OGH 10ObS4/16k

OGH10ObS4/16k10.5.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johanna Biereder (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Harald Kohlruss (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei B***** J*****, vertreten durch Mag. Christoph Arnold und Mag. Fiona Arnold, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen Entziehung des Rehabilitationsgeldes, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Oktober 2015, GZ 25 Rs 84/15m‑34, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. August 2015, GZ 16 Cgs 307/14v‑27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

I. den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00004.16K.0510.000

 

Spruch:

Aus Anlass der Revision werden die Urteile der Vorinstanzen und das ihnen vorangegangene Verfahren im Umfang des Begehrens, es werde festgestellt, dass beim Kläger vorübergehende Invalidität weiterhin vorliege, als nichtig aufgehoben und die Klage insoweit wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen.

 

II. zu Recht erkannt:

Im Übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei einen mit 186,84 EUR (darin enthalten 31,14 EUR USt) bestimmten Teil der Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der 1966 geborene Kläger stellte am 7. 3. 2014 beim beklagten Pensionsversicherungsträger den Antrag auf Weitergewährung der mit 31. 5. 2014 befristeten Invaliditätspension. Bei der im Hinblick auf die beantragte Weitergewährung am 3. 4. 2014 erfolgten medizinischen (internen) Untersuchung wies er bei einer Körpergröße von 181 cm ein Körpergewicht von über 200 kg auf. Seit der Letztuntersuchung war es zu keiner Gewichtsabnahme gekommen.

Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 5. 6. 2014 wies die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Weitergewährung der befristeten Invaliditätspension mit der Begründung ab, dass Invalidität nicht dauerhaft vorliege. Es wurde ausgesprochen, dass ab 1. 6. 2014 weiterhin vorübergehende Invalidität vorliege, als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit eine stationäre internistische Rehabilitationsmaßnahme zu absolvieren sei, Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nicht zweckmäßig seien und ab 1. 6. 2014 für die weitere Dauer der vorübergehenden Invalidität Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung bestehe. In der Begründung des Bescheids wurde darauf hingewiesen, dass versicherte Personen, für die bescheidmäßig festgestellt wurde, dass vorübergehende Invalidität im Ausmaß von zumindest sechs Monaten vorliege, Anspruch auf Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation haben, wenn dies zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit notwendig und infolge des Gesundheitszustands zweckmäßig sei. Medizinische Rehabilitationsmaßnahmen seien zur Besserung des Gesundheitszustands des Klägers erforderlich und damit zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit notwendig. Der Kläger habe bei der Durchführung der Rehabilitationsmaßnahmen entsprechend mitzuwirken. Sollte er die Mitwirkung verweigern, werde das Rehabilitationsgeld trotz weiterhin vorliegender Invalidität entzogen.

Der Kläger weigerte sich jedoch in der Folge, den ihm von einem Mitarbeiter der T***** Gebietskrankenkasse im Rahmen des Case-Managements vorgeschlagenen stationären internistischen Rehabilitationsaufenthalt zur Gewichtsabnahme in der Dauer von sechs Wochen in einem Stoffwechselzentrum anzutreten. Diese Maßnahme wäre ihm sowohl aus internistischer als auch aus psychiatrischer Sicht ohne wesentliche Einschränkung möglich gewesen.

Mit Bescheid vom 13. 11. 2014 entzog die beklagte Partei aufgrund der Nichtmitwirkung des Klägers an medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation das ab 1. 6. 2014 zuerkannte Rehabilitationsgeld mit Ablauf des auf die Zustellung des Bescheids folgenden Kalendermonats (somit mit 31. 12. 2014). Lediglich in der Begründung dieses Bescheids wird auf das Vorliegen der (vorübergehenden) Invalidität Bezug genommen, indem ausgeführt wird, dass wegen der schuldhaften Verletzung der Mitwirkungspflicht trotz weiterhin vorliegender Invalidität die Voraussetzungen für den Anspruch auf Rehabilitationsgeld nicht mehr gegeben seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage mit dem Begehren, es möge festgestellt werden, dass das Rehabilitationsgeld zu Unrecht entzogen worden sei, weiterhin vorübergehende Invalidität vorliege und der Anspruch des Klägers auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung auch über den 31. 12. 2014 hinaus bestehe. Eventualiter wird die Gewährung einer unbefristeten Invaliditätspension ab 1. 1. 2015 in der gesetzlichen Höhe begehrt.

