OGH 10ObS47/07w

OGH10ObS47/07w11.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter ADir Brigitte Augustin (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Theresia L*****, vertreten durch Dr. Johannes Buchmayr, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung und Versehrtenrente, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. Februar 2007, GZ 12 Rs 4/07f-8, womit das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 2. Oktober 2006, GZ 7 Cgs 195/06m-4, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten der Rekursbeantwortung sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin war als Reinigungskraft im Ausmaß von 24 Wochenstunden (je 6 Stunden von Montag bis Mittwoch und am Freitag) bei einer Arbeitgeberin in Traun regelmäßig beschäftigt. Daneben arbeitete sie an den genannten Tagen noch stundenweise als geringfügig Beschäftigte in einer Arztordination in Traun. Den Donnerstag hatte die Klägerin immer frei. Ihr Arbeitsbeginn am Freitag früh war um 6.00 Uhr. Die Klägerin hat eine ca 45 m² große Mietwohnung in Traun. Dort hat sie auch ihren Wohnsitz gemeldet. Sie unterhält seit ca fünf Jahren eine Lebensgemeinschaft mit Adolf F*****, der in Sattledt ein ganzjährig bewohntes Blockhaus besitzt. Die Klägerin ist dort nicht gemeldet. Bedingt durch ihre Berufstätigkeit richtete es sich die Klägerin so ein, dass sie von Montag auf Dienstag und von Dienstag auf Mittwoch immer in ihrer Wohnung in Traun nächtigte; auch ihr Lebensgefährte blieb an diesen Tagen öfter bei ihr. Am Mittwoch Nachmittag holte er sie immer von der Arbeit ab. Gemeinsam fuhren sie dann in das Haus nach Sattledt, wo sie regelmäßig bis Freitag morgen blieben. Von Sattledt aus brachte Adolf F***** die Klägerin in der Früh wieder zur Arbeit nach Traun. Er selbst blieb am Freitag tagsüber in Traun, wo beide teilweise auch das anschließende Wochenende verbrachten. Eher überwiegend fuhren sie aber nach der Arbeit am Freitag Nachmittag über das Wochenende wieder gemeinsam nach Sattledt.

Aufgrund des geringen Platzes in dem nur 32 m² großen Blockhaus (mit angebautem Sanitärraum) nahm die Klägerin immer nur jene Sachen nach Sattledt mit, die sie dort für ihren jeweiligen Aufenthalt gerade benötigte. Aus demselben Grund verwahrte sie dort auch nur wenige persönliche Dinge. Ihre Wäsche wusch sie in der Regel in ihrer Wohnung in Traun. Im Haus in Sattledt hat sie für ihren Lebensgefährten gewaschen und dabei gelegentlich auch eigene Sachen, die sie gerade dabei hatte, mitgewaschen.

Am 2. 12. 2005 erlitt die Klägerin bei der üblichen Fahrt am Freitag morgen von Sattledt zur Arbeit nach Traun um 05.30 Uhr einen Verkehrsunfall, bei dem sie verletzt wurde.

Die Beklagte hat diesen Unfall mit Bescheid vom 14. 6. 2006 nicht als Arbeitsunfall anerkannt und einen Anspruch auf Leistungen gemäß § 173 ASVG abgelehnt, weil es sich bei dem Unfall um keinen Arbeitsunfall iSd § 175 Abs 2 Z 1 ASVG gehandelt habe.

Mit der dagegen rechtzeitig erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung des Unfalles vom 2. 12. 2005 als Arbeitsunfall und die Gewährung einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß ab Eintritt dieses Versicherungsfalles.

