OGH 10ObS219/01f

OGH10ObS219/01f30.7.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Fritz Miklau und Dr. Wilhelm Koutny (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Maria S*****, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Ghegastraße 1, 1030 Wien, vertreten durch Dr. Christian Preschitz und Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwälte in Wien, wegen vorzeitiger Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. April 2001, GZ 11 Rs 152/01d-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. Jänner 2001, GZ 6 Cgs 282/00i-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.583,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 763,84 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 31. 7. 1945 geborene Klägerin stellte am 20. 3. 2000 bei der beklagten Partei zum Stichtag 1. 8. 2000 den Antrag auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit.

Mit Bescheid vom 11. 10. 2000 lehnte die beklagte Partei den "Antrag auf Erwerbsunfähigkeitspension" mangels Vorliegens von Erwerbsunfähigkeit zum Stichtag 1. 8. 2000 ab. Der Antrag auf vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit sei gemäß § 274 Abs 4 BSVG als Antrag auf Erwerbsunfähigkeitspension zu werten.

Das Erstgericht wies mit Urteil vom 25. Jänner 2001 das von der Klägerin gegen diesen Bescheid erhobene, auf Zuerkennung der vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 1. 8. 2000 gerichtete Klagebegehren ab. Für die Bestimmung des § 255 Abs 21 BSVG bestehe im Hinblick darauf, dass § 122c BSVG mit Ablauf des 30. 6. 2000 außer Kraft gesetzt worden sei, kein Spielraum mehr. § 274 Abs 2 BSVG bzw der an die Stelle des § 122c BSVG tretende § 124 Abs 2 BSVG seien als lex specialis bzw lex posterior anzusehen und gingen dem § 255 Abs 21 BSVG vor. Eine allfällige Verfassungswidrigkeit der Bestimmung des § 274 Abs 4 BSVG könne vom Erstgericht nicht aufgegriffen werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass das Klagebegehren als dem Grund nach zu Recht bestehend erkannt wurde; der beklagten Partei wurde die Leistung einer vorläufigen Zahlung an die Klägerin in Höhe von monatlich S 6.000,-- brutto ab 1. 8. 2000 aufgetragen.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht Folgendes aus:

"§ 255 Abs 21 BSVG idF der 23. Novelle zum BSVG BGBl I 176/1999 lautet wie folgt: 'Für weibliche Versicherte, die am 1. September 1996 das 50. Lebensjahr bereits vollendet haben, ist § 122c iVm § 111 in der am 31. August 1996 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.'

Weder das SVÄG 2000 (BGBl I Nr. 43/2000) noch das SRÄG 2001 (BGBl I Nr. 92/2000 bzw Nr. 101/2000) enthalten eine auf diese Bestimmung bezugnehmende ausdrückliche Regelung. § 274 Abs 2 BSVG sieht vor, dass § 122c sowie die zugehörige Wartezeitregelung des § 111 Abs 3 Z 2 lit b BSVG mit Ablauf des 30. Juni 2000 außer Kraft treten. Die Wartezeit für die vorzeitige Alterspension wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit hatte nach dieser Bestimmung 180 Versicherungsmonate betragen. Im Anwendungsbereich des § 255 Abs 21 BSVG ist dieses Erfordernis auf 120 Monate reduziert.

Für die Auslegung von Gesetzen (§ 6 ABGB) ist in erster Linie der sich aus dem Wortlaut ergebende objektive Sinngehalt einer Bestimmung maßgebend (Dittrich/Tades, ABGB35, E 10a zu § 6 ABGB). Nach der Rechtsprechung kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, eine überflüssige - und daher inhaltslose (ArbSlg 10.447) - Regelung getroffen zu haben (Dittrich/Tades aaO E 19). Auch aus der Beibehaltung einer Regelung muss daher zunächst auf einen entsprechenden gesetzgeberischen Willen geschlossen werden. Eine berichtigende Auslegung im Rahmen der historischen Interpretation ist nur dann zulässig, wenn den Gesetzesmaterialien mit eindeutiger Sicherheit entnommen werden kann, dass der Wille des Gesetzgebers tatsächlich in eine andere Richtung gegangen ist, als dies zum Ausdruck kommt. Die Verbesserung eines Redaktionsversehens im Wege abändernder Auslegung ist nur dann zulässig, wenn der wahre Wille des Gesetzgebers mit Sicherheit nachweisbar ist (Dittrich/Tades aaO E 32 und E 32b).