Der Kläger brachte zusammengefasst vor, er sei während des maßgeblichen Zeitraums als Hilfsarbeiter tätig gewesen. Aufgrund seiner medizinischen Einschränkungen, insbesondere aufgrund seines Übergewichts (Adipositas permagna), sei er dauernd invalid. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht liege nicht vor. Die ihm vorgeschlagene Rehabilitationsmaßnahme wäre nicht „wirklich hilfreich“ gewesen, weil sie nicht zur Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit geführt hätte. Am Antritt des stationären Aufenthalts sei er aus persönlichen Gründen (Betreuung seiner 82‑jährigen Mutter, des Gartens und seiner Hühner) verhindert gewesen. Zudem sei er „kaufsüchtig“, weil er sich gezwungen fühle, beim Einkaufen immer alles zu kaufen, was er sehe, um ein Glücksgefühl zu empfinden. Von ihm aus eigenem durchgeführte Diäten hätten immer nur zu kurzfristigen Gewichtsverlusten geführt. In der letzten mündlichen Streitverhandlung am 13. 8. 2015 brachte der Kläger ergänzend vor, eine Verletzung der Mitwirkungspflicht sei ihm auch im Hinblick darauf nicht vorwerfbar, dass er zwischenzeitig aus eigenem Antrieb eine Gewichtsreduktion von 28 bis 30 kg erreicht habe. Er habe somit das gleiche Ergebnis erzielt, wie wenn er sich der Rehabilitationsmaßnahme unterzogen hätte. Er sei trotz Gewichtsabnahme (dauernd) invalid und beantrage daher die Gewährung der (dauernden) Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 1. 2015.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung. Unter anderem brachte sie vor, der Kläger sei bereits im Bescheid vom 5. 6. 2014 über seine Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Durchführung der Rehabilitationsmaßnahmen entsprechend aufgeklärt und auf die Folgen bei Nichtmitwirkung hingewiesen worden. Trotzdem habe er sich mehrfach geweigert, den ihm vorgeschlagenen stationären Aufenthalt anzutreten und somit schuldhaft seine Mitwirkungspflicht verletzt. Zwar wäre beim massiven Übergewicht des Klägers durch eine im Rahmen eines sechswöchigen stationären Aufenthalts erzielbare einmalige Gewichtsreduktion die Arbeitsfähigkeit noch nicht wiederherstellbar gewesen. Die angebotene Rehabilitation wäre aber nur ein „erster Schritt“ gewesen, auf die eine Reihe weiterer (auch ambulanter) Maßnahmen begleitet durch medizinische und diätetische Betreuung aufgebaut hätten. Der Kläger wäre im Rahmen des stationären Aufenthalts geschult worden, sein Essverhalten zu ändern. Auch eine psychologische Betreuung wäre zur Verfügung gestanden. Da er grundlos jede Mitwirkung verweigert habe, gebühre ihm für diesen Zeitraum kein Rehabilitationsgeld.

Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren des Klägers ab; das auf Gewährung einer Invaliditätspension ab 1. 1. 2015 gerichtete Eventualbegehren wies es zurück.

Es traf über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus ‑ zusammengefasst ‑ noch folgende weitere Feststellungen:

