Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Revisionskosten sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Aus den Feststellungen des Erstgerichtes im Zusammenhalt mit dem den Kläger betreffenden Pensionsakt der beklagten Partei ergibt sich:
Der Kläger und seine nach wie vor mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegattin übergaben im in Notariatsaktsform geschlossenen Übergabsvertrag vom 2.2.1986 ihrem Sohn Eduard und dessen Ehegattin gleichteilig eine ihnen je zur Hälfte gehörende Liegenschaft, der Kläger übergab auch seinen gastwirtschaftlichen Betrieb. Die Übergeber behielten sich auf ihre Lebensdauer eine "Wohnungsausnahme" vor. Die Übernehmer verpflichteten sich zur ungeteilten Hand, den Übergeber zur ungeteilten Hand auf deren Lebensdauer das zum Heizen, Kochen und Waschen benötigte Brennmaterial zur Verfügung zu stellen, die durch die Beleuchtung der Ausnahmswohnung auflaufenden Stromkosten zu ersetzen, die Wäsche zu waschen und ihnen in kranken Tagen die erfoderliche Pflege und Betreuung zukommen zu lassen, ihnen die letzte Treue zu erweisen und vom 1.2.1966 an am Ersten eines jeden Monats im vorhinein eine nach dem damaligen Index der Verbraucherpreise für einen städtischen Arbeitnehmerhaushalt durchschnittlicher Größe und durchschnittlichen Einkommens wertgesicherten Betrag von 1.000 S "hinauszuzahlen". Der am 6.9.1907 geborene Kläger stellte am 25.3.1966 einen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitspension, die ihm nach Zurücklegung der Gewerbeberechtigung am 9.8.1966 mit Bescheid der beklagten Partei vom 16.2.1967 ab 10.8.1966 in der monatlichen Höhe von 783,20 S bewilligt wurde. In diesem Bescheid wurde auch ausgesprochen, daß kein Anspruch auf Ausgleichszulage bestehe, weil das Gesamteinkommen den Richtsatz übersteige. Mit Bescheid vom 5.8.1971 stellte die beklagte Partei ua fest, daß dem Kläger vom 1.7.1971 an eine Ausgleichszulage von 114,50 S gebühre. Seither bezog der Kläger immer Ausgleichzulage, bei deren Berechnung allerdings keine Aufwertungsbeträge zur Leibrente berücksichtigt wurden. Der beklagten Partei wurde nämlich die Wertsicherungsklausel erst durch Vorlage des Übergabsvertrages im Jahre 1979 bekannt, doch wies der Kläger damals darauf hin, daß er die Wertsicherung nie in Anspruch genommen habe, weil sein Sohn wegen schlechter Wirtschaftslage und Sorgepflichten für drei Kinder nicht in der Lage sei, mehr als 1.000 S Leibrente zu zahlen. In der ersten Hälfte des Jahres 1988 betrug die Ausgleichszulage monatlich 2.439,50 S. Mit Schreiben vom 15.6.1988 teilte die beklagte Partei dem Kläger mit, daß die Ausgleichszulage vom 1.7.1988 an nicht feststellbar sei und daß ihm von diesem Tag an nur ein jederzeit verrechenbarer monatlicher Vorschuß von 371,90 S (und nicht wie vom Erstgericht festgestellt 600 S) gezahlt werde.
Mit Bescheid vom 2.12.1988 stellte die beklagte Partei die dem Kläger vom 1.7. bis 31.8.1988 (zur Alterspension von 3.007,70 S) gebührende Ausgleichszulage mit monatlich 600,70 S neu fest, weil sie neben den unbestritten gebliebenen Sachbezügen des Klägers und seiner Ehegattin und neben dem nichtaufgewerteten Leibrentenbetrag von 1.000 S einen Wertsicherungsbetrag von 1.771,20 S berücksichtigte.
