Spruch:
Das Verfahren wird bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Versicherungszuständigkeit unterbrochen.
Die Einleitung des Verfahrens beim Landeshauptmann für Tirol zur Entscheidung über die Frage der Versicherungszuständigkeit wird angeregt.
Text
Begründung
Der Kläger erlitt am 12. Jänner 1984 bei Reparaturarbeiten an einem Schneeräumgerät seiner Schwiegermutter, die eine kleine Landwirtschaft betreibt, einen Unfall, der zur Erblindung eines Auges führte.
Mit Bescheid vom 3. Oktober 1985 lehnte die Sozialversicherungsanstalt der Bauern die Gewährung einer Leistung aus der Unfallversicherung für die Folgen des Ereignisses vom 12. Jänner 1984 ab. In der am 21. November 1985 beim Schiedsgericht der Sozialversicherung für Tirol zu 1 C 53/85 eingelangten Klage brachte der Kläger vor, seine Schwiegermutter, Martina M***, betreibe eine kleine Landwirtschaft. Auf Grund ihres Alters sei sie nicht mehr in der Lage, alle Arbeiten selbst durchzuführen und werde daher vom Kläger häufig unterstützt. Der Kläger habe am 12. Jänner 1984, um auf dem Hof Schnee räumen zu können, den Schneepflug seiner Schwiegermutter repariert und dabei eine Augenverletzung erlitten, die zur Erblindung geführt habe. Dieser Unfall sei als Arbeitsunfall nach § 175 Abs. 2 Z 5 ASVG zu qualifizieren, weil er sich bei einer mit der Beschäftigung zusammenhängenden Instandhaltung und Erneuerung des Arbeitsgerätes ereignet habe. Der Unfall sei überdies nach § 175 Abs. 3 Z 4 ASVG als Arbeitsunfall einzustufen, weil der Kläger die Schneeräumarbeiten und die Reparatur der dafür notwendigen Geräte im Rahmen der Nachbarschaftshilfe für den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Schwiegermutter ausgeführt habe. Schließlich stützte er sein Begehren auch auf § 176 Abs. 1 Z 6 ASVG, weil er wie ein sonst nach § 4 Versicherter, wenn auch nur kurzfristig, im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Schwiegermutter tätig geworden sei.
Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern bestritt das Klagebegehren und wandte ein, der landwirtschaftliche Betrieb der Schwiegermutter des Klägers habe einen Einheitswert von S 2.000 nicht erreicht, sodaß Unfallversicherungsschutz nach dem BSVG nicht vorliege, Nachbarschaftshilfe komme nicht in Betracht, weil weder die Schwiegermutter des Klägers noch dieser selbst einen versicherungspflichtigen Betrieb führten, für allfällige Ansprüche nach § 176 Abs. 1 Z 6 ASVG sei die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt leistungszuständig.
Mit Beschluß vom 20. Jänner 1986 hat das Schiedsgericht der Sozialversicherung für Tirol das Verfahren bis zur Entscheidung über "die Frage der allfälligen Leistungszuständigkeit der AUVA" unterbrochen.
Der Kläger machte in der Folge aus demselben Sachverhalt Ansprüche gegen die AUVA geltend. Mit Bescheid vom 19. Jänner 1987 lehnte diese die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlaß des Unfalles vom 12. Jänner 1984 gemäß § 176 Abs. 1 Z 6 ASVG ab.