Unter Heranziehung dieser Auslegungsgrundsätze ist zunächst auf den völlig eindeutigen Wortlaut der beibehaltenen Regelung des § 255 Abs 21 BSVG zu verweisen. Die Anordnung geht eindeutig dahin, dass für die in Betracht kommenden weiblichen Versicherten § 122c BSVG weiterhin (iVm § 111 in der am 31. August 1996 geltenden Fassung) anzuwenden ist, und nicht etwa im Sinne einer Übergangsbestimmung dahin, dass § 111 in der am 31. August 1996 geltenden Fassung für Pensionen nach § 122c BSVG anzuwenden sei. Es ist aber auch - zumindest - daran zu zweifeln, dass die Beibehaltung dieser dem Wortsinn nach eindeutigen Norm - gemessen am gesetzgeberischen Willen - auf ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers des SVÄG 2000 zurückzuführen ist. § 255 Abs 21 BSVG sollte nämlich - wie auch in der Berufungsbeantwortung zugestanden wird - vor allem ältere Bäuerinnen schützen. Die mit der 16. Novelle zum BSVG, BGBl 678/1991 normierte Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG betraf überwiegend Frauen. Die während der bis 31. 12. 1993 verlängerten Befreiungsmöglichkeit für die mit 1. 1. 1992 erstmals in die Pflichtversicherung der Pensionsversicherung einbezogenen Bäuerinnen nach Art III Abs 2 BSVG idF BGBl 678/1991 eingeführte vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 122c BSVG kam als für die Entscheidung zum Verbleib im Versicherungssystem gerade für ältere Bäuerinnen relevanter und bei späteren Gesetzesänderungen beachtenswerter Gesichtspunkt (anders als bei sonstigen Versicherten, die nicht vor die Entscheidung der Einbeziehung in die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung standen) in Betracht.

Die durch das Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl I 201/1996 geschaffene Bestimmung des § 255 Abs 21 BSVG (damals war auf die Vollendung des 55. Lebensjahres abgestellt) trug zwar in erster Linie der Verschärfung der Wartezeitbestimmung des § 111 Abs 3 Z 2 lit b BSVG Rechnung, wogegen Abs 3 Z 1 (Wartezeit für die Erwerbsunfähigkeitspension) unverändert blieb; mit der (nicht einmal ein Jahr vor dem SVÄG 2000 liegenden) Novellierung des § 255 Abs 21 BSVG (Vollendung des 50. Lebensjahres) durch die 23. Novelle zum BSVG, BGBl I 176/1999 wurde aber nach den Gesetzesmaterialien gerade das (seinerzeitige) Vertrauen der älteren Bäuerinnen, in absehbarer Zeit die Voraussetzungen für die bei noch gegebener Befreiungsmöglichkeit von der Pflichtversicherung eingeführte vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit erfüllen zu können, berücksichtigt. Nach den EB zur RV, 1911 BlgNR 20. GP zu Z 16 wurde darauf Bedacht genommen, dass die Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 vor allem ältere Bäuerinnen traf, welche die aufgrund des Art III Abs 2 BSVG idF des BGBl Nr 337/1993 für sie bis 31. Dezember 1993 offengestandene Möglichkeit, sich von der Pflichtversicherung nach dem BSVG befreien zu können, nicht in Anspruch nahmen. Viele Bäuerinnen hätten sich für die Pflichtversicherung in der "Bäuerinnenpension" entschieden, aufgrund der Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen sei jedoch für die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit der Zugang zur Leistung erschwert. Dieser Folge sei durch die vorgeschlagene Änderung entgegenzuwirken. Auch wenn es in erster Linie um die Beibehaltung der günstigeren Wartezeitbestimmung ging, ist doch die Berücksichtigung des Vertrauens in die seinerzeit gegebene Rechtslage und die Erreichbarkeit der vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit unverkennbar. Diese noch vom Gesetzgeber in der 23. Novelle zum BSVG beachtete Vertrauensposition ist anderer Art als die der übrigen in der Pensionsversicherung nach dem ASVG, BSVG und GSVG Pflichtversicherten, weil das Vertrauen in die damalige Rechtslage geeignet war, die Entscheidung über den Verbleib in der Pflichtversicherung der Pensionsversicherung nach dem BSVG mitzubestimmen. Eine deshalb gewollte andere Behandlung dieser Pflichtversicherten durch das SVÄG 2000 erscheint damit aber keineswegs ausgeschlossen, obgleich § 255 Abs 21 BSVG überdies alle anderen weiblichen Versicherten, die am 1. 9. 1996 das 50. Lebensjahr bereits vollendet hatten, erfasst.