Der Kläger, der unter anderem an einer Adipositas permagna leidet, wohnt mit seiner 82‑jährigen Mutter im selben Haus und hat eine enge Bindung zu ihr. Die Mutter ist gehfähig, er kocht abwechselnd mit ihr, führt den Haushalt, bewirtschaftet den hauseigenen Garten und hält 20 bis 25 Hühner. Der vorgeschlagene stationäre Aufenthalt wurde vom Kläger (vorerst) mit der Begründung abgelehnt, er habe seine Mutter zu betreuen, sich um den Garten und die von ihm gehaltenen Hühner zu kümmern. Eine von einem Mitarbeiter der T***** Gebietskrankenkasse im Rahmen des Case-Managements angebotene Vermittlung einer Betreuungsperson (Heimhilfe) für seine Mutter für die Dauer eines stationären Rehabilitationsaufenthalts lehnte er ab; ebenso lehnte er die Vermittlung der Betreuung der Mutter durch seine Geschwister ab. Bei einer ärztlichen Untersuchung erklärte der Kläger gegenüber der Ärztin, zu einem Kuraufenthalt zwecks Gewichtsabnahme nicht bereit zu sein. Er wurde auf seine Mitwirkungspflicht und die nachteiligen Folgen seiner Weigerung wiederholt hingewiesen. Es liegen beim Kläger keine Störungen vor, die es ihm nicht ermöglichen würden, an der im Bescheid empfohlenen und durch die zuständige Gebietskrankenkasse konkretisierten Maßnahme teilzunehmen. Jene von ihm genannten Gründe, die zur Verweigerung der Maßnahme führten, haben keinen medizinischen Krankheitswert. Bei Absolvierung des stationären Aufenthalts in einem Stoffwechselzentrum wäre bei dem angedachten Zeitraum von sechs Wochen eine Gewichtsreduktion von 12 kg bis maximal 18 kg möglich gewesen. Die angedachte Rehabilitationsmaßnahme sollte die Gewichtsabnahme lediglich als ersten Schritt einleiten. Der Kläger hatte gegenüber einem Mitarbeiter der Gebietskrankenkasse angegeben, sich über eine Magenoperation erkundigen zu wollen. Nach entsprechenden Beratungen in der Stoffwechselambulanz und in der Psychosomatik entschied er sich aber gegen eine derartige Operation und auch gegen ein Magenband. Im Juni 2015 wog der Kläger ca 188 kg.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, es lägen die gesetzlichen Gründe für eine Entziehung vor, weil feststehe, dass sich der Kläger einer medizinisch indizierten und ihm zumutbaren stationären Maßnahme der medizinischen Rehabilitation zur Gewichtsabnahme nicht unterzogen habe, obwohl er zuvor über die nachteiligen Folgen belehrt worden sei. Die von ihm genannten Gründe, den Aufenthalt dennoch nicht anzutreten, fänden im Gesetz keine Deckung. Es könne ihm weder zum Erfolg gereichen, dass er nach der Entziehung (während des vorliegenden Verfahrens) einen nicht unerheblichen Gewichtsverlust erzielt habe, noch dass die Arbeitsfähigkeit nicht bereits nach Beendigung des angedachten Rehabilitationsaufenthalts wiederhergestellt gewesen wäre, sondern allenfalls auch mehrere Rehabilitationsaufenthalte zur Erreichung der Arbeitsfähigkeit nötig gewesen wären. Dass sich der Kläger derzeit auf einem guten Weg befinde und unter Umständen keine stationäre Rehabilitation (mehr) notwendig sei, wie auch die (gerichtlich bestellten) Sachverständigen angeführt haben, vermöge aber nichts daran zu ändern, dass der Kläger die ihm zumutbare Mitwirkungspflicht verletzt habe. Auch dass die medizinischen (vom Gericht bestellten) Sachverständigen angegeben haben, dass mit einer im Rahmen einer sechswöchigen stationären Rehabilitationsmaßnahme erreichbaren Gewichtsreduktion von 12 kg bis maximal 18 kg der Gesundheitszustand nicht derart verbesserbar gewesen wäre, dass sich das Leistungskalkül (sofort) wesentlich verändert hätte, könne dem Kläger nicht zum Erfolg gereichen. Es gehe nicht an, dass eine zu rehabilitierende Person die erste von mehreren Rehabilitationsmaßnahmen verweigere und sich so selbst außer Stande setze, jemals wieder arbeitsfähig zu werden. Aus Sicht der Versichertengemeinschaft seien dem Kläger auch mehrere Rehabilitationsaufenthalte nacheinander zumutbar, um seine Integration in den Arbeitsmarkt wieder zu erreichen. Da der bekämpfte Bescheid keine Entscheidung über die Invalidität des Klägers enthalte, sei das auf Zuspruch der unbefristeten Invaliditätspension gerichtete Eventualbegehren zufolge des Grundsatzes der sukzessiven Kompetenz wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung und dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Rechtlich ging es davon aus, nach § 143a Abs 4 ASVG idF BGBl I 2013/3 sei für den Fall, dass sich ein Versicherter den Rehabilitationsmaßnahmen entziehe, zwingend der Entzug der Leistung vorgesehen. Zur Beurteilung der Zumutbarkeit der medizinischen Maßnahme der Rehabilitation sei auf die zur Zumutbarkeit einer Krankenbehandlung entwickelte Rechtsprechung zurückzugreifen. Grundsätzlich könne die Duldung einer Heilbehandlung nur dann verlangt werden, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei, dass sie erfolgreich sein werde, also im vorliegenden Fall die Arbeitsfähigkeit so weit gebessert werde, dass Invalidität/Berufsunfähigkeit nicht mehr vorliege. Die Beweislast für das Vorliegen eines Entziehungsgrundes treffe den Versicherungsträger. Sei dieser Beweis gelungen, obliege es dem Versicherten zu behaupten, dass sich sein Gesundheitszustand auch bei Vornahme der Heilbehandlung nicht verbessert hätte. Entgegen der Diktion des Klägers handle es sich bei medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen nicht um Zwangsmaßnahmen, sondern stehe es dem Versicherten frei, sich diesen Maßnahmen zu unterziehen oder sie abzulehnen. Im letzteren Fall müsse er sich im Fall der Zumutbarkeit der Maßnahmen aber gefallen lassen, dass das Rehabilitationsgeld nicht mehr von der Versichertengemeinschaft finanziert werde. Die vom Kläger gerügten sekundären Feststellungsmängel (die vorgeschlagene Maßnahme sei als Zwangsmaßnahme nicht wirklich hilfreich, häufig führten solche Maßnahmen zu einem „Jo-Jo-Effekt“, aufgrund seiner intellektuellen Grundstruktur könne man den Kläger kaum zu einem Rehabilitationsaufenthalt oder zum Durchhalten der Diät zwingen) lägen nicht vor, weil das Erstgericht zu diesen Themen ohnedies Feststellungen getroffen habe, mögen sie auch den Vorstellungen des Klägers widersprechen. Das Verfahren habe keine Anhaltspunkte für eine unkontrollierte neuerliche Gewichtszunahme („Jo-Jo Effekt“) erbracht. Da feststehe, dass eine erhebliche Gewichtsabnahme möglich gewesen wäre, sei ein stationärer Rehabilitationsaufenthalt ‑ zumindest als erste von mehreren weiteren Rehabilitationsmaßnahmen ‑ durchaus zweckmäßig. Es stehe einem Versicherten bei Vorliegen der Zumutbarkeitskriterien nicht frei, geforderte und konkret angebotene Rehabilitationsmaßnahmen abzulehnen und unter Wahrung seines Anspruchs auf Rehabilitationsgeld statt dessen nach eigenem Belieben und Gutdünken zu versuchen, die durch die Rehabilitationsmaßnahme anzustrebenden Ziele zu erreichen. Der tatsächlich eingetretene Gewichtsverlust könne nicht dazu führen, dass dem Kläger Rehabilitationsgeld über den 31. 12. 2014 hinaus zu gewähren sei. Jedenfalls sei es Sache des Versicherten, der die notwendige Verbesserung seines Gesundheitszustandes durch Eigeninitiative erreichen wolle, zu behaupten und zu beweisen, dass alle diese Fortschritte, die durch die angebotene Rehabilitation zu erwarten waren, bereits zu dem Zeitpunkt eingetreten seien, ab dem das Rehabilitationsgeld entzogen wurde. Im vorliegenden Fall habe die beklagte Partei bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht, dass der Aufenthalt in der Rehabilitationseinrichtung nur ein erster Schritt gewesen wäre und dass der Kläger geschult worden wäre, sein Essverhalten zu ändern. Der Kläger hätte daher zu behaupten und zu beweisen gehabt, dass diesem „ersten Schritt“ keine weiteren gefolgt wären oder dass die geplanten weiteren Schritte medizinisch nicht zweckmäßig gewesen wären, also auch per 1. 1. 2015 zu keiner größeren als der tatsächlich eingetretenen Gewichtsreduktion geführt hätten. Die Behauptung des Klägers, er habe ohnedies das gleiche Ergebnis erzielt wie es bei einem Rehabilitationsaufenthalt zu erzielen gewesen wäre, werde diesem Anspruch nicht gerecht, da im Bescheid keine konkret zu erreichenden Ziele genannt worden seien und sich die Frage der „Zielerreichung“ ohnedies nicht stelle. Zudem behaupte der Kläger gar nicht, dass ihm nach Absolvierung des ersten Rehabilitationsaufenthalts nicht noch weitere solche Aufenthalte angeboten worden wären, durch die weitergehende Erfolge erzielt worden wären. Da der Kläger nie erklärt habe, zur Durchführung eines stationären Rehabilitationsaufenthalts bereit zu sein, könne dahingestellt bleiben, ob der in § 143a Abs 4 ASVG idF BGBl I 2013/3 enthaltenen Bestimmung, dass die Entziehung nur für die Dauer der Weigerung zu erfolgen habe, Geltung zukomme, oder § 99 Abs 1a ASVG anzuwenden sei, der nur vorsehe, dass das Rehabilitationsgeld zu entziehen sei, wenn sich die anspruchsberechtigte Person nach Hinweis auf diese Rechtsfolge weigert, an den ihr zumutbaren Maßnahmen der Rehabilitation mitzuwirken (also die Einschränkung fehlt, wonach die Entziehung nur für die Dauer der verweigerten Mitwirkung zu erfolgen habe). Lediglich im Bescheid der beklagten Partei vom 5. 6. 2014 sei festgestellt worden, dass beim Kläger vorübergehende Invalidität vorliege. Inhalt des angefochtenen Bescheids sei ausschließlich die Entziehung des Rehabilitationsgeldes, ohne dass über die Frage der Invalidität (neuerlich) entschieden worden wäre. Vorübergehende Invalidität sei beim Kläger aber unzweifelhaft weiterhin vorgelegen, weshalb das Fehlen einer derartigen Feststellung keinen rechtlichen Feststellungsmangel begründe.

