European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:010OBS00148.22W.0117.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Sozialrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Revisionsgegenständlich ist die Frage, ob die vom Kläger aufgrund einer privatrechtlichen Vereinbarung bezogene lebenslängliche Rente als Einkommen iSd § 292 Abs 3 ASVG zu berücksichtigen ist.
[2] Der Kläger verunfallte am 16. Jänner 2010 und ist seitdem querschnittsgelähmt. Aufgrund der Querschnittslähmung erhielt er im Jahr 2011 aus einer privat abgeschlossenen Unfallversicherung einen Betrag von 99.978,76 EUR ausgezahlt, der für den Kläger in eine Pensionsversicherung mit Gewinnbeteiligung investiert wurde. Es handelt sich um eine sofort beginnende lebenslängliche Rente mit Garantiezeit gegen Einmalprämie, wobei seit dem 1. Oktober 2011 ein monatlicher Betrag von 200 EUR zur Auszahlung gelangt. Seit 2017 werden zusätzlich monatlich 11 EUR an Gewinnbeteiligung ausgezahlt, zusammen sohin 211 EUR.
[3] Neben anderen, im Revisionsverfahren nicht strittigen Einkünften bezieht der Kläger seit 1. Februar 2011 eine dauernde Invaliditätspension, aufgrund derer ihm ab 1. Februar 2017 die Ausgleichszulage gewährt wurde. Im klagsgegenständlichen Zeitraum von 1. März 2018 bis 31. Mai 2021 bezog der Kläger eine Ausgleichszulage (abzüglich Krankenversicherungsbeiträge; zum Teil als Vorschuss) von insgesamt 7.269,64 EUR.
[4] Mit Bescheid vom 26. Mai 2021 sprach die beklagte Pensionsversicherungsanstalt aus, dass der Anspruch auf Ausgleichszulage mit 28. Februar 2018 ende, der von 1. März 2018 bis 31. Mai 2021 entstandene Überbezug an Ausgleichszulage von 7.269,64 EUR zurückgefordert und in Raten von 220 EUR von der monatlichen Leistung in Abzug gebracht werde.
[5] Der Kläger begehrte, die Beklagte zur Zahlung der Ausgleichszulage ab 1. 3. 2018 im gesetzlichen Ausmaß zu verpflichten und festzustellen, dass kein Rückforderungsanspruch bestehe. Das maßgebliche Einkommen habe sich nicht geändert. Die monatlichen Rentenzahlungen seien nicht anzurechnen, weil diese daraus resultierten, dass er die seinerzeitige Zahlung der Unfallversicherung als Einmalprämie investiert habe.
[6] Das Erstgericht gab der Klage teilweise statt. Es verpflichtete die Beklagte zur Zahlung der Ausgleichszulage in näher bezeichneter Höhe bis 31. Dezember 2021 und eines Vorschusses ab 1. Jänner 2022 und stellte fest, dass ein von 1. März 2018 bis 31. Mai 2021 entstandener Überbezug an Ausgleichszulage von 5.616,35 EUR abzüglich bereits geleisteter Rückzahlungen gegen die dem Kläger zu erbringende Geldleistung aufzurechnen sei. Die dem Kläger ausgezahlten Rentenbeträge seien als ausgleichszulagenneutral für die Berechnung der Ausgleichszulage nicht zu berücksichtigen.
[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte die Entscheidung dahin ab, dass es die Klagebehren auf Zahlung einer Ausgleichszulage ab 1. März 2018 im gesetzlichen Ausmaß und auf Feststellung des Nichtbestehens eines Rückforderungsanspruchs von 7.269,64 EUR abwies, das Ende des Ausgleichszulagenanspruchs mit 28. Februar 2018 aussprach und den Kläger zur Rückzahlung von 7.269,64 EUR und zur Duldung der Aufrechnung mit einer monatlichen Abzugsrate von 190 EUR gegen die zu erbringenden monatlichen Geldleistungen verpflichtete. Auch wenn der Kläger nach der Rechtsprechung nicht verpflichtet gewesen sei, den aus der Unfallversicherung bezogenen Betrag zu verwerten oder fruchtbringend anzulegen, würden die ihm aufgrund der dennoch erfolgten Veranlagung des Betrags nunmehr tatsächlich zufließenden monatlichen Rentenzahlungen Einkünfte aus einem „aktivierten“ Vermögen darstellen, die bei der Feststellung seines Anspruchs auf Ausgleichszulage zu berücksichtigen seien, zumal der Kläger dadurch – also durch Einsatz seines Vermögens – ein von seinem Zustand und seinen besonderen Bedürfnissen unabhängiges Einkommen erziele. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[8] In der außerordentlichen Revision macht der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO geltend.
[9] 1. Der Kläger wendet sich im Rechtsmittel ausschließlich gegen die Berücksichtigung der Rente (soweit darin keine Gewinnbeteiligung enthalten ist) als Einkommen iSd § 292 Abs 3 ASVG.
[10] 1.1. Die Ausgleichszulage ist ein Differenzbetrag, der gemäß § 292 Abs 1 ASVG einem Pensionsberechtigten gebührt, wenn – vereinfacht – die Summe aus (Brutto-)Pension und sonstigen Nettoeinkünften einen bestimmten Mindestbetrag, den Richtsatz (§ 293 Abs 1 ASVG) nicht erreicht (Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, SV‑Komm [233. Lfg] § 292 ASVG Rz 2).