Das Erstgericht wies ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt das Klagebegehren ab. Es gelangte in rechtlicher Hinsicht zu dem Ergebnis, dass kein geschützter Wegunfall iSd § 175 Abs 2 Z 1 ASVG vorliege, weil die Wohnung der Klägerin in Traun weiterhin Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen geblieben sei und sie nur ausgedehnte Besuche bei ihrem Lebensgefährten in Sattledt gemacht habe. Die Fahrt am Unfallstag von Sattledt nach Traun sei daher aus eigenwirtschaftlichen Gründen erfolgt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das angefochtene Urteil auf, trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es vertrat unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung im Wesentlichen die Ansicht, als „ständiger Aufenthalt" iSd § 175 Abs 2 Z 1 ASVG komme nur jener Ort in Betracht, der auch dem Zusammenleben der Familie und der Durchführung der sonst in der Wohnung erforderlichen Haushaltsverrichtungen diene und häufig bzw regelmäßig an arbeitsfreien Tagen - wenn auch nicht täglich - aufgesucht werde. Der Umstand, wo ein Versicherter gemeldet sei, könne für den Versicherungsschutz nach § 175 Abs 2 Z 1 ASVG nicht entscheidend sein. Eine Festlegung dahingehend, dass ein Versicherter immer nur einen ständigen Aufenthaltsort als Mittelpunkt seiner Lebensinteressen haben könne, sei der bisherigen Judikatur nicht zu entnehmen.

Nach den Feststellungen sei davon auszugehen, dass die Klägerin aufgrund ihrer regelmäßig wechselnden Aufenthalte sowie der sowohl in Traun als auch in Sattledt im Rahmen der Lebensgemeinschaft ausgeübten Haushaltsführung an beiden genannten Orten ihren Lebensmittelpunkt gehabt habe. So ergebe sich bereits aus den häufigen und regelmäßigen Aufenthalten der Klägerin im Haus ihres Lebensgefährten, dass die faktische Lebensführung zum Unfallszeitpunkt zumindest schwerpunktmäßig auch in Sattledt erfolgt sei. Die Klägerin habe dort regelmäßig für ihren Lebensgefährten und gelegentlich auch für sich selbst gewaschen. Es müsse auch ganz allgemein davon ausgegangen werden, dass sie und ihr Lebensgefährte während des gemeinsamen Aufenthaltes in Sattledt genauso wie während ihres Aufenthaltes in Traun dort auch die Mahlzeiten eingenommen haben und allen anderen menschlichen Grundbedürfnissen nachgegangen seien. Der Bezug zu Traun sei vorrangig durch die Berufstätigkeit der Klägerin an vier Tagen pro Woche bestimmt gewesen, während in Sattledt die von ihr gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten verbrachte Zeit überwogen habe. Diese Lebenssituation habe dazu geführt, dass die Klägerin regelmäßig zweimal wöchentlich (Montag und Freitag früh) von Sattledt aus zur Arbeit gefahren sei und sie an ihren beiden anderen Arbeitstagen (Dienstag und Mittwoch) von Traun aus den Weg zur Arbeit angetreten habe. Nach Ansicht des Berufungsgerichts lägen daher im Fall der Klägerin zwei ständige Aufenthaltsorte (Traun und Sattledt) vor, wobei in diesem Fall der Weg zur Arbeitsstätte vom jeweils ständigen Aufenthaltsort aus geschützt sei. Diese Lösung entspreche auch den Intentionen der für den Unfallversicherungsschutz der Klägerin maßgebenden Bestimmung des § 175 Abs 2 Z 1 ASVG, weil selbst im Fall, dass der Versicherte wegen der Entfernung seines ständigen Aufenthaltsortes zusätzlich eine Unterkunft in der Nähe der Arbeitsstätte habe, der Versicherungsschutz für den Weg von oder nach dem ständigen Aufenthaltsort nicht verloren gehe; vielmehr stehe in diesem Fall der Weg von der (bloßen) Unterkunft zur bzw von der Arbeitsstätte zusätzlich unter Versicherungsschutz. Um so weniger könne dann aber der Versicherungsschutz für den Weg von dem einen ständigen Aufenthaltsort zur Arbeitsstätte den Versicherungsschutz für den vom anderen ständigen Aufenthaltsort aus angetretenen Weg ausschließen. Der von der Klägerin am 2. 12. 2005 erlittene Unfall stehe daher gemäß § 175 Abs 2 Z 1 ASVG unter Unfallversicherungsschutz. Da das Erstgericht noch keine Feststellungen über die unfallsbedingte Erwerbsminderung der Klägerin getroffen habe, sei die Sache noch nicht entscheidungsreif. Im weiteren Verfahren werde auch das von der Klägerin gestellte Urteilsbegehren (Feststellungs- und Leistungsbegehren) mit ihr zu erörtern sein.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem vergleichbaren Fall (Versicherungsschutz auf dem Weg zur Arbeitsstätte bei Lebensmittelpunkten der Versicherten an zwei ständigen Aufenthaltsorten) fehle und der Lösung dieser Rechtsfrage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

