OGH 10ObS121/88

OGH10ObS121/8831.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und durch die fachkundigen Laienerichter Dr. Raimund Kabelka (Arbeitgeber) und Wilhelm Hackl (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ingrid H***, im Haushalt, 1210 Wien, Jeneweingasse 8/5, vertreten durch Dr. Karl Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER A***,

1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Anrechnung bereits erbrachter Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung in der Pensionsversicherung in bestimmter Art, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Dezember 1987, GZ 33 Rs 234/87-8, womit der Beschluß des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 20. Oktober 1987, GZ 2 Cgs 1153/87-4, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Am 7. April 1977 beantragte die Klägerin bei der beklagten Partei die Weiterversicherung in der P*** DER

A*** ab 1. April 1977, und zwar wegen ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse auf einer niedrigeren Beitragsgrundlage. Die beklagte Partei ließ dies zu und setzte die monatlichen Beiträge auf Grund dieses Antrages und der wiederholten weiteren, die Herabsetzung der Beitragsgrundlage betreffenden Anträge der Klägerin für die Zeit von April bis Dezember 1977 mit 483,- S, für 1978 mit 543,90 S, für 1979 mit 577,20 S, für 1980 mit 643,50 S, für 1981 mit 678,60 S, für 1982 mit 823,10 S, für 1983 mit 868,90 S, für 1984 mit 914,90 S, für 1985 mit 961,80 S und für 1986 mit 1.089,- S fest. Die Klägerin entrichtete diese herabgesetzten Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung bis April 1986.

Rechtliche Beurteilung

Im April 1986 teilte die Klägerin der beklagten Partei mit, daß ihr von einem Angestellten derselben geraten worden sei, die herabgesetzten monatlichen Beiträge nicht mehr zu entrichten, sondern ab Mai 1986 zweimal jährlich 5.886,- S zu zahlen, was der Höchstbeitragsgrundlage entspreche. Wäre sie schon bei Beginn der freiwilligen Weiterversicherung entsprechend belehrt worden, hätte sie immer diesen für sie günstigeren Weg gewählt. Die Klägerin ersuchte daher die beklagte Partei, die von ihr in der Zeit vom 1. April 1977 bis 1. April 1986 geleisteten freiwilligen Beiträge in zwei jährliche Zahlungen umzuwandeln.

Dazu teilte die beklagte Partei der Klägerin mit Schreiben vom 23. April 1986 ua mit, daß eine Umbuchung der ab 1. April 1977 bis 30. April 1986 von der herabgesetzten Beitragsgrundlage rechtswirksam entrichteten Beiträge auf zwei Beiträge pro Kalenderjahr ohne Herabsetzung der Beitragsgrundlage laut den gesetzlichen Bestimmungen nicht möglich sei. Es könne nur empfohlen werden, die Weiterversicherung mit 30. April 1986 zu beenden und ab 1. Mai 1986 neuerlich ohne Antrag auf Herabsetzung der Beitragsgrundlage wieder aufzunehmen.

Daraufhin beantragte die Klägerin bei der beklagten Partei am 14. Mai 1986 die Weiterversicherung in der P*** DER A*** ab 1. Mai 1986, ohne einen Antrag auf Herabsetzung der Beitragsgrundlage zu stellen. Gleichzeitig verwies sie jedoch darauf, daß sie vor Beginn der freiwilligen Weiterversicherung im Jahre 1977 von der beklagten Partei unrichtige bzw mangelhafte Auskünfte erhalten habe und ersuchte nochmals, die Angelegenheit in ihrem Sinne zu bereinigen bzw die von ihr freiwillig geleisteten Beiträge an sie zu refundieren.

Mit Schreiben vom 22. Mai 1986 teilte die beklagte Partei der Klägerin mit, daß eine Umbuchung der Beiträge zur Weiterversicherung bzw eine Refundierung rechtswirksam entrichteter Beiträge nicht möglich sei.

Mit Schreiben vom 28. Mai 1986 teilte die beklagte Partei der Klägerin mit, daß ihrem Antrag vom 14. Mai 1986 auf Weiterversicherung ab 1. Mai 1986 stattgegeben werde und setzte die Beitragsgrundlage mit 29.426,- S, den monatlichen Beitrag mit 5.885,20 S fest.