In der dagegen rechtzeitig erhobenen, auf eine Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß vom 1.7. bis 31.8.1988 gerichteten Klage behauptete der Kläger im wesentlichen, die Wertsicherungsklausel sei nur auf Anraten des Notars in den Übergabsvertrag aufgenommen worden. Weil die wirtschaftliche Lage des übergebenen Betriebes im Zeitpunkt der Übergabe überaus schlecht gewesen und keine Besserung zu erwarten gewesen sei, habe er gleichzeitig auf die Wertsicherung verzichtet.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und wendete im wesentlichen ein, der Kläger habe immer erklärt, er habe die Wertsicherung wegen der finanziellen Probleme seines Sohnes nie in Anspruch genommen. Die Übernehmer wären aber (im Jahre 1988) durchaus imstande gewesen, die Leibrente samt der vereinbarten Wertsicherung zu leisten.
Das Erstgericht wies die Klage ab.
Neben dem bereits oben wiedergegebenen Sachverhalt stellte es fest, daß der Kläger den Übernehmern gegenüber auf die Wertsicherung der Leibrente verzichtete, weil die wirtschaftliche Lage des Betriebes im Zeitpunkt der Übergabe überaus schlecht war und auf Sicht keine Besserung erwartet werden konnte. Die wertgesicherte Leibrente hätte (in den Monaten Juli und August 1988) für den Kläger und seine Ehegattin je 1.385,50 S betragen. Das gemeinsame Jahresnettoeinkommen der Übernehmer betrug im Jahre 1988 etwa 240.000 S.
Weil die Übernehmer davon auch die vereinbarte Wertsicherung hätten leisten können, habe der Kläger auf realisierbares Einkommen verzichtet. Dieser Verzicht sei ausgleichszulagenrechtlich unwirksam, weshalb auch der Aufwertungsbetrag zu berücksichtigen sei.
Dagegen erhob der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung Berufung.
In der Berufungsbeantwortung erklärte die beklagte Partei, daß es dem Kläger nicht gelungen sei, den angeblich bereits anläßlich der Betriebsübergabe, offenbar mündlich oder stillschweigend abgegebenen Verzicht auf die Wertsicherung zu beweisen. Ein so früher Verzicht sei auch insbesondere nach den Stücken (121,) 124, 135, 136 und 142 des Pensionsaktes zu bezweifeln.
Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge.
Bei der Beurteilung der Wirksamkeit eines Verzichtes sei zu beachten, daß der Übergabsvertrag ein Dauerschuldverhältnis auf Leistung einer Leibrente begründet habe. Die künftigen Änderungen der Wirtschaftslage seien durch die vereinbarte Wertsicherungsklausel berücksichtigt worden. Daraus ergebe sich zwingend, daß die Rechtfertigung des Verzichtes auf eine Leistung aus einem Dauerschuldverhältnis für jede Wirtschaftsperiode gesondert zu prüfen sei. Es sei nämlich zwischen einem gänzlichen Verzicht auch für den Fall künftig geänderter wirtschaftlicher Verhältnisse und dem Verzicht nur auf eine Jahresleistung zu unterscheiden. Der Verzicht möge daher im Jahre 1966 gerechtfertigt gewesen sein, nicht jedoch für das Jahr 1988, in dem die Leistung des aufgewerteten Betrages für die Übernehmer durchaus erschwinglich gewesen wäre.
Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, das angefochtene Urteil "aufzuheben und das erstgerichtliche Urteil im klagestattgebenden Sinne abzuändern" oder es "zu beheben und die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen".
Die beklagte Partei beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben. Sie weist neuerlich darauf hin, daß die Wertsicherung nach der (Pensions)Aktenlage (Stücke 135, 136 und 142) in den Jahren 1971 bis 1976 offenbar tatsächlich in Anspruch genommen worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist iS des Aufhebungsantrages berechtigt.
