Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Am 14. 8. 1997 war die Klägerin zur Einschulung bei der Firma N***** in Schwechat, zu der sie von ihrem Dienstgeber entsandt worden war. Da es in den Vortragsräumen sehr heiß war, ging die Klägerin nach Schluss der Vormittagsveranstaltung an die frische Luft, sie stellte sich in den Schatten abgestellter Lastkraftwagen. Mit ihr ging die Prokuristin der Firma N***** hinunter. Die Prokuristin begab sich - eine Leitplanke übersteigend - zu einem auf der dahinter liegenden Wiese gelegenen Zwinger, in dem sie ihren Hund verwahrte. Sie reichte dem Hund außerhalb des Zwingers die Futterschüssel. Der Hund rannte los, sprang über die Leitschiene und biss die Klägerin in den Bauch und in die linke Hand. Die Klägerin hatte die Absicht, sich nach dem Wiederbetreten des Gebäudes aus einem Getränkeautomanten eine Erfrischung zu verschaffen.
Mit Bescheid vom 30. 1. 2001 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Entschädigung aus Anlass dieses Ereignisses ab, weil ein Arbeitsunfall nicht vorliege.
Das Erstgericht wies das dagegen erhobene, auf Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall und auf Gewährung einer Versehrtenrente im gesetzlichem Ausmaß gerichtete Klagebegehren ab. Die eingangs wiedergegebenen, von ihm getroffenen Feststellungen beurteilte es rechtlich dahin, unter "lebenswichtigen persönlichen" und "lebensnotwendigen" Bedürfnissen im Sinn des § 175 Abs 2 Z 7 ASVG seien nur solche zu verstehen, deren Befriedigung keinen größeren Aufschub dulde. Das Aufsuchen eines schattigen Platzes innerhalb des Betriebsgeländes vor der Verschaffung eines Getränks habe weder der Befriedigung eines lebensnotwendigen Bedürfnisses, noch der Aufrechterhaltung oder der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gedient. Ein Arbeitsunfall liege daher nicht vor.
Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung nicht Folge. Es billigte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, dass ein Arbeitsunfall gemäß § 175 Abs 2 Z 7 ASVG nicht vorliege. Der Spaziergang der Klägerin nach Abschluss der Vormittagsveranstaltung könne nicht als eine der Befriedigung lebenswichtiger persönlicher Bedürfnisse dienende Handlungsweise qualifiziert werden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache, mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klagestattgebenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt. Die Klägerin führt aus, die Frage, ob sie ein lebensnotwendiges Bedürfnis im Sinne des §§ 175 Abs 2 Abs 7 ASVG befriedigt habe, stelle sich nicht, weil es nicht zweifelhaft sein könne, dass das Aufsuchen eines schattigen Platzes zur "Abkühlung" für die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit am Nachmittag zweckmäßig gewesen sei; in den Vortragsräumlichkeiten sei es nämlich sehr heiß gewesen. Hinzu komme, dass durch die Unterbringung des Hundes der Prokuristin auf dem Betriebsgelände eine besondere Gefahr geschaffen worden sei, die sich bei der Klägerin verwirklicht habe, weil sie an dieser Arbeitsstätte ihrer unselbständigen Erwerbstätigkeit habe nachgehen müssen.
Hiezu wurde erwogen:
Aufgrund der Feststellung des Erstgerichtes, die Klägerin habe den schattigen Platz nach dem Ende der Vormittagsveranstaltung aufgesucht, und der Einlassung der beklagten Partei in ihrer Klagebeantwortung, dies sei in der Mittagspause geschehen, ist im Tatsachenbereich davon auszugehen, dass die Einschulung der Klägerin am Nachmittag fortgesetzt werden sollte.
Dass die Klägerin grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand, als sie sich während der Mittagspause auf einer von ihrem Dienstgeber veranlassten Einschulung befand, ist nicht strittig. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ausnahmslos jeder Unfall während dieser Zeit ein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall im Sinne von § 175 ASVG ist. Nach § 175 Abs 1 ASVG liegt ein Arbeitsunfall vor, wenn sich der Unfall im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignet.
