Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der am 8.12.1939 geborene Kläger hat den Beruf des Drehers erlernt und in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag überwiegend ausgeübt. Mit Bescheid der beklagten Partei vom 26.1.1990 wurde sein Antrag vom 17.10.1989 auf Zuerkennung einer Invaliditätspension abgelehnt.
Das Erstgericht wies das auf Gewährung der Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1.11.1989 gerichtete Klagebegehren ab. Der Kläger könne noch leichte und teilweise mittelschwere Arbeiten (im Verhältnis 1 : 2) "mit wechselnder Arbeitshaltung" ganztägig durchführen. Kälte- und Nässeexposition, das ständige Heben und Tragen schwerer Lasten und häufiges Bücken sollten vermieden werden. Arbeiten unter Zeitdruck würden ausscheiden. Weil die Tätigkeit eines Drehers zu einem Drittel schwere Arbeiten erfordere und nur wenig Möglichkeit eines öfteren Positionswechsels biete, erachtete das Erstgericht - nach genauer Beschreibung der Tätigkeiten eines Drehers - diese bisher ausgeübte Arbeit als dem Kläger nicht mehr zumutbar. Allerdings könne er auf die artverwandten Berufe des Maschineneinstellers und Produktprüfers sowie des Reparaturschlossers in Schlüsselzentralen verwiesen werden. Dabei handle es sich um leichte, vereinzelt mittelschwere körperliche Arbeiten, die vorwiegend im Sitzen oder auch Stehen bzw. im Stehen und Gehen vorzunehmen seien und zwischendurch immer wieder einen Positionswechsel zuließen. In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zu dem Schluß, daß Invalidität des Klägers im Sinne des § 255 Abs 1 ASVG nicht gegeben sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es verwarf den Einwand, daß Art und Ausmaß des vorzunehmenden Haltungswechsels nicht festgestellt worden seien, weil den ärztlichen Gutachten nicht entnommen werden könnte, daß der Kläger die Körperhaltung in bestimmter Reihenfolge wechseln müßte; vielmehr sei ganz allgemein nur auf "wechselnde Körperhaltung" Bedacht genommen. Es wäre Sache des Klägers gewesen, durch entsprechendes Vorbringen, allenfalls durch Verlangen nach Erörterung der Gutachten, auf eine Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlage zu dringen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist berechtigt.
Die vorliegenden Feststellungen reichen für eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht aus. Nach dem festgestellten Leistungskalkül kann der Kläger nur Arbeiten "mit wechselnder Arbeitshaltung" (so das Erstgericht) bzw "mit wechselnder Körperhaltung" (so das Berufungsgericht) durchführen. Es steht jedoch nicht fest, in welcher Art, in welchem Umfang und Ausmaß die Körper(Arbeits)haltung wechseln muß, wie lange also etwa der Kläger ununterbrochen im Gehen, Stehen oder Sitzen tätig sein kann, nach welcher Zeit ein Haltungswechsel medizinisch indiziert ist und wie lange dieser andauern muß. Feststellungen in dieser Richtung sind aber für die Beurteilung der Frage der Verweisbarkeit erforderlich, weil ohne diese Grundlage offen bleiben muß, ob der Kläger zur Verrichtung bestimmter Verweisungstätigkeiten befähigt ist (ebenso 10 Ob S 105/90, 10 Ob S 55/91). Da die diesbezüglichen Anforderungen in den von den Vorinstanzen herangezogenen Verweisungsberufen nicht offenkundig sind und auch vom berufskundlichen Sachverständigen nur vage umschrieben wurden (ON 10, AS 37), werden auch Feststellungen darüber zu treffen sein, welche Möglichkeiten eines Haltungswechsels diese Verweisungstätigkeiten bieten bzw in welchen Berufen der Kläger ausgehend von den ergänzend festzustellenden Einschränkungen tätig sein könnte.
Der aufgezeigte Feststellungsmangel führt zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht, weil es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen (§ 510 Abs 1 ZPO). Daß der Kläger in erster Instanz die mündliche Erörterung der Sachverständigengutachten nicht beantragte, ist ohne Belang, weil die Tatsacheninstanzen gemäß § 87 Abs 1 ASGG verpflichtet sind, von sich aus die zur rechtlichen Beurteilung erforderlichen Feststellungen zu treffen und die dazu notwendigen Beweise aufzunehmen (Kuderna ASGG 437 Erl 3 zu § 87; SSV-NF 3/106 und 136). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes brauchte der Kläger auch kein weiteres (neues) Sachvorbringen erstatten: seine Klagsbehauptungen sind zur schlüssigen Dartuung des erhobenen Anspruches durchaus ausreichend.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG (SVSlg 34.165).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)