Die Zurückweisung des auf Gewährung der Invaliditätspension ab 1. 1. 2015 gerichteten Eventualbegehrens durch das Erstgericht sei zu Recht erfolgt, weil die beklagte Partei im angefochtenen Bescheid über einen Anspruch des Klägers auf Invaliditätspension nicht abgesprochen habe und daher insoweit der Rechtsweg nicht zulässig sei.

Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, dass gegen den Beschluss, mit dem dem Rekurs keine Folge gegeben werde, der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die ordentliche Revision erklärte das Berufungsgericht mit der Begründung für zulässig, dass keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob die Entziehung des Rehabilitationsgeldes auch dann zu erfolgen habe, wenn ein Versicherter zwar die Teilnahme an den geforderten Rehabilitationsmaßnahmen verweigere, aber die durch die Rehabilitation zu erreichenden Ziele ‑ zumindest teilweise ‑ aus eigenem (doch) erreiche, vorliege.

Gegen diese Entscheidung, insoweit der Berufung nicht Folge gegeben wurde, richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof zur strittigen Frage der Verletzung einer Mitwirkungspflicht im Zusammenhang mit medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation vorliegt.

Der Revisionswerber macht im Wesentlichen geltend, die vorgeschlagene Maßnahme der medizinischen Rehabilitation sei ihm nicht zumutbar, weil sie eine (kontraproduktive) Zwangsmaßnahme sei, die häufig zu einem „Jo‑Jo‑Effekt“ führe. Es widerspreche dem Grundsatz der sozialen Rechtsanwendung, aus der Nichtteilnahme an einer ‑ ohnehin nicht zumutbar aufgetragenen ‑ Rehabilitationsmaßnahme eine Verletzung der Mitwirkungspflicht zu konstruieren, obwohl er das Ziel einer Gewichtsreduktion aus eigenem Antrieb (ohne Rehabilitationsmaßnahme) erreicht habe. Da sich sein Gesundheitszustand auch bei Absolvierung der Maßnahme nicht relevant verbessert hätte, habe kein Grund für die Entziehung vorgelegen. Das Berufungsgericht habe übersehen, dass sich das Klagebegehren auch auf Festellung des (weiteren) Vorliegens von vorübergehender Invalidität gerichtet habe. Das Fehlen von Feststellungen zum Leistungskalkül begründe einen rechtlichen Feststellungsmangel.

Der erkennende Senat hat erwogen:

I. Aus Anlass der Revision ist vorerst die im Umfang des auf Vorliegens der vorübergehenden Invalidität gerichteten Feststellungsbegehrens gegebene Nichtigkeit der Entscheidungen der Vorinstanzen wahrzunehmen und die Klage in diesem Umfang zurückzuweisen:

I.1. Mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012 (SRÄG 2012, BGBl I 2013/3) wurde die befristete Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension für Versicherte, die ‑ wie der Kläger ‑ am 1. Jänner 2014 das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, abgeschafft. Für diese Personengruppe wurden ein Rechtsanspruch auf medizinische Rehabilitation bei vorübergehender Invalidität/Berufs-unfähigkeit sowie die neuen Leistungen des Rehabilitations- und des Umschulungsgeldes eingeführt.

I.2. Voraussetzungen für den Anspruch auf Rehabilitationsgeld sind im Wesentlichen, dass vorübergehende Invalidität bzw Berufsunfähigkeit im Ausmaß von zumindest sechs Monaten vorliegt (§ 255b, § 273b ASVG) und berufliche Maßnahmen der Rehabilitation nicht zweckmäßig oder nicht zumutbar sind (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 20).

I.3. Ein eigenständiger Antrag auf Zuerkennung des Rehabilitationsgeldes ist im ASVG nicht vorgesehen, doch gilt nach § 361 Abs 1 Satz 2 ASVG ein Antrag auf Gewährung einer Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit vorrangig als Antrag auf Leistung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation und von Rehabilitationsgeld.

I.4. Wird eine beantragte Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit abgelehnt, weil dauernde Invalidität oder dauernde Berufsunfähigkeit nicht anzunehmen ist, so hat der (Pensions‑)Versicherungsträger nach § 367 Abs 4 ASVG von Amts wegen festzustellen,

„1. ob Invalidität (Berufsunfähigkeit) im Sinne des § 255 Abs. 1 und 2 (§ 273 Abs. 1) oder im Sinne des § 255 Abs. 3 (§ 273 Abs. 2) vorliegt und wann sie eingetreten ist (§ 223 Abs. 1 Z 2 lit. a);

2. ob die Invalidität (Berufsunfähigkeit) voraussichtlich mindestens sechs Monate andauern wird;

3. ob berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig (§ 303 Abs. 3) und zumutbar (§ 303 Abs. 4) sind und für welches Berufsfeld die versicherte Person durch diese Maßnahmen qualifiziert werden kann;

4. ob Anspruch auf Rehabilitationsgeld (§ 255b, § 273b, § 280b) besteht oder nicht.“

I.5 Personen, für die bescheidmäßig festgestellt worden ist, dass vorübergehende Invalidität im Sinne des § 255 Abs 1 und 2 oder 3 ASVG im Ausmaß von zumindest 6 Monaten vorliegt, haben Anspruch auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation (§ 302 Abs 1 ASVG), wenn dies zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit notwendig und infolge des Gesundheitszustands zweckmäßig ist (§ 253f Abs 1 ASVG). Sie sind vom Pensionsversicherungsträger unter Berücksichtigung des Gesundheitszustands und der Zumutbarkeit für die versicherte Person zu erbringen (§ 253f Abs 2 ASVG).

Das Rehabilitationsgeld wird von den Krankenversicherungsträgern aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit erbracht und ist als Ersatz für die wegfallende befristete Invaliditätspension zu sehen. Die Zuerkennung des Rehabilitationsgeldes erfolgt durch Bescheid des zuständigen Pensionsversicherungsträgers. Die Festsetzung der Höhe des Rehabilitationsgeldes erfolgt durch den Krankenversicherungsträger.

Verweigert die zu rehabilitierende Person die Mitwirkung an medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen, die ihr zumutbar sind, so ist das Rehabilitationsgeld zu entziehen, nachdem auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP  21), auch wenn vorübergehende Invalidität weiter fortbesteht. Die Entziehung erfolgt ‑ ebenso wie die Zuerkennung ‑ durch den Pensionsversicherungsträger mittels Bescheid.

I.6.1 Im vorliegenden Fall wurde mit Bescheid der beklagten Partei vom 5. 6. 2014 ua darüber abgesprochen, dass Invalidität nicht dauerhaft vorliegt, ab 1. 6. 2014 weiterhin vorübergehende Invalidität vorliegt und ab dem 1. 6. 2014 für die weitere Dauer der vorübergehenden Invalidität Anspruch auf Rehabilitationsgeld besteht. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen, die Klagefrist steht dagegen nicht mehr offen.

I.6.2 Die vorliegende Klage richtet sich ausschließlich gegen den Bescheid der beklagten Partei vom 13. 11. 2014, mit dem auf Grund der Nichtmitwirkung des Klägers an medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation das Rehabilitationsgeld entzogen wurde. Über das (weitere) Vorliegen oder Nichtvorliegen der vorübergehenden Invalidität wird im Spruch dieses Bescheids nicht abgesprochen. Lediglich in der Begründung wird auf das trotz Entziehung des Rehabilitationsgeldes weitere Vorliegen vorübergehender Invalidität beim Kläger Bezug genommen.

I.7. Gemäß § 67 Abs 1 Z 1 ASGG darf unter anderem in einer Leistungssache nach § 65 Abs 1 Z 1 ASGG vom Versicherten eine Klage nur erhoben werden, wenn der Versicherungsträger darüber bereits mit Bescheid entschieden hat. „Darüber“ bedeutet, dass der Bescheid über den der betreffenden Leistungssache zugrunde liegenden Anspruch ergangen sein muss. Der mögliche Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist durch den Antrag, den Bescheid und das Klagebegehren dreifach eingegrenzt (Neumayr in ZellKomm2 § 67 ASGG Rz 4 mwN; RIS‑Justiz RS0124349). Der Streitgegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens muss demnach mit jenem des vorgeschalteten Verwaltungsverfahrens ident sein, ansonsten es für ein Begehren an einer „darüber“ ergangenen Entscheidung des Versicherungsträgers fehlt und eine Klage von Amts wegen wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen ist (§ 73 ASGG). Ein davon betroffener Verfahrensteil ist als nichtig aufzuheben (RIS‑Justiz RS0042080).

I.8.1 Da die Frage des Vorliegens vorübergehender Invalidität nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheids der beklagten Partei vom 13. 11. 2014 war, waren aus Anlass der Revision die Urteile der Vorinstanzen und die ihnen vorangegangenen Verfahrensteile von Amts wegen auch noch im Revisionsverfahren (RIS-Justiz RS0042080) wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs insoweit als nichtig aufzuheben, als die Klage (auch) auf die Feststellung gerichtet ist, es liege beim Kläger weiterhin vorübergehende Invalidität vor. In diesem Umfang war die Feststellungsklage zurückzuweisen.

I.8.2 Eine das Revisionsgericht nach § 42 Abs 3 JN bindende Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs liegt nicht vor, weil die Vorinstanzen die Zulässigkeit des Rechtswegs im Hinblick auf diesen Teil des Klagebegehrens nicht bejaht, sondern bereits darauf hingewiesen haben, dass die beklagte Partei im angefochtenen Bescheid ausschließlich über die Entziehung des Rehabilitationsgeldes wegen Nichtmitwirkung des Klägers an medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation, nicht aber (auch) über die Frage des Vorliegens einer vorübergehenden Invalidität beim Kläger entschieden hat.

Infolge Zurückweisung der Klage und Nichtigerklärung des Verfahrens im Umfang des Feststellungsbegehrens hinsichtlich des weiteren Vorliegens von vorübergehender Invalidität ist der vom Kläger in diesem Zusammenhang in seiner Revision gerügte rechtliche Feststellungsmangel nicht gegeben.

