Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Der Kläger war als Beamter in einer Geschäftsstelle der I***** GmbH tätig. Bereits seit 2004 bestanden zwischen ihm und seinem Vorgesetzten Konflikte. Am 7. 3. 2008 kam es im Büro zwischen beiden wegen dienstlicher Belange zu einer Auseinandersetzung. Objektive Verletzungsfolgen sind aus den Ereignissen vom 7. 3. 2008 nicht eruierbar. Eine reaktive oder posttraumatische Komponente im unmittelbaren Zusammenhang mit diesen Ereignissen kann nicht festgestellt werden. Es besteht kein (kausaler) Zusammenhang zwischen den Vorfällen vom 7. 3. 2008 und dem derzeitigen Zustand des Klägers. Die beim Kläger vorhandene dysthyme Störung (eine leichtere länger andauernde ängstlich-depressive Störung) mit Krankheitswert ist durch den Vorfall vom 7. 3. 2008 jedenfalls nicht herbeigeführt worden. Dysthyme Störungen können durch vielerlei Faktoren ausgelöst werden. Zuvor (jedenfalls zum Zeitpunkt der Untersuchung durch den gerichtsärztlichen Sachverständigen im ersten Rechtsgang am 10. 12. 2009) lag beim Kläger eine Anpassungsstörung vor. Nachdem diese länger als zwei Jahre andauerte, ist sie in die - oben genannte - dysthyme Störung übergegangen. Die Anpassungsstörung ist im Zusammenhang mit dem schon jahrelang bestehenden Arbeitskonflikt zu sehen. Der Vorfall vom 7. 3. 2008 stellt zwar gewissermaßen eine Zuspitzung des laufenden Arbeitskonflikts dar, hat aber (für sich betrachtet) nicht zu einer Traumatisierung geführt. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit besteht nicht.
Die beklagte Partei sprach mit Bescheid vom 21. 7. 2009 aus, dass der Vorfall vom 7. 3. 2008 gemäß § 90 B-KUVG nicht als Dienstunfall anerkannt werde und Leistungen gemäß §§ 88 ff B-KUVG nicht gewährt würden.
Das Erstgericht wies auch im zweiten Rechtsgang die gegen den Bescheid erhobenen Klagebegehren ab, es möge 1. festgestellt werden, dass die beim Kläger vorliegende depressive Störung mit reaktiver und posttraumatischer Komponente Folge des Dienstunfalls vom 7. 3. 2008 sei (Pkt 1 des Urteilsspruchs), und 2. die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger eine Versehrtenrente ab April 2008 in gesetzlichem Ausmaß zu bezahlen (Pkt 2 des Urteilsspruchs). Das Erstgericht vertrat die Ansicht, zwischen der dysthymen Störung und dem Vorfall vom 7. 3. 2008 bestehe kein kausaler Zusammenhang. Es liege kein Unfallgeschehen im rechtlichen Sinn vor.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen liege kein Unfall vor, weil gesundheitliche Folgen von Dauereinwirkungen nicht als Unfall gelten. Die Anpassungsstörung sei eine Folge der Dauereinwirkungen im Zuge des bereits länger gegebenen Arbeitskonflikts. Der Vorfall vom 7. 3. 2008 stelle zwar eine Zuspitzung des laufenden Konflikts dar, habe aber keine relevante Traumatisierung bewirkt.
Rechtliche Beurteilung
Die - nur gegen Pkt 1 des Urteilsspruchs gerichtete - außerordentliche Revision des Klägers ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurückzuweisen.
1.1. Für den Unfallbegriff nicht maßgeblich ist, ob die Körperschädigung durch eine physische oder psychische Wirkung (zB einen Nervenschock) hervorgerufen wird (RIS-Justiz RS0110320).
