Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der am 27. 7. 1943 geborene Kläger stellte am 29. 5. 2000 bei der beklagten Partei den Antrag auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zum Stichtag 1. 6. 2000.
Mit Bescheid der beklagten Partei vom 14. 7. 2000 wurde dieser Antrag des Klägers auf Zuerkennung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit unter Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 253d, 587 Abs 4 ASVG ohne Überprüfung der allgemeinen und besonderen Anspruchsvoraussetzungen mit der Begründung abgelehnt, dass Anträge auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, die nach dem 23. Mai 2000 und vor dem 2. Juni 2000 gestellt wurden, als Anträge auf Invaliditätspension gemäß § 255 Abs 4 ASVG in der ab 1. Juli 2000 geltenden Fassung zu werten seien. Der Anspruch auf Invaliditätspension gemäß § 255 Abs 4 ASVG sei unter anderem an die Voraussetzung geknüpft, dass der (die) Versicherte das 57. Lebensjahr vollendet habe. Da der Kläger das 57. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, sei sein Antrag abzulehnen.
Das Erstgericht wies mit Urteil vom 9. Oktober 2000 (auch Tag des Schlusses der mündlichen Verhandlung) das vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene, auf die Gewährung der beantragten Leistung ab dem 1. 6. 2000 gerichtete Klagebegehren ab und folgte dabei dem von der beklagten Partei im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsstandpunkt. Eine allfällige Verfassungswidrigkeit der Bestimmung des § 587 Abs 4 ASVG könne vom Erstgericht nicht aufgegriffen werden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers, in der ausschließlich verfassungs- und gemeinschaftsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des § 587 Abs 4 ASVG geltend gemacht wurden, nicht Folge, weil es diese Bedenken nicht teilte.
Gegen dieses Urteil erhebt der Kläger Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass seinem Begehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinne ihres Eventualantrages berechtigt.
Der Kläger macht in seinen Revisionsausführungen primär eine Verletzung des Gleichheitssatzes gemäß Art 7 B-VG und Art 2 StGG geltend, weil der Gesetzgeber rückwirkend in gravierender Weise in Rechte der Normunterworfenen eingegriffen habe, ohne dass eine sachliche Rechtfertigung vorliege. De facto sei es zu einer rückwirkenden Erhöhung des Pensionsantrittsalters für männliche Versicherte um zwischen 2 und 6,5 Jahren gekommen. Diesem gravierenden Eingriff stehe als - nicht ausreichende - sachliche Rechtfertigung nur das von der Regierung formulierte Ziel der langfristigen Sicherung des Pensionssystems und der durch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Buchner ausgelöste Anstieg der Anträge auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeiten von männlichen Versicherten unter 57 Jahren gegenüber. Diese Auswirkungen seien vom Gesetzgeber aber sehenden Auges in Kauf genommen worden. Von den betroffenen Personen habe im Hinblick auf Veröffentlichungen in Medien und die Auskunftspraxis der Arbeitnehmerinteressenvertretungen niemand ernsthaft damit rechnen können, dass § 253d ASVG rückwirkend beseitigt werde. Nach dem Koalitionsübereinkommen der nunmehrigen Regierungsparteien sei nur damit zu rechnen gewesen, dass das Zugangsalter zur vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ab 1. 10. 2000 schrittweise bis 1. 10. 2002 angehoben werde.
Im übrigen müsse die europarechtswidrige Anhebung des Pensionsantrittsalters für männliche Versicherte von 55 auf 57 durch das Strukturanpassungsgesetz im Hinblick auf die unmittelbare Wirkung der Richtlinie 79/7/EWG und den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts unangewendet bleiben. Der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit sei daher die durch die 51. ASVG-Novelle (Sozialrechtsänderungsgesetz 1993) geschaffene Rechtslage zugrunde zu legen. Dann könne aber kein Zweifel bestehen, dass zwischen 1993 und 2000 ein zu schützendes Vertrauen auf ein Pensionsantrittsalter von 55 Jahren entstanden wäre. Im Sinne dieser Ausführungen werde auch die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens angeregt.
Weiters sieht der Revisionswerber einen Verstoß gegen den grundrechtlichen Eigentumsschutz gemäß Art 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK sowie Art 5 StGG. Der Kläger habe die Anspruchsvoraussetzungen für die Zuerkennung der Pensionsleistung bereits erfüllt gehabt, als der konkrete Pensionsanspruch durch den rückwirkenden Eingriff des Gesetzgebers vernichtet worden sei.