II. Im Übrigen ‑ hinsichtlich des Begehrens auf Feststellung, dass das Rehabilitationsgeld zu Unrecht entzogen wurde bzw weiterhin Anspruch auf Rehabilitationsgeld auch über den 31. 12. 2014 hinaus besteht ‑ ist die Revision nicht berechtigt:

II.1. Zu prüfen ist, ob dem Kläger eine zumindest leicht fahrlässige Verletzung der Obliegenheit zur Mitwirkung („Mitwirkungspflicht“) anzulasten ist und ‑ bejahendenfalls ‑ diese Grund für die Entziehung des Rehabilitationsgeldes sein kann.

II.2.1 Anspruch auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation besteht, wenn dies zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit notwendig und infolge des Gesundheitszustands zweckmäßig ist (§ 253f Abs 1 ASVG). Die Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation müssen ausreichend und zweckmäßig sein, sie dürfen jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 253f Abs 2 ASVG).

II.2.2 Der Leistungskatalog des Rehabilitationsgeldes umfasst jene Maßnahmen, die schon bisher als freiwillige Leistungen gewährt werden. Sie reichen von der Unterbringung in besonderen Krankenanstalten bis zur Gewährung ärztlicher Hilfe (vgl § 302 Abs 1 ASVG; ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP  22). Es handelt sich um medizinische Leistungen, die in Verantwortung von Ärzten, praktisch jedoch schwerpunktmäßig von anderen Berufsgruppen erbracht werden. Im Gegensatz zur kurativ medizinischen Akutversorgung, deren Schwerpunkt auf der Heilung und Beseitigung von Krankheiten liegt, definiert medizinische Rehabilitation den Menschen als aktiven Teil der Gesellschaft und will ihm die Möglichkeit eröffnen, an seinem bisherigen Leben wieder aktiv teilzunehmen. Sie setzt auf Patienten, die sich aktiv an einer Verbesserung ihres Gesundheitszustands beteiligen und bereit sind, auf Zielvereinbarungen einzugehen und beim Rehabilitationsprozess aktiv mitzuwirken ( Bergauer in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm [99. Lfg] § 392 ASVG Rz 3, 4).

II.3. Das Rehabilitationsgeld gebührt an sich so lange, als die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Ob dies der Fall ist, ist vom Krankenversicherungsträger jeweils bei Bedarf, jedenfalls aber nach Ablauf eines Jahres nach der Zuerkennung des Rehabilitationsgeldes oder der letzten Begutachtung, im Rahmen des Case‑Managements (§ 143b ASVG) unter Inanspruchnahme des Kompetenzzentrums Begutachtung (§ 307g ASVG) zu überprüfen.

II.4.1 Gemäß § 143a Abs 4 ASVG idF SRÄG 2012 BGBl I 2013/3, ist das Rehabilitationsgeld unter Hinweis auf diese Rechtsfolge für die Dauer der verweigerten Mitwirkung zu entziehen, wenn die zu rehabilitierende Person die ihr zumutbare Mitwirkung an medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation verweigert.

II.4.2 § 143a Abs 4 ASVG wurde durch das SVAG, BGBl I 2015/2, in § 99 Abs 1a ASVG transferiert ( Födermayr in SV-Komm [142. ErgLfg] § 143a ASVG Rz 23). Nach § 99 Abs 1a ASVG idF SVAG BGBl I 2015/2 ist das Rehabilitationsgeld der anspruchsberechtigten Person zu entziehen, wenn sie sich nach Hinweis auf diese Rechtsfolge weigert, an den ihr zumutbaren medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation mitzuwirken. § 99 Abs 1a ASVG trat rückwirkend mit 1. 1. 2014 in Kraft (vgl § 688 Abs 1 Z 2 ASVG).

II.4.3 Aus der Möglichkeit der Entziehung des Rehabilitationsgeldes nach § 99 Abs 1a ASVG folgt, dass es der Versicherte auch nicht in der Hand haben soll, durch Verweigerung einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation den Weiterbezug des Rehabilitationsgeldes zu erreichen. Der Möglichkeit zur Entziehung liegt das erklärte Ziel des SRÄG 2012 zugrunde, dass Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Maßnahmen der medizinischen bzw beruflichen Rehabilitation so weit integrationsfähig werden, dass sie (zumindest) zur Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung in der Lage sind. Mit diesem Ziel ist ein Bezug von Rehabilitationsgeld trotz Verweigerung zumutbarer Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation ‑ unter Umständen bis zum Regelpensionsalter ‑ unvereinbar (siehe Sonntag , Ausgewählte Probleme des Rehabilitationsgeldes, ASoK 2014, 42 [47] unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 3). Es entspricht einem allgemeinen Grundsatz, dass jeder Versicherte die Interessen des Sozialversicherungsträgers und damit auch die der anderen Versicherten in zumutbarer Weise zu wahren hat, wenn er seine Ansprüche nicht verlieren will, indem er sich einer notwendigen und ihm zumutbaren medizinischen Heilbehandlung unterzieht, die zu einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit führen würde.

II.4.4 Dass die Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig und ausreichend sein müssen, das Maß des Notwendigen aber nicht überschreiten dürfen (§ 253f Abs 2 ASVG), ist erkennbar an die Prinzipien der Krankenbehandlung angelehnt (§ 133 Abs 2 Satz 1 ASVG) und wird wie dort zu verstehen sein ( Pfeil, Systemfragen der geminderten Arbeitsfähigkeit, DRdA 2013, 363 [370]).

