OGH 10ObS109/07p

OGH10ObS109/07p27.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Simone B*****, vertreten durch Achammer Mennel Welte Achammer Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Vorarlberger Gebietskrankenkasse, 6850 Dornbirn, Jahngasse 4, wegen Kinderbetreuungsgeld, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. Juli 2007, GZ 25 Rs 58/07a-9, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. Februar 2007, GZ 35 Cgs 324/06y-5, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. beschlossen:

Die Revisionsbeantwortung des Bundes wird zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes insgesamt zu lauten hat:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei für ihren Sohn Noah Pascal B*****, geboren am 24. 9. 2006, Kinderbetreuungsgeld

1. vom 24. 9. 2006 bis 31. 12. 2006 im gesetzlichen Ausmaß von 14,53 EUR täglich unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen binnen 14 Tagen zu bezahlen;

2. vom 1. 1. 2007 bis 24. 3. 2009 im gesetzlichen Ausmaß von 14,53 EUR täglich zu bezahlen, und zwar die bis zur Rechtskraft dieses Urteils fällig gewordenen Leistungen binnen 14 Tagen, die in Zukunft fällig werdenden Leistungen jeweils zum Ersten des Folgemonats im Nachhinein.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 444,68 EUR (davon 74,12 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 437,14 EUR (davon 72,46 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Berufung und die mit 300,10 EUR (davon 50,02 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revision binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin gebar am 24. 9. 2006 ihren Sohn Noah Pascal, dessen Vater der Ehemann der Klägerin ist. Alle drei sind österreichische Staatsangehörige. Sie lebt mit ihrem Sohn im gemeinsamen Haushalt in Österreich.

Die Klägerin erzielte im Jahr 2006 keine Einkünfte von mehr als

14.600 EUR. Sie war 2006 weder in Österreich noch in einem anderen Staat beschäftigt. Sie widmete sich ausschließlich der Betreuung ihrer am 5. 2. 2004 geborenen Tochter Laura und nach dem 24. 9. 2006 auch der Betreuung ihres Sohnes.

Der Ehemann der Klägerin ist in einem Unternehmen mit Sitz im Fürstentum Liechtenstein als Grafiker beschäftigt. Er erzielt aus unselbständiger Erwerbstätigkeit ein monatliches Nettoeinkommen von ca 2.000 EUR. Er ist Grenzgänger. Der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen bzw sein Wohnsitz liegt in Österreich. Er bezieht für seinen Sohn eine liechtensteinische Familienzulage in Höhe von 260 CHF. Diese wird ihm beginnend mit 1. 9. 2006 monatlich von der Familienausgleichskasse ausbezahlt. Mit Bescheid vom 9. 10. 2006 erhielt er von der liechtensteinischen Alters- und Hinterlassenenversicherung - Invalidenversicherung - Familienausgleichskasse eine Geburtszulage für seinen Sohn in Höhe von 2.100 CHF zuerkannt.

Mit Bescheid vom 23. 11. 2006 lehnte es die beklagte Partei (implizit) unter anderem ab, der Klägerin für ihren Sohn für den Zeitraum vom 24. 9. 2006 bis 31. 12. 2006 ein höheres Kinderbetreuungsgeld als 99,76 EUR zu zahlen (14,53 EUR pro Tag x 99

Tage = 1.438,57 EUR minus 1.338,71 EUR [liechtensteinische

Geburtszulage in Euro] = 99,76 EUR).