Nach den in der Rechtsprechung des Senates zur Frage des Unfallversicherungsschutzes auf Dienstreisen oder während Ausbildungs- und Fortbildungsveranstaltungen - denen eine Entsendung zur Einschulung gleichzuhalten ist - entwickelten Grundsätzen (vgl SSV-NF 4/65 = RZ 1993/49; SSV-NF 6/39 = SZ 65/53; SSV-NF 7/45; 10 ObS 120/01x) besteht dieser Unfallversicherungsschutz nicht schon deshalb, weil sich der Reisende im dienstlichen oder betrieblichen Interesse außerhalb seines Beschäftigungs- oder Wohnorts aufhält und bewegen muss. Es kommt vielmehr auch hiebei darauf an, ob die Betätigung, bei der der Unfall eintritt, mit dem Beschäftigungsverhältnis rechtlich wesentlich zusammenhängt. Dieser Versicherungsschutz entfällt, wenn sich der Reisende seinen persönlichen, für die Betriebstätigkeit nicht mehr wesentlichen und von dieser nicht mehr wesentlich beeinflussten Belangen widmet. Allerdings wird bei Unfällen während einer Dienstreise ein innerer Zusammenhang mit der betrieblichen (dienstlichen) Tätigkeit auch außerhalb der eigentlichen dienstlichen Beschäftigung im Allgemeinen eher anzunehmen sein als am Wohn- oder Betriebsort. Der Versicherungsschutz während einer Dienstreise kann sich daher auch auf solche Tätigkeiten erstrecken, die sonst dem privaten Bereich zuzuordnen sind (10 ObS 120/01x mwN). So wurde nach diesen Grundsätzen der Versicherungsschutz von Kursteilnehmern einer im Rahmen einer Dienstreise durchgeführten Fortbildungsveranstaltung auch auf dem Weg vom Kurslokal oder vom Unterkunftsraum zur in der Nähe beabsichtigten Einnahme gemeinsamer Mahlzeiten bejaht (SSV-NF 6/39). Es wurde auch ausgesprochen, dass sie Dienstreisen die Nahrungsaufnahme nur dann unter Versicherungsschutz steht, wenn betriebliche Umstände über das normale Maß hinaus so stark sind, dass er eine wesentliche Bedingung für die Essenseinannahme sind, wie etwa besonderer Zeitdruck, Erhaltung der Fahrtüchtigkeit eines Kraftfahrers oder dursterregende Beschäftigung (SSV-NF 7/45 = DRdA 1994, 262/22 [Ritzberger-Moser]). An sich eigenwirtschaftliche Tätigkeiten, die dem unversicherteten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen sind, stehen nicht allein deshalb in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, weil der Arbeitgeber an deren Verrichtung interessiert ist, damit die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers erhalten bleibt oder wiederhergestellt wird (SSV-NF 7/45). Maßnahmen eines Versicherten, die er setzt, um seine körperliche und geistige dienstliche Leistungsfähigkeit aufzubringen oder zu erhalten, stehen nämlich grundsätzlich nicht mit der dienstlichen Tätigkeit in einem unmittelbaren Zusammenhang; das Risiko der dienstlichen Leistungsfähigkeit fällt in der Regel in den unversicherten eigenwirtschaftlichen Bereich (vgl RIS-Justiz RS0084963; Lauterbach/Schwerdtfeger, UV [SGB VII]4, 2. Lfg, § 8 Rz 297 mwN aus der deutschen Rechtsprechung). So steht ein Spaziergang während der Arbeitspause nur dann im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn er aus besonderen Umständen zur notwendigen Erholung für eine weiterer Betriebsarbeit erforderlich ist (Brackmann/Krasney, Unfallversicherung, 92. Lieferung, § 8 Rz 82 mwN). Ein Beschäftigter, der bei seiner Arbeit starker Hitze ausgesetzt ist, genießt Versicherungsschutz, wenn er sich, um einer erheblichen Schwächung seiner Arbeitskräfte entgegenzuwirken, an einem nahe seinem Arbeitsplatz gelegenen Gewässer erfrischt und hiebei die Grenzen des Betriebsüblichen nicht überschreitet (Brackmann/Krasney aaO). Es ist nicht erforderlich, dass die Notwendigkeit einer Erfrischung sich aus der Natur des Betriebes ergibt; entscheidend sind im Einzelfall geleistete Arbeiten und die dadurch bedingte notwendige Erfrischung. Das Verhalten steht jedoch nicht mehr im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn es die an sich notwendige Erfrischung in Art und/oder Umfang überschreitet (Brackmann/Krasney aaO).
Wie oben bereits ausgeführt, wird bei Unfällen während einer Dienstreise, der eine auswärtige Schulungsveranstaltung gleichzuhalten ist, ein innerer Zusammenhang mit der betrieblichen (dienstlichen) Tätigkeit auch außerhalb der eigentlichen dienstlichen Beschäftigung im Allgemeinen eher anzunehmen sein als am Wohn- oder Betriebsort. Handelt es sich um eine Tