsgeld im gesetzlichen Ausmaß für L***** für den Zeitraum von 21. 3. 2017 bis 28. 4. 2017 zusprach und das Mehrbegehren (für den Zeitraum von 16. 2. bis 20. 3. 2017) abwies. Rechtlich ging es davon aus, dass auf den Kinderbetreuungsgeldanspruch für L***** nicht § 3 Abs 6 KBGG idgF zur Anwendung komme, sondern (im Hinblick auf das Geburtsdatum) die gleichlautende Vorgängerbestimmung des § 5 Abs 5 KBGG. Nach dieser ende der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld spätestens mit Ablauf jenes Tages, welcher der Geburt eines weiteren Kindes bzw der Adoption (In‑Pflege‑Nahme) eines jüngeren Kindes vorangehe. Ende der Anspruch für das weitere Kind vorzeitig, lebe der Anspruch für jenes Kind, für welches davor Kinderbetreuungsgeld bezogen worden sei, wieder auf. Beide Parteien würden übereinstimmend davon ausgehen, dass für das jüngere Krisenpflegekind A***** die Anspruchsvoraussetzungen für den Erhalt des Kinderbetreuungsgeldes nicht erfüllt seien. Die Richtigkeit dieses Standpunkts sei daher vom Gericht nicht weiter zu überprüfen. Der Gesetzgeber stelle in § 5 Abs 5 KBGG auf den Regelfall ab, in dem bei Geburt eines weiteren Kindes auch für dieses Kind ein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld zu bejahen sei. Bestehe für das jüngere Kind aber nicht zumindest ein „abstrakter Anspruch“ nach § 2 KBGG, liefe es dem Gesetzeszweck zuwider, wenn den Eltern trotz ihrer Betreuungsleistungen für zwei Kinder überhaupt kein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld mehr zukäme. § 5 Abs 5 KBGG sei daher dahin auszulegen, dass der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für das ältere Kind nur dann ende, wenn zumindest ein „abstrakter Anspruch“ nach § 2 KBGG vorliege.

Zu dem erstmals in der Berufung vorgebrachten Argument, bei Krisenpflegeeltern sei die vom Gesetzgeber seit 1. 1. 2017 geforderte Dauerhaftigkeit der Wohn‑ und Wirtschaftsgemeinschaft per se nicht gegeben, verwies das Berufungsgericht auf die Entscheidung 6 Rs 14/18b des Oberlandesgerichts Graz. Werde das Kind im Rahmen einer Gefährdungssituation bei einer Krisenpflegeperson untergebracht und sei zu diesem Zeitpunkt die Dauer des Verbleibs des Kindes bei der Krisenpflegeperson nicht absehbar, sei ab dem ersten Tag der Unterbringung ein gemeinsamer Haushalt begründet. Da es bei Fehlen geeigneter Unterbringungsmöglichkeiten auch zu einer monatelangen Unterbringung bei Krisenpflegeeltern kommen könne, sei dem vom Gesetz geforderten Kriterium der dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft schon durch die Besonderheit dieser Situation entsprochen.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu der Frage zu,

1. ob § 5 Abs 5 KBGG idF BGBl I 2007/76 so auszulegen sei, dass der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für das ältere Kind nur dann ende, wenn die Eltern für das jüngste Kind zumindest einen „abstrakten Anspruch“ nach § 2 KBGG haben; und

2. ob und unter welchen Voraussetzungen im Fall der Unterbringung auf einem Krisenpflegeplatz von einer „dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ im Sinn des § 2 Abs 6 KBGG gesprochen werden kann.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

I. Zu § 5 Abs 5 KBGG

I.1.1 Nach § 5 KBGG in der Stammfassung BGBl I 2001/103 endet der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld spätestens mit einem neuen Anspruch für ein weiteres Kind. Endet der Anspruch für das weitere Kind vorzeitig, lebt der Anspruch für jenes Kind, für welches davor Kinderbetreuungsgeld bezogen wurde, wieder auf.

I.1.2 Mit der Novelle BGBl I 2007/76 wurde die auf den vorliegenden Sachverhalt zur Anwendung kommende Fassung des § 5 Abs 5 KBGG eingeführt, die mit 1. 1. 2008 in Kraft trat. Nach dieser endet der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld spätestens mit Ablauf jenes Tages, welcher der Geburt eines weiteren Kindes bzw der Adoption (In-Pflege-Nahme) eines jüngeren Kindes vorangeht. Endet der Anspruch für das weitere Kind vorzeitig, lebt der Anspruch für jenes Kind, für welches davor Kinderbetreuungsgeld bezogen wurde, wieder auf.