Aus den Bestimmungen über die Ausgleichszulage ergibt sich, daß bei der Feststellung des Anspruches auf diese Leistung grundsätzlich nur tatsächlich bezogenes Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten und seines mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners zu berücksichtigen ist. Dies erfordert der Zweck dieser Zusatzleistung, die zusammen mit der Pension, dem aus übrigen Einkünften erwachsenden Nettoeinkommen und den gemäß § 151 GSVG zu berücksichtigenden Beträgen das Existenzminimum des Pensionsberechtigten (und des mit ihm zusammenlebenden Ehepartners) sichern soll (Martinek, Zur Ausgleichszulage, VersRdSch 1956, 229; Tomandl, Grundriß des österr. Sozialrechts4 Rz 193; Schrammel bzw Teschner in Tomandl, SV-System 5. ErgLfg 132 bzw 413; Grillberger, Österreichisches Sozialrecht 77; Schrammel, Probleme der Ausgleichszulage, ZAS 1992, 9; SSV-NF 1/60, 62 ua).
Der erkennende Senat hat - in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Wien als bis 31.12.1986 letzter Instanz in Leistungsstreitsachen - wiederholt ausgesprochen (SSV-NF 1/60, 3/118, 131, 149, 4/47), daß - ganz allgemein - Ansprüche mit Einkommenscharakter, die einem Pensionsberechtigten auf vertraglicher oder gesetzlicher Grundlage zustehen, bei der Prüfung des Anspruches auf Ausgleichszulage grundsätzlich wie tatsächliches Einkommen zu berücksichtigen seien. Ein Verzicht auf die Geltendmachung zustehender Einkünfte sei nur dann beachtlich, wenn er in der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Erfüllung der Leistung durch den Verpflichteten begründet sei. In Fällen, in denen sich der Pensionsbezieher darauf berufe, daß vertragliche oder gesetzliche Ansprüche nicht realisierbar wären, seien daher die genauen Vermögens- und Einkommensverhältnisse des zur Erbringung der fraglichen Leistung Verpflichteten zu prüfen. Nur wenn diese Person außerstande sei, ihrer Verpflichtung nachzukommen, sei die Durchsetzung des Anspruches tatsächlich unmöglich oder zumindest unzumutbar. Daß ein Verzicht auf realisierbares Einkommen nicht zu einer Erhöhung der Ausgleichszulage um jene Beträge führen dürfe, auf die verzichtet worden sei, sei zur Abwehr mißbräuchlicher Inanspruchnahme öffentlicher Mittel notwendig; der subsidiäre, sozialhilfeähnliche Charakter der Ausgleichszulage verbiete es im allgemeinen zu berücksichtigen, daß der Berechtigte von sich aus auf realisierbare Leistungen verzichte.
Schrammel kritisiert die Auffassung des Obersten Gerichtshofes, beim Verzicht eines Pensionisten auf einen Anspruch würde die mißbräuchliche Inanspruchnahme öffentlicher Gelder widerleglich vermutet und der Pensionist habe sein korrektes, staatsschonendes Verhalten zu beweisen, in seinem Aufsatz ZAS 1992, 9 [13]. Diese Rechtsmeinung des Höchstgerichtes sei mit seiner Judikatur zum Verlustausgleich und zur (ausgleichszulagenrechtlichen) Irrelevanz von bloßen Erwerbschancen nicht vereinbar. Wenn es nur darauf ankomme, ob der Pensionist tatsächlich über ein Einkommen in Höhe des Richtsatzes verfüge, dann könne ein aufgegebenes oder nicht realisiertes Recht nicht einfach als tatsächlich angefallener Bezug gewertet werden.
Schrammel ist insoweit beizupflichten, daß die von der bisherigen Judikatur vertretene Rechtsmeinung, ein Verzicht des Pensionsberechtigten auf realisierbare Ansprüche sei ausgleichszulagenrechtlich nur dann beachtlich, wenn er in der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Erfüllung der Leistung durch den Verpflichteten begründet sei, bei Bedachtnahme auf die Rechtsprechung des erkennenden Senates zu anderen Fragen des Ausgleichszulagenrechtes grundsätzlich auf Ansprüche mit Einkommenscharakter beschränkt werden muß, auf die der Berechtigte in rechtsmißbräuchlicher Weise verzichtet hat, um dadurch die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Ausgleichszulage zu schaffen.
