OGH 10ObS108/23i

OGH10ObS108/23i12.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Mag. Schober sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Helmut Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Mag. Robert Pöschl, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, wegen Witwenpension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 10. August 2023, GZ 6 Rs 39/23 m‑20, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 18. Jänner 2023, GZ 24 Cgs 259/22a‑13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:010OBS00108.23I.0312.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Sozialrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin bezog nach dem Tod ihres ersten Gatten im November 1981 eine Witwenpension. Im Oktober 1982 heiratete sie erstmals H* (im Folgenden: Mann), von dem sie sich im März 1988 zum ersten Mal scheiden ließ. Danach heiratete die Klägerin den Mann weitere elf Mal, zuletzt am 29. November 2019, und ließ sich ebenso oft wieder von ihm gemäß § 55a EheG scheiden, zuletzt am 18. Mai 2022. Die Scheidungen erfolgten jeweils wegen unheilbarer Zerrüttung, die unter anderem aufgrund des Berufs des Mannes als Fernfahrer entstanden ist. Seit mehr als 15 Jahren ist der Mann in Pension.

[2] Seit dem Jahr 1982 leben die Klägerin und ihr Mann in einem gemeinsamen Haushalt. Die Kosten für die Wohnung werden zwischen ihnen geteilt; sie kochen auch teilweise gemeinsam für einander. Nach der letzten Scheidung wurden die Zimmer der Wohnung nicht neu aufgeteilt; zwischen ihnen besteht auch eine Geschlechtsgemeinschaft.

[3] Nach den (ersten elf) Scheidungen gewährte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Klägerin immer die Witwenpension und nach jeder erneuten Heirat eine Abfertigung. Auch nach der letzten Eheschließung mit ihrem Mann erhielt die Klägerin eine Abfertigung der Witwenpension.

[4] Mit Bescheid vom 5. September 2022 wies die Beklagte den erneuten Antrag der Klägerin vom 4. Juli 2022, ihr nach der Scheidung vom 18. Mai 2022 die wiederaufgelebte Witwenpension nach ihrem verstorbenen ersten Gatten zu gewähren, ab, weil die mittlerweile zwölfte Scheidung vom Mann eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des Scheidungsrechts darstelle.

[5] Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin, ihr ab 1. August 2022 Witwenpension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Die Voraussetzungen für das Wiederaufleben der Witwenpension nach § 265 Abs 2 ASVG lägen vor, sodass ihr diese zu gewähren sei. Ein Rechtsmissbrauch sei schon deshalb nicht anzunehmen, weil die Höhe der Abfertigung zur Witwenpension exakt der Wartezeit von zweieinhalb Jahren entspreche, sodass der Beklagten durch die wiederholten Eheschließungen und Scheidungen kein Schaden entstanden sei. Im Gegenteil hätte ihr die Beklagte sogar höhere Pensionsleistungen zahlen müssen, wenn sie nach dem Tod ihres ersten Gatten nicht mehr geheiratet hätte. Dass die Abfertigungen nicht krankenversicherungspflichtig seien und einem begünstigten Steuertarif unterlägen, begründe allenfalls einen Schaden zum Nachteil der Abgabenbehörden, aber nicht der Beklagten. Dem Einwand, die zuletzt geschiedene Ehe mit dem Mann sei tatsächlich nie zerrüttet gewesen, stehe der Scheidungsbeschluss entgegen, den weder die Sozialgerichte noch die Beklagte wirksam bestreiten könnten. Der behauptete Rechtsmissbrauch oder eine Schädigungsabsicht sei ebenso wenig ersichtlich wie ein Scheingeschäft zum Nachteil der Beklagten.

[6] Die Beklagtewandte ein, dass die Klägerin seit Oktober 1982 in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrem Mann lebe. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass die eheliche Lebensgemeinschaft jemals aufgehoben worden sei oder eine unheilbare Zerrüttung der ehelichen Verhältnisse bestanden habe. Die (letzten) elf Scheidungen hätten allein dazu gedient, trotz weiter bestehender ehelicher Gemeinschaft und Eheabsicht eine laufende Witwenpension zu beziehen, und seien daher rechtsmissbräuchlich erfolgt. Denke man sich die Scheidungen und Wiederverehelichungen weg, wäre der Anspruch auf Witwenpension nämlich schon durch die erste Eheschließung mit dem Mann im Oktober 1982 erloschen und nur eine Abfertigung ausbezahlt worden. Die Klägerin habe sogar noch einen weiteren erheblichen finanziellen Vorteil aus den Abfertigungen gezogen, weil diese nicht krankenversicherungspflichtig seien und „brutto für netto“ ausbezahlt würden. Das Vorgehen der Klägerin zeige klar, dass im Zeitpunkt der letzten Scheidung kein Scheidungswille vorgelegen und der Scheidungsvergleich nur zum Schein geschlossen worden sei. Da gemäß § 539a ASVG der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend sei, sei für die Beurteilung des Anspruchs auf Witwenpension der verdeckte Wille, die Ehe fortzusetzen, maßgebend. Zudem habe sich durch die letzte Scheidung an der wirtschaftlichen Situation der Klägerin nichts geändert, da siemitihrem Mann so wie bisher zusammenlebe. DieGewährung der Witwenpension widersprächedaher dem Zweck des Wiederauflebens.