I.1.3 Die Gesetzesmaterialien führten bereits zur ursprünglichen Formulierung aus, dass bei nachfolgenden Geburten während des Kinderbetreuungsgeld-Bezugszeitraums der Anspruch für das zuerst geborene Kind mit dem Tag, der der Geburt des nachfolgenden Kindes vorangeht, endet. Ab dem Tag der Geburt des nachfolgenden Kindes beginnt ein neuer Anspruch für dieses weitere Kind. Wenn der Anspruch für das weitere innerhalb des ursprünglichen Bezugszeitraums (für das zuerst geborene) Kind zum Beispiel durch Tod endet, lebt der ursprüngliche Anspruch für die restliche Dauer (maximal bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des „früheren“ Kindes) wieder auf (ErläutRV 620 BlgNR 21. GP  62). Das Kinderbetreuungsgeld soll nur für das jeweils jüngst geborene Kind einer Familie gebühren (10 ObS 118/07m, EF‑Z 2008/43, 71 [ Leitner ].)

Zu der Novellierung des § 5 Abs 5 KBGG mit dem Bundesgesetz BGBl I 2007/76 führen die Gesetzesmaterialien aus: „Es erfolgt dahingehend eine Klarstellung, dass das Kinderbetreuungsgeld jedenfalls endet, wenn ein weiteres Kind geboren bzw ein jüngeres Kind adoptiert oder in Pflege genommen wird. Der Anspruch auf KBG für das ältere Kind endet unabhängig davon, ob die Eltern für das nun jüngste Kind tatsächlich Kinderbetreuungsgeld in Anspruch nehmen oder nicht (ErläutRV 229 BlgNR 23. GP  5).

I.2.1 Zu der hier zu beurteilenden Frage, ob § 5 Abs 5 KBGG auch jene Fälle erfasst, bei denen ein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für das jüngere Kind rechtskräftig verneint wurde, wurde im Schrifttum nicht explizit Stellung genommen ( Sonntag/Schober/Konezny , KBGG 1 [2016] § 5 Rz 11; Weißenböck in Holzmann-Windhofer/Weißenböck , Kinderbetreuungsgeldgesetz [2017] 60; Burger-Ehrnhofer, Kinderbetreuungsgeldgesetz und Familienzeitbonusgesetz 3 [2017] § 3 Rz 40 ff). Lediglich Leitner geht in ihrer Entscheidungsbesprechung zu 10 ObS 118/07m (betreffend einen Sachverhalt, in dem der „neue“ Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für das jüngere Kind wegen des Wochengeldbezugs der Mutter ruhte) davon aus, dass für das Enden des Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld für das ältere Kind maßgeblich sei, ob für das jüngere Kind ein „abstrakter Anspruch“ nach § 2 KBGG vorliege (EF‑Z 2008/43, 71 [72]). Gemeint ist damit, dass zwar die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, aber der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld wegen des Wochengeldbezugs der Mutter ruht. Auch der ruhende „neue“ Anspruch brachte den „alten“ Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für das ältere Kind zu einem Ende.

I.2.2 Der auf dieser Grundlage basierenden Ansicht der Vorinstanzen ist zuzustimmen. Zuzugestehen ist, dass der Wortlaut des § 5 Abs 5 KBGG aF einen anderen Fall im Auge hat, nämlich das Wiederaufleben des Anspruchs für das ältere Kind im Fall des „vorzeitigen Endes“ des Anspruchs für das jüngere Kind. Das Fehlen einer gesetzlichen Regelung für den hier zu beurteilenden Fall, dass die Anspruchsvoraussetzungen auf Kinderbetreuungsgeld für das jüngere gar nicht gegeben sind, ist jedoch aus den folgenden Erwägungen als planwidrige Lücke zu qualifizieren, die nach den Wertungen des § 5 Abs 5 KBGG inhaltlich zu schließen ist.

Dafür, dass der Gesetzgeber als Voraussetzung des Endes des Anspruchs für das ältere Kind das grundsätzliche Bestehen eines Anspruchs (also eines „abstrakten Anspruchs“) für das weitere (jüngere) Kind ansieht, sprach vor allem die dargestellte historische Entwicklung des § 5 Abs 5 KBGG sowie der Gesetzeszweck. Würde der Restanspruch für das ältere Kind endgültig verlorengehen, obwohl kein Anspruch für das jüngere Kind besteht, stünde dies den Zielen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes entgegen, Betreuungs‑ und Erziehungskosten auszugleichen und gegebenenfalls finanzielle Nachteile, die der Verzicht auf ein (Voll‑)Erwerbseinkommen bedeuten, abzumildern (10 ObS 109/07p SSV‑NF 21/78). Schließlich hat der Gesetzgeber für einen bestimmten Fall – nämlich das „vorzeitige Ende“ des Anspruchs für das jüngere Kind – vorgesorgt, indem er für diesen Fall das Wiederaufleben des Anspruchs für das ältere Kind angeordnet hat. Auf diese Weise wird dem Umstand Rechnung getragen, dass weiterhin der Betreuungsaufwand für zumindest ein Kind besteht und dafür Kinderbetreuungsgeld bezogen werden kann. Der Ansicht der Revisionswerberin, der Gesetzgeber habe zwar den Regelfall vor Augen gehabt, wonach ein neuer Anspruch für das weitere Kind gegeben sein werde, habe jedoch bewusst keine abweichenden Regelungen für die seltenen Ausnahmefälle ohne Leistungsanspruch getroffen, sondern mit dem Abstellen auf die Geburt oder In-Pflege‑Nahme eines jüngeren Kindes derartige Härtefälle in Kauf genommen, ist nicht zu folgen.