Am 20. August 1987 erhob die am 15. September 1940 geborene Klägerin beim Arbeits- und Sozialgericht Wien gegen die beklagte Partei Klage wegen "Feststellung von Beitragsleistungen im Rahmen der freiwilligen Weiterversicherung zur Pensionsversicherung - (Streitwert 180.000,- S)". Darin brachte sie im wesentlichen vor, sie habe sich 1977 bei der beklagten Partei zeitgerecht wegen der günstigsten Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung erkundigt und den Rat erhalten, die Herabsetzung der Beitragsgrundlage zu beantragen. Dies sei damit begründet worden, daß nur die eingezahlten Monate zählten und erst in den letzten fünf Monaten vor dem Pensionszeitpunkt ein höherer Monatsbeitrag geleistet werden müsse. Am 9. April 1986 habe ihr ein anderer Angestellter der beklagten Partei geraten, die monatlichen Beitragsleistungen auf der bisherigen Basis sofort einzustellen und nur zweimal jährlich Beiträge auf der Basis der höheren seinerzeitigen Beitragsgrundlage zu leisten. Da die Beitragsleistungen zur Pensionsversicherung im Rahmen der freiwilligen Weiterversicherung sich der Höhe nach (Jahressumme) nicht, wohl aber der Wirkung nach (Höhe der Pension) wesentlich unterschieden, sei der Klägerin infolge des unrichtigen Rates der seinerzeitigen Mitarbeiterin der beklagten Partei ein erheblicher Nachteil entstanden, weil sie bei annähernd gleicher jährlicher Beitragsleistung in Form von zwei jährlichen Beitragszahlungen eine Pension auf der Basis der Höchtsbemessungsgrundlage, in Form von monatlichen Beitragsleistungen aber nur eine Mindestpension erreichen könne. Daher drohe ihr aus dem erwähnten Rat für den Fall des Eintrittes ihrer Pensionsberechtigung ein schwerwiegender vermögensrechtlicher Nachteil. Die beklagte Partei habe dem im Schreiben vom 14. April 1986 gestellten Ersuchen der Klägerin, die in der Zeit vom 1. April 1977 bis 1. April 1986 im Rahmen der freiwilligen Weiterversicherung auf Basis der herabgesetzten Bemessungsgrundlage geleisteten Beiträge in zwei jährliche Versicherungsbeiträge auf Basis der Höchtsbemessungsgrundlage bzw nicht herabgesetzten Bemessungsgrundlage umzuwandeln, nicht entsprochen. Sie hafte der Klägerin daher für einen in Zukunft entstehenden Schaden aus dem Titel des Schadenersatzes. Die Klägerin habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung ihres Anspruches dem Grunde nach, weil dieser der Höhe nach nicht beziffert werden könne und erst im Falle des Eintrittes der Pensionsberechtigung der Klägerin betraglich ermittelt werden könne. Die Klägerin stützte ihren Anspruch auf den Schadenersatztitel und überhaupt auf jeden denkbaren Rechtstitel. Den Streitwert gab sie unter Berufung auf § 58 JN mit dem Dreifachen des Unterschiedes der zu erwartenden Pensionsleistungen auf Basis der herabgesetzten Bemessungsgrundlage bzw der nicht herabgesetzten Bemessungsgrundlage an. Sie beantragte das Urteil, es werde festgestellt, daß der klagenden Partei als Versicherten von der beklagten Partei als Versicherer die von der klagenden Partei in der Zeit vom 1. April 1977 bis 1. April 1986 im Rahmen der freiwilligen Weiterversicherung geleisteten Beiträge zur Pensionsversicherung als halbjährliche Beitragsleistungen auf Basis einer nicht herabgesetzten Bemessungsgrundlage zur Pensionsversicherung anzurechnen seien.

Die zur Verbesserung durch Anschluß des angefochtenen Bescheides zurückgestellte Klage wurde innerhalb der Verbesserungsfrist unter Anschluß der eingangs erwähnten Korrespondenz der Parteien im Jahre 1986 mit dem Hinweis wieder vorgelegt, daß in der gegenständlichen Versicherungssache kein Bescheid ergangen sei. Die beklagte Partei beantragte die Zurückweisung der Klage, weil es sich um keine Sozialrechtssache handle.