Darüber hinaus widerspreche § 587 Abs 4 ASVG idF des Sozialrechtsänderungsgesetzes 2000 dem sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden Verbot der Rückwirkung. Bis zur Erlassung einer richtlinienkonformen (nicht diskriminierenden) Regel im nationalen Recht ergebe sich ein Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit sowohl bei männlichen als auch weiblichen Versicherten mit Vollendung des 55. Lebensjahres. Das grundsätzlich freie Ermessen bei der Herstellung eines richtlinienkonformen Zustandes, indem das bisher bevorzugte Geschlecht an das bisher benachteiligte angepasst werde, gelte nur für die Zukunft. Verspätet getroffene nationale Durchführungsmaßnahmen müssten in vollem Umfang die Rechte der Einzelnen beachten, die in einem Mitgliedstaat auf Grund von Art 4 Abs 1 der - unmittelbar anwendbaren - Richtlinie 79/7 mit dem Ablauf der Umsetzungsfrist entstanden seien; andernfalls würden die Mitgliedstaaten nicht angehalten, Richtlinien zeitgerecht umzusetzen.
Ungeachtet der geschlechtsneutralen Formulierung des § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000 werde dennoch eine - mittelbare - Diskriminierung männlicher Versicherter fortgeschrieben, weil gerade diese durch die Regelung getroffen würden. Ohne die europarechtswidrige Bestimmung des § 253d ASVG hätten Männer nicht bis zur EuGH-Entscheidung vom 23. 5. 2000 mit einer Antragstellung zuwarten müssen; Frauen hätten demgegenüber auf Grund der sie begünstigenden nationalen Bestimmung nach Vollendung des 55. Lebensjahres laufend die Pensionsleistung beantragen können. Auch in diesem Zusammenhang werde eine Vorabentscheidungsvorlage angeregt.
Schließlich sei nicht die Rechtslage zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Gerichtsverfahren, sondern die Rechtslage zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch die beklagte Partei (14. 7. 2000) maßgebend. Zu letzterem Zeitpunkt sei zwar im Bundesgesetzblatt das Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 (SVÄG 2000, BGBl I 43/2000 - im Folgenden: SVÄG 2000) bereits kundgemacht gewesen, nicht jedoch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 (SRÄG 2000, BGBl I 92/2000 bzw 101/2000 - im Folgenden: SRÄG 2000). Die erst durch § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000 verfügte Umdeutung von Anträgen könne nicht mehr auf solche Anträge wirken, über die bereits bescheidmäßig abgesprochen worden sei, weil dadurch der zulässige Verfahrensgegenstand bereits endgültig festgelegt worden sei. Die Unanwendbarkeit des § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000 ergebe sich im übrigen aus dem eindeutigen Wortlaut, wonach nur "Anträge" auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit als Anträge auf Invaliditätspension zu werten seien; Bescheidklagen seien davon nicht umfasst, sodass § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000 auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden dürfe.
Zu diesen Revisionsausführungen ist vorweg Folgendes festzuhalten:
Während für die seinerzeit mit der 51. ASVG-Novelle mit Wirksamkeit ab 1. 7. 1993 eingeführte neue Leistung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) zunächst im Sinne der allgemein angestrebten Angleichung des Pensionsanfallsalters mit der Vollendung des 55. Lebensjahres ein einheitliches Anfallsalter für Männer und Frauen vorgesehen war, wurde durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 (BGBl 1996/201) das Anfallsalter für Männer auf das vollendete 57. Lebensjahr hinaufgesetzt, während für weibliche Versicherte die Vollendung des 55. Lebensjahres weiterhin ausreichte.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat mit Urteil vom 23. 5. 2000, Rs C-104/98 , Buchner - unter anderem veröffentlicht in DRdA 2000, 449 ff [Panhölzl] und WBl 2000, 313 - ausgesprochen, dass das unterschiedliche Pensionsanfallsalter für Männer und Frauen von 57 bzw 55 Jahren für die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit (§ 122c BSVG in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl 1996/201) gegen Art 7 der RL 79/7/EWG des Rates vom 19. 12. 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit verstößt. Die von der österreichischen Bundesregierung unter Hinweis auf die bedeutenden finanziellen Auswirkungen einer Aufhebung der diskriminierenden Maßnahmen gewünschte Begrenzung der zeitlichen Wirkungen der Entscheidung lehnte der EuGH unter Hinweis darauf, dass zum Zeitpunkt der Einführung der unterschiedlichen Zugangsalter bereits eine ständige Rechtsprechung des EuGH zu den relevierten Fragen vorlag, die es der Republik Österreich ermöglichte, die Vereinbarkeit dieser Regelung mit der RL zu prüfen, ab (RNr 40). Zudem rechtfertigten die finanziellen Konsequenzen, die sich aus einer Vorabentscheidung für einen Mitgliedsstaat ergeben können, für sich allein nicht die zeitliche Begrenzung der Wirkungen des betreffenden Urteils (RNr 41).