Kommt es nämlich nur darauf an, ob der Pensionist tatsächlich über ein Einkommen in Höhe des Richtsatzes verfügt, dann kann ein aufgegebenes oder nicht realisierbares Recht nicht einfach als tatsächlicher Bezug gewertet werden. So wie der Pensionist ausgleichszulagenrechtlich nicht verpflichtet ist, aus seinem Vermögen Einkünfte zu erzielen (SSV-NF 4/95), ohne Schmälerung seines Ausgleichszulagenanspruchs Teile seines Kapitals zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten einsetzen darf (SSV-NF 4/95), und auch eine sonstige Verringerung seines Vermögensstammes durch Privatentnahmen, Veräußerung von Grundstücken, Schmuck und anderen Wertgegenständen - soweit damit nicht (laufende) Erträgnisse verbunden sind (15.12.1992 10 Ob S 129/92) - keine Auswirkungen auf die Ausgleichszulage hat (SSV-NF 4/95; 10 Ob S 300/90), kann der Verzicht auf Ansprüche, die freiwillig durch vertragliche Einigung eingeräumt wurden, dem Pensionisten nicht ohne weiteres als mißbräuchliche Inanspruchnahme öffentlicher Gelder vorgeworfen werden (Schrammel, am letztg 0 13).
Nach § 1444 AbGB "kann der Gläubiger in allen Fällen, in welchen er berechtigt ist, sich seines Rechtes zu begeben, demselben auch zum Vorteile seines Schuldners entsagen und hiedurch die Verbindlichkeit des Schuldners aufheben" (Entsagung, Verzicht, Erlaß). Der Gläubiger verfügt damit über sein vorhandenes Vermögen.
Schrammel meint in der letztzit Aufsatzstelle grundsätzlich zutreffend, wenn der Pensionist ausgleichszulagenrechtlich nicht verpflichtet sei, sein Vermögen zu verwerten, dann müsse darin eingeschlossen sein, daß eine tatsächliche Verwertung auch wieder eingestellt werden könne. Wenn der Anspruch auf Ausgleichszulage nicht dadurch berührt werde, daß der Pensionist einen Millionenbetrag im "Sparstrumpf" aufbewahre, wenn es keine Rolle spiele, ob er von diesem Millionenbetrag Anschaffungen tätige, dann müsse er wohl auch berechtigt sein, auf einem Sparkonto befindliche (und damit zinsbringend angelegte) Beträge abzuziehen und wieder in den "Sparstrumpf" zu stecken. Dadurch werde die Verwertung beendet, der Pensionist verzichte damit wirtschaftlich auf ein realisierbares Einkommen. Dies könne ihm ausgleichszulagenrechtlich ebensowenig angelastet werden wie der Verzicht auf ein Forderungsrecht im technischen Sinn.
Der erkennende Senat hält die zusammenfassend wiedergegebenen Überlegungen Schrammels im wesentlichen für zutreffend:
Ein Ausgleichszulagenbezieher darf sein Recht, auf bei der Feststellung seines Anspruches auf Ausgleichszulage zu berücksichtigende Einkünfte in Geld oder Geldeswert zu verzichten, zwar immer ausüben. Ein solcher Verzicht ist aber bei der Feststellung der Ausgleichszulage dann nicht zu berücksichtigen, wenn er offenbar den Zweck hatte, den Träger der Ausgleichszulage zu schädigen.
Wer nämlich in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise absichtlich Schaden zufügt, ist nach § 1295 Abs 2 ABGB dafür verantwortlich, falls dies in Ausübung eines Rechtes geschah, jedoch nur dann, wenn die Ausübung des Rechtes offenbar den Zweck hatte, den anderen zu schädigen, er also sein Recht auf Verzicht in schikanöser Weise mißbraucht.