Nur so ist es naheliegenderweise auch zu erklären, dass im Zusammenhang mit der durch das SVÄG 2000 zur Abfederung von Härten geschaffenen Erwerbsunfähigkeitspension nach § 124 Abs 2 BSVG (Berufsschutz ab Vollendung des 57. Lebensjahres) für diese bei der 23. BSVG-Novelle noch besonders berücksichtigten, erst spät in die Pflichtversicherung der Pensionsversicherung nach dem BSVG einbezogenen älteren Bäuerinnen keine andere, die Erfüllung der Wartezeit in gleicher Weise begünstigende Bestimmung geschaffen wurde. Dazu soll es, sollte der in der Berufungsbeantwortung bezogene Entwurf zur 24. Novelle zum BSVG Gesetz werden, erst in Form der im Entwurf vorgesehenen Bestimmung des § 277 Abs 2 BSVG kommen. Nach den Erläuterungen zum Entwurf dieser Novelle geht es darum, dass bei bisher von § 255 Abs 21 BSVG umfasst gewesenen Fällen für künftige Erwerbsunfähigkeitspensionen gemäß § 124 Abs 2 BSVG die Wartezeitbestimmungen, wie sie für die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit in der am 31. August 1996 geltenden Fassung anzuwenden waren, gelten sollen. Ob dies im vorgeschlagenen Gesetzestext auch zum Ausdruck kommt, ist hier nicht zu untersuchen.

Zusammenfassend bietet sich somit kein zwingender Anhaltspunkt für ein dem Gesetzgeber des SVÄG 2000 bei der Beibehaltung des § 255 Abs 21 BSVG tatsächlich unterlaufenes Redaktionsversehen. Ein solches Redaktionsversehen liegt vor, wenn die Formulierung des Gesetzes durch einen Fehler in der technischen Ausarbeitung nachweislich mit dem zugrunde liegenden Willen nicht übereinstimmt (Bydlinski in Rummel3, Rz 25 zu § 6 ABGB). Schon die Tatsache der Beibehaltung der Bestimmung, die nicht einmal ein Jahr zuvor noch novelliert und schon deshalb wohl kaum übersehen wurde, spricht dagegen. Die bisher beachtete Interessenlage bestimmter erst spät in die Pflichtversicherung der Pensionsversicherung nach dem BSVG einbezogener weiblicher Versicherter erlaubt es nicht, die Möglichkeit einer doch gewollten Ausnahme von der (allgemeinen) Abschaffung der Pensionsart für diesen Personenkreis auszuschließen. Zieht man die doch gewollte Ausnahme in Betracht, ist auch eine durch die Regeln über den Vorrang der lex specialis und der lex posterior zu behebende Antinomie (Bydlinski aaO Rz 27) zu verneinen.

