OGH 10ObS112/13p

OGH10ObS112/13p12.9.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Mag. Gerhard Eigner, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau, 1060 Wien, Linke Wienzeile 48-52, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Juni 2013, GZ 11 Rs 59/13w-33, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Der Kläger übte bis zur Fusionierung zweier Seilbahngesellschaften zum Jahresende 2003 eine Tätigkeit als Betriebsleiter aus (Verwendungsgruppe D des Kollektivvertrags für die Bediensteten der österreichischen Seilbahnen). Ab 2004 wurde dieser Arbeitsplatz zunehmend wegrationalisiert und der Kläger in „ein kleines Büro verbannt“. Seine einzige Aufgabe bestand darin, in regelmäßigen Abständen nachzusehen, ob etwaige schriftliche Dienstanweisungen eingelangt waren. Das Arbeitsverhältnis endete im April 2010.

Das Berufungsgericht wies das auf Zuspruch der Berufsunfähigkeitspension gerichtete Klagebegehren ab.

Nach Auffassung des Klägers ist die Revision zulässig, weil nach § 273 Abs 1 ASVG idF des BudgetbegleitG 2011 bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit darauf abzustellen sei, dass er in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag von Mai 1996 bis Jänner 2004 (somit zumindest 90 Pflichtversicherungsmonate) als Betriebsleiter tätig gewesen sei. Diese Berufstätigkeit - und nicht seine ab 2004 bis 2010 ausgeübte weniger qualifizierte Angestelltentätigkeit - sei für die Verweisung maßgeblich.

Rechtliche Beurteilung

Diese Frage ist keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage.

1. Nach § 273 Abs 1 ASVG idF des BudgetbegleitG 2011 gilt die versicherte Person als berufsunfähig, deren Arbeitsfähigkeit infolge ihres körperlichen oder geistigen Zustands auf weniger als die Hälfte derjenigen einer körperlich und geistig gesunden versicherten Person von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist, wenn innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten eine Erwerbstätigkeit als Angestellter oder nach § 255 Abs 1 ASVG ausgeübt wurde. Seit dem Inkrafttreten des BudgetbegleitG 2011 mit 1. 1. 2011 soll der Berufsschutz für Angestellte also grundsätzlich nur mehr dann Platz greifen, wenn für eine bestimmte Zeit eine qualifizierte Berufstätigkeit ausgeübt wurde (10 ObS 146/11k). Die allgemeinen Verweisungsregeln bleiben jedoch unberührt, das heißt bei Angestellten ist bei Prüfung der Verweisungsmöglichkeiten wie bisher von der zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübten Tätigkeit auszugehen (vgl RV 981 BlgNR 24. GP 205).

2. Auch nach der neuen Rechtslage liegt der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit bei Angestellten (Berufsunfähigkeit nach § 273 ASVG) daher nur dann vor, wenn der Versicherte weder die zuletzt (nicht nur vorübergehend) ausgeübte Angestelltentätigkeit noch eine dieser Tätigkeit gleichwertige Tätigkeit im Rahmen seiner Berufsgruppe zu verrichten imstande ist (10 ObS 4/12d; 10 ObS 146/11k; RIS-Justiz RS0084954). Von diesen Grundsätzen weicht die Ansicht des Berufungsgerichts, nicht die bis Ende 2003 ausgeübte Tätigkeit als Betriebsleiter, sondern die danach bis 2010 ausgeübte Angestelltentätigkeit bestimme das Verweisungsfeld (RIS-Justiz RS0084867), nicht ab.

3.1. Nicht zulässig ist die Verweisung auf Tätigkeiten, die mit einem unzumutbaren sozialen Abstieg verbunden wären. Dabei kommt es auf den sozialen Wert an, den die Ausbildung und die Kenntnisse und Fähigkeiten haben, die in der zuletzt ausgeübten Berufstätigkeit des Versicherten von Bedeutung waren (RIS-Justiz RS0084890). Zur Beurteilung des sozialen Werts einer Tätigkeit kann deren Einstufung in eine kollektivvertragliche Beschäftigungs-gruppe herangezogen werden, für die jene Ausbildung und jene Kenntnisse und Fähigkeiten verlangt werden, die für den Versicherten in seiner zuletzt ausgeübten Berufstätigkeit erforderlich waren und auch angewendet wurden (RIS-Justiz RS0084890 [T3]). Schließlich entspricht es ebenfalls der bereits vom Berufungsgericht zitierten ständigen Judikatur, dass ein Versicherter im Rahmen der Verweisbarkeit gewisse Einbußen an Entlohnung und Sozialprestige in Kauf nehmen muss, sodass eine Verweisung auf Angestelltentätigkeiten, die einer Beschäftigungsgruppe unmittelbar nachgeordnet sind, in der Regel keinen unzumutbaren sozialen Abstieg bedeutet (RIS-Justiz RS0085599 [T6, T7]).

3.2. Die Frage, ob bei Beachtung dieser Grundsätze eine Verweisung einen unzumutbaren sozialen Abstieg bewirkt oder nicht, ist eine solche des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0085599 [T30]).

Inwiefern die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, ausgehend von der zuletzt ausgeübten Angestelltentätigkeit sei der Kläger auf Sachbearbeitertätigkeiten entsprechend der (unmittelbar nachgeordneten) Verwendungsgruppe C des Kollektivvertrags für die Bediensteten der Österreichischen Seilbahnen verweisbar, eine zulassungsrelevante Fehlbeurteilung darstellen soll, wird in der Revision nicht aufgezeigt.

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