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage - soweit für die Revisionsentscheidung von Bedeutung - für den Zeitraum vom 24. 9. 2006 bis 31. 12. 2006 für ihren Sohn Kinderbetreuungsgeld von 14,53 EUR pro Tag ohne Abzug der liechtensteinischen Geburtszulage. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung auch dieses Klagebegehrens. Gemäß Art 10 Abs 1 lit a der Verordnung (EWG) Nr 574/72 sei die liechtensteinische Geburtszulage, die dem österreichischen Kinderbetreuungsgeld ähnlich sei, bei der Auszahlung des österreichischen Kinderbetreuungsgeldes anzurechnen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und verpflichtete - soweit im Revisionsverfahren noch relevant - die beklagte Partei, der Klägerin für den Zeitraum vom 24. 9. 2006 bis 31. 12. 2006 eine Ausgleichszahlung zum Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 99,76 EUR zu bezahlen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge. Im Punkt II.1. des Tenors seiner Entscheidung sprach es aus, dass

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehlt, wie sich der Bezug der liechtensteinischen Geburtszulage durch den in Liechtenstein beschäftigten Elternteil auf den Anspruch des anderen in Österreich wohnenden, nicht erwerbstätigen, das Kind erziehenden Elternteils auf österreichisches Kinderbetreuungsgeld auswirkt. Sie ist auch berechtigt.

I. Der Oberste Gerichtshof hat der beklagten Partei die Beantwortung der außerordentlichen Revision freigestellt. Am 15. 10. 2007 langte eine am 12. 10. 2007 zur Post gegebene, von der Finanzprokuratur verfasste Revisionsbeantwortung „der beklagten Partei" ein, in der als beklagte Partei angeführt ist: „Vorarlberger Gebietskrankenkasse, ..... richtig: der Bund, vertreten durch die Finanzprokuratur.....". Eingangs der Revisionsbeantwortungsschrift wird erklärt, dass die Prokuratur namens der „beklagten Partei" die Revisionsbeantwortung erstattet. Es folgen Ausführungen zur „Legitimation des Einschreitens der Prokuratur namens der beklagten Partei".

Der erkennende Senat hat jüngst in der Entscheidung 10 ObS 83/07i bei vergleichbarem Sachverhalt mit ausführlicher Begründung ausgesprochen, dass der Bund in Kinderbetreuungsgeldsachen nicht Partei ist und auch nicht (ex lege) berechtigt ist, für die beklagte Gebietskrankenkasse einzuschreiten.

Da die Finanzprokuratur nach dem Inhalt der Revisionsbeantwortungsschrift für den Bund einschreitet und dieser nicht Verfahrenspartei ist, war die Revisionsbeantwortung zurückzuweisen. Ein Verbesserungsauftrag kommt bei der vorliegenden Konstellation nicht in Betracht.

II. Die Revisionswerberin macht geltend:

Die liechtensteinische Geburtszulage sei keine Familienleistung im Sinn der Verordnung (EWG) Nr 1408/71. Sie stelle nämlich eine Versicherungsleistung dar, weil sie ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis in Liechtenstein voraussetze. Sie sei eine einmalige Leistung für den finanziellen Mehraufwand, der die typischerweise mit der Geburt eines Kindes verbundenen Sachaufwendungen zumindest teilweise abdecken solle. Es bestehe keine Kongruenz zwischen der Geburtszulage und dem Kinderbetreuungsgeld. So fehle die persönliche Kongruenz, weil die Geburtszulage nicht jenem Elternteil zustehe, der das Kind überwiegend betreue, sondern jenem, der aufgrund des Arbeitsverhältnisses als Arbeitnehmer zu betrachten sei. Es bestehe keine zeitliche Kongruenz, weil die Geburtszulage im Unterschied zum Kinderbetreuungsgeld zeitpunktbezogen sei und in Form einer Einmalzahlung geleistet werde. Die sachliche Kongruenz sei zu verneinen, weil der Ausgleichszweck der einen Leistung mit der anderen nicht identisch sei.