1.2. Wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat, wird aber von einem „Unfall“ nur dann gesprochen, wenn die Gesundheitsschädigung durch ein plötzliches, dh zeitlich begrenztes Ereignis bewirkt wurde, wobei „plötzlich“ nicht Einmaligkeit heißen muss. Auch kurz aufeinanderfolgende Einwirkungen, die nur in ihrer Gesamtheit einen Körperschaden bewirken, sind noch als plötzlich anzusehen, wenn sie sich innerhalb einer Arbeitsschicht oder eines sich auf mehrere Tage erstreckenden Dienstauftrags ereignet haben (RIS-Justiz RS0084348 [T3 und T4]). Da die Unfallversicherung grundsätzlich nur für die Folgen bestimmter Unfälle, nicht jedoch für Gesundheitsstörungen aus anderen Gründen leistungspflichtig ist, muss der Unfall gegenüber anderen Gründen einer Gesundheitsstörung, zB der schicksalhaften Entwicklung eines Leidens, begrifflich abgegrenzt werden. Nicht als Unfall gelten daher gesundheitliche Folgen von Dauereinwirkungen, die in der Unfallversicherung nur geschützt werden, wenn sie als Berufskrankheiten anerkannt sind. Betriebliche Ereignisse, die nicht im Einzelnen, sondern erst in ihrer Gesamtheit eine messbare Gesundheitsstörung zur Folge haben, stellen keinen Arbeitsunfall dar, wenn sie in einer über eine Arbeitsschicht hinausgehenden Zeit eintreten. Die letzte körperliche oder seelische Belastung stellt dann nur das Endglied einer Kette von Ereignissen dar, die allmählich eingewirkt haben, ohne dass einem von ihnen die Bedeutung eines Arbeitsunfalls beigemessen werden kann (RIS-Justiz RS0110322; VwGH 1. 7. 2004 99/12/0091). Liegt das Ergebnis einer längeren krankheitsbedingten, möglicherweise auch berufsbedingten Entwicklung vor, kann nicht von einem Unfall gesprochen werden (vgl RIS-Justiz RS0110323).
Von dieser Rechtsprechung weicht die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht ab. Mit dem Vorbringen, es liege schon deshalb ein Unfall vor, weil das Ereignis vom 7. 3. 2008 unzweifelhaft zeitlich begrenzt gewesen sei und letztlich zur Diagnose einer Anpassungsstörung geführt habe, zeigt der Revisionswerber keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Ein Unfall könnte zB dann angenommen werden, wenn festgestellt wäre, dass der Vorfall vom 7. 3. 2008 als Schlüsselreiz zur Aktualisierung einer bereits latent bestehenden Gesundheitsstörung geführt hat, etwa dazu, dass eine psychische Beeinträchtigung mit Krankheitswert in Form der Aktualisierung einer posttraumatischen Belastungsstörung auftritt (siehe 10 ObS 96/11g). Solche Umstände liegen hier aber nicht vor.
2. Die vom Kläger erstmals in der Revision begehrte Zurechnung seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung zum Versicherungsfall der Berufskrankheit, ist nicht zulässig:
In der Unfallversicherung stehen für die beiden alternativ gefassten Versicherungsfälle (Arbeitsunfall nach den §§ 175, 176 ASVG bzw Dienstunfall nach § 90 B-KUVG und Berufskrankheit iSd § 177 ASVG bzw § 92 B-KUVG) zwar jeweils die gleichen Leistungen zur Verfügung, sie unterscheiden sich aber nach der Dauer der Einwirkung aus dem geschützten Bereich (10 ObS 154/03z; SSV-NF 17/121; siehe oben Pkt 1.2.). Mit dem Bescheid vom 21. 7. 2009 ist die Zurechnung der festgestellten Gesundheitsstörungen zu einem der beiden in Betracht kommenden Versicherungsfälle (Arbeits- bzw Dienstunfall oder Berufskrankheit) erfolgt, indem der Vorfall vom 7. 3. 2008 nicht als Dienstunfall anerkannt wurde. Mit seinem Vorbringen, die Vorinstanzen hätten auch zu beurteilen gehabt, ob nicht aufgrund des festgestellten Sachverhalts die Anpassungsstörung bzw die dysthyme Störung als Berufskrankheit zu werten ist, setzt sich der Revisionswerber darüber hinweg, dass gemäß § 67 Abs 1 ASGG keine Möglichkeit zur sofortigen Anrufung des Gerichts besteht, sondern im Zeitpunkt der Klageerhebung ein Bescheid vorliegen muss, mit dem über das Vorliegen (oder Nichtvorliegen) einer Berufskrankheit abgesprochen wurde. Die Einbeziehung eines neuen Versicherungsfalls der Berufskrankheit in das gerichtliche Verfahren, der bislang nicht Gegenstand des vor dem Versicherungsträger durchgeführten Verfahrens war, ist unzulässig (RIS-Justiz RS0042066; Neumayr in ZellKomm2 § 67 ASGG Rz 6 mwN).
Die außerordentliche Revision des Klägers ist aus diesen Gründen zurückzuweisen.
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