II.4.5 Die Zweckmäßigkeit einer Krankenbehandlung wird bejaht, wenn diese nach den Erfahrungssätzen der medizinischen Wissenschaft mit hinreichender Sicherheit objektiv geeignet ist, die beabsichtigte Wirkung zu erzielen. Bei mehreren geeigneten Leistungen kommt primär diejenige in Betracht, mit der sich die Zweckbestimmung am besten erreichen lässt (10 ObS 86/09h mwN, SSV-NF 23/81). Es wird auch bei medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation somit primär die Erfolgswahrscheinlichkeit ausschlaggebend sein; diese ist nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zu beurteilen ( Rebhahn in SV-Komm [24. Lfg] § 136 ASVG Rz 26).

Dass ein mehrwöchiger stationärer Rehabilitationsaufenthalt in einem Stoffwechselzentrum (der neben diätetischen Maßnahmen üblicherweise auch Bewegungsprogramme, psychologische Betreuung und Schulungen zur Änderung des Essverhaltens umfasst) objektiv geeignet ist, die beabsichtigte Gewichtsreduktion (wenngleich auch nur als „ersten Schritt“) herbeizuführen, bedarf keiner näheren Begründung. Dass der Kläger über eine eingeschränkte intellektuelle Grundstruktur verfügt, die einem derartigen stationären Rehabilitationsaufenthalt entgegenstünde, steht nicht fest. Mit seinem Vorbringen, auf Grund seiner eingeschränkten intellektuellen Grundstruktur wäre eine Gewichtsreduktion eher im häuslichen Umfeld mittels Vereinbarung der Einhaltung von ihm selbst gesetzter Ziele erreichbar, gelingt es dem Revisionswerber daher nicht, eine geeignetere andere Maßnahme zur Gewichtsreduktion (als die Absolvierung eines stationären Aufenthalts in einem Stoffwechselzentrum) aufzuzeigen. Im Übrigen liegt es beim Versicherungsträger, auf Grund der vor Bescheiderlassung eingeholten medizinischen Gutachten und den dort enthaltenen medizinischen Erfahrungssätzen die Zweckmäßigkeit der zur Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit führenden medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation zu beurteilen.

II.5. Auch für die Frage der Zumutbarkeit der Mitwirkung des Versicherten an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme sind ähnliche Kriterien wie für die Beurteilung der Zumutbarkeit entsprechender Heilbehandlungen (im Rahmen der Krankenversicherung) heranzuziehen ( Atria in Sonntag , ASVG 6 § 99 Rz 22).

II.5.1 Die dazu ergangene Rechtsprechung lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Voraussetzung für eine Verletzung der Mitwirkungspflicht ist, dass diese auf einem schuldhaften, also zumindest leicht fahrlässigen Verhalten des Versicherten beruht. Dabei sind jeweils die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Es ist auf objektive Zumutbarkeitskriterien (auf die mit der Maßnahme verbundenen Gefahren, die Erfolgsaussichten, die Folgen unter Berücksichtigung erforderlicher Nach‑ oder Folgebehandlungen und die damit verbundenen Schmerzen bzw Beeinträchtigungen) abzustellen (RIS-Justiz RS0084353). Diese Beurteilung hat nicht generell, sondern immer individuell für den oder die Betroffene zu erfolgen (RIS-Justiz RS0084353 [T12]).

Neben diesen objektiven Zumutbarkeitskriterien sind aber auch subjektive Zumutbarkeitskriterien (wie körperliche und seelische Eigenschaften, familiäre und wirtschaftliche Verhältnisse) zu beachten. So besteht eine Mitwirkungspflicht insbesondere dann nicht, wenn die Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann. Unter einem wichtigen Grund sind die die Willensbildung bestimmenden Umstände zu verstehen, die die Weigerung entschuldigen und sie als berechtigt erscheinen lassen (RIS-Justiz RS0084353 [T16]; 10 ObS 19/08d, SSV‑NF 22/29 mwN).

II.5.2 Ausgehend von diesen Grundsätzen haben die Vorinstanzen an Hand der getroffenen Feststellungen die Frage der Zumutbarkeit einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in einem Stoffwechselzentrum als „ersten Schritt“ für den Kläger zutreffend bejaht. Im Hinblick auf die zu den objektiven und subjektiven Zumutbarkeitskriterien getroffenen Tatsachenfeststellungen ist dem Kläger auch nach Ansicht des Revisionsgerichts eine zumindest leicht fahrlässige Verletzung der Mitwirkungspflicht anzulasten. Wie das im vorliegenden Verfahren eingeholte neurologisch‑psychiatrische Gutachten erbracht hat, sind jene Gründe, die der Kläger in Richtung eines nicht beherrschbaren Suchtverhaltens ins Treffen geführt hat, nicht geeignet, den Nichtantritt einer stationären Rehabilitationsmaßnahme zur Gewichtsreduktion als nicht vorwerfbar erscheinen zu lassen.

II.5.3 Zwar ist bei der Beurteilung von Anträgen durch die Sozialversicherungsträger im Geiste sozialer Rechtsanwendung vorzugehen, sodass der Antrag im Zweifel zugunsten des Versicherten ausgelegt werden muss. Der Versicherte soll insbesondere davor geschützt werden, materiell bestehende Ansprüche aus formellen Gründen (etwa zufolge einer prozessualen Ungeschicklichkeit) zu verlieren. Die Fiktion, ein Versicherter hätte seine Mitwirkungspflicht an zumutbaren Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation nicht verletzt, um die Entziehung des Rehabilitationsgeldes zu vermeiden, ließe sich aber auch aus dem Grundsatz sozialer Rechtsanwendung nicht ableiten und hat deshalb außer Betracht zu bleiben (vgl RIS‑Justiz RS0086446 [T10, T11]).

