OGH 10ObS63/03t

OGH10ObS63/03t4.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Leopold Smrcka (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Milan K*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Mag. Johannes Kruckenhauser, Rechtsanwalt in Wörgl, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Oktober 2002, GZ 25 Rs 102/02i-44, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. Juni 2002, GZ 16 Cgs 194/99a-39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Eingangs ist festzuhalten, dass die Bezeichnung der beklagten Partei amtswegig von "Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter" auf "Pensionsversicherungsanstalt" zu berichtigen war, weil mit 1. 1. 2003 alle Rechte und Verbindlichkeiten der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter auf die neu errichtete Pensionsversicherungsanstalt als Gesamtrechtsnachfolger übergingen (§ 538a ASVG idF 59. ASVG-Nov BGBl I Nr 1/2002).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit nach § 503 Z 3 ZPO liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO). Den Revisionsausführungen ist zunächst entgegenzuhalten, dass eine in der Berufung nicht erhobene Aktenwidrigkeitsrüge in der Revision nicht nachgetragen werden kann (SSV-NF 4/73). Im Übrigen geht aus dem Ersturteil eindeutig hervor, dass die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über mangelnde theoretische Kenntnisse des Klägers im Lehrberuf des Berufskraftfahrers nicht auf einer vom Erstgericht sondern vom berufskundlichen Sachverständigen vorgenommenen Überprüfung beruhen. Die insoweit gerügte Aktenwidrigkeit ist daher auch inhaltlich nicht gegeben.

Soweit der Revisionswerber unter diesem Revisionsgrund eine mangelnde Überprüfbarkeit des vom Erstgericht eingeholten berufskundlichen Gutachtens rügt, behauptet der Revisionswerber einen Verfahrensmangel erster Instanz, den das Berufungsgericht nicht für gegeben erachtete und der daher nach ständiger Rechtsprechung (SSV-NF 7/74 mwN ua) mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden kann. Die Anfechtung der Ergebnisse des berufskundlichen Sachverständigengutachtens und die damit verbundene Frage, ob das Gutachten die getroffenen Feststellungen rechtfertigt, betrifft ebenso wie die Frage, ob außer dem vorliegenden Gutachten noch ein weiteres berufskundliches Gutachten zu demselben Beweisthema einzuholen gewesen wäre, die Beweiswürdigung und kann daher im Revisionsverfahren nicht mehr überprüft werden (SSV-NF 7/12, 6/28 mwN uva).

Ausgehend von dem von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt muss auch die Rechtsrüge erfolglos bleiben. Ein angelernter Beruf liegt nach § 255 Abs 2 ASVG vor, wenn der Versicherte eine Tätigkeit ausübt, für die es erforderlich ist, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist der Berufsschutz nicht erst dann zu bejahen, wenn der Versicherte alle Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, die nach den Ausbildungsvorschriften (hier:

Berufskraftfahrer-Ausbildungsordnung BGBl II 1998/152; gleichermaßen auch die hiedurch aufgehobenen Verordnungen BGBl 1995/902, BGBl 1992/508 und BGBl 1987/369) zum Berufsbild des Lehrberufes zählen und daher einem Lehrling während der Lehrzeit zu vermitteln sind. Es kommt vielmehr darauf an, dass er über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die üblicherweise von Ausgelernten (Facharbeitern) des jeweiligen Berufes in dessen auf den Arbeitsmarkt gefragten Varianten (Berufsgruppe) unter Berücksichtigung einer betrieblichen Einschulungszeit verlangt werden. Es reicht allerdings nicht aus, wenn sich die Kenntnisse und Fähigkeiten nur auf ein Teilgebiet oder mehrere Teilgebiete eines Tätigkeitsbereiches beschränken, die von Ausgelernten (Facharbeitern) allgemein in viel weiterem Umfang beherrscht werden. Das Fehlen von einzelnen, nicht zentralen Kenntnissen und Fähigkeiten eines Lehrberufes steht dagegen der Annahme des Berufschutzes nicht entgegen (SSV-NF 14/36, 12/5 mwN ua). Aus den Feststellungen der Vorinstanzen, an die der Oberste Gerichtshof, der keine Tatsacheninstanz ist, gebunden ist, ergibt sich, dass der Kläger in den Bereichen Abfahrtskontrolle durch den Lenker eines Kraftfahrzeuges mit Anhänger, Bremsanlagen an Nutzfahrzeugen sowie Ladungssicherung nur äußerst geringe Kenntnisse besitzt und ihm damit im Vergleich zu einem ausgelernten Berufskraftfahrer elementares Grundwissen fehlt. Diese fehlenden Kenntnisse betreffen nicht nur zentrale Bereiche des Berufsprofils eines Berufskraftfahrers wie die Überprüfung der Betriebs- und Verkehrssicherheit der Kraftfahrzeuge (§ 2 Z 1 Berufskraftfahrer-Ausbildungsordnung), das Warten der Fahrzeuge (§ 2 Z 2) und der Sicherung des Ladegutes (§ 2 Z 7) sondern auch zentrale Kenntnisse, wie sie in der Praxis von Berufskraftfahrern erwartet und verlangt werden. Das Fehlen solcher Kenntnisse beim Kläger ist daher wesentlich. Die Ansicht des Revisionswerbers, es handle sich dabei um bloß theoretische Kenntnisse, die nur im Rahmen der Lehrabschlussprüfung von Bedeutung wären, steht mit den getroffenen Feststellungen nicht im Einklang. Es liegen insoweit auch keine sekundären Feststellungsmängel vor. Ein Kraftfahrer, dessen Kenntnisse nur unwesentlich über diejenigen hinausgehen, die von jedem Lenker eines Schwerkraftfahrzeuges anlässlich der Führerscheinprüfung verlangt werden, übt nach ständiger Rechtsprechung keinen angelernten Beruf aus (vgl RIS-Justiz RS0084792). Da der Kläger somit wesentliche Kenntnisse, die für das Berufsbild des Berufskraftfahrers vorausgesetzt werden, nicht aufweist, kommt ihm ein Berufsschutz als angelernter Berufskraftfahrer nicht zu. Der Kläger würde daher nur unter den in § 255 Abs 3 ASVG genannten Voraussetzungen als invalid gelten, die jedoch wegen der zumutbaren Verweisungstätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unbestritten nicht vorliegen. Der Revision ist somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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