Die Klägerin erstattete eine Rekursbeantwortung, in der sie beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Beklagte macht geltend, der Unfallversicherungsschutz für Arbeitswege sei streng (kasuistisch) in § 175 Abs 2 Z 1 und Z 2 ASVG geregelt und dürfe im Sinne der ständigen Rechtsprechung nicht erweiternd ausgelegt werden. Eine erweiternde Auslegung in diesem Mischbereich zwischen privater und beruflicher Sphäre würde zu Lasten der Versichertengemeinschaft bzw des Dienstgebers gehen, der die Beiträge an die Unfallversicherung zu entrichten habe. Es könne daher in der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nur einen ständigen Aufenthaltsort geben und sei die Annahme von „zwei ständigen Aufenthaltsorten" ein Widerspruch in sich. Im Sinne der in der Unfallversicherung geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung komme es auf die überwiegenden Anknüpfungspunkte zur versicherten Arbeit an und sei dies im Falle der Klägerin die Wohnung in Traun, wo sie die Freizeit und Nächte an den Arbeitstagen verbringe und auch gemeldet sei. Würde man der Ansicht des Berufungsgerichtes beipflichten, würden auch die meisten Freizeit- und Wochenenddomizile „ständige" Aufenthaltsorte sein. Dies entspreche sicherlich nicht dem § 175 Abs 2 Z 1 und Z 2 ASVG. Der Schutzbereich in der gesetzlichen Unfallversicherung sei von der Gestaltungsfreiheit der privaten Lebensführung zu unterscheiden. Ein Grund für ein Abweichen von diesen Grundsätzen sei nicht ersichtlich.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Arbeitsunfälle sind nach § 175 Abs 2 Z 1 ASVG auch Unfälle, die sich auf einem mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung zusammenhängenden Weg zur oder von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte ereignen; hat der Versicherte wegen der Entfernung seines ständigen Aufenthaltsortes von der Arbeits-(Ausbildungs-)stätte auf dieser oder in ihrer Nähe eine Unterkunft, so wird die Versicherung des Weges von oder nach dem ständigen Aufenthaltsort nicht ausgeschlossen.