II.5.4 Der Umstand, dass der Kläger das Ziel einer Gewichtsreduktion aus eigenem Antrieb ohne Rehabilitationsmaßnahme (teilweise?) während des Verfahrens erreicht hat, hebt die Verletzung seiner Mitwirkungspflicht nicht auf. Zu beurteilen ist im vorliegenden Fall die Frage, ob sich der Kläger (zu Recht) geweigert hat, an der ihm zumutbaren stationären Rehabilitationsmaßnahme in einem Stoffwechselzentrum mitzuwirken. Auf die Frage, ob der Kläger das angestrebte Rehabilitationsziel auf einem anderen ‑ von ihm selbst gewählten ‑ Weg (teilweise?) erreicht hat, kann es nicht entscheidend ankommen, weil bei der konkreten Auswahl der dem Versicherten zumutbaren medizinischen Rehabilitationsmaßnahme letztlich dem Versicherungsträger die Entscheidungsbefugnis zukommt und eine Abwägung unterschiedlicher Vorgangsweisen bzw Rehabilitationsmaßnahmen und ihrer jeweiligen Erfolgsaussichten in der Praxis nur sehr schwer möglich wäre.

II.5.5 Zu dem Argument, der Nichtantritt der stationären internistischen Rehabilitationsmaßnahme wäre dem Kläger deshalb nicht vorwerfbar, weil diese nicht zur Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit geführt hätte, ist auszuführen:

II.5.5.1 Eine Heilbehandlung ist grundsätzlich nur dann zumutbar, wenn sie zu einer kalkülsrelevanten, die Arbeits- bzw Berufsunfähigkeit beseitigenden Besserung des Gesundheitszustands führt (10 ObS 58/11v, SSV‑NF 25/57; RIS‑Justiz RS0084353 [T12]).

II.5.5.2. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung zur Zumutbarkeit einer Krankenbehandlung, dass auch ein Versicherter, der seine Mitwirkungspflicht verletzt, rechtlich nicht anders beurteilt werden kann, als wenn er dieser Verpflichtung mit Erfolg nachgekommen wäre. Könnte daher durch eine zumutbare Krankenbehandlung die herabgesunkene Arbeitsfähigkeit des Versicherten so weit gebessert werden, dass Invalidität bzw Berufsunfähigkeit nicht mehr vorliegt, so besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit. Der Entfall der Pensionsleistung tritt allerdings erst zu jenem Zeitpunkt ein, in dem die Heilbehandlung zu einer kalkülsrelevanten Verbesserung des Zustands tatsächlich geführt hat oder geführt hätte, wäre sie vom Versicherten durchgeführt worden (10 ObS 58/11v, SSV‑NF 25/57; 10 ObS 213/00x, SSV‑NF 14/100 mwN).

II.5.5.3 Diese Erwägungen hätten allenfalls ihre Berechtigung bei der Frage der Entziehung des Rehabilitationsgeldes wegen Wegfalls des Vorliegens einer vorübergehenden Invalidität, nicht jedoch im vorliegenden Verfahren, in dem es um die Entziehung des Rehabilitationsgeldes wegen Nichtmitwirkung des Versicherten an einer ihm zumutbaren Rehabilitationsmaßnahme geht. In diesem Fall ist die Gewährung des Rehabilitationsgeldes untrennbar mit der Mitwirkung des Versicherten an einer diesem zumutbaren Maßnahme der medizinischen Rehabilitation verknüpft. Das Rehabilitationsgeld ist nach § 99 Abs 1a ASVG daher bereits mit dem Zeitpunkt der ungerechtfertigten Weigerung des Versicherten, an einer zumutbaren medizinischen Maßnahme der Rehabilitation mitzuwirken, nach Hinweis auf diese Rechtsfolge zu entziehen.

Demnach steht der Umstand, dass wegen des massiven Übergewichts des Klägers dessen Arbeitsfähigkeit durch eine einmalige, im Rahmen des angedachten stationären Aufenthalts erzielbare Gewichtsabnahme noch nicht zur Gänze wiederherstellbar gewesen wäre, der Entziehung des Rehabilitationsgeldes wegen der ungerechtfertigten Nichtmitwirkung nicht entgegen. Nach den Feststellungen ist diese Maßnahme nur ein „erster Schritt“, auf den ‑ nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen der beklagten Partei ‑ eine Reihe weiterer Maßnahmen begleitet durch medizinische und diätetische Betreuung aufgebaut hätten.

Die Revision des Klägers erweist sich daher als nicht berechtigt.

II.6. Zur Kostenentscheidung:

Unterliegt der Versicherte im gerichtlichen Verfahren zur Gänze, hat er dem Grunde und der Höhe nach einen nach den in § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG genannten Maßstäben zu beurteilenden Kostenersatzanspruch. Nach dieser Bestimmung setzt ein Kostenersatzanspruch nach Billigkeit voraus, dass die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Versicherten einen Kostenersatz nahelegen und auch tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten des Verfahrens vorliegen. Es ist Sache des Versicherten, Umstände, die einen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen können, geltend zu machen, es sei denn, sie ergeben sich aus dem Akteninhalt (RIS‑Justiz RS0085829 [T1]).

Wenngleich der Kläger in der Revision nicht vorgebracht hat, dass seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse einen Kostenersatzanspruch nahelegen, sind aus dem Akt ausreichende Anhaltspunkte ableitbar, sodass vom Erfordernis der Bescheinigung abgesehen werden kann (10 ObS 139/12g SSV‑NF 26/70 mwN). Die rechtlichen Schwierigkeiten des Falls ergeben sich daraus, dass die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhing. Es entspricht daher der Billigkeit, dem zur Gänze unterlegenen Kläger die Hälfte der Kosten seines Vertreters im Revisionsverfahren zuzusprechen (RIS‑Justiz RS0085871).

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