[7] Das Erstgerichtwies die Klage ab. Zusätzlich zum oben referierten Sachverhalt stellte es im Rahmen der Beweiswürdigung und seiner rechtlichen Beurteilung noch disloziert fest, dass „die Ehe der Klägerin und H* nie unheilbar zerrüttet war und die Verehelichungen bzw Scheidungen aus einem anderen Grund erfolgten“ und durch die Scheidung am 18. Mai 2022 „die tatsächlich bestehende Ehe zwischen der Klägerin und H* verdeckt werden [sollte], um die Beklagte über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung der Witwenpension zu täuschen“. Darauf aufbauend qualifizierte es den am 18. Mai 2022 geschlossenen Scheidungsvergleich als Scheingeschäft und die Ausübung des Scheidungsrechts als missbräuchlich.

[8] Das Berufungsgerichtbestätigte das Ersturteil. Die Klägerin hätte durchgehend Witwenpension beziehen können, wenn sie nach dem Tod ihres ersten Gatten nicht mehr geheiratet hätte, sondern nur eine Lebensgemeinschaft eingegangen wäre. Sie habe sich aber für eine Ehe mit ihrem Mann entschieden und ihn insgesamt zwölf Mal geheiratet und sich wieder scheiden lassen, obwohl tatsächlich ein aufrechter Ehewille bestanden habe. Im Durchschnitt habe jede Ehe rund drei Jahre gedauert, wobei unbekämpft feststehe, dass die Ehe der Klägerin mit ihrem Mann nicht unheilbar zerrüttet gewesen sei. Zwar seien auch Mehrfachehen mit demselben Gatten nach einer tatsächlichen Zerrüttung und darauf folgender Versöhnung nicht rechtsmissbräuchlich. Anderes gelte aber dann, wenn die wiederholte Ausübung des Scheidungsrechts zunächst zum Bezug einer Witwenpension und dann einer steuerbegünstigten Abfertigung aufgrund einer anschließenden Wiederverheiratung führe. Die Vorgangsweise der Klägerin sei zumindest in den letzten 14 Jahren rechtsmissbräuchlich gewesen. Ein Scheingeschäft liege nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels aufgezeigter Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zulässig.

1. Tatsachengrundlage

[10] 1.1. Zunächst ist zu klären, von welcher Tatsachengrundlage auszugehen ist. Die im Feststellungsteil vom Erstgericht getroffene Feststellung, die Scheidungen seien jeweils wegen unheilbarer Zerrüttung erfolgt, steht nämlich mit den oben referierten weiteren, zumindest teilweise den Tatsachenbereich betreffenden – gegenteiligen – Ausführungen des Erstgerichts im Rahmen der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung in einem Spannungsverhältnis.

[11] 1.2. Ob eine Ehe unheilbar zerrüttet ist, betrifft als solches nicht den Tatsachenbereich, sondern stellt eine rechtliche Beurteilung dar (RS0043423). Die vom Erstgericht getroffene „Feststellung“ von den jeweils wegen unheilbarer Zerrüttung erfolgten Scheidungen kann daher nur so verstanden werden, dass die Ehegatten – dem Erfordernis des § 55a EheG entsprechend – im Rahmen des Scheidungsantrags die unheilbare Zerrüttung zugestanden haben und dieses Zugeständnis Grundlage des Scheidungsbeschlusses war.

[12] 1.3. Hier ist das Berufungsgericht – wie dargestellt – davon ausgegangen, dass „die Ehe“ zwischen der Klägerin und ihrem Mann nicht unheilbar zerrüttet war.

[13] Dies stellt – wie soeben ausgeführt – eine rechtliche Beurteilung dar, die angesichts der getroffenen Feststellungen über das faktisch auch nach der letzten Scheidung weiter bestehende, durchaus einer aufrechten (und nicht unheilbar zerrütteten) Ehe entsprechende Zusammenleben der Geschiedenen im vorliegenden Einzelfall (RS0043423 [T8]) nicht korrekturbedürftig ist.