I.3 Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass dem geltend gemachten Anspruch für das ältere Kind L***** § 5 Abs 5 KBGG aF nicht entgegensteht; die In-Pflege-Nahme von A***** am 16. 2. 2017 hat diesen Anspruch nicht endgültig beendet.

II.  Zu der Frage der Anspruchsberechtigung der Klägerin im Hinblick auf ihre Eigenschaft als Krisenpflegemutter:

II.1 Die beklagte Partei hat ursprünglich der Klägerin das Kinderbetreuungsgeld für das Krisenpflegekind L***** ab 15. 11. 2016 antragsgemäß gewährt. Erstmals in ihrer Berufung vertritt die beklagte Partei den Standpunkt, dass für die Klägerin selbst dann, wenn der Anspruch für L***** „wiederaufleben“ sollte, nichts gewonnen wäre, weil eine auf bloß längere Zeit gerichtete Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung des dauerhaften gemeinsamen Haushalts iSd KBGG nicht ausreiche. In ihrer Revision bringt die beklagte Partei zu diesem Thema ergänzend vor, durch die mit dem Bundesgesetz BGBl I 2019/24 erfolgte Änderung des KBGG habe der Gesetzgeber nunmehr klar gestellt, dass Krisenpflegeeltern bis zum Inkrafttreten dieser Neuregelung im Hinblick auf entsprechende Judikatur des Obersten Gerichtshofs (8 Ob 54/11s und 1 Ob 129/15z) nicht als Pflegeeltern iSd § 184 ABGB nF anzusehen gewesen seien und mangels Vorliegens einer dauerhaften Wohn‑ und Wirtschaftsgemeinschaft keinen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld gehabt hätten.

Dazu ist auszuführen:

II.2.1 Die in der Revision angesprochene – den Kinderbetreuungsgeldanspruch von Krisenpflegeeltern betreffende – Neuregelung BGBl I 2019/24 ist rückwirkend mit 1. 7. 2018 in Kraft getreten. Sie ist im vorliegenden Fall, in dem der Anspruch im Zeitraum von 21. 3. 2017 bis 28. 4. 2017 zu beurteilen ist, noch nicht anwendbar. Die Zugehörigkeit zum Kreis der Anspruchsberechtigten sowie die Anspruchsvoraussetzungen einer dauerhaften Wohn‑ und Wirtschaftsgemeinschaft sind (unstrittig) noch nach dem KBGG idF BGBl I 2016/53 zu beurteilen.

II.2.2 Gefährden Eltern durch ihr Verhalten das Wohl des minderjährigen Kindes (etwa indem sie die Obsorgepflicht nicht erfüllen oder diese gröblich vernachlässigen) sind die zur Sicherung des Wohles des Kindes nötigen Verfügungen unverzüglich zu treffen (§§ 181 Abs 1, 211 ABGB). Ziel einer Krisenunterbringung ist entweder die Reintegration in den familiären Bereich oder aber – sofern dies nicht möglich ist – eine dauerhafte Unterbringung bei Pflegeeltern. Die Unterbringung bei Krisenpflegeeltern ist somit dadurch charakterisiert, dass zum Zeitpunkt der Übernahme der Krisenpflege die Dauer des Verbleibs des Kindes in der Regel noch nicht absehbar ist. Ab dem Zeitpunkt der Übernahme des Kindes sind Krisenpfleegeltern aber zur Erbringung all jener Betreuungsleistungen verpflichtet, die bei einem intakten Familienverband von dem jeweiligen Elternteil zu erbringen gewesen wären.

II.2.3 Vor diesem Hintergrund wurde in der Entscheidung 10 ObS 65/19k vom 30. 7. 2019 ausgeführt, dass im Fall von Krisenpflegeeltern, die sich bereit erklären, ein Kind für einen unbestimmten Zeitraum, solange es nötig ist, in ihrem Haushalt zu betreuen, mit dem ersten Tag der Übernahme ein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 6 KBGG begründet wird. Eine Ex-post-Differenzierung danach, wie lange diese Betreuung tatsächlich dauerte, ist für die Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung von Kinderbetreuungsgeld nicht relevant.

II.3 Demnach sind auch im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld erfüllt: Die Klägerin hat als zum Kreis der anspruchsberechtigten Personen gehörende Krisenpflegemutter das Kind L***** am 15. 11. 2016 auf unbestimmte Zeit in ihrem Haushalt aufgenommen. Dass sie und das Kind im Betreuungszeitraum von 15. 11. 2017 bis 28. 4. 2017 an derselben Wohnadresse hauptwohnsitzlich gemeldet waren, steht im Revisionsverfahren nicht in Frage.

Der Revision der beklagten Partei ist daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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