Da somit der EuGH keinen Anlass sah, die Wirkungen seiner Entscheidung zeitlich zu begrenzen, war sein Erkenntnis sofort wirksam und umfasste auch alle gleichartigen Tatbestände im ASVG und GSVG. Aufgrund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechtes war daher die durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 mit Wirksamkeit vom 1. 7. 1996 auch im Bereich der vorzeitigen Alterspensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (§ 253d ASVG) eingeführte Erhöhung des Anfallsalters für Männer von bisher 55 auf 57 Jahre unbeachtlich. Es konnten somit auch die Männer diese Pensionsart bis zum Wirksamwerden einer mit dem Gemeinschaftsrecht übereinstimmenden neuen Regelung bereits nach Vollendung des 55. Lebensjahres in Anspruch nehmen (10 ObS 200/00k ua; Tomandl, Gedanken zum Vertrauensschutz im Sozialrecht, ZAS 2000, 129 ff [138]; Resch, OLG Linz: Aufhebung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nicht verfassungswidrig, RdW 2001, 28 f; Rudda, Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 - Wesentliche Änderungen beim Berufs-(Tätigkeits-)schutz, SozSi 2000, 554 f [555] ua).
Bereits zum Zeitpunkt der Verkündung des EuGH-Erkenntnisses vom 23.5.2000, Rs C-104/98 , Buchner, bestand die Absicht der Koalitionsparteien, die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) zur Gänze abzuschaffen. Es hatte nämlich auch die Erhöhung des Anfallsalters für Männer von 55 auf 57 Jahre für diese Pensionsart den Anstieg von 45.940 Zuerkennungen (Stand 1996) auf 86.596 Zuerkennungen dieser Leistung (Stand Juli 2000) nicht verhindern können. Die Bundesregierung hatte daher in ihrer Punktation vom 5. April 2000 und auch in dem vom Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ende April 2000 zur Begutachtung versendeten Entwurf zu einem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 an der Aufhebung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) ab 1. Oktober 2000 festgehalten (Rudda aaO 554). Auch eine von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission in Pensionsfragen schlug eine Aufhebung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) vor (Tomandl aaO 138 f; derselbe, Die Vorschläge der Pensionskommission und ihre Aufnahme durch die Bundesregierung, SozSi 2000, 432 ff [435]; Rudda, Neuer Berufsschutz in der Pensionsversicherung, SozSi 2000, 852 ff).
Das EuGH-Erkenntnis vom 23. 5. 2000 führte infolge des außerordentlichen Medieninteresses und von Aktionen seitens der Betriebs- und Interessenvertretungen vom 24. Mai bis 1. Juni 2000 zu einer Flut von Anträgen. Während in den letzten drei Jahren (1997 bis 1999) durchschnittlich pro Monat 1230 Anträge auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) bei allen Pensionsversicherungsträgern gestellt wurden, waren dies in der Woche nach Verkündung des EuGH-Urteils - vom 24. Mai bis 1. Juni 2000 - insgesamt 5388 Anträge, vor allem von 55 bis 57jährigen Männern. Stellten in den Jahren 1994 bis 1999 die Männer in der Regel rund drei Viertel aller Anträge auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit), betrafen diese in der Woche vom 24. Mai bis 1. Juni 2000 bei allen Pensionsversicherungsträgern gestellten Anträge zu über 92 % Männer und zu weniger als 8 % Frauen. Bei der im vorliegenden Fall beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter betrafen diese Anträge sogar zu 94 % Männer und lediglich zu 6 % Frauen (vgl dazu die statistischen Tabellen 1 und 2 in Rudda, Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur unterschiedlichen Altersgrenze von Männern und Frauen bei vorzeitigen Alterspensionen wegen Erwerbsunfähigkeit und seine Folgen, SozSi 2001, 337 ff). Mit diesen überproportionalen Antragstellungen waren jährliche Mehraufwendungen von etwa S 1,4 Milliarden für den Bund zu befürchten (vgl Rudda aaO 337).
In der Sitzung des Sozialausschusses des Nationalrates vom 25. Mai 2000 wurde ein Abänderungsantrag der Regierungsparteien zu einem Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 eingebracht, der unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das am 23. 5. 2000 verkündete Urteil des EuGH eine Aufhebung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) nicht erst mit Wirksamkeit vom 1. Oktober 2000, sondern bereits mit Wirksamkeit vom 1. Juli 2000 vorsah. Für noch nicht 57-jährige männliche Versicherte, die nicht schon bis zum Ablauf des 22. Mai 2000 einen Antrag auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) gestellt hatten, sondern erst das am 23. Mai 2000 verkündete einschlägige Urteil des EuGH zum Anlass genommen hatten, einen solchen Antrag zu stellen, sollte die durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 geschaffene Rechtslage weiterhin gelten. Als flankierende Maßnahme zur Abfederung von Härten infolge der Aufhebung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) sollte gleichzeitig der Berufsschutz für Personen ab dem vollendeten 57. Lebensjahr verbessert werden (AB 187 BlgNR XXI. GP, 3 f).