Der erkennende Senat hat erwogen:

1. Soweit die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zutrifft, genügt gemäß § 510 Abs 3 ZPO ein Hinweis auf deren Richtigkeit.

a) Das gilt zunächst für die von der Revisionswerberin nicht in Zweifel gezogene Beurteilung, dass die strittige Frage aufgrund der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, und die zu deren Durchführung erlassene Verordnung (EWG) Nr 574/72 zu lösen ist, die im Verhältnis Österreichs zu Liechtenstein aufgrund des EWG-Abkommens (Art 29 EWR iVm Anhang VI „Soziale Sicherheit") in der durch die - im mehrfach geänderten - Anhang VI genannten Vorschriften geänderten und aktualisierten Fassungen Anwendung finden (vgl Siedl/Spiegel, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, Band 2, EWR Einleitung 47. Lfg c-e; EWR 1 47. Lfg 11 ff). Zu ergänzen ist, dass die Vertragsstaaten in Art 6 EWR ausdrücklich nur die bis zum Zeitpunkt der Unterzeichnung (2. 5. 1992) erlassenen Entscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) der Auslegung des Abkommens zugrunde gelegt haben. Es ist aber auch hinsichtlich künftiger Interpretationsfragen eine weitestgehende Übereinstimmung mit den maßgebenden Entscheidungen des EuGH angestrebt (Art 105 ff EWR). Zudem weisen die Vertragsparteien bereits in der Präambel zum EWR-Abkommen auf ihr Ziel hin, „bei voller Wahrung der Unabhängigkeit der Gerichte eine einheitliche Auslegung und Anwendung dieses Abkommens und der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen, die in ihrem wesentlichen Gehalt in dieses Abkommen übernommen werden, zu erreichen und beizubehalten und eine Gleichbehandlung der Einzelpersonen und Marktteilnehmer hinsichtlich der vier Freiheiten und der Wettbewerbsbedingungen zu erreichen". Von diesem Leitgedanken ausgehend ist eine einschränkende Auslegung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer im Verhältnis zu einem EFTA-Staat nicht gerechtfertigt, sodass auch die in späteren Entscheidungen des EuGH dargelegten Grundsätze gebührend zu berücksichtigen sind (vgl SZ 67/160; RIS-Justiz RS0074065).

b) Die beiden genannten Verordnungen gelten für den Ehemann der Klägerin als Grenzgänger und für die Klägerin und ihren Sohn als seine Familienangehörigen (Art 1 lit b und f, Art 2 Abs 1 Verordnung (EWG) Nr 1408/71).

c) Das österreichische Kinderbetreuungsgeld nach dem KBGG ist eine Familienleistung im Sinn der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 und deren Durchführungsverordnung, wovon auch die Revisionswerberin ausgeht (vgl EuGH Rs C-543/03 , Dodl und Oberhollenzer, Slg 2005, I-5049; 10 ObS 70/06a; Spiegel in FS Bauer/Maier/Petrag, Kindererziehung in einem anderen Mitgliedstaat, 363 [366 f]).

2. Zutreffend beurteilte das Berufungsgericht die liechtensteinische Geburtszulage als Familienleistung im Sinn der Verordnung (EWG) Nr 1408/71:

a) Das liechtensteinische Gesetz über die Familienzulagen, liechtensteinisches LGBl 1986/28 idgF (kurz: FZG), sieht in seinem Art 23 Kinderzulagen, Geburtszulagen und Alleinerziehendenzulagen als Familienzulagen vor.

Die Familienzulagen dienen als teilweiser Ausgleich der Familienlasten dem wirtschaftlichen Schutz der Familie. Sie stellen keine Entlohnung für geleistete Dienste dar und gehören daher auch nicht zum Arbeitslohn. Kinderzulagen im Sinn des Gesetzes sind periodisch ausgerichtete Leistungen, welche die zur Gründung und zum Bestand der Familie entstandene, finanzielle Belastung in Form von Unterhalts- und Unterstützungspflichten teilweise ausgleichen. Die Geburtszulage im Sinn des Gesetzes stellt eine einmalige Leistung dar. Sie bezweckt, die durch die Geburt oder Adoption eines Kindes bedingten finanziellen Aufwendungen teilweise zu decken. Darüber hinaus ergänzt sie die Kinderzulage (Art 3 der Verordnung zum Gesetz über die Familienzulagen (FZV), liechtensteinisches LGBl 1986/29 idgF).

