OGH 10ObS167/87

OGH10ObS167/8726.1.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf und Anton Korntheuer als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Stanojka S***, Kaiseraufstieg 31, 6330 Kufstein, vertreten durch Dr. Wilhelm Steidl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei P*** DER A***

(Landestelle Salzburg), Roßauerlände 3, 1092 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16.September 1987, GZ 5 Rs 1098/87-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 12.Mai 1987, GZ 44 Cgs 72/87-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 9.3.1945 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt und war bisher als Hilfsarbeiterin im Gastgewerbe und bei einer Gebäudereinigungsfirma beschäftigt. Bei einem Unfall im März 1978 erlitt die Klägerin eine Beckenfraktur, Sprengung der Kreuzdarmbeinfuge sowie eine Beckeninsuffizienz. Auf Grund der Folgen dieses Unfalles wurde der Klägerin mit Bescheid der beklagten Partei vom 13.10.1979 eine Invaliditätspension wegen vorübergehender Invalidität zuerkannt. Diese Invaliditätspension wurde der Klägerin auf Grund eines im Rahmen eines Verfahrens vor dem Schiedsgericht der Sozialversicherung für Tirol in Innsbruck am 4.7.1984 geschlossenen Vergleiches weitergewährt; maßgeblich waren die damals noch bestehenden hochgradigen Einschränkungen des Bewegungsapparates. Mit Bescheid der beklagten Partei vom 23.10.1986 wurde die Entziehung der Invaliditätspension ausgesprochen. Nunmehr leidet die Klägerin an den Folgen des Beckenringbruches, der in leichter Fehlstellung verheilt ist. Es besteht eine leichte Osteochondrose und Spondylarthrose der Lendenwirbelsäule. Hieraus ergibt sich eine etwa als mittelgradig einzustufende Funktionsbehinderung der unteren Lendenwirbelsäule sowie des Beckenskelettes. Die Klägerin ist nunmehr in der Lage, leichte, teilweise auch mittelschwere Tätigkeiten tagfüllend durchzuführen. Ideal wären Tätigkeiten in geschlossenen Räumen bei vorwiegend sitzender Beschäftigung oder Tätigkeiten, bei denen die sitzende Position etwa 50 % des Arbeitspensums ausmacht. Das Tragen von Gegenständen mit einem Gewicht von über 20 Kilogramm ist zu unterlassen. Ebenso sollten auch jene Arbeiten vermieden werden, die ein regelmäßiges und häufiges Bücken nach vorne erforderlich machen. Der Anmarschweg zur Arbeit sollte nicht länger als 1500 Meter sein. Seit Juli 1984, als eine hochgradig schmerzhafte Beeinträchtigung des Bewegungsapparates mit Blockierung im Lendenwirbelsäulen- und Halswirbelsäulenbereich bestand, ist im Gesundheitszustand der Klägerin eine wesentliche Besserung eingetreten.

Das Erstgericht wies das Begehren der Klägerin, die beklagte Partei zur Weitergewährung der Invaliditätspension über den Entziehungszeitpunkt hinaus zu verpflichten, ab. Es sei eine wesentliche Besserung in ihrem Zustand eingetreten. Auf Grund des nunmehr bestehenden Leistungskalküles sei die Klägerin in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in ausreichender Zahl angebotene Tätigkeiten zu verrichten.

Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin wegen unrichtiger Sachverhaltsfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung nicht Folge. Es billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes. Die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fach der Berufskunde sei nicht erforderlich gewesen, weil allgemein bekannt sei, daß bei der festgestellten Leistungsfähigkeit der Klägerin zahlreiche Tätigkeiten möglich und hiefür eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen vorhanden seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinn einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Die Klägerin hat in ihrer Berufung die Richtigkeit der vom Erstgericht auf Grund des Gutachtens des beigezogenen Sachverständigen getroffenen Feststellungen bekämpft und die Einholung eines Gutachtens eines anderen Sachverständigen moniert. Daneben rügte sie die Unterlassung der Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fach der Berufskunde; ein Gutachten aus diesem Fach sei erforderlich, weil andernfalls nicht geprüft werden könne, ob noch Tätigkeiten zur Verfügung stehen, die die Klägerin auszuüben in der Lage sei.

Neben der Ausführung einer Beweisrüge wurde damit, worauf bereits das Berufungsgericht zutreffend verwiesen hat, ausschließlich ein primärer Verfahrensmangel geltend gemacht; die Klägerin vertrat den Standpunkt, daß die Beweisaufnahme unvollständig geblieben sei. Auf diese Ausführungen wird auch die Mängelrüge der Revision gegründet.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner grundlegenden Entscheidung 10 Ob S 23/87 ausführte, können auch in Sozialrechtssachen Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, nicht mit Revision geltend gemacht werden. Dem Obersten Gerichtshof ist es somit nicht möglich, die Frage zu prüfen, ob die in der Revision behaupteten Mängel des Verfahrens erster Instanz vorliegen, weil dies schon vom Berufungsgericht verneint wurde.

Soweit die Klägerin in der Revision den Standpunkt vertritt, daß im Hinblick auf das festgestellte Leistungskalkül insbesonders die Anmarschwegbeschränkung eine Verweisbarkeit auf dem Arbeitsmarkt ausgeschlossen sei und sie wegen häufiger Krankheitszustände keinen Posten bekommen werde, greift sie die Rechtsfrage auf. Ihre Ausführungen im Berufungsverfahren beschränkten sich jedoch - wie dargestellt - auf die Bekämpfung der Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes und die Geltendmachung eines primären Verfahrensmangels. Die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes wurde in keinem Punkt ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes bekämpft. Dieser Berufungsgrund wurde zwar benannt, jedoch enthielt das Rechtsmittel hiezu keine Ausführungen. Hat die unterlegene Partei jedoch ihre Berufung nicht auch auf den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützt und ihn gesetzmäßig ausgeführt, so kann die von ihr versäumte Rechtsrüge in der Revision nicht nachgetragen werden (SZ 50/152; EvBl. 1951/268 ua; 9 Ob S 10/87). Da im Berufungsverfahren eine Rechtsrüge nicht erhoben wurde, ist dem Obersten Gerichtshof die Überprüfung der rechtlichen Beurteilung entzogen.

Der Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Eine Kostenentscheidung entfiel, da Kosten nicht verzeichnet wurden.

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