Im Plenum des Nationalrates wurde das Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 am 7. Juni 2000 beschlossen und am 7. Juli 2000 im BGBl I als Nr 43 (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 - SVÄG 2000) kundgemacht. Nach § 587 Abs 2 ASVG idF SVÄG 2000 tritt § 253d mit Ablauf des 30. Juni 2000 außer Kraft. Nach Abs 3 der zitierten Gesetzesstelle ist § 253d in der am 30. Juni 2000 geltenden Fassung auf Personen, die Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit mit Stichtag vor dem 1. Juli 2000 haben, weiterhin anzuwenden. Auf männliche Versicherte, die nach dem 22. Mai 1943 geboren wurden und die die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nach dem 22. Mai 2000 beantragt haben, ist § 253d nicht mehr anzuwenden (§ 587 Abs 4 ASVG idF SVÄG 2000). Der verbesserte Berufsschutz nach § 255 Abs 4 in der in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Fassung ist nur auf Versicherungsfälle anzuwenden, in denen der Stichtag nach dem 30. Juni 2000 liegt (§ 587 Abs 5 ASVG idF SVÄG 2000).
Mit Erlass vom 15. Juni 2000, GZ 21.113/2-2/00 (vgl SozSi 2000, 556), ersuchte das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen die Sozialversicherungsträger, die am 7. Juni 2000 durch das Plenum des Nationalrates beschlossene Rechtslage bereits vor Verlautbarung im Bundesgesetzblatt anzuwenden, mit der bescheidmäßigen Erledigung aber bis zur Verlautbarung des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes (SVÄG) 2000 im Bundesgesetzblatt zu warten.
Offensichtlich wegen europarechtlicher Bedenken wurde die Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SVÄG 2000 in der Folge durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 (SRÄG 2000, BGBl I 92/2000) abgeändert. Nach § 587 Abs 4 idF SRÄG 2000 sind Anträge auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, die nach dem 23. Mai 2000 und vor dem 2. Juni 2000 gestellt wurden, als Anträge auf Invaliditäts-(Berufsunfähigkeits-)Pension mit Stichtag 1. Juni 2000 zu werten, wobei § 255 Abs 4 idF des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2000, BGBl I Nr 43, anzuwenden ist. Nach den Gesetzesmaterialien (AB 254 BlgNR XXI. GP, 8) werden aus Gründen der EG-Konformität des österreichischen Dauerrechtes § 253d ASVG sowie die entsprechenden Parallelbestimmungen mit Ablauf des 30. Juni 2000 aufgehoben und es wird zum selben Zeitpunkt eine neue Form der Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit geschaffen (§ 255 Abs 4 ASVG idF des SVÄG 2000). Die vorgeschlagene Bestimmung (§ 587 Abs 4 ASVG) soll diese Neuregelung ergänzen, indem diese Rechtsänderung für Anträge, die im Übergangszeitraum nach dem Tag des EuGH-Urteils, also dem 24. Mai 2000, und vor dem 2. Juni 2000 gestellt wurden und die damit einen Stichtag 1. Juni 2000 auslösten, vorgezogen werden soll. Für in diesem Zeitraum gestellte Anträge nach § 253d ASVG soll diese Bestimmung - geschlechtsneutral - nicht mehr zur Anwendung kommen (Vorgriff auf den Entfall) und es sollen diese Anträge bereits als Anträge nach § 255 Abs 4 ASVG gelten (Vorgriff auf das Inkrafttreten dieser neuen Leistungsvariante). Das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 (SRÄG 2000) wurde erstmals am 11. August 2000 im Teil I des Bundesgesetzblattes unter der Nr 92 kundgemacht. Am 24. August 2000 wurde es nochmals im Teil I des Bundesgesetzblattes unter der Nr 101 kundgemacht, wobei angefügt wurde, dass diese Kundmachung die erste Kundmachung ersetzen soll.
Ausgehend von der dargestellten Rechtslage hat der erkennende Senat Folgendes erwogen:
Im vorliegenden Fall hat der Kläger am 29. 5. 2000 bei der beklagten Partei den Antrag auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nach § 253d ASVG gestellt. Diesen Antrag des Klägers hat die beklagte Partei mit Bescheid vom 14. 7. 2000 abgelehnt. Gegenstand des Verfahrens vor dem Arbeits- und Sozialgericht ist somit das vom Kläger gegen diesen ablehnenden Bescheid rechtzeitig erhobene und auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gerichtete Klagebegehren. In der Pensionsversicherung richtet sich die Beurteilung, ob, in welchem Zweig der Versicherung und in welchem Ausmaß eine Leistung gebührt, nach den Verhältnissen am Stichtag. Der Stichtag ist bei Anträgen auf eine Leistung aus den Versicherungsfällen des Alters und der geminderten Arbeitsfähigkeit der Tag der Antragstellung, wenn dieser auf einen Monatsersten fällt, sonst der dem Tag der Antragstellung folgende Monatserste. Im vorliegenden Fall ist somit unbestritten zum Stichtag 1. 6. 2000 das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen für die vom Kläger begehrte Versicherungsleistung zu prüfen.
Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am 13. Juli 2000 war zwar bereits das SVÄG 2000 (BGBl I 43/2000), nicht jedoch das SRÄG 2000 (BGBl I 92 bzw 101/2000) kundgemacht. Damit entfaltete das SRÄG 2000 im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch keine Rechtswirkungen und es bestand damals somit auch noch keine Rechtsgrundlage für eine Umdeutung des auf die Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gerichteten Leistungsantrages des Klägers auf einen Antrag auf Gewährung der Invaliditätspension gemäß § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000. Es war vielmehr, wie bereits oben dargelegt wurde, im Sinne der bindenden Rechtsansicht des EuGH davon auszugehen, dass die österreichische Rechtslage, nach der das Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit für Frauen 55 und für Männer 57 Jahre beträgt, als geschlechtsspezifische Diskriminierung dem Gemeinschaftsrecht widerspricht und aufgrund des Anwendungsvorganges des Gemeinschaftsrechtes die durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 mit Wirksamkeit vom 1. Juli 1996 eingeführte Erhöhung des Anfallsalters für Männer von bisher 55 auf 57 Jahre unbeachtlich ist.
Nach § 587 Abs 2 ASVG idF SVÄG 2000 tritt die Bestimmung über die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (§ 253d ASVG) erst mit Ablauf des 30. Juni 2000 außer Kraft und es ist § 253d ASVG in der am 30. Juni 2000 geltenden Fassung auf Personen, die Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit mit Stichtag vor dem 1. Juli 2000 haben, weiterhin anzuwenden (§ 587 Abs 3 ASVG idF SVÄG 2000). Dies bedeutet, dass die alte Regelung über die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nach dem Übergangsrecht zum SVÄG 2000 erst für Stichtage ab 1. 7. 2000 aufgehoben wurde. Nach § 587 Abs 4 idF SVÄG 2000 soll allerdings diese alte Regelung auf männliche Versicherte, die nach dem 22. Mai 1943 geboren wurden und die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nach dem 22. Mai 2000 beantragt haben, nicht mehr anzuwenden sein. Damit wird aber genau für diese Personengruppe von männlichen Versicherten, die als von der gemeinschaftsrechtswidrigen Regelung des § 253d ASVG unmittelbar Betroffene im Sinne der Entscheidung des EuGH vom 23. 5. 2000 einen Antrag auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gestellt haben, die vom EuGH ausdrücklich für mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar erklärte geschlechtsspezifische Diskriminierung fortgeschrieben. Während nämlich aufgrund der Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SVÄG 2000 männlichen Versicherten, die nach dem 22. Mai 1943 geboren wurden und die die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nach dem 22. Mai 2000 beantragt haben, eine solche zum Stichtag 1. 6. 2000 beantragte Pensionsleistung nicht zustünde, könnte sie hingegen weiblichen Versicherten - zum Stichtag 1. 6. 2000 - unter anderem auch dann zuerkannt werden, wenn diese nach dem 22. Mai 1943 geboren sind und diese Pensionsleistung nach dem 22. Mai 2000 beantragt haben. Der EuGH hat die damit beabsichtigte Begrenzung der zeitlichen Wirkungen seines Urteiles vom 23. 5. 2000, die bereits im Vorabentscheidungsverfahren von der österreichischen Bundesregierung begehrt wurde, aber ausdrücklich abgelehnt und ausgeführt, dass auch finanzielle Konsequenzen, die sich aus einer Vorabentscheidung ergeben können, nicht die zeitliche Begrenzung der Wirkungen des vorliegenden Urteils rechtfertigen (RNr 37 ff). Es ist daher unter Zugrundelegung der bindenden Rechtsansicht des EuGH ohne Einholung einer neuerlichen Vorabentscheidung davon auszugehen, dass auch die Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SVÄG 2000 als geschlechtsspezifische unmittelbare Diskriminierung dem Gemeinschaftsrecht widerspricht, diese Übergangsbestimmung aufgrund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts somit unbeachtlich ist und deshalb dem Begehren des Klägers nicht mit Erfolg entgegengehalten werden kann (vgl auch Resch aaO 29).