Die Kinderzulage wird ab dem ersten Tag des Geburtsmonats des lebend geborenen Kindes geschuldet und ist bis zum Ende des Monats, in welchem es das 18. Lebensjahr vollendet, zahlbar (Art 14 Abs 1 FZV). Der Anspruch auf Geburtszulagen besteht für jedes Kind, das lebend oder nach dem 6. Monat der Schwangerschaft tot geboren wird (Art 15 Abs 1 FZV).

Eine Person, die in Liechtenstein nicht ihren zivilrechtlichen Wohnsitz hat, hat Anspruch auf Kinderzulagen und auf Geburtszulagen unter anderem dann, wenn sie in Liechtenstein bei einem in Liechtenstein ansässigen Arbeitgeber beschäftigt ist und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit bezieht (Art 26 Abs 1, Art 31 Abs 1 FZG).

b) Art 4 Abs 1 der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 sieht vor, dass die Verordnung für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit gilt, die folgende Leistungsarten betreffen:

.....

h) Familienleistungen

„Familienleistungen" werden definiert als „alle Sach- oder Geldleistungen, die zum Ausgleich von Familienlasten im Rahmen der in Art 4 Abs 1 Buchstabe h genannten Rechtsvorschriften bestimmt sind, jedoch mit Ausnahme der in Anhang II aufgeführten besonderen Geburts- oder Adoptionsbeihilfen" (Art 1 lit u Z i Verordnung (EWG) Nr 1408/71). Der EuGH hat dazu ausgeführt, dass der Ausdruck „Ausgleich von Familienlasten" einen staatlichen Beitrag zum Familienbudget erfasst, der die Kosten des Unterhalts von Kindern verringern soll (Rs C-85/99 , Offermanns, Slg 2001, I-2261 Rz 41; vgl Rs C-255/99 , Humer, Slg 2002, I-1205). Die Art der Finanzierung einer Leistung ist für ihre Qualifizierung als Leistung der sozialen Sicherheit ohne Belang. Wie der Mitgliedstaat die Leistung rechtstechnisch ausgestaltet, ist unerheblich (EuGH Rs C-85/99 , Offermanns, Slg 2001, I-2261 Rz 46 mwN).

Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin ist es daher für die Beurteilung der liechtensteinischen Geburtszulage als Familienleistung im Sinn der Verordnung ohne Bedeutung, ob diese Geburtszulage eine Versicherungsleistung darstellt. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen unter 2. a) ergibt, bezweckt die liechtensteinische Geburtszulage jedenfalls in Bezug auf lebend geborene Kinder eine Verringerung der Kosten deren Unterhalts. Da Abschnitt II der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 - besondere Geburts- oder Adoptionsbeihilfen, die nach Art 1 lit u Z i nicht in den Geltungsbereich der Verordnung fallen - die liechtensteinische Geburtszulage nicht nennt, ist diese Leistung eine Familienleistung im Sinn der Verordnung.

3. Zutreffend ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass für die Entscheidung des Streitfalls die Antikumulierungsregel des Art 10 Abs 1 lit a der Verordnung (EWG) Nr 574/72 (zu ergänzen: in der durch die Verordnung Nr 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung) maßgeblich ist. In den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fällt der Fall der Ausübung einer Erwerbstätigkeit nur durch einen Elternteil (EuGH Rs C-543/03 , Dodl und Oberhollenzer, Slg 2005, I-5049 Rz 55). Art 10 Abs 1 lit a der genannten Verordnung sieht unter anderem vor, dass, wenn die Familienleistungen im Wohnmitgliedstaat des Kindes unabhängig von Versicherungs- oder Beschäftigungsvoraussetzungen geschuldet werden, diese Ansprüche dann ruhen, wenn „während desselben Zeitraums für dasselbe Familienmitglied Leistungen allein aufgrund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats oder nach Art 73, 74, 77 oder 78 der Verordnung geschuldet werden, bis zur Höhe dieser geschuldeten Leistungen."

