OGH 10ObS124/16g

OGH10ObS124/16g11.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Mag. Banu Kurtulan, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Alterspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 23. Juni 2016, GZ 10 Rs 42/16v‑11, womit das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 2. September 2015, GZ 18 Cgs 54/15k‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00124.16G.1011.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Mit Bescheid vom 27. 3. 2015 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 16. 3. 2015 auf Gewährung der Alterspension ab 1. 1. 2015 mit der Begründung ab, dass er ausgehend von seinem Geburtsdatum 1. 7. 1956 das Regelpensionsalter von vollendeten 65 Lebensjahren zum Stichtag nicht erfülle.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage brachte der Kläger vor, mit Urteil des türkischen Zivilgerichts von A*****/Türkei vom 26. 1. 2010 sei sein Geburtsdatum vom 1. 1. 1956 auf 1. 1. 1950 geändert worden. Dieses Zivilurteil sei aufgrund des Abkommens vom 23. 5. 1989 zwischen der Republik Österreich und der Republik Türkei über die Anerkennung und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen in Zivil- und Handelssachen in Österreich anzuerkennen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Gemäß § 358 Abs 3 ASVG sei als Geburtsdatum des Klägers der 1. 7. 1956 (und nicht der 1. 1. 1950) anzusehen. Nach § 358 ASVG sei für die Feststellung des Geburtsdatums der versicherten Person deren erste schriftliche Angabe gegenüber dem Versicherungsträger heranzuziehen. Der Kläger habe erstmals im November 1986 in Österreich ein Dienstverhältnis begründet und dabei offenbar das Geburtsjahr 1956 angegeben und in der Folge auch die Versicherungsnummer *****56 erhalten. Ausgehend vom Geburtsjahr 1956 habe der Kläger das Regelpensionsalter erst im Jahr 2021 vollendet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es traf folgende Feststellungen:

„Der in der Türkei geborene Kläger nahm erstmals im November 1986 eine pflichtversicherte Erwerbstätigkeit in Österreich auf. Die Erstanmeldung zur Sozialversicherung erfolgte bei der Burgenländischen Gebietskrankenkasse am 3. 11. 1986 (in Papierform) und danach erstmalig elektronisch am 26. 7. 2004. Es handelte sich um Dienstgeberanmeldungen, bei welchen jeweils das Geburtsdatum mit 1. 1. 1956 angegeben war. Beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger wurde das amtliche Geburtsdatum mit 1. 1. 1956 gesetzt und die Sozialversicherungsnummer ***** 01 13 56 vergeben. Mit Urteil des Zivilgerichts von A*****/Türkei vom 26. 1. 2010, AZ 2009/316 Urteilsnummer 2010/19, wurde das Geburtsdatum des Klägers mit 1. 1. 1950 festgestellt. Am 15. 7. 2010 sprach der Kläger bei der beklagten Partei zwecks Korrektur der Versicherungsnummer vor. Eine Berichtigung des Geburtsdatums wurde mit Schreiben der beklagten Partei vom 1. 9. 2010 abgelehnt.“