[11] 1.2. Die Rechtsprechung betont, dass grundsätzlich sämtliche – tatsächlich zufließende (RIS‑Justiz RS0085181) – Einkünfte des Pensionsberechtigten in Geld oder Geldeswert bei der Feststellung des Anspruchs auf Ausgleichszulage zu berücksichtigen sind; es kommt nicht darauf an, aus welchem Titel und von wem die Einkünfte zufließen, ob sie dem Empfänger für oder ohne eine Gegenleistung zufließen und ob sie allenfalls der Steuerpflicht unterliegen (RS0085296). Abgestellt wird auf „Ansprüche mit Einkommenscharakter“, die dem Pensionsberechtigten auf vertraglicher oder gesetzlicher Grundlage zustehen (RS0085296 [T1]). In diesem Sinn werden beispielsweise auch wiederkehrende Sachbezüge erfasst (RS0085296 [T3]), ebenso Ausgedingsleistungen (siehe Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, SV‑Komm § 292 ASVG Rz 33).
[12] 1.3. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die im Revisionsverfahren noch strittige Rente nicht unter einen der Tatbestände des § 292 Abs 4 ASVG fällt, stellt der Revisionswerber nicht in Frage. Soweit nicht ein Tatbestand nach § 292 Abs 4 ASVG eingreift (s dazu RS0085360; RS0086707; RS0085356; RS0085387), fallen (Geld‑)Renten aufgrund ihres Einkommenscharakters somit grundsätzlich unter den Begriff der Einkünfte (10 ObS 68/15w SSV‑NF 29/56 [Pkt 1.6.]; vgl RS0085122). Der Oberste Gerichtshof zählte dazu Unterhalts- (RS0106714) und Leibrentenzahlungen (10 ObS 129/92 SSV‑NF 6/141) sowie Verdienstentgangs- (RS0085368 [T1]), private Unfall-(10 ObS 278/99a SSV‑NF 13/126) oder (wenn auch als Gesamtbetrag ausgezahlte) Versorgungsrenten (10 ObS 68/15w SSV‑NF 29/56).
[13] 1.4. Vermögen fällt hingegen nicht unter den Begriff der Einkünfte (RS0085101); es ist ausgleichszulagenneutral (RS0085284 [T4]). Vermögens-werte, die keinen Ertrag abwerfen, werden nicht berücksichtigt und der Rentner oder Pensionist ist auch nicht gehalten, sie so einzusetzen, dass daraus Einkünfte erzielt werden (RS0085284; RS0085101). Wird ein Vermögen „aktiviert“ und werden dadurch Einkünfte in Geld oder Geldeswert erzielt, dann sind diese bei der Feststellung der Ausgleichszulage als Einkommen zu berücksichtigen (10 ObS 129/92 SSV‑NF 6/141).
[14] 2. Mit diesen Grundsätzen steht die Beurteilung des Berufungsgerichts im Einklang.
[15] 2.1. Das Argument des Klägers in der Revision, dass der aus der Unfallversicherung lukrierte Kapitalbetrag ausgleichszulagenneutral und der Kläger nicht verpflichtet gewesen sei, diesen Vermögenswert fruchtbringend anzulegen oder sonstwie zu verwerten, übergeht, dass der Kläger dieses Vermögen tatsächlich in Form der Investition in eine Pensionsversicherung verwertete („aktivierte“) und dadurch nunmehr Einkünfte erzielt.
[16] 2.2. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ist die Investition in eine Pensionsversicherung gegen monatliche Rente auch nicht einer Einzahlung auf ein Sparbuch mit monatlicher Abhebung eines bestimmten Betrags gleichzuhalten, weil der investierte Kapitalbetrag (ungeachtet seiner rechnerischen Berücksichtigung im Rahmen der Versicherung) nicht mehr als solcher dem Vermögen des Klägers zugeordnet werden kann, sondern infolge der privatautonomen Gestaltung zur Gänze in einen– lebenslangen – Rentenanspruch umgewandelt wurde. Anders als ein durch Behebung von einem Sparbuch lukrierter (präziser: umgeschichteter) Vermögenswert wird die aufgrund privatrechtlicher Vereinbarung zustehende Rente auch nicht bloß „zufällig“ als solche bezeichnet; sie hat vielmehr Versorgungscharakter. Wenn das Berufungsgericht diesen Anspruch als Einkommen iSd § 292 Abs 3 ASVG berücksichtigte, ist eine Überschreitung des ihm zukommenden Beurteilungsspielraums angesichts der oben wiedergegebenen Rechtsprechung nicht zu erkennen.
[17] 2.3. Aus welchem Grund diese Auslegung zu einem gleichheitswidrigen Ergebnis führen soll, legt der Kläger in der Revision nicht konkret dar. Der Umstand, dass eine vorteilhaftere Veranlagung des Vermögens zu höheren Erträgen führen und somit für einen Ausgleichszulagenanspruch schädlich sein kann, macht das Abstellen auf laufende (tatsächlich erzielte) Einkünfte nicht unsachlich, wenn und weil genügend finanzielle Mittel vorhanden sind, um einen angemessenen (laufenden) Lebensunterhalt auch ohne Ausgleichszulage bestreiten zu können.
[18] 2.4. Die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, dass grundsätzlich eine Rückersatzpflicht gemäß § 107 ASVG besteht, hat der Kläger, worauf das Berufungsgericht hingewiesen hat, bereits in der Berufungsbeantwortung nicht mehr in Frage gestellt.
[19] 3. Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision somit zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)