Der Oberste Gerichtshof hat sich vor allem in den Entscheidungen SSV-NF 2/38, 6/144 und 7/36 nach Darstellung der Rechtslagen in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich, ihrer historischen Entwicklungen und ihrer Auslegung durch die deutsche und österreichische Lehre sowie Rechtsprechung eingehend mit dem Unfallversicherungsschutz auf solchen Wegen zur und von der Arbeitsstätte auseinandergesetzt. Danach sind nur Wege von der Wohnung bzw vom ständigen Aufenthaltsort zur Arbeitsstätte und umgekehrt geschützt. Anders als die vergleichbare Bestimmung des § 550 Abs 3 RVO (bzw die nunmehr in der Bundesrepublik Deutschland geltende Bestimmung des § 8 Abs 2 Z 4 SGB VII) stellt § 175 Abs 2 Z 1 ASVG nicht auf den Begriff der „ständigen Familienwohnung" sondern auf jenen des „ständigen Aufenthaltsortes" ab. Das österreichische Recht stellt daher auf den „ständigen Aufenthaltsort" (das ist der Ort, an dem der Versicherte selbst so häufig und regelmäßig lebt, dass dieser als sein ständiger Aufenthalt bezeichnet werden kann) des Versicherten ab. Es kommt daher darauf an, ob dieser Ort der Mittelpunkt der Lebensführung des Versicherten ist (vgl auch RIS-Justiz RS0084872). Die Lehre ist dem im Wesentlichen gefolgt (vgl Tomandl, Grundriss des österr. Sozialrechts5 Rz 204 mwN; Grillberger, Österr. Sozialrecht6 58 ua). Als ständiger Aufenthaltsort kommt demnach im Regelfall die ständige Wohnung des Versicherten in Betracht, ausnahmsweise aber auch ein anderer Ort, an dem der Versicherte eine Wohnfunktion (zB Wohnen, Essen, Schlafen) in Anspruch genommen hat, weil er seine Wohnung aus objektiven Gründen nicht benutzen konnte oder weil ihm deren Benutzung nicht zumutbar ist, oder wenn er außerplanmäßig zur Arbeit gerufen wird. Ständiger Aufenthalt im Sinne dieser Lehre und Rechtsprechung ist daher der Ort, den der Versicherte tatsächlich zum Mittelpunkt seiner privaten Lebensinteressen macht und an dem er sich tatsächlich häufig und regelmäßig aufhält (SSV-NF 7/36; Tomandl aaO Rz 204 mwN). Tomandl verweist in Tomandl, SV-System, 11. ErgLfg 297 f darauf, dass in der Judikatur in den Fällen, in denen der Versicherte über mehrere Wohnstätten verfügt oder die verschiedenen Wohnungsfunktionen (Schlafen, Essen, Wohnen etc) an unterschiedlichen Orten in Anspruch nimmt, Unsicherheiten bestünden. So habe das Oberlandesgericht Wien (als seinerzeitiges Höchstgericht in Leistungssachen) zu Unrecht angenommen, die Textstelle in § 175 Abs 2 Z 1 ASVG, wonach der Weg zum ständigen Aufenthaltsort geschützt bleibe, wenn der Versicherte wegen der Entfernung dieses ständigen Aufenthaltsortes von der Arbeitsstätte auf dieser oder in deren Nähe eine weitere Unterkunft habe, weise auf die gesetzgeberische Absicht zur Einengung des Schutzes des Arbeitsweges hin, weshalb in den übrigen Fällen geteilter Wohnungsfunktionen grundsätzlich nur der Weg zu einem Wohnort geschützt sei, da der Gesetzgeber damals tatsächlich nur eine Klarstellung habe vornehmen wollen. Die (ältere) österreichische Rechtsprechung habe in einigen Fällen dislozierter Wohnungsfunktionen zu Recht den Versicherungsschutz bejaht, so etwa bei der ständigen Zweitwohnung oder bei einem Ausweichquartier wegen vorübergehender Unbenützbarkeit der Wohnung. Der Oberste Gerichtshof vertrete auch zu Recht die Auffassung, dass Wege zur Arbeitsstätte, die nicht von der Wohnung aus angetreten werden, dann unter Unfallversicherungsschutz stünden, wenn der Wegantritt von dem anderen Ort aus objektiv begründet sei und mit der versicherten Tätigkeit in einem inneren Zusammenhang stehe. Zu Recht werde jedoch der Weg zur Familienwohnung dann nicht geschützt, wenn diese nicht der Mittelpunkt der privaten Lebensinteressen des Versicherten sei und