Das Erstgericht wies die Klage mit der Begründung zurück, daß es sich um keine Sozialrechtssache handle und daß die Ansprüche nach den AHG vor das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien gehörten. In dem dagegen erhobenen Rekurs beantragte die Klägerin, den erstgerichtlichen Zurückweisungsbeschluß aufzuheben und dem Erstgericht die Durchführung des Verfahrens aufzutragen. Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge. Es vertrat die Meinung, daß die Klägerin dem Grunde nach einen Schadenersatzanspruch geltend mache, den sie durch eine angeblich unrichtige Belehrung durch eine Angestellte der beklagten Partei anläßlich der seinerzeitigen Antragstellung auf freiwillige Weiterversicherung stütze. Schadenersatzansprüche seien auch dann, wenn sie vorerst in Form von Feststellungsklagen gekleidet würden, keine Sozialrechtssachen iS des § 65 ASGG. Daß sich die Klägerin auf keinen Bescheid der beklagten Partei iS des § 67 ASGG und auf keine Einhaltung einer Klagefrist berufen könne, verstehe sich bei dieser Sachlage. Da das Erstgericht auch nicht als für Arbeitsrechtssachen nach § 50 ASGG zuständiges Gericht einzuschreiben habe, habe es die Feststellungsklage ohne erkennbaren Rechtsirrtum zurückgewiesen. Dagegen richtet sich der (Revisions-)Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung der Rechtssache aufzutragen. Nach Ansicht der Rechtsmittelwerberin sei eine Feststellungsklage nach § 65 Abs 2 ASGG zulässig, da der dieser Klage zugrunde liegende Sachverhalt das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin als Versicherter und der beklagten Partei als Versicherungsträger bilde und das Begehren auf Feststellung einer Anrechnungsmodalität im Rahmen dieses Rechtsverhältnisses, nämlich der bestehenden freiwilligen Weiterversicherung, gerichtet sei. Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsrekursbeantwortung. Auf Grund der im hg Beschluß vom 23. Februar 1988, 10 Ob S 28/88, ausgesprochenen Anregung berichtigte das Rekursgericht seinen angefochtenen Beschluß durch Beisetzen des nach § 45 Abs 1 Z 1 und Abs 3 ASGG nötigen Ausspruchs, daß der Wert des Streitgegenstandes 30.000,- S übersteigt.

Weil die Rekursbeschränkung des § 528 Abs 1 Z 1 ZPO nach § 47 Abs 1 ASGG nicht gilt, ist der Revisionsrekurs zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Sozialrechtssachen sind Rechtsstreitigkeiten über die im § 65 Abs 1 ASGG bezeichneten Gegenstände.

Nach § 65 Abs 2 Satz 1 ASGG fallen unter den Abs 1 dieser Gesetzesstelle auch Klagen auf Feststellung. Mangels einer Einschränkung gilt die Zulässigkeit von Feststellungsklagen für alle im Abs 1 aufgezählten Sozialrechtssache, falls die Voraussetzungen einer Feststellungsklage iS des § 228 ZPO erfüllt sind, unter dieser Voraussetzung darüber hinaus auch für alle jene Rechtsstreitigkeiten, die wegen der nicht erschöpfenden Aufzählung des § 65 Abs 1 ASGG auf Grund einer Verweisung (§ 100 ASGG) ebenfalls dem ASGG unterliegende Sozialrechtssachen sind. Auch für diese Feststellungsklagen gilt das Prinzip der sukzessiven Kompetenz (RV zum ASGG 7 BlgNr 16.GP 53; Kuderna, ASGG § 65 Erl 13; Fasching in Tomandl, SV-System 3.ErgLfg 727; Fink, ASGG 92). Daraus folgt, daß es sich bei dem vorliegenden Begehren um Anrechnung bereits erbrachter Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung in der Pensionsversicherung in bestimmter Art nicht um eine Sozialrechtssache iS des § 65 ASGG, insbesondere nicht um eine Leistungssache handelt.

Obwohl sich die Art der Anrechnung der erbrachten Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung in der Pensionsversicherung auf den Umfang der allfälligen Pensionsleistung auswirken könnte, handelt es sich noch nicht um eine Rechtsstreitigkeit über den Umfang eines Anspruchs auf eine Versicherungsleistung (Z 1).

Die Rechtsstreitigkeit betrifft auch (noch) nicht den Bestand von Versicherungszeiten der Pensionsversicherung (Z 4), weil es nicht darum, sondern um die Art der Verrechnung geleisteter Beiträge geht und die Klägerin überdies erst frühestens zwei Jahre vor Vollendung eines für eine Leistung aus einem Versicherungsfall des Alters maßgebenden Lebensalters berechtigt wäre, beim leistungszuständigen Versicherungsträger einen Antrag auf Feststellung der Versicherungszeiten zu stellen (§ 247 ASVG). Das Begehren der Klägerin betrifft vielmehr - soweit damit nicht allenfalls ein Schadenersatzanspruch nach dem AHG beabsichtigt war - eine Angelegenheit der Beiträge der Versicherten und damit eine Verwaltungssache iS des § 355 Z 3 ASVG.

Die Klage wurde daher schon deshalb zu Recht zurückgewiesen, weshalb dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben war. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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