Somit ist die Berechtigung des geltend gemachten Anspruches nach § 255 Abs 21 iVm § 122c BSVG zu prüfen. Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass die Klägerin, weil sie nur mehr leichte bis fallweise mittelschwere Arbeiten verrichten kann, außerstande ist, einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die Erwerbstätigkeit fordert, die die Klägerin als Versicherte zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt hat. Unstrittig ist auch, dass die persönliche Arbeitsleistung der Klägerin zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war und der regelwidrige körperliche und geistige Zustand seit mindestens 20 Wochen andauerte.

Die am 31. 7. 1945 geborene Klägerin hatte am 1. September 1996 das 60. Lebensjahr vollendet. Das Erfordernis der Erfüllung der Wartezeit (§ 111 in der am 31. August 1996 geltenden Fassung), sowie das Vorliegen von 72 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung innerhalb der letzten 180 Kalendermonate (§ 122c Abs 1 Z 2) erscheint nach dem Anstaltsakt gegeben und von der beklagten Partei auch schlüssig zugestanden (§ 267 ZPO). Es wäre sonst auch nicht erforderlich gewesen, den Rechtsstandpunkt zu vertreten, dass die Regelung des § 255 Abs 21 BSVG gegenstandslos geworden sei.

Schließlich wurde außer Streit gestellt, dass die Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit mit 1. 1. 1995 erfolgte. Da der Umstand, dass die Pension wegen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit wegfällt, nur bei Einwendung der beklagten Partei wahrzunehmen ist (vgl 10 ObS 129/99i), ist nicht zu prüfen, ob die zugestandene Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit die Beendigung jeglicher Erwerbstätigkeit, die das Entstehen eines Anspruches gemäß § 122 Abs 1 Z 4 BSVG ausschließen würde, umfasst."

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klagsabweisenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückweisungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Zulässigkeit des Rechtsweges für eine Bescheidklage setzt nach § 67 Abs 1 Z 1 ASGG (und § 69 ASGG) voraus, dass der Versicherungsträger darüber bereits mit Bescheid entschieden hat. Liegt eine meritorische Entscheidung des Versicherungsträgers über den geltend gemachten Anspruch des Versicherten nicht vor, ist der Rechtsweg - von bestimmten Ausnahmen abgesehen - ausgeschlossen (SSV-NF 13/149).

Im vorliegenden Fall wurde mit dem der Klage zugrunde liegenden Bescheid seinem Spruch gemäß über die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitspension abgesprochen, die von der Klägerin nicht beantragt war; ihr Antrag wurde jedoch aufgrund der gesetzlichen Bestimmung des § 274 Abs 4 BSVG in einen Antrag auf Erwerbsunfähigkeit umgedeutet, ohne dass ein anderer Versicherungsfall eingetreten wäre, und es wurde genau über diesen Antrag bescheidmäßig abgesprochen, wobei dem Bescheid zu entnehmen ist, dass die von der Klägerin eigentlich begehrte Leistung aufgrund einer zwischenzeitigen Gesetzesänderung nicht (mehr) zugesprochen werden kann. Anders als im Fall, der der Entscheidung SSV-NF 13/149, zugrunde lag, wird daher in das gerichtliche Verfahren nicht ein neuer Versicherungsfall einbezogen, der nicht Gegenstand des vor dem Versicherungsträger durchgeführten Verfahrens war. Für die von der Klägerin erhobene Bescheidklage ist daher der Rechtsweg zulässig.