daher - etwa wegen ihrer Lage im fernen Ausland - nur äußerst selten aufgesucht werde; in diesem Fall sei die Familienwohnung nicht „ständiger" Aufenthaltsort. Nach der dargestellten Rechtsprechung und Lehre ist somit als „ständiger Aufenthaltsort" iSd § 175 Abs 2 Z 1 ASVG der Ort, den der Versicherte tatsächlich zum Mittelpunkt seiner privaten Lebensinteressen macht und an dem er sich tatsächlich häufig und regelmäßig aufhält, anzusehen. Diese Qualifikation wurde in der Entscheidung SSV-NF 6/144 im Falle eines Versicherten, der sich regelmäßig in seiner Wohnung an der Arbeitsstätte aufhielt, für die Wohnung seiner Mutter, die er zwei- bis dreimal wöchentlich betreute und wo der Versicherte im Rahmen seiner Betreuungstätigkeit auch gelegentlich nächtigte, verneint. Davon unterscheidet sich doch der vorliegende Fall insofern ganz wesentlich, als die Klägerin nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes ungefähr zu gleichen Teilen in ihrer Wohnung in Traun und im Haus ihres Lebensgefährten die verschiedenen Wohnfunktionen in Anspruch genommen und auch ihre Freizeit verbracht hat. Der Umstand, wo die Versicherte gemeldet ist, kann für den Versicherungsschutz gemäß § 175 Abs 2 Z 1 ASVG nicht entscheidend sein, weil die tatsächlichen Umstände maßgebend sind. Es ist daher mit den Ausführungen des Berufungsgerichtes davon auszugehen, dass die Klägerin aufgrund ihrer konkreten Lebensgestaltung sowohl in ihrer Wohnung in Traun als auch im Haus ihres Lebensgefährten in Sattledt den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hatte und daher ausnahmsweise beide Wohnungen für sie gleichermaßen den Lebensmittelpunkt darstellten. Es kann aber auch einem Versicherten nicht verwehrt werden, sich mehrere Wohnungen (Aufenthaltsorte) einzurichten, wenn nur der Wille deutlich erkennbar wird, dass auch diese zweite Wohnung tatsächlich als zweiter ständiger Aufenthaltsort des Versicherten anzusehen ist und nicht nur vorübergehend, etwa aus Gründen der Erholung oder für sonstige Gelegenheiten benützt wird (vgl OLG Wien JBl 1958, 213). Nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes standen die Wohnung der Klägerin in Traun und das Haus ihres Lebensgefährten in Sattledt für die Klägerin und ihren Lebensgefährten gleichermaßen als Lebensbereich zur Verfügung, sodass es sich beim Haus des Lebensgefährten der Klägerin um einen ihrer Wohnung in Traun gleichwertigen zweiten „ständigen" Aufenthaltsort handelte. Die Befürchtung der Beklagten, bei einer Bejahung der Qualifikation des Hauses des Lebensgefährten in Sattledt als „ständigen Aufenthaltsort" der Klägerin iSd § 175 Abs 2 Z 1 ASVG im vorliegenden Fall würden auch die meisten Freizeit- und Wochenenddomizile der Versicherten „ständige" Aufenthaltsorte sein, ist schon deshalb nicht berechtigt, weil ein Wochenendhaus vom Versicherten in der Regel wohl nur an arbeitsfreien Tagen aufgesucht werden wird. Der von der Beklagten vermisste Zusammenhang des Unfalls mit der betrieblichen Tätigkeit ist bei einem Wegunfall iSd § 175 Abs 2 Z 1 ASVG durch die regelmäßig der Überwindung der Entfernung zwischen Wohnung (ständigem Aufenthaltsort) und Arbeitsstätte dienenden Wege und die damit verbundene Tatsache, dass es der Versicherte nicht vermeiden kann, sich den Weggefahren auszusetzen, will er seiner Erwerbstätigkeit nachgehen, gegeben (vgl SSV-NF 2/17 ua).

Der Unfall der Klägerin wurde somit vom Berufungsgericht zutreffend als Arbeitsunfall iSd § 175 Abs 2 Z 1 ASVG beurteilt. Der angefochtene Aufhebungsbeschluss war daher zu bestätigen. Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der Kosten der Rekursbeantwortung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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