Es ist unbestritten, daß diese Bestimmung über die Verantwortlichkeit für sittenwidriges Verhalten einschließlich Rechtsmißbrauch auch außerhalb des Schadenersatzrechtes anzuwenden ist, sofern es um die Schadensvermeidung geht. Das Schikaneverbot gilt auch im öffentlichen Recht; es wohnt der gesamte Rechtsordnung inne (Reischauer aaO Rz 63 zu § 1295 mit RspN). Dabei sind zwei Problemkreise zu unterscheiden:
die sittenwidrige absichtliche Schädigung in Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit und der Rechtsmißbrauch, also das Handeln in (formaler) Ausübung eines von der Rechtsordnung ausdrücklich eingeräumten Rechtes (Reischauer aaO Rz 54 zu § 1295; Schwimann/Harrer, ABGB V § 1295 Rz 103,105, 123; Rummel, Wettbewerb durch Umweltschutz? RZ 1993, 34 [38]). Im vorliegenden Fall geht es darum, ob der Kläger sein ihm von der Rechtsordnung (§ 1444 ABGB) eingeräumtes Recht auf Verzicht offenbar zu dem Zweck ausgeübt hat, den beklagten Versicherungsträger bzw den Träger der Ausgleichszulage zu schädigen, ob ihm also Rechtsmißbrauch vorzuwerfen ist.
IS der neueren Lehre und Rechtsprechung liegt ein solcher Rechtsmißbrauch nicht erst dann vor, wenn die Absicht des Ausgleichszulagenbeziehers, den Träger der Ausgleichszulage zu schädigen, der einzige Grund des Verzichtes ist, sondern schon dann, wenn das unlautere Motiv des Verzichtes die lauteren Motive eindeutig überwiegt, also so augenscheinlich im Vordergrund steht, daß andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten (Reischauer in Rummel2 Rz 58f zu § 1295 mRspN), demnach zwischen den vom Verzichtenden (vorsätzlich) verfolgten und den beeinträchtigten Interessen des Trägers der Ausgleichszulage ein krasses (und zu mißbilligendes) Mißverhältnis besteht (Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts9 I 466 mwN). Durch die Wortfolge "offenbar den Zweck hatte" wollte der Gesetzgeber der 3.TN verhindern, daß durch die Einschränkung auf die Schädigungsabsicht als einziges bedeutsames Motiv für die Ersatzpflicht dem Ersatzanspruch "so ziemlich die praktische Bedeutung genommen werde. Denn es wird sich wohl immer bei Ausübung eines Rechts, auch wenn sie offenbar nur den Schaden eines anderen bezweckt, irgendein Nebenzweck behaupten lassen, wenn schon kein anderer, so die ideelle Befriedigung am Rechtsgenusse oder die Rücksicht darauf, grundsätzlich sich an seinem Rechte nichts zu vergeben." (Mat zur 3. TN 45). Das unlautere Motiv muß das (die) lautere(n) Motiv(e) eindeutig überwiegen.
Der erkennende Senat kommt daher iS dieser Ausführungen unter Bedachtnahme auf Prähauser, ZAS 1971, 107, Binder, Probleme der pensionsversicherungsrechtlichen Ausgleichszulage, ZAS 1981, 89 und jüngst Schrammel, ZAS 1992, 13 zur Auffassung, daß ein Pensionsberechtigter ausgleichszulagenrechtlich grundsätzlich auf Ansprüche mit Einkommenscharakter verzichten darf. Ein solcher Verzicht ist jedoch bei der Feststellung der Ausgleichszulage dann unbeachtlich, wenn er offenbar den Zweck hatte, den Träger der Ausgleichszulage iS der obigen Ausführungen zu schädigen (§ 1295 Abs 2 ABGB). Binder aaO 94 führt zutreffend aus, daß auch der Verzicht auf im Rahmen der Ausgleichszulagenfeststellung zu berücksichtigende Ansprüche, sei es durch eine formelle Verzichtserklärung, sei es durch bloßes Nichtgeltendmachen bzw Nichteintreiben offener Forderungen unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmißbrauchs zu sehen ist. Er entfaltet gegenüber dem Versicherungsträger nicht nur dann Wirksamkeit, wenn er hinsichtlich unrealisierbarer Forderungen abgegeben wird (in diesem Fall ändert sich an der Einkommenssituation des Pensionisten nichts).