Die Arbeits- und Sozialgerichte werden in Sozialrechtssachen grundsätzlich im Rahmen der durch die sukzessive Zuständigkeit vorgegebenen und begrenzten Entscheidungskompetenz tätig. Im Rahmen dieser sukzessiven Kompetenz ist es aber nicht die Aufgabe der Arbeits- und Sozialgerichte, die von den Sozialversicherungsträgern erlassenen und von den Versicherten bekämpften Bescheide im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens zu überprüfen, sondern die Entscheidung ist vom Gericht völlig neu und unabhängig vom Verwaltungsverfahren zu treffen (SSV-NF 7/30, 5/50, 2/42 mwN ua; Kuderna, ASGG2 Anm 1 zu § 67; Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen 7 ff und 492 f; Fasching/Klicka in Tomandl, SV-System 9. ErgLfg 713 ua). Das Gericht hat die Sache nach allen Richtungen selbständig zu beurteilen, wobei alle Änderungen (auch Gesetzesänderungen) jedenfalls bis zum Schluss der Verhandlung in erster Instanz zu berücksichtigen sind (SSV-NF 10/113 mwN ua). Dem Urteil eines Arbeits- und Sozialgerichtes ist somit auch in Sozialrechtssachen jene Sach- und Rechtslage zugrundezulegen, wie sie sich bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz (also nicht bloß der zeitlich davorliegenden Bescheiderlassung) präsentiert (SSV-NF 12/154, 6/137, 3/134, 3/145 mwN ua; Fink aaO 510 mwN). Es ist daher auch die vom Gesetzgeber offensichtlich bereits wegen europarechtlicher Bedenken vorgenommene Änderung der Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SVÄG 2000 durch das SRÄG 2000 (BGBl I 92 bzw 101/2000) in die Beurteilung einzubeziehen. Nach dieser geänderten - und nunmehr geschlechtsneutral formulierten - Bestimmung sind Anträge auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, die nach dem 23. Mai 2000 und vor dem 2. Juni 2000 gestellt wurden, als Anträge auf Invaliditäts-(Berufsunfähigkeits-)Pension mit Stichtag 1. Juni 2000 zu werten, wobei § 255 Abs 4 ASVG idF des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2000, BGBl I Nr 43, anzuwenden ist. Der Gesetzgeber hat damit in der Zeit zwischen Kundmachung des EuGH-Urteils und dem Außerkrafttreten der Regelung gestellte Anträge auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit in Anträge auf eine Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Invaliditäts- bzw Berufungsunfähigkeitspension) umgedeutet, auf die er aber gleichzeitig den neuen § 255 Abs 4 ASVG für anwendbar erklärt hat.
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass das SRÄG 2000 erstmals am 11. August 2000 im Teil I des Bundesgesetzblattes unter der Nr 92 und am 24. August 2000 nochmals unter der Nr 101 kundgemacht wurde, wobei angefügt wurde, dass diese Kundmachung die erste Kundmachung ersetzen soll. Es ist in diesem Zusammenhang auf das in einem Gesetzesprüfungsverfahren mittlerweile ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. März 2001, G 152/00-11, zu verweisen, wonach zwar das SRÄG 2000, BGBl I 101, auch im Umfang der hier maßgebenden Übergangsbestimmung des Art 1 Z 52c (betreffend § 587 Abs 4 ASVG) als verfassungswidrig aufgehoben wurde und diese Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist, der gegen die gleichlautende Bestimmung des SRÄG 2000, BGBl I 92, gerichtete Antrag jedoch abgewiesen wurde, weil die festgestellten Publikationsmängel diese gesetzliche Bestimmung nicht betreffen.
