Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 10.8.1934 geborene Kläger stellte am 25.6.1993 bei der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter den Antrag auf Zuerkennung einer Invaliditätspension. Mit dem darüber ergangenen Bescheid vom 26.9.1994 wurde "der Antrag auf Zuerkennung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bzw der Invaliditätspension" abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß dem Kläger selbst unter der Annahme eines Berufsschutzes die Ausübung einer Tätigkeit innerhalb des betreffenden Berufsbildes noch möglich sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger rechtzeitig Klage mit dem Begehren auf Gewährung einer "Frühpension wegen Invalidität". Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger ab 1.7.1993 eine Invaliditätspension bzw eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zu gewähren, ab. Es ging von folgendem Sachverhalt aus:
Der Kläger hat den Beruf eines Tischlers erlernt, doch kann nicht festgestellt werden, ob er diesen Beruf während der letzten 15 Jahren vor dem Stichtag überwiegend, das heißt in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate ausgeübt hat. Während der letzten 36 Monate vor dem Stichtag hat er keine Beitragsmonate der Pflichtversicherung und innerhalb der letzten 180 Kalendermonate vor dem Stichtag nur 31 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben. In orthopädisch-chirurgischer Hinsicht besteht beim Kläger im wesentlichen ein dem Alter entsprechender Befund ohne Behinderungen und ohne entzündliche Veränderungen bei uneingeschränkter Fingerbeweglichkeit. In psychiatrisch-neurologischer Hinsicht besteht bei ihm ein mäßiges Cervikalsyndrom und ein Zustand nach peripherer Gesichtsnervenlähmung, außerdem ein neurastenisch-depressiver Verstimmungszustand bei einem mäßigen organischen Psychosyndrom. Trotz seiner gesundheitsbedingten Einschränkungen kann der Kläger nach wie vor leichte und mittelschwere Arbeiten in der normalen Arbeitszeit mit den üblichen Pausen leisten. Nicht möglich sind Arbeiten unter dauerndem besonderen Zeitdruck wie zB Band- und Akkordarbeiten. Der Kläger ist für einfache Arbeiten unterweisbar und kann eingeordnet werden. Die Fingerfertigkeit ist erhalten, das Zurücklegen der Anmarschwege gewährleistet. Dieser Gesundheitszustand ermöglicht es dem Kläger nach wie vor, den Beruf des Tischlers ohne Überschreitung seines medizinischen Leistungskalküls auszuüben. Dieser Beruf erfordert Arbeiten mit dominierender mittelschwerer Belastung, wobei die körperlichen Anforderungen in der Möbelindustrie (Möbelherstellung) nicht über mittelschwer hinausgehen. Montagetischler und Tischler in kleinen Gewerbebetrieben führen fallweise auch Schwerarbeiten durch. Ständiger besonderer Zeitdruck kommt nur betriebsspezifisch vor.
In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht zunächst den Anspruch des Klägers auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, weil er die besonderen Anspruchsvoraussetzungen des § 253 d Abs 1 Z 2 ASVG nicht erfülle: Er habe innerhalb der letzten 36 Kalendermonate vor dem Stichtag keinen Beitragsmonat der Pflichtversicherung und innerhalb der letzten 180 Kalendermonate vor dem Stichtag nur 31 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben. Er habe aber auch keinen Anspruch auf Invaliditätspension. Obwohl aufgrund der Beweismittel nicht festgestellt werden konnte, ob er während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag den Lehrberuf Tischler im Sinne des § 255 Abs 2 ASVG überwiegend, das heißt in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate ausgeübt habe, sei ihm aufgrund seines Gesundheitszustandes die Ausübung dieses Lehrberufes jedenfalls noch möglich. Selbst unter der für ihn günstigsten Annahme eines Berufsschutzes als Tischler lägen die Voraussetzungen für die Invaliditätspension nach § 255 Abs 1 ASVG nicht vor. Ginge man nicht von einem Berufsschutz des Klägers aus, so bestünden für ihn auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt jedenfalls ausreichende Verweisungstätigkeiten.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und teilte auch die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß ihm ab 1.7.1993 eine Invaliditätspension, allenfalls eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit im gesetzlichen Ausmaß gewährt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Z 2 ZPO liegt nicht vor; diese Beurteilung bedarf nach § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO keiner Begründung. Angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, können im Revisionsverfahren auch in Sozialrechtssachen nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (SSV-NF 7/74 mwN). Die Feststellung oder Nichtfeststellung von bestimmten Tatsachen im Zusammenhang mit dem medizinischen Leistungskalkül resultiert aus der freien Beweiswürdigung der Vorinstanzen, die vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann. Wenn der Revisionswerber neuerlich rügt, daß das Erstgericht seine Anleitungspflicht verletzt, einen Röntgenbefund nicht ausreichend berücksichtigt und kein ergänzendes orthopädisches bzw chirurgisches Gutachten eingeholt habe, so macht er damit ausschließlich Mängel des Verfahrens erster Instanz geltend, die die Beweiswürdigung betreffen und die vom Berufungsgericht verneint wurden. Auch die Frage, ob zu einem Beweisthema (hier medizinisches Leistungskalkül) ergänzende Sachverständigengutachten einzuholen sind, betrifft ausschließlich die Beweiswürdigung und damit den Tatsachenbereich.
Auch der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache nach § 503 Z 4 ZPO ist nicht gegeben. Der Oberste Gerichtshof kann der in diesem Zusammenhang neuerlich bekämpften Ansicht des Berufungsgerichtes, eine Ergänzung des vorliegenden orthopädischen Sachverständigengutachtens sei nicht erforderlich gewesen, nicht entgegentreten. Im übrigen ist darauf zu verweisen, daß die vom Erstgericht getroffene Aussage, es könne nicht festgestellt werden, ob der Kläger den Tischlerberuf in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag tatsächlich ausgeübt habe, unbekämpft geblieben ist. Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, gelten auch in Sozialrechtssachen die allgemeinen Grundsätze über die Verteilung der Beweislast: Es hat derjenige, der ein Recht für sich in Anspruch nimmt, die rechtsbegründenden Tatsachen hiefür zu beweisen bzw umgekehrt derjenige, der einen Anspruch verneint, die rechtsvernichtenden Tatsachen (SSV-NF 1/48, 5/140, 6/119; 10 ObS 2430/96t; 10 ObS 90/97a). Demnach gereicht es dem Kläger objektiv zum Nachteil, daß die überwiegende Ausübung des Lehrberufes während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag nicht festgestellt werden kann. Selbst wenn er aufgrund seines Gesundheitszustandes daher den Beruf des Tischlers nicht ausüben könnte, bestünden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat, jedenfalls ausreichende Verweisungstätigkeiten, so daß die Voraussetzungen nach § 255 Abs 3 ASVG nicht gegeben sind. Daß der Kläger die besonderen Anspruchsvoraussetzungen für eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nach § 253 d Abs 1 Z 2 ASVG nicht erfüllt, wird auch in der Revision nicht in Frage gestellt.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)