2. Grundsätze der Witwenpension

[14] Gemäß § 265 Abs 1 ASVG gebührt einer sich wiederverehelichenden Witwe – mit einer hier nicht vorliegenden Ausnahme – eine Abfertigung in der Höhe des 35‑fachen Betrags der monatlichen Witwenpension (was dem zweieinhalbfachen Jahresbetrag entspricht), auf die sie im Zeitpunkt der Schließung der neuen Ehe Anspruch gehabt hat. Wird die neue Ehe der Witwe unter anderem durch Scheidung aufgelöst, lebt der Anspruch auf die Witwenpension auf Antrag wieder auf, wenn die Ehe nicht aus dem alleinigen oder überwiegenden Verschulden der Witwe aufgelöst worden ist. Der Anspruch lebt mit dem der Antragstellung folgenden Monatsersten, frühestens mit dem Monatsersten wieder auf, der dem Ablauf von zweieinhalb Jahren nach dem seinerzeitigen Erlöschen des Anspruchs folgt (§ 265 Abs 2 und 3 ASVG).

[15] Sowohl die Abfertigung (Abs 1) als auch das Wiederaufleben (Abs 2 ff) der Witwenpension soll deren Beziehern den Entschluss zu einer neuen Ehe erleichtern. Das Wiederaufleben gewährleistet der Witwe, deren neue Ehe nicht aus ihrem alleinigen oder überwiegenden Verschulden aufgelöst worden ist, eine Mindestversorgung im Ausmaß der seinerzeitigen Hinterbliebenenpension, wenn diese nicht durch laufende Unterhaltsleistungen oder die in § 2 EStG 1988 angeführten Einkünfte, die aufgrund der aufgelösten Ehe gebühren oder darüber hinaus zufließen, sichergestellt ist. Erst wenn die Versorgung aus diesen (primären) Quellen hinter dem (Witwen‑)Pensionsanspruch aus der früheren Ehe zurückbleibt, soll diese Versorgungslücke durch die wiederaufgelebte Pension geschlossen werden (10 ObS 1/95; 10 ObS 108/97y).

3. Rechtsmissbrauch

[16] 3.1. Die vom Berufungsgericht herangezogenen Grundsätze des Rechtsmissbrauchs sind auch im Sozialrecht anzuwenden (vgl § 539a Abs 2 ASVG sowie 10 ObS 152/91; RS0037797 [T14]). Ob Rechtsmissbrauch vorliegt, ist eine nach den Umständen des Einzelfalls zu klärende Rechtsfrage (RS0110900). Soweit der Rechtsmissbrauch entscheidungswesentlich ist, wird daher eine erhebliche Rechtsfrage nur dann aufgezeigt, wenn dem Berufungsgericht eine Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, was hier von der Revision nicht aufgezeigt und auch – wie zu zeigen sein wird – nicht der Fall ist.

[17] 3.2. Entsprechend diesem Grundsatz ist auch § 539a Abs 2 ASVG, wonach durch den Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts Verpflichtungen nach diesem Bundesgesetz, besonders die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden können, nicht nur auf die ausdrücklich genannte Umgehung der Versicherungspflicht beschränkt, sondern im Rahmen des ASVG allgemein anwendbar (VwGH 2000/08/0097).

[18] 3.3. Missbräuchlich ist eine Rechtsausübung vor allem dann, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet oder zwischen den verfolgten eigenen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht (RS0025230; RS0026265; RS0026271). Ein Missbrauch liegt demgemäß jedenfalls dann vor, wenn die an sich zulässige Gestaltung der rechtlichen Verhältnisse anders als mit der Absicht der Umgehung gesetzlicher Regelungen nicht erklärt werden kann (vgl 10 ObS 73/22s Rz 18; VwGH Ra 2016/08/0074, 2009/08/0010 ua).

4. Vorliegender Fall

[19] 4.1. Wie schon das Berufungsgericht zu Recht betont hat, erstreckt sich die Rechtskraftwirkung des Scheidungsbeschlusses grundsätzlich nur auf dessen Spruch (RS0041357). Sie hindert das Gericht in einem Folgeprozess daher nicht, seiner Entscheidung eine als unrichtig erkannte Sachverhaltsgrundlage des Urteils im Vorprozess, hier also die unheilbare Zerrüttung und die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft, nicht mehr zugrundezulegen (1 Ob 42/09x [Scheidungsurteil]; RS0102102).

[20] 4.2. Nach § 55a Abs 1 EheG können die Ehegatten die Scheidung gemeinsam begehren, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft der Ehegatten seit mindestens einem halben Jahr aufgehoben ist, beide die unheilbare Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses zugestehen und zwischen ihnen Einvernehmen über die Scheidung besteht.

[21] 4.3. Der Gesetzgeber hat somit die einvernehmliche Scheidung nicht allein in die privatautonome Disposition der Ehegatten gestellt, sondern von den in dieser Bestimmung angeführten weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht (vgl Melcher in Klang3 § 55a EheG Rz 10 bis 34, insb 30 bis 33). Liegt daher etwa gar keine objektive Zerrüttung in Form einer aufgehobenen ehelichen Lebensgemeinschaft vor, so ist der Scheidungsantrag abzuweisen (Melcher aaO Rz 33 aE mwN). Ein Rechtsanspruch auf einvernehmliche Scheidung besteht daher nur dann, wenn – über das Einvernehmen über die Scheidung an sich hinaus – die weiteren von § 55a EheG normierten Voraussetzungen vorliegen. Dies setzt aber auch voraus, dass das Zugeständnis der Ehegatten von der unheilbaren Zerrüttung den Tatsachen entspricht und auch die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens einem halben Jahr aufgehoben ist.

[22] An beiden Voraussetzungen mangelt es offensichtlich im vorliegenden Fall:Da feststeht, dass die Klägerin und ihr Mann seit der ersten Verehelichung 1982 im gemeinsamen Haushalt leben, sich die Haushaltstätigkeiten und die Kosten teilen, nach der Scheidung die Zimmer der Wohnung nicht neu aufteilen und eine Geschlechtsgemeinschaft besteht, kann von einer mindestens seit einem halben Jahr vor der Scheidung bestehenden Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft schwerlich gesprochen werden. Unter diesem Aspekt kann auch nicht davon ausgegangen werden, das Zugeständnis der unheilbaren Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses bei ihrer letzten Ehescheidung am 18. Mai 2022 habe den Tatsachen entsprochen.

[23] 4.4. Abhängig von einem etwaigen – derzeit zwar nicht feststehenden, aber keineswegs auszuschließenden – (weitergehenden) Vorsatz könnte in dertatsachenwidrigen Vorgabe der unheilbaren Zerrüttung und der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch die Klägerin und ihren Mann unter Umständen sogar ein strafrechtlich relevantes Verhalten zum Nachteil der Beklagten liegen.

[24] 4.5. Als Konsequenz der vorstehenden Überlegungen ergibt sich, dass die Klägerin mangels Vorliegens aller Voraussetzungen für eine einvernehmliche Scheidung gar keinen Rechtsanspruch darauf hatte, geschieden zu werden. Wenn unter dieser Rücksicht das Berufungsgericht die Vorgangsweise der Klägerin, konkret ihre nur durch diese Scheidung mögliche gegenständliche Beantragung einer Witwenpension bei der Beklagten, als rechtsmissbräuchlich qualifiziert hat, ist dies nicht korrekturbedürftig. Dies ergibt sich schon aus einem Größenschluss zur Rechtsprechung, wonach schon ein (an sich legaler) Verzicht auf Unterhalt zur Erwirkung einer Ausgleichszulage als rechtsmissbräuchlich beurteilt wird (RS0038599 [T1]).

[25] 5.1. Die Revision beschränkt sich im Wesentlichen auf die Behauptung, beim Rechtsmissbrauch müsse dem anderen ein Schaden zugefügtwerden (vgl RS0026271). Dies treffe auf die Klägerin nicht zu, weil ihre Vorgangsweise von wiederholten Eheschließungen aufgrund der Wartezeit des § 265 Abs 3 ASVG die Beklagte nicht mehr koste, als wenn die Klägerin als Dauergeschiedene keine Abfertigungen nach § 265 Abs 1 ASVG, sondern nur die laufende Witwenpension nach § 265 Abs 2 ASVG bekäme.

5.2. Diese Überlegungen verfangen aus zwei Gründen nicht:

[26] 5.2.1. Schon das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass die Abfertigungen nach § 67 Abs 4 EStG mit maximal 6 % steuerbegünstigt (und somit für die Klägerin lukrativer als eine normal einkommenbesteuerte Witwenpension [„Steuervorteil von 24 %“]) seien, was die Klägerin in der Revision nicht bestreitet. Der (so betrachtete) Schaden durch die wiederholten Eheschließungen und Scheidungen der Klägerin wäre dann zwar vielleicht nicht beim beklagten Sozialversicherungsträger, aber sehr wohl beim Fiskus eingetreten. Für die Behauptung der Revision, der „andere“ Geschädigte beim Rechtsmissbrauch müsse die Gegenpartei im Zivilprozess sein, bleibt sie freilich jegliche Begründung schuldig und kann somit den Rechtsmissbrauch nicht entkräften.

[27] 5.2.2. Darüber hinaus kommt es hier auf die von der Klägerin angestellten Überlegungen gar nicht an: Da sie – wie ausgeführt – im Zeitpunkt ihrer (für das vorliegende Verfahren allein maßgeblichen) letzten Scheidung am 18. Mai 2022 keinen Rechtsanspruch auf die Scheidung hatte, hätte sie beim Unterbleiben der Scheidung keine Witwenpension beantragen können. Der Schaden in Form der gewährten Witwenpension wäre daher ohnehin bei der Beklagten eingetreten.

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