Die Klägerin hat einen eigenen Anspruch auf das österreichische Kinderbetreuungsgeld nach dem Kindergeldbetreuungsgesetz, der nicht von einer Versicherung, Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit abhängt. Ihr Ehemann hat den Anspruch auf die liechtensteinische Geburtszulage schon allein aufgrund liechtensteinischen Rechts. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin ist Art 10 Abs 1 lit a der Verordnung (EWG) Nr 574/72 nicht deshalb unanwendbar, weil die Klägerin nicht Anspruchsberechtigte der liechtensteinischen Geburtszulage ist. Wie der EuGH entschieden hat, können Familienleistungen schon von ihrer Natur her nicht als Ansprüche betrachtet werden, die einem Einzelnen unabhängig von seiner familiären Situation zustehen. Dies bedeutet, dass es nicht darauf ankommt, ob es sich bei dem Leistungsberechtigten um einen Familienangehörigen des Arbeitnehmers oder den Arbeitnehmer selbst handelt (EuGH Rs C-255/99 , Humer, Slg 2002, I-1205 Rz 50, ua).

b) Die Vorinstanzen sind der Auffassung, für das angeordnete Ruhen komme es nicht auf die Gleichartigkeit der zusammentreffenden Leistungen an.

Dem ist nicht zu folgen:

Der EuGH hat mehrmals zu den für Familienleistungen geltenden Antikumulierungsvorschriften der Art 76 Verordnung (EWG) Nr 1408/71 und Art 10 Verordnung (EWG) Nr 574/72 ausgesprochen, dass diese Anwendung finden, wenn vergleichbare (gleichartige) Leistungen (aus dem Beschäftigungsmitgliedstaat und dem Wohnmitgliedstaat) zusammentreffen (vgl Rs C-104/80 , Beeck, Slg 1981, 503 Rz 12; Rs C-24/88 , Georges, Slg 1989, 1905 Rz 13; Rs C-119/91 , Mc Menamin, Slg 1992, I-6393 Rz 27; Rs C-543/03 , Dodl und Oberhollenzer, Slg 2005, I-5049 Rz 59; Rs C-153/03 , Weide, Slg 2005, I-6017 Rz 30). Die vom Erstgericht zur Stützung seiner Ansicht herangezogenen Entscheidung des EuGH vom 31. 5. 2001, Rs C-43/99 , Leclere/Deaconescu, Slg 2001, I-4265, behandelt die Frage der Antikumulierung nicht. Vergleichbarkeit der zusammentreffenden Leistungen ist anzunehmen, wenn die Leistungen einander nach Funktion und Struktur im Wesentlichen entsprechen (vgl Schuler in Fuchs, Europäisches Sozialrecht4, Art 12 Rz 20).

Während das österreichische Kinderbetreuungsgeld eine fortlaufende Leistung für Elternteile ist, die sich gezielt der Kindererziehung in den ersten 30 Monaten, höchstens 36 Lebensmonaten des Kindes widmen und die dazu dient, die Erziehung des Kindes zu vergüten, die anderen Betreuungs- und Erziehungskosten auszugleichen und gegebenenfalls die finanziellen Nachteile, die der Verzicht auf ein (Voll)Erwerbseinkommen bedeutet, abzumildern (Ehmer ua, Kinderbetreuungsgeldgesetz 42 f), ist die liechtensteinische Geburtszulage eine einmalige Leistung, die nach ihrem Schwerpunkt die mit der Geburt für sich allein verbundenen (die Zulage gebührt auch für ein tot geborenes Kind) finanziellen Aufwendungen teilweise abdecken soll. Diese Unterschiede in Funktion und Struktur der beiden Leistungen lassen eine Vergleichbarkeit nicht annehmen. Daraus folgt, dass der Anspruch der Klägerin auf Kinderbetreuungsgeld durch die liechtensteinische Geburtszulage nicht zum teilweisen Ruhen gebracht wird. Der Klägerin steht das Kinderbetreuungsgeld (auch) für den Zeitraum vom 24. 9. 2006 bis 31. 12. 2006 ungeschmälert zu. Dies war in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen auszusprechen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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