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, nach § 358 ASVG sei für die Feststellung des Geburtsdatums der versicherten Person deren erste schriftliche Angabe gegenüber dem Versicherungsträger heranzuziehen. Von dem so ermittelten Geburtsdatum dürfe nur dann abgewichen werden, wenn ein offensichtlicher Schreibfehler vorliege oder sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe der versicherten Person gegenüber dem Versicherungsträger ausgestellt worden sei, ein anderes Geburtsdatum ergebe. § 358 ASVG sei dahin auszulegen, dass die Versicherungsträger die erste ihnen gegenüber gemachte Angabe über das Geburtsdatum des Versicherten als gegeben anzunehmen haben. Gebe der Versicherte die Erstanmeldung nicht selber ab, sondern dessen Dienstgeber, müsse sich der Versicherte dieses Datum zurechnen lassen, sofern dem Dienstgeber kein Irrtum unterlaufen sei. Im vorliegenden Fall stamme die das Geburtsdatum 1. 1. 1956 enthaltende Erstanmeldung aus dem Jahr 1986, von welcher die Versicherungsträger auszugehen haben. Ein Schreibfehler lasse sich den Akten nicht entnehmen. Das Urteil des türkischen Zivilgerichts vom 26. 1. 2010, in welchem eine Berichtigung des Geburtsdatums erfolgt sei, sei nicht maßgeblich, weil es sich dabei um keine Urkunde handle, die vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe des Geburtsdatums gegenüber dem Sozialversicherungsträger ausgestellt worden sei. Ausgehend vom Geburtsdatum 1. 1. 1956 habe der Kläger zum Stichtag 1. 4. 2015 das Regelpensionsalter nicht erreicht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, die erste Angabe des Geburtsdatums durch den Dienstgeber sei ausreichend. Berücksichtige man, dass der Dienstgeber nur die ihm bekannt gegebenen Daten dem Versicherungsträger weiterleite, sei er in Erfüllung seiner Meldepflicht als eine Art „gesetzlicher Bote“ des Dienstnehmers anzusehen. Das Urteil des Zivilgerichts von A*****/Türkei vom 26. 1. 2010 sei nach der Erstanmeldung vom 3. 11. 1986 als auch nach der Anmeldung vom 26. 7. 2004 ergangen, weshalb es zur Widerlegung des zuvor angegebenen Geburtsdatums nicht geeignet sei. Laut dem Urteil des Zivilgerichts von A*****/Türkei scheine dort als beklagte Partei das Standesamt von A*****/Türkei auf; auch inhaltlich richte sich dieses Urteil an das Standesamt von A*****/Türkei. Eine Vollstreckung eines derartigen Urteils in Österreich sei daher nicht möglich. Der Kläger habe bereits im Jahr 2008 ein auf Zuerkennung der Invaliditätspension gerichtetes Verfahren vor dem Arbeits‑ und Sozialgericht Wien geführt (AZ 13 Cgs 286/08f), in dem das Geburtsdatum 1. 1. 1956 aufscheine. Es sei daher anzunehmen, dass er auch in seinem Antrag auf Invaliditätspension im Verwaltungsverfahren vor dem Versicherungsträger (der beklagten Partei) dieses Geburtsdatum angegeben habe. Die entsprechenden Unterlagen seien von der beklagten Partei nicht vorgelegt worden. Ausgehend von der vom Berufungssenat vertretenen Rechtsansicht sei jedoch eine weitere Auseinandersetzung mit einer allfälligen Antragstellung im Jahre 2008 nicht erforderlich.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil seine Entscheidung im Widerspruch zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 10 ObS 200/03i stehe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und im Sinne des eventualiter gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Der Revisionswerber legt seinen Revisionsausführungen nunmehr selbst die Anwendbarkeit des § 358 ASVG zugrunde und bringt zusammengefasst vor, seine in den Jahren 1986 bzw 2004 gegenüber seinen damaligen Arbeitgebern zwecks Anmeldung beim zuständigen Krankenversicherungsträger getätigten Angaben über sein Geburtsdatum würden dem in dieser Regelung enthaltenen Erfordernis der „schriftlichen Angaben der versicherten Person gegenüber dem Versicherungsträger“ nicht entsprechen. Angaben (direkt) gegenüber dem Versicherungsträger über sein Geburtsdatum habe er erstmals am 15. 7. 2010 gemacht. Andere Feststellungen habe das Erstgericht auch im Hinblick auf die auf Invaliditätspension gerichtete Klage im Jahr 2008 nicht getroffen. Das Urteil des Zivilgerichts von A*****/Türkei vom 26. 1. 2010, aus dem sich ein anderes Geburtsdatum ergebe, liege somit vor dem Zeitpunkt 15. 7. 2010.