Die somit weiterhin anzuwendende Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000, BGBl I Nr 92, steht jedoch ebenfalls im Widerspruch zum Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art 4 Abs 1 der Richtlinie des Rates zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (RL 79/7/EWG - im Folgenden kurz RL). Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH haben die Mitglieder der benachteiligten Gruppe, solange keine mit dem Gemeinschaftsrecht übereinstimmende neue Regelung besteht, Anspruch auf die gleiche Behandlung und auf Anwendung der gleichen Regelung wie die Angehörigen der bevorzugten Gruppe, da dieses System das einzig gültige Bezugssystem für die Gleichbehandlung ist (Rs 384/85, Borrie Clarke, Slg 1987, 2865; Rs C-184/89 , Nimz, Slg 1991, I-297; Rs C-33/89 , Kowalska, Slg 1990, I-2591, 2612; Rs C-102/88 , Ruzius-Wilbrink, Slg 1989, 4311; Rs C-377/89 , Cotter und Dermott II, Slg 1991, I-1155; Rs C-343/92 , Roks, Slg 1994, I-571 ua). Der EuGH hat es den zuständigen Stellen in den Mitgliedstaaten überlassen, wie sie die Ungleichbehandlung beseitigen, sei es durch Abschaffung der Vergünstigung insgesamt, sei es durch Ausdehnung der Vergünstigung auf die bisher Ausgeschlossenen. Der Gerichtshof hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass das Gemeinschaftsrecht es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, im Rahmen der Kontrolle seiner Sozialausgaben Maßnahmen zu ergreifen, die bewirken, dass bestimmten Personengruppen Leistungen der sozialen Sicherheit entzogen werden, sofern bei diesen Maßnahmen der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Sinne des Art 4 Abs 1 RL beachtet wird (Rs C-343/92 , Roks, Slg 1994, I-571 mwN ua). Dabei ist es allerdings notwendig, dass auch das Übergangsrecht älteres diskriminierendes Recht nicht aufrechterhält. Die Richtlinie sieht nämlich keine Ausnahme von dem in Art 4 Abs 1 RL verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz vor, um die Verlängerung der diskriminierenden Wirkungen früherer innerstaatlicher Vorschriften zu erlauben. Der Umstand, dass diese Ungleichbehandlung von Übergangsbestimmungen herrührt, die anlässlich der Einführung einer neuen Leistung erlassen wurden, kann dabei zu keiner anderen Beurteilung führen (Rs 384/85, Borrie Clarke, Slg 1987, 2865; Rs 80/87, Dik ua, Slg 1988, 1601; Rs C-31/90 , Johnson, Slg 1991, I-3754 ua). Verspätet getroffene nationale Durchführungsmaßnahmen müssen schließlich in vollem Umfang auch die Rechte der Einzelnen beachten, die in einem Mitgliedstaat auf Grund von Art 4 Abs 1 RL mit dem Ablauf der den Mitgliedstaaten für die Anpassung ihrer Vorschriften an die Richtlinie gesetzten Frist entstanden sind (Rs 80/87, Dik ua, Slg 1988, 1601; Rs C-377/89 , Cotter und McDermott, Slg 1991, I-1155; Rs C-343/92 , Roks, Slg 1994, I-571 mwN ua).
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass auf Grund der Entscheidung des EuGH vom 23. 5. 2000 bis zum Wirksamwerden einer mit dem Gemeinschaftsrecht übereinstimmenden neuen Regelung auch Männer eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bereits nach Vollendung des 55. Lebensjahres in Anspruch nehmen konnten. Die diskriminierende (innerstaatliche) Rechtslage wurde erst durch die durch das SVÄG 2000 in gleicher Weise für Männer und Frauen vorgenommene Abschaffung dieser Pensionsleistung mit Ablauf des 30. 6. 2000 beseitigt. Es enthält zwar bereits die Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF des SRÄG 2000 auf Grund ihrer geschlechtsneutralen Fassung - anders als die Vorgängerbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SVÄG 2000 - keine unmittelbar auf dem Geschlecht beruhende Diskriminierung mehr, der Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß Art 4 Abs 1 RL verbietet aber auch eine bloß mittelbare (indirekte) geschlechtsspezifische Diskriminierung. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH liegt eine mittelbare Diskriminierung bei Anwendung einer nationalen Maßnahme, die zwar neutral formuliert ist, tatsächlich aber wesentlich mehr Mitglieder eines Geschlechtes benachteiligt, vor (vgl Rs C-229/89 , Kommission/Belgien, Slg 1991, I-2205; Rs C-343/92 , Roks, Slg 1994, I-571; Rs C-444/93 , Megner und Scheffel, Slg 1995, I-4741 uva). Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH steht daher Art 4 Abs 1 der RL der Anwendung einer nationalen Maßnahme entgegen, die zwar neutral formuliert ist, tatsächlich aber in einem wesentlich höheren Prozentsatz die Angehörigen eines Geschlechtes gegenüber den Angehörigen des anderen Geschlechtes benachteiligt, sofern diese Maßnahme nicht durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes zu tun haben (Rs C-317/93 , Nolte, Slg 1995, I-4625 uva; Egger, Das Arbeits- und Sozialrecht der EG und die österreichische Rechtsordnung 204 f mwN ua). Der EuGH hat sowohl für die Frage der ungleichen Betroffenheit eines Geschlechtes wie auch für die Frage der objektiven Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bzw Regelung immer wieder betont, es sei Aufgabe der nationalen Gerichte, das Vorliegen dieser Voraussetzungen im Einzelfall zu prüfen (vgl Rs C-1/95 , Gerster, Slg 1997, I-5253, 5258;
Rs C-100/95 , Kording, Slg 1997, I-5289, 5298; Rs C-243/95 , Hill, Slg 1998, I-3739, 3770; Rs C-167/97 , Seymour-Smith, Slg 1999, I-623;
Bieback in Fuchs, Komm zum Europäischen Sozialrecht2 578 ua).
