OGH 10ObS106/22v

OGH10ObS106/22v13.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Faber, den Hofrat Mag. Schober sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Michael Mutz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerald Fida (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. J*, vertreten durch HSP Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Juni 2022, GZ 8 Rs 8/22 p‑39, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:010OBS00106.22V.1213.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Sozialrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagtelehnte mit Bescheid vom 6. 10. 2020 den Antrag des 1969 geborenen Klägers, der von September 2003 bis April 2017 164 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit als Mathematiklehrer erworben hat, auf Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension ab 1. 2. 2020 ab.

[2] Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension ab und sprach aus, dass vorübergehende Berufsunfähigkeit im Ausmaß von zumindest sechs Monaten nicht vorliege und Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nicht zweckmäßig seien. Das Eventualklagebegehren auf Gewährung von Maßnahmen der medizinischen und/oder beruflichen Rehabilitation sowie Rehabilitations‑ bzw Umschulungsgeld wurde abgewiesen.

[3] Das erstinstanzliche Verfahren war dadurch gekennzeichnet, dass der damals unvertretene Kläger in seiner am 24. 11. 2020 eingebrachten Klage unter anderem vorgebracht hatte, dass wegen des bei ihm bestehenden hohen Risikos einer SARS‑CoV‑2‑Infektion eine Entscheidung nur aufgrund der Unterlagen gefällt werden solle; eventuell erforderliche medizinische und andere Zusammenkünfte und Kontakte sollten auf die Zeit nach Abebben der Pandemie verschoben werden. Das Erstgericht trug den Sachverständigen auf, den Kläger erst im März 2021 zur Untersuchung zu laden. Eine vom Kläger gewünschte Verlegung der Untersuchungstermine lehnte das Erstgericht ab. Nach einer Mitteilung des Klägers, dass ohne Untersuchung durch die Sachverständigen zeitnah eine Entscheidung erlassen werden möge, holte das Erstgericht Aktengutachten ein.

[4] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und ließ die Revision nicht zu. Es verneinte den vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmangel (der Heranziehung von mehr als vier Jahre alten medizinischen Befunden) sowie einen sekundären Feststellungsmangel und sah im Übrigen die Rechtsrüge als nicht gesetzmäßig ausgeführt an.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die außerordentliche Revision des Klägers ist wegen Fehlens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung unzulässig.

[6] 1. Der Kläger macht Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens geltend, die – in Bezug auf die Heranziehung von veralteten Befunden und die fehlende Aufklärung darüber – vom Berufungsgericht bereits verneint wurden. Nach ständiger Rechtsprechung können vom Berufungsgericht verneinte Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens nicht mehr mit Erfolg an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (RIS‑Justiz RS0042963), auch in Sozialrechtssachen (RS0043061). Die behauptete Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens wegen Nichteinvernahme des Klägers im Weg einer Videokonferenz wurde in der Berufung nicht geltend gemacht und kann in der Revision nicht nachgetragen werden (RS0043111).

[7] 2. Der behauptete sekundäre Feststellungsmangel zur Neigung zu Kollapsepisoden („Synkopen“) liegt nicht vor. Für die Entscheidung über den Anspruch auf eine Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit ist die Feststellung des medizinischen Leistungskalküls wesentlich (RS0084399 [T4]). Die Feststellung medizinischer Diagnosen ist nicht erforderlich (RS0084399 [T10]).

[8] 3. Wegen Fehlens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (§ 502 Abs 1 ZPO) ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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