European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00020.16P.0315.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der beklagten Pensionsversicherungsanstalt vom 27. 5. 2009 wurde dem Kläger die Ausgleichszulage ab 1. 2. 2007 zuerkannt und gleichzeitig ausgesprochen, dass diese ab 1. 6. 2009 als Vorschuss ausbezahlt wird. Mit Bescheid vom 4. 2. 2010 sprach die beklagte Partei den Wegfall der Ausgleichszulage mit 1. 7. 2009 aus und rechnete den vom 1. 7. 2009 bis 31. 1. 2010 entstandenen Überbezug gegen die dem Kläger ab Februar 2010 gebührende Pension in monatlichen Raten von 40 EUR auf. Als Begründung wurde ausgeführt, dass es der Kläger trotz Aufforderung unterlassen habe, Nachweise über ihm zugeflossene Einkünfte zu erbringen.
Mit seinem bei der beklagten Partei am 8. Oktober 2013 eingelangten Schreiben beantragte der Kläger (zum wiederholten Mal) die „rückwirkende“ Auszahlung der Ausgleichszulage zu seiner Alterspension „in vollem Umfang“ unter Berücksichtigung des Kinderzuschusses (Seite 386 im Pensionsakt).
Mit Bescheid vom 24. 1. 2014 anerkannte die beklagte Partei den Anspruch des Klägers auf Ausgleichszulage ab 1. 9. 2013 und bemaß die Ausgleichszulage unter Erhöhung des Richtsatzes für zwei Kinder sowie unter Berücksichtigung der ausländischen Pensionsbezüge und des Sachbezugs für eine volle freie Station mit monatlich 584,34 EUR ab 1. 9. 2013 und mit monatlich 566,16 EUR ab 1. 1. 2014.
Mit seinem als Klage gegen diesen Bescheid gewerteten Schreiben vom 1. 4. 2014 begehrte der Kläger „die ihm nach dem Gesetz zustehende volle Alterspension seit Pensionsantritt, die volle Ausgleichszulage seit Pensionsantritt, die Kinderzuschüsse für zwei Kinder, die Rückerstattung aller Abzüge ausgenommen Krankenversicherung sowie jährlichen Inflationsabgleich für die säumigen Beträge“. Er nimmt zusammengefasst den Standpunkt ein, der Abzug des Sachbezugs wegen freier Station sei zu Unrecht erfolgt; die Ausgleichszulage wäre ihm in „voller Höhe“ ab 1. 2. 2007 auszubezahlen gewesen.
Die beklagte Partei bestritt und beantragte die Klageabweisung.
Das Erstgericht erkannte mit einer (einheitlich) als „Urteil“ abgefassten Entscheidung die beklagte Partei schuldig, dem Kläger die Ausgleichszulage unter Abzug eines Sachbezugs in Höhe von 10 % der freien Station ab 1. 9. 2013 in Höhe von monatlich 789,22 EUR und ab 1. 1. 2014 in Höhe von monatlich 812,81 EUR zu gewähren (Pkt 1 des Spruchs) und wies das Mehrbegehren auf Zahlung einer höheren Ausgleichszulage ab (Pkt 2 des Spruchs). Das Begehren auf „Zahlung einer vollen Alterspension seit Pensionsantritt, einer vollen Ausgleichszulage seit Pensionsantritt, eines Kinderzuschusses für zwei Kinder, Rückerstattung aller Abzüge ausgenommen Krankenversicherung und jährlichen Inflationsabgleich für die säumigen Beträge“ wurde zurückgewiesen (Pkt 3 des Spruchs). Aus der Begründung des Ersturteils zu Punkt 3 des Spruchs ergibt sich, dass die Zurückweisung mangels Zulässigkeit des Rechtswegs erfolgte, da diesem Begehren soweit es über den in Punkt 1 des Spruchs genannten Zeitraum und Betrag hinausgehe, der Grundsatz der sukzessiven Kompetenz und die Rechtskraft der in der Vergangenheit gefällten (im Einzelnen festgestellten) Vorentscheidungen entgegenstünden.
Das Berufungsgericht gab dem gegen diese Entscheidung gerichteten, als „Berufung“ bezeichneten Rechtsmittel des Klägers teilweise Folge und änderte das Ersturteil ‑ mittels einer ebenfalls (einheitlich) als „Urteil“ abgefassten Entscheidung ‑ dahin ab, dass dem Kläger eine Ausgleichszulage (ohne 10%igen Abzug des Wertes der freien Station) vom 1. 9. 2013 bis 31. 12. 2013 in Höhe von monatlich 815,98 EUR und ab 1. 1. 2014 in Höhe von monatlich 840,22 EUR zuerkannt, im Übrigen der „Berufung“ nicht Folge gegeben und die erstinstanzliche Entscheidung in ihrem Spruchpunkt 3 (betreffend die Zurückweisung) bestätigt wurde. Das Berufungsgericht sprach aus, dass gegen diese Entscheidung die „ordentliche Revision“ nicht zulässig sei.