Ob Rechtsmißbrauch vorliegt, ist eine nach den Umständen des Einzelfalles zu klärende Rechtsfrage (Reischauer aaO Rz 62 zu § 1295).
Nach § 87 Abs 1 ASGG hat das Gericht sämtliche für diese Beurteilung notwendig erscheinenden Beweise von Amts wegen aufzunehmen. Da ein iS des § 1295 Abs 2 ABGB rechtsmißbräuchlicher Verzicht des Versicherten oder Pensionisten auf Ansprüche mit Einkommenscharakter den Anspruch auf Ausgleichszulage ganz oder teilweise vernichtet, hat der Versicherungsträger, der sich auf einen solchen Rechtsmißbrauch beruft, nach der auch in Sozialrechtssachen geltenden Grundregel, daß jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen beweisen muß (Fasching, ZPR2 Rz 882, 2315/2; SSV-NF 1/48, 4/40, 50, 148, 150 jeweils mwN), die objektive Beweislast für die Umstände zu tragen, aus denen sich ein eindeutiges Überwiegen der unlauteren Motive des Verzichtenden ergibt (ähnlich Reischauer aaO Rz 59 u 62 zu § 1295).
Der in der Regel nicht strittige Verzicht des Versicherten oder Pensionisten auf Ansprüche mit Einkommenscharakter ergibt noch keinen Beweis des ersten Anscheins (Prima-facie-Beweis) für ein unlauteres Motiv des Verzichtes oder für ein eindeutiges Überwiegen solcher Motive, weil die typische formelhafte Verknüpfung fehlt (Fasching, ZPR2 Rz 810, 894, 896 mwN; SSV-NF 4/50 mwN).
Ergeben sich im Verfahren konkrete Anhaltspunkte dafür, daß der Versicherte oder Pensionist offenbar verzichtet hat, um die Leistungslast vom persönlich haftenden Schuldner auf die öffentliche Hand abzuwälzen, also rechtsmißbräuchlich gehandelt hat (Binder in ZAS 1981, 94), dann sind damit Hilfstatsachen bewiesen, aus denen unter Zuhilfenahme der Erfahrung auf die Haupttatsache geschlossen werden kann (mittelbarer Beweis oder Indizienbeweis; Fasching aaO). Konkrete Anhaltspunkte für einen offenbaren Rechtsmißbrauch könnten etwa der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Verzicht und der beabsichtigen Inanspruchnahme der Ausgleichszulage (sa Binder aaO) oder der Umstand sein, daß für den Verzicht anscheinend keine allgemein verständlichen lauteren Motive vorlagen.