In seiner am 5. Feber 1987 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger mit demselben Vorbringen wie in seiner zu 1 C 53/85 beim Schiedsgericht der Sozialversicherung für Tirol eingebrachten Klage und wiederum ausdrücklich gestützt auf die Bestimmungen der §§ 175 Abs. 2 Z 5, 175 Abs. 3 Z 4 und "insbesondere" 176 Abs. 1 Z 6 ASVG die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 12. Jänner 1984 ab Beendigung des Krankenstandes bzw. ab der 27. Woche eine Versehrtenrente von 33 1/3 % und ab 1. Februar 1985 eine Dauerrente von 25 % (der Vollrente) in der gesetzlichen Höhe zu gewähren. Das Erstgericht wies die Klage ab. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:
Die Schwiegermutter des Klägers besitzt eine kleine Landwirtschaft, welche aus 3.000 m2 Feld besteht und auf der etwa 3 Stück Vieh gehalten werden. Der Einheitswert der Landwirtschaft liegt unter S 2.000. Martina M*** ist dementsprechend nicht bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern versichert. Ihren Lebensunterhalt bestreitet Martina M*** hauptsächlich aus der von ihr bezogenen Pension sowie aus der Vermietung von 6 Fremdenbetten. Die Erträgnisse der kleinen Landwirtschaft dienen darüber hinaus der Abdeckung ihres Eigenbedarfes. Diese Sachlage war auch schon zum Zeitpunkt des Unfalles am 12. Jänner 1984 gegeben. Da Martina M*** auf Grund ihres Alters nicht in der Lage ist, ihre kleine Landwirtschaft selbst zu betreiben, stehen ihr ihre Familienangehörigen, so auch der Kläger, regelmäßig zur Seite. Der Kläger verrichtete und verrichtet insbesondere jene Arbeiten, die maschinell zu erledigen sind. So unternimmt er regelmäßig das Mähen des kleinen Feldes mit dem Handmotormäher, das Heuen mit dem Schlepper und das Mistführen sowie das Schneeräumen mit einem von ihm eigens hiezu adaptierten Kleinfahrzeug. Mit diesem Gerät nimmt er darüber hinaus auch die Schneeräumung auf seiner eigenen, in der Nachbarschaft gelegenen Liegenschaft vor.
Am Unfallstag reparierte der Kläger das im Hof seines Wohnhauses abgestellte Räumfahrzeug, wobei ihm bei Schweißarbeiten ein Eisensplitter ins linke Auge sprang, was in der Folge zur Erblindung dieses Auges führte.
Der Kläger war als Baggerführer beschäftigt und im Rahmen dieser Tätigkeit bei der beklagten Partei versichert. Im Hinblick auf seine Tätigkeit in der Landwirtschaft der Schwiegermutter war er nicht unfallversichert.
Rechtlich leitete das Erstgericht aus diesem Sachverhalt ab, § 175 Abs. 2 Z 5 ASVG stelle auf eine unfallversicherte Erwerbstätigkeit ab, die hier nicht vorliege. Weil landwirtschaftliche Zwergbetriebe mit Einheitswerten unter S 2.000 grundsätzlich nicht der Versicherungspflicht unterstellt seien, müsse auch ein Arbeitsunfall nach § 175 Abs. 3 Z 4 ASVG ausgeschlossen werden. Angesichts des minimalen Umfanges der Landwirtschaft der Schwiegermutter des Klägers sei auch auszuschließen, daß Arbeiten, wie sie der Kläger verrichtet habe, üblicherweise gemäß § 4 ASVG von versicherten Dienstnehmern verrichtet würden, es komme daher auch ein Versicherungsschutz nach § 176 Abs. 1 Z 6 ASVG nicht in Betracht.
Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers keine Folge. Nur auf die Bestimmung des § 176 Abs. 1 Z 6 ASVG könne sich ein allfälliger Anspruch des Klägers beziehen, weil Ansprüche nach § 175 ASVG das Bestehen eines versicherungspflichtigen Verhältnisses voraussetzten, dies treffe gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 BSVG hier nicht zu, weil Zwergbetriebe nicht geschützt seien. Aus dieser Bestimmung lasse sich der Schluß ziehen, daß Betriebe mit einem Einheitswert unter S 2.000, aus deren Ertrag der Lebensunterhalt des Betriebsführers und seiner Familienmitglieder nicht überwiegend bestritten werde, nicht als "Betriebe" im Sinne der Unfallversicherung anzusehen seien. Schon der Größenschluß zwinge dazu, den Begriff der betrieblichen Tätigkeit im Sinne des § 176 Abs. 1 Z 6 ASVG zumindest im Zusammenhang mit dem weiteren Wortlaut "wie sie sonst ein nach § 4 Versicherter ausübt" auf den konkreten Betrieb bezogen und nicht unabhängig davon auszulegen. Eine Betriebsorganisation, deren Ertrag nicht einmal dazu ausreiche, den Lebensunterhalt des Betriebsführers zu decken, schließe die Tätigkeit von Dienstnehmern grundsätzlich aus. Schließlich fehle es bei der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit von Schweißarbeiten an der persönlichen Abhängigkeit vom Betriebsführer und dessen Weisungen und Aufsicht, weil solche Arbeiten üblicherweise durch Fachleute durchgeführt würden; es sei daher eher ein Werkvertrag als eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit anzunehmen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlaß der Revision ist zunächst die Frage der Versicherungszuständigkeit zu relevieren. Der Kläger hat sein Begehren auf mehrere Anspruchsgründe gestützt. Er führte aus, daß Versicherungsschutz deshalb bestehe, weil sich der Unfall bei einer mit der Beschäftigung zusammenhängenden Instandhaltung des Arbeitsgerätes und im Rahmen der Nachbarschaftshilfe ereignet habe. Zur Durchführung der Unfallversicherung im Rahmen von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben ist gemäß § 28 Z 2 ASVG die Sozialversicherungsanstalt der Bauern sachlich zuständig. Der Kläger stützt sein Vorbringen aber auch auf das Bestehen des Versicherungsschutzes gemäß § 176 Abs. 1 Z 6 ASVG. Zur Durchführung der Versicherung nach dieser Bestimmung ist aber die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt sachlich zuständig. Aus einem identischen Sachverhalt leitet der Kläger mehrere Anspruchsgründe ab, die ausdrücklich nebeneinander geltend gemacht werden. Die Durchführung der Versicherung nach diesen Anspruchsgründen ist vom Gesetz verschiedenen Versicherungsträgern zugewiesen. Es ist daher die Frage zu prüfen, welcher der beiden Versicherungsträger im vorliegenden Fall zuständig ist. Die Entscheidung dieser Frage ist aber den Gerichten auch im Vorfragenbereich entzogen (§ 413 Abs. 4 ASVG, § 65 Abs. 1 Z 1 ASGG; vgl. Kuderna ASGG § 65 Anm. 4 und § 96 Anm. 13 bis 17). Richtig hat das Schiedsgericht der Sozialversicherung für Tirol daher auch das zu 1 C 53/85 gegen die Sozialversicherungsanstalt der Bauern anhängig gemachte Verfahren unterbrochen. Die dem zuständigen Landeshauptmann obliegende Entscheidung der Versicherungszuständigkeit kann nicht dadurch umgangen werden, daß nunmehr mit demselben Vorbringen auf Grund des selben untrennbaren Sachverhaltes die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in Anspruch genommen und durch unzulässige Lösung der Vorfrage in merito entschieden wird. Der erkennende Senat vermag die in der Entscheidung 10 Ob S 58/87 vertretene Rechtsansicht, daß ein entgegen diesen Bestimmungen durchgeführtes Verfahren und ergangene Entscheidungen mit Nichtigkeit behaftet sind, nicht aufrecht zu erhalten. Den §§ 413 ASVG und 74 ASGG ist zwingend nur zu entnehmen, daß das Gericht bei Vorliegen der Voraussetzungen verpflichtet ist, eine Unterbrechung anzuordnen, wobei der Unterbrechungsbeschluß auch noch in zweiter oder dritter Instanz gefaßt werden kann (so 9 Ob S 44/87) und das Verfahren nach rechtskräftiger Entscheidung der Verwaltungsbehörde und nach ergebnislosem Verstreichen der Frist für die Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde bzw. nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes wieder aufzunehmen ist (vgl. Kuderna, ASGG 397).
Gemäß § 413 Abs. 4 ASVG war daher die Einleitung des Verfahrens beim Landeshauptmann anzuregen und das vorliegende Verfahren bis zur Rechtskraft der über die Versicherungszuständigkeit zu fällenden Entscheidung zu unterbrechen.
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