Die beklagte Partei wiederholt in ihren Revisionsausführungen den Standpunkt, aus der Gesetzgebungsgeschichte seit der 16. BSVG-Novelle ergebe sich eindeutig, dass sich § 255 Abs 21 BSVG immer nur auf die Wartezeitbestimmung des § 122c BSVG bezogen habe. Mit der Aufhebung des § 122c BSVG durch das SVÄG 2000 sei daher auch dem § 255 Abs 21 BSVG der Boden entzogen. Die erst nach wiederholten Anläufen endgültige Ausformung der Rechtslage in Reaktion auf das EuGH-Urteil in Sachen Buchner ua sei ein eindeutiger Beleg für die Tatsache, dass auf die ausdrückliche Aufhebung des § 255 Abs 21 BSVG schlichtweg vergessen worden sei. Dieser Aspekt werde auch unter Berücksichtigung der in der Regierungsvorlage der 24. Novelle zum BSVG in der Fassung des Ministerrates vom 22. 5. 2001 vorgesehenen Bestimmung des § 280 Abs 3 BSVG deutlich. Keinesfalls sei die Intention des Gesetzgebers dahin gegangen, dem in § 255 Abs 21 BSVG in Betracht kommenden Personenkreis die generell aufgehobene vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit auch weiterhin zu ermöglichen, zumal eine solche Sichtweise abermals die Möglichkeit eröffnet hätte, dass Frauen die Leistung ab dem 55. Lebensjahr in Anspruch nehmen könnten. Bei konsequenter Fortsetzung des der Berufungsentscheidung zugrundeliegenden Gedankens würde sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben, dass auch alle Männer, die am 1. 9. 1996 das 50. Lebensjahr vollendet haben, mit 55 und mit verkürzter Wartezeit in Pension gehen könnten. Damit unterstelle das Berufungsgericht dem Gesetzgeber die bewusste Inkaufnahme einer Rechtsfolge, die entweder im diametralen Widerspruch mit der belegten Intention des Gesetzgebers stehe, oder die Inkaufnahme einer wiederholten EU-Widrigkeit, sollte die Bestimmung dem Wortlaut zufolge auf weibliche Versicherte reduziert bleiben.

Auch wenn diese Ausführungen, dass sich § 255 Abs 21 BSVG nach den gesetzgeberischen Intentionen nur auf die Erfüllung der Wartezeit nach § 122c iVm § 111 BSVG bezogen habe und bei der Verabschiedung des SVÄG 2000 auf die ausdrückliche Aufhebung des § 255 Abs 21 BSVG vergessen worden sei, nicht unplausibel erscheinen, vermögen sie doch die detaillierten Ausführungen des Berufungsgerichts nicht zu entkräften, wonach keineswegs mit Sicherheit ein Redaktionsversehen angenommen werden kann. Tatsache ist, dass § 255 Abs 21 BSVG ungeachtet des SVÄG 2000 mit folgendem klaren Wortlaut in Kraft geblieben ist: "Für weibliche Versicherte, die am 1. September 1996 das 50. Lebensjahr bereits vollendet haben, ist § 122c iVm § 111 in der am 31. August 1996 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden."

Daraus kann in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht durchaus der Schluss gezogen werden, dass der Personengruppe, der auch die Klägerin angehört, weiterhin der § 122c BSVG zugutekommen soll. Auch wenn die in § 7 ABGB ausdrücklich angeordnete Analogie beweist, dass selbst der eindeutige Gesetzeswortlaut keine unübersteigliche Grenze juristischer Argumentation darstellt (F. Bydlinski in Rummel, ABGB3, § 6 Rz 25), ist es nicht Aufgabe der Gerichte, durch zu weitherzige Interpretation rechtspolitische Aspekte zu berücksichtigen, die den Gesetzgeber bisher (bewusst oder unbewusst) nicht veranlasst haben, Gesetzesänderungen vorzunehmen; (allenfalls) unbefriedigende Gesetzesbestimmungen zu ändern oder zu entfernen ist nicht Sache der Rechtsprechung, sondern der Gesetzgebung (vgl 2 Ob 6/92 = JBl 1993, 235; 10 ObS 2016/96k = SSV-NF 10/35 ua; RIS-Justiz RS0009099).

Somit ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a, Abs 2 ASGG.

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