Solche Indizien wird der Träger der Pensionsversicherung in der Regel
schon mit ihm im Verfahren in Leistungssachen zur Verfügung stehenden
gesetzlichen Möglichkeiten feststellen können. Er kann nach dem gemäß
§ 194 Abs 1 GSVG auch hinsichtlich des Verfahrens zur Durchführung
dieses Bundesgesetzes geltenden § 358 Abs 1 ASVG Parteien, sonstige
Beteiligte und Auskunftspersonen zur Feststellung des Sachverhaltes
vernehmen oder, wenn diese Personen der Ladung keine Folge leisten
oder die Aussage verweigern, das örtlich zuständige Bezirksgericht um
ihre Vernehmung ersuchen. Nach § 154 GSVG kann der
Versicherungsträger - nach § 297 ASVG der Träger der
Pensionsversicherung -, wenn nicht schon unter Berücksichtigung des
ihm bekannten Nettoeinkommens der anzuwendende Richtsatz
überschritten wird, zur Feststellung der Ausgleichszulage die
Verwaltungshilfe des zuständigen Trägers der Sozialhilfe in Anspruch
nehmen, der insbesondere um die Ermittlung von Sachbezügen ersucht
werden kann. Der Ausgleichszulagenbezieher ist nach § 155 GSVG (§ 298
ASVG) verpflichtet, jede Änderung des Nettoeinkommens ... dem
Versicherungsträger gemäß § 20 GSVG (bzw § 40 ASVG) anzuzeigen (Abs
1), der jeden Ausgleichszulagenbezieher innerhalb von jeweils drei
Jahren mindestens einmal zu einer Meldung seines Nettoeinkommens und
seiner Unterhaltsansprüche ... zu verhalten hat (Abs 2). Die Träger
der Sozialhilfe haben bezüglich aller Bezieher einer Ausgleichszulage, die sich gewöhnlich in ihrem Zuständigkeitsbereich aufhalten, ihnen bekannt gewordene Änderungen des Nettoeinkommens ... dem Versicherungsträger mitzuteilen (Abs 3).
Auf diese Weise kann der Versicherungsträger schon in seinem Leistungsverfahren über die Feststellung der Neufeststellung der Ausgleichszulage auch in Rechtsbeziehungen zwischen dem Pensionsberechtigten und dritten Personen wenigstens soweit Einblick erlangen, daß er ausreichende Indizien für einen dem Verzicht zugrundliegenden offenbaren Rechtsmißbrauch feststellen kann.
In letzter Konsequenz werden schließlich im gerichtlichen Verfahren auf Grund amtswegiger Beweisaufnahmen iS des § 87 ASGG auch die den Rechtsverzicht rechtfertigenden Motive festzustellen sein.
Im vorliegenden Fall ist es daher entscheidungswesentlich, in welcher Absicht, wann, wie und für welche Zeit der Kläger und seine mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegattin, deren gesamtes Nettoeinkommen nach § 149 Abs 2 GSVG bei der Feststellung des Anspruches auf Ausgleichszulage unter Bedachtnahme auf § 151 Abs 4 leg cit zu berücksichtigen ist, überhaupt auf die Aufwertung der Leibrentenforderung verzichtet haben (Hat nur ein Gesamtgläubiger dem Schuldner die Schuld erlassen, so wirkt dies nicht auch gegenüber den Mitgläubigern [Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I9, 306]. Auf die Ausführungen zur einheitlichen Wirtschaftsgemeinschaft in SSV-NF 2/83 wird verwiesen).
Die entscheidungswesentlichen Fragen lassen sich nach den in der Berufungs- und in der Revisionsbeantwortung bekämpften, hinsichtlich der oben genannten Umstände des Verzichts des Klägers aber ohnehin zu unbestimmten erstgerichtlichen Feststellungen - daß auch die Ehegattin des Klägers einen solchen Verzicht erklärt hätte, wurde bisher nicht ausdrücklich behauptet und auch nicht festgestellt - nicht verläßlich beurteilen.
Wegen dieser wesentlichen Feststellungsmängel, insbesondere aber auch deshalb, weil die Parteien nicht mit der Rechtsansicht zu den Auswirkungen eines Verzichtes auf bei der Ausgleichszulage zu berücksichtigende Einkünfte überrascht werden dürfen und den Parteien Gelegenheit geboten werden muß, ihr Vorbringen im Sinne der obigen Darlegungen zu ergänzen, war der Revision Folge zu geben, die Urteile der Vorinstanzen waren aufzuheben und die Sozialrechtssache war zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§§ 496, 499, 503 Z 4, 510, 511 und 513 ZPO).
Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der Revisionskosten beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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