Ausgehend von den bereits oben zitierten statistischen Erhebungsergebnissen betrifft die Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000, BGBl I 92, trotz ihrer geschlechtsneutralen Formulierung nahezu auschließlich männliche Versicherte, die nach dem Bekanntwerden des für sie günstigen Urteiles des EuGH in der Zeit vom 24. 5. bis einschließlich 1. 6. 2000 in großer Anzahl Anträge auf Zuerkennung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) zu dem letzten für die Gewährung dieser Leistung noch möglichen Stichtag 1. 6. 2000 gestellt haben. Diese Antragsflut männlicher Versicherter im Zuge des Bekanntwerdens des EuGH-Urteiles war auch Anlass für die Schaffung der Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG. Dass gerade männliche Versicherte durch diese Regelung getroffen werden sollten, zeigt auch die bereits wiedergegebene Entstehungsgeschichte des § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000, insbesondere die nur kurz in Geltung gestandene Fassung dieser Bestimmung nach dem SVÄG 2000. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass bereits in der Vergangenheit die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) regelmäßig überwiegend von Männern in Anspruch genommen wurde, werden durch die Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000 prozentuell doch noch wesentlich mehr Männer als Frauen tatsächlich negativ beeinträchtigt. Außerdem hatten die durch die Abschaffung der genannten Pensionsleistung betroffenen Frauen die Möglichkeit, bei Vorliegen der sonstigen Pensionsvoraussetzungen nach Vollendung des 55. Lebensjahres auf die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer oder bei Arbeitslosigkeit auszuweichen, während den von der Übergangsbestimmung betroffenen Männern ein solches Ausweichen auf Grund des auch für diese Pensionsleistungen geltenden höheren Anfallsalters nicht möglich war und für sie auch die Zuerkennung einer Invaliditätspension nach § 255 Abs 4 ASVG nur bei Erfüllung der dafür vorgesehenen erschwerten Anspruchsvoraussetzungen in Betracht kommen konnte. Unter diesen Umständen trifft der vom Gesetzgeber durch diese Übergangsbestimmung angeordnete Ausschluss dieser Personengruppe vom Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) zu dem letzten für die Gewährung dieser Leistung noch möglichen Stichtag im Ergebnis die Männer deutlich stärker als die Frauen und stellt somit eine mittelbare Diskriminierung männlicher Versicherter im Sinn des Art 4 Abs 1 der RL dar, für die sich kein objektiv rechtfertigender Grund finden lässt, weil die vom Gesetzgeber damit verfolgten Haushaltserwägungen, wie der EuGH bereits in der Rechtssache Buchner ausgeführt hat, eine Diskriminierung nach dem Geschlecht nicht rechtfertigen können. Es ist schließlich auch noch darauf hinzuweisen, dass Frauen nach Vollendung des 55. Lebensjahres die Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit beantragen konnten, während Männer, die das 57. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, keinen Grund hatten, einen derartigen Antrag zu stellen, weil sie nach den nationalen Rechtsvorschriften keinen Anspruch auf eine solche Leistung hatten. Die Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000 bewirkt somit (dadurch, dass sie von diesen Männern verlangt, dass sie ihre Leistung vor dem Urteil des EuGH beantragt haben), dass die zuvor bestehende Diskriminierung bestätigt wird, weil die Männer, die durch das höhere Anfallsalter diskriminiert worden waren, nach diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf diese Pensionsleistung mehr erheben können, die ihnen doch auf Grund der unmittelbaren Wirkung des Art 4 Abs 1 der RL zustand (vgl Rs C-343/92 , Roks, Slg 1994, I-571; Rs C-31/90 , Johnson, Slg 1991, I-3723 ua). Es ist daher auch die Übergangsbestimmung des § 587 Abs 4 ASVG idF SRÄG 2000, BGBl I Nr 92, auf Grund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechtes unbeachtlich.
Aufgrund dieser Erwägungen gelangt der erkennende Senat zu dem Ergebnis, dass auch für den vom Kläger zum Stichtag 1. 6. 2000 geltend gemachten Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit die Vollendung des 55. Lebensjahres am Stichtag ausreichend ist. Diese Voraussetzung liegt beim Kläger unstrittig vor.
Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren ausschließlich deshalb abgewiesen, weil der Kläger am Stichtag das 57. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Da dieser Abweisungsgrund nicht tragend ist, das Vorliegen der übrigen allgemeinen und besonderen Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Leistung bisher aber nicht erörtert wurde, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen schon aufgrund dieser Erwägungen zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung aufzuheben. Es erübrigt sich daher ein Eingehen auf die weiteren in der Revision vorgetragenen Argumente, insbesondere die darin geäußerten verfassungsrechtlichen und (weiteren) gemeinschaftsrechtlichen Bedenken.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.
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