Die Berufungsentscheidung wurde dem Rechtsvertreter des Klägers am 29. 12. 2015 zugestellt. Am 26. 1. 2016 langte beim Erstgericht ein als „außerordentliche Revision“ bezeichnetes (ausschließlich) gegen die Zurückweisung des Klagebegehrens gerichtetes Rechtsmittel des Klägers mit dem Antrag ein, der „Revision“ Folge zu geben und das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass „eine Ausgleichszulage in gesetzlicher Höhe auch für den Zeitraum 1. 2. 2007 bis 30. 8. 2013 zuerkannt werde, dies „unter Heranziehung des infolge Wertanpassung erhöhten, bei Fällung der hier beantragten Entscheidung geltenden Richtsatzbetrages und des aktuell geltenden Kinderzuschlagsbetrages“.
Rechtliche Beurteilung
Das Rechtsmittel ist verspätet:
1 . Soweit die Vorinstanzen das auf „Zahlung der vollen Alterspension seit Pensionsantritt, der vollen Ausgleichszulage seit Pensionsantritt; des Kinderzuschusses für zwei Kinder, Rückerstattung aller Abzüge ausgenommen Krankenversicherung und jährlichen Inflationsabgleich für die säumigen Beträge“ gerichtete Klagebegehren und „Urteil“ zurückgewiesen haben, haben sie eine unrichtige Entscheidungsform gewählt, weil die Zurückweisung der Klage mit Beschluss zu erfolgen hat. Für die Beurteilung, ob ein Urteil oder ein Beschluss vorliegt, ist nicht die tatsächlich gewählte, sondern die vom Gesetz vorgesehene Entscheidungsform maßgebend (RIS‑Justiz RS0036324 [T7]). Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist daher in diesem Umfang in Wahrheit ein Beschluss, gegen den der Revisionrekurs nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO zulässig ist, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt.
2. Das Vergreifen in der Entscheidungsform beeinflusst aber weder die Zulässigkeit noch die Behandlung des gegen die Entscheidung erhobenen Rechtsmittels (RIS‑Justiz RS0036324). Auch die Frage, ob eine Entscheidung anfechtbar ist und mit welchem Rechtsmittel das zu geschehen hat, hängt daher nicht davon ab, welche Entscheidungsform das Gericht tatsächlich gewählt hat, sondern nur davon, welche Entscheidungsform die richtige ist (RIS‑Justiz RS0041880 [T1]). Das gegenständliche Rechtsmittel ist demnach als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandeln.
3. Dieser ist jedoch verspätet, weil auch das Vergreifen in der Entscheidungsform nicht zur Verlängerung von unerstreckbaren Notfristen führt und daher keine Auswirkung auf die gegen die Entscheidung offenstehenden Rechtsmittelfristen hat (vgl RIS‑Justiz RS0036324 [T14]). Rechtsmittelfristen sind Notfristen, die gemäß § 128 Abs 1 ZPO auch durch das Gericht nicht verlängert werden können (4 Ob 77/14y mwN). Gegen die Entscheidung der zweiten Instanz steht somit nur der innerhalb von 14 Tagen einzubringende Revisionsrekurs zur Verfügung. Nach § 521 Abs 1 ZPO beträgt die Revisionsrekursfrist nur mehr dann 4 Wochen, wenn sich der Revisionsrekurs gegen einen Endbeschluss oder Aufhebungsbeschluss nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO richtet (vgl 9 Ob 67/15s). Die Bestimmungen über die
verhandlungsfreie Zeit sind in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen nicht anzuwenden (§ 39 Abs 4 ASGG). Dem Kläger kommt auch nicht die Rechtsprechung zugute, wonach sämtliche in einem einheitlichen Erkenntnis zusammengefassten Entscheidungen, für die bei gesonderter Ausfertigung unterschiedliche Rechtsmittelfristen gelten würden, innerhalb der längsten jeweils zur Verfügung stehenden Rechtsmittelfrist angefochten werden können (vgl RIS‑Justiz RS0002105; RS0041696; 8 ObA 10/15a mwN). Er hat in zweiter Instanz mit seinem Begehren auf Gewährung einer Ausgleichszulage ab 1. 9. 2013 ohne Anrechnung eines Sachbezugs für freie Station zur Gänze obsiegt, sodass er mangels Beschwer zur Erhebung einer Revision nicht berechtigt war. Es kam nur die Anfechtung der Zurückweisung des Klagebegehrens in Betracht, dies auch hinsichtlich der ‑ gar nicht vom Antrag des Klägers bei der beklagten Partei umfassten, in der Klage dennoch begehrten ‑ „Inflationsabgeltung“. In einer derartigen Verfahrenskonstellation besteht keine Veranlassung, dem Kläger, der allein durch die Zurückweisung der Klage beschwert sein kann, die längere (vierwöchige) Rechtsmittelfrist zu eröffnen (RIS‑Justiz RS0041670 [T6, T7]). Für die Anfechtung der Zurückweisung gilt ‑ wie bereits ausgeführt ‑ somit die 14‑tägige Revisionsrekursfrist, weshalb es bei dieser Frist zu bleiben hat.
Das nach Ablauf der 14‑tägigen Revisionsrekursfrist erhobene, als außerordentlicher Revisionrekurs zu behandelnde Rechtsmittel war daher als verspätet zurückzuweisen.
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