Dazu ist auszuführen:

1. § 358 ASVG lautet:

„Für die Feststellung des Geburtsdatums des (der) Versicherten ist die erste schriftliche Angabe des (der) Versicherten gegenüber dem Versicherungsträger heranzuziehen. Von dem zu ermittelten Geburtsdatum darf nur abgewichen werden, wenn der zuständige Versicherungsträger feststellt,

1. dass ein offensichtlicher Schreibfehler vorliegt oder

2. sich aus der Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe des (der) Versicherten gegenüber dem Versicherungsträger ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt.“

2.1 Bei dieser Regelung handelt es sich um eine gesetzliche Vermutung (Tatsachenvermutung). Sie ist als Regel über die Beweislast zu verstehen und gehört demselben Rechtsgebiet an wie die Normen, auf denen der zu beurteilende Anspruch beruht. Damit stellt diese Bestimmung eine Norm des materiellen Rechts dar, die auch von den Sozialgerichten anzuwenden ist (RIS‑Justiz RS0117421 [T1]).

2.2 § 358 ASVG soll jene Schwierigkeiten beseitigen, die im Zusammenhang mit der Änderung von Geburtsdaten ausländischer Staatsbürger aufgetreten sind. In Anlehnung an die seit 1. 1. 1998 in Deutschland geltende Regelung (§ 33a SGB I) soll für die Ermittlung des Geburtsdatums des Versicherten jenes Datum maßgeblich sein, das sich aus der ersten Angabe des Versicherten gegenüber einem Sozialversicherungsträger ergibt. Von dem so ermittelten Geburtsdatum darf nur abgewichen werden, wenn der zuständige Versicherungsträger feststellt, dass ein offensichtlicher Schreibfehler vorliegt, oder sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe des Versicherten gegenüber dem Versicherungsträger ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt. Nach der Regelungsabsicht des Gesetzgebers soll also möglichst früh eine „erste Angabe des Versicherten“ fixiert werden.

2.3 Nach § 33a SGB I ist dann, wenn Rechte oder Pflichten davon abhängig sind, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, dasjenige Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialversicherungsträger oder, soweit es sich um eine Angabe im Rahmen des Dritten oder Sechsten Abschnitts des Vierten Buchs handelt, gegenüber dem Arbeitgeber ergibt. Von einem demnach maßgebenden Geburtsdatum darf nur abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass 1. ein Schreibfehler vorliegt oder 2. sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der „ersten Angabe“ ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt. Diese Regelung wurde damit begründet, dass die verwaltungsintensive Prüfung des Geburtsdatums vereinfacht und sichergestellt werden soll, dass die in verschiedenen ausländischen Rechtsordnungen vorgesehene Möglichkeit, das Geburtsdatum durch gerichtliche Entscheidung zu ändern, zur Vermeidung missbräuchlicher Inanspruchnahme von Sozialleistungen im deutschen Sozialrecht grundsätzlich keine Berücksichtigung finden soll (10 ObS 200/03i, SSV‑NF 18/54 mwN).

3.1 Zu der Frage, ob die Angaben eines Versicherten gegenüber seinen Arbeitgebern zwecks Anmeldung zur Sozialversicherung als „erste schriftliche Angaben gegenüber dem Versicherungsträger“ iSd § 358 ASVG gewertet werden können, wird im Schrifttum übereinstimmend darauf hingewiesen, dass der Wortlaut dieser Regelung derartige Angaben nicht ausdrücklich umfasst. Während Kneihs (in SV‑Komm § 358 ASVG 134. Lfg Rz 4) davon ausgeht, der Dienstgeber sei in Erfüllung seiner Meldepflicht eine Art „gesetzlicher Bote“ des Dienstnehmers, sodass die Angaben des Dienstgebers der versicherten Person zuzurechnen seien (ausgenommen sie beruhen auf einem Irrtum des Dienstgebers), vertreten Neumayr/Burgstaller (Das Geburtsdatum des Sozialversicherten, in FS Bauer/Petrag/Maier[2004]413 [424]) die Ansicht, dass die Angaben des Arbeitgebers als „Überbringer“ der Angabe nicht genügen würde. Gerade der Umstand, dass entgegen der Vorbildbestimmung des § 33a SGB I nicht eine (erste) Angabe des Versicherten gegenüber dem Arbeitgeber als relevant angesehen wurde, deute darauf hin, dass der österreichische Gesetzgeber auf die erste Angabe durch den Versicherten selbst abstellen habe wollen. Für dieses Ergebnis spreche auch, dass der Versicherte einer bloßen Bekanntgabe an den Arbeitgeber wenig sozialversicherungsrechtliche Relevanz zumessen werde, spiele doch das Geburtsdatum üblicherweise erst nach längerer Zeit im Leistungsrecht eine Rolle. Als maßgebliche „schriftliche Angabe“ könne nur eine solche des Versicherten selbst gegenüber dem Versicherungsträger angesehen werden.

3.2 Diese Ansicht wird auch in der Entscheidung 10 ObS 200/03i, SSV‑NF 18/54 vertreten. Es wurde ebenfalls darauf hingewiesen, dass § 358 ASVG nicht unmittelbar zum Ausdruck bringe, die Angabe des Arbeitgebers als „Boten“ der Angabe würde genügen; hierin zeige sich ein deutlicher Unterschied zu § 33a SGB I, weil nach dieser Regelung auch die Angabe eines Angehörigen sowie in bestimmten Fällen die Angabe gegenüber dem Arbeitgeber ausreiche (und zwar hinsichtlich der Meldepflichten des Arbeitgebers gegenüber den Einzugsstellen, hinsichtlich des Sozialversicherungs-ausweises, den sich der Arbeitgeber bei Beginn der Beschäftigung vom Beschäftigten vorlegen lassen muss). Diese Unterschiede lassen den Schluss zu, dass der österreichische Gesetzgeber auf die erste Angabe durch den Versicherten (die Versicherte) selbst abstellen wollte und eine (erste) Angabe des (der) Versicherten gegenüber dem Arbeitgeber, den eine An‑ und Abmeldepflicht beim zuständigen Krankenversicherungsträger treffe, nicht maßgeblich sei.

4. Von dieser Rechtsprechung abzugehen, sieht sich der erkennende Senat nicht veranlasst. Das ASVG sieht eine An‑ und Abmeldepflicht des Arbeitgebers für jede von ihm beschäftigte, nach dem ASVG pflichtversicherte Person beim zuständigen Krankenversicherungsträger vor (§ 33 Abs 1 ASVG). Der Dienstnehmer selbst ist zur Erstattung der Meldung nur ausnahmsweise verpflichtet (§ 35 Abs 4 ASVG), nämlich bei Exterritorialität des Dienstgebers oder Fehlen einer inländischen Betriebsstätte. In der Regel wird daher die Meldung eines Geburtsdatums gegenüber einem Sozialversicherungsträger (Krankenversicherungsträger) häufig durch den Arbeitgeber erfolgen. Da diese Situation dem Gesetzgeber bei Einfügung des § 358 ASVG mit der 59. ASVG‑Novelle BGBl I 2002/1 bekannt war, spricht dies deutlich dafür, dass nach dessen Willen nicht die Angaben des Versicherten gegenüber seinem Dienstgeber als maßgeblich anzusehen sind, sondern die erste schriftliche Angabe des Versicherten (direkt) gegenüber dem Versicherungsträger. Dass die Regelungsabsicht des Gesetzgebers zugleich dahin geht, möglichst früh eine „erste“ Angabe des Versicherten zu fixieren bzw dies als wünschenswert angesehen wird (siehe 10 ObS 76/09p, SSV‑NF 23/39), lässt für sich allein noch nicht die Annahme einer Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit zu, die durch eine Analogie zu schließen wäre.

5. Dem Revisionsvorbringen, die in den Dienstgebermeldungen aus den Jahren 1986 und 2004 enthaltenen Angaben zum Geburtsdatum des Klägers seien nicht als „erste schriftliche Angabe des Versicherten gegenüber dem Versicherungsträger“ iSd § 358 ASVG anzusehen, kommt daher Berechtigung zu. Da die von den Sozialversicherungsträgern erfassten Daten nicht die Qualität von Personenstandsdaten haben, spielt auch das in der für den Kläger erstellten Versicherungsnummer enthaltene Geburtsdatum 1956 für die Klärung des Geburtsdatums nach § 358 ASVG keine Rolle (Souhrada, E‑Government und Sozialversicherung – das Sozialversicherungs‑Änderungs-gesetz 2004, SozSi 2004, 129 [138]).

6.1 Ausgehend von dieser Rechtsansicht ist die Rechtssache aber noch nicht entscheidungsreif. Wie das Berufungsgericht bereits ausgeführt hat, ergibt sich aus der Aktenlage, dass der Kläger bei der beklagten Partei bereits zweimal die Invaliditätspension beantragt und gegen die jeweils abschlägigen Bescheide Klage beim Arbeits‑ und Sozialgericht Wien (AZ 13 Cgs 286/08f und AZ 9 Cgs 251/10g) erhoben hat. Ob bzw welches Geburtsdatum der Kläger bei diesen Antragstellungen oder allenfalls in weiteren an die beklagte Partei gerichteten Schreiben angegeben hat, steht bisher nicht fest, weil die Vorinstanzen ausgehend von ihrer – vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten – Rechtsansicht Feststellungen dazu bisher als nicht erforderlich ansahen. Im fortgesetzten Verfahren wird das Gericht mit den Parteien die Frage eines Vorbringens zu den im Zuge dieser Antragstellungen zum Geburtsdatum gemachten Angaben zu erörtern haben.

7. Dem Einwand, das Urteil des türkischen Zivilgerichts vom 26. 1. 2010, mit dem auf Antrag des Klägers eine Berichtigung des Geburtsdatums im türkischen Personenstandsregister angeordnet wird, falle in den Anwendungsbereich des Abkommens vom 23. 5. 1989 zwischen der Republik Österreich und der Republik Türkei über die Anerkennung und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen in Zivil‑ und Handelssachen, BGBl 571/1992, ist entgegenzuhalten, dass das Geburtsdatum des Versicherten eine biologische Tatsache und kein Recht oder Rechtsverhältnis ist, das den Regeln über das Internationale Privatrecht unterliegt (10 ObS 185/93, SSV‑NF 8/24; Derntl in Sonntag, ASVG7 § 358 Rz 4). Das Urteil des türkischen Zivilgerichts kann lediglich als ausländische öffentliche Urkunde iSd § 293 ZPO zur Gewinnung entsprechender Tatsachenfeststellungen herangezogen werden, bindet aber die österreichischen Sozialversicherungsträger und Gerichte nicht (10 ObS 200/03i, SSV‑NF 18/54). Hinsichtlich ihrer Beweiskraft wird diese Urkunde im fortgesetzten Verfahren einer österreichischen öffentlichen Urkunde gleichzustellen sein. Deren Relevanz iSd § 358 Z 2 ASVG wird dann zu prüfen sein, falls sie im Original vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe des Versicherten gegenüber dem Versicherungsträger ausgestellt worden sein sollte (10 ObS 200/03i, SSV‑NF 18/54).

Erst nach Vorliegen entsprechender Feststellungen werden im fortgesetzten Verfahren die notwendigen Tatsachengrundlagen für die Feststellung des Geburtsdatums des Klägers iSd § 358 ASVG gegeben sein.

Die Revision des Klägers erweist sich daher im Sinne des eventualiter gestellten Aufhebungsantrags als berechtigt.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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