OGH 10ObS53/12k

OGH10ObS53/12k3.5.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Monika Lanz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. P*****, vertreten durch Mag. Martin Meier Rechtsanwalts GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8011 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1, wegen Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld (Revisionsinteresse 4.853,02 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Februar 2012, GZ 7 Rs 12/12g-8, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag der klagenden Partei, gemäß Art 89 Abs 2 iVm Art 140 Abs 1 Satz 1 B-VG den Verfassungsgerichtshof anzurufen und ein Gesetzesprüfungsverfahren zur Aufhebung der von der Klägerin näher bezeichneten Bestimmungen des KBGG über die Zuverdienstgrenze wegen Verfassungswidrigkeit einzuleiten, wird zurückgewiesen.

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin bezog für ihren am 28. 8. 2005 geborenen Sohn M***** vom 1. 1. 2007 bis 30. 11. 2007 Kinderbetreuungsgeld in Höhe von insgesamt 4.853,02 EUR.

Mit Bescheid vom 28. 9. 2011 widerrief die Beklagte die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes und verpflichtete die Klägerin zum Rückersatz, weil der nach § 8 KBGG für das Jahr 2007 maßgebliche Gesamtbetrag ihrer Einkünfte von 17.212,18 EUR die Zuverdienstgrenze (von 14.600 EUR) - bei weitem (um mehr als 15 %) - überschritten hatte.

Das Erstgericht wies das dagegen erhobene Klagebegehren, den Anspruch auf Rückforderung als nicht zu Recht bestehend festzustellen, ab und verpflichtete die Klägerin zur Rückzahlung des Kinderbetreuungsgeldes von 4.853,02 EUR.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer außerordentlichen Revision macht die Klägerin nur solche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des KBGG über die Zuverdienstgrenze (fiktive Berechnung der maßgebenden Einkünfte) geltend, die bereits das Berufungsgericht mit ausführlicher Begründung (im Hinblick auf die zitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofs) verneint hat. Die Revisionswerberin zeigt damit keine Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 4. 3. 2011, G 184/10, ausgesprochen, dass § 18 Abs 1 Z 1 KBGG verfassungswidrig ist, weil bei der Abgabe nach dieser Bestimmung die Unterhaltsverpflichtungen des rückzahlungspflichtigen Elternteils gegenüber dem anderen Elternteil, dem der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld gemäß § 9 Abs 1 Z 1 KBGG ausbezahlt wurde, und weiteren Kindern weder bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage noch bei der Höhe des Abgabensatzes berücksichtigt werden, sodass es zu einer unsachlichen Gleichbehandlung von Einkommensbeziehern gleicher Einkommenshöhe ungeachtet der unterschiedlichen Höhe des ihnen zur eigenen Verwendung verbleibenden Einkommens kommt. Der Hinweis der Klägerin auf dieses Erkenntnis versagt, weil - wie schon das Berufungsgericht zutreffend aufzeigt - der dort behandelte Fall hier nicht vorliegt. Im Anlassfall geht es um die Rückzahlung der von der Klägerin selbst bezogenen Kinderbetreuungsgelder, auf das sie - wie sich rückwirkend herausstellte - keinen Anspruch hatte (§ 2 Abs 1 Z 3 KBGG). Die Verpflichtung zum Ersatz der zu Unrecht empfangenen Leistung nach § 31 Abs 2 KBGG steht nicht in einem Konflikt mit der zivilrechtlichen Unterhaltssituation zwischen den Elternteilen.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits am 23. 9. 2008 in mehreren Verfahren, welche die Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld wegen Überschreitung der jeweils maßgebenden Zuverdienstgrenze zum Gegenstand hatten, gemäß Art 89 Abs 2 B-VG beim Verfassungsgerichtshof hinsichtlich § 2 Abs 1 Z 3, § 8, § 9 Abs 3, § 12 Abs 1 und Abs 2, § 13 letzter Satzund § 31 Abs 2 zweiter SatzKBGG (jeweils idF BGBl I 2001/103) beantragt, diese Bestimmungen als verfassungswidrig aufzuheben bzw auszusprechen, dass sie (oder näher bezeichnete Wortfolgen) verfassungswidrig waren (vgl RIS-Justiz RS0124062 und die Bem zu RS0124063).

Der Verfassungsgerichtshof ist diesen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Verfassungsmäßigkeit nicht gefolgt und hat mit Erkenntnis vom 26. 2. 2009, G 128/08-6 ua, den Gesetzesprüfungsantrag abgewiesen. Schon das Berufungsgericht hat ausführlich dargelegt, weshalb der Verfassungsgerichtshof in der gesetzlich festgelegten Grenze und der Berechnung der Höhe des Zuverdienstes keine Verfassungswidrigkeit erkennen konnte. In der außerordentlichen Revision wird - zu Recht - nicht einmal behauptet, dass die diesbezügliche Argumentation der Berufungsentscheidung eine unvertretbare, vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung darstelle.

Abschließend ist nur noch zu ergänzen, dass sich der Oberste Gerichtshof erst jüngst ausdrücklich mit der Behauptung befasst hat, mit dem Gleichheitssatz sei es unvereinbar, dass die Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld - wie auch der dortige Revisionsweber vorbrachte - nur bei zufällig im Rahmen von Stichproben ausgewählten Fällen erfolge: Zu 10 ObS 66/11w wurde (auch) in dieser Frage auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs verwiesen, wonach einer Partei kein Recht daraus erwächst, dass die Behörde in anderen Fällen Fehlverhalten nicht geahndet hat (hier eine Rückforderung zu Unrecht bezogenen Kinderbetreuungsgeldes unterlassen hat), wäre das Ergebnis doch ein Anspruch auf die Nichtanwendung des Gesetzes trotz gegebener Tatbestandsmäßigkeit (VfGH 30. 9. 1991, B 1361/90, VfSlg 12796; VfGH 25. 9. 2000, B 2405/98, VfSlg 15903).

Demgemäß sieht sich der Oberste Gerichtshof weiterhin nicht zur von der Klägerin ausdrücklich beantragten (neuerlichen) Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof zwecks Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der anzuwendenden Bestimmungen des KBGG veranlasst. Da den Parteien nach ständiger Rechtsprechung ein Recht, vom Gericht die Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit zu verlangen, nicht zusteht (RIS-Justiz RS0054189 und RS0058452), ist der diesbezügliche Antrag der Klägerin zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0053805 [T13]; 10 ObS 175/10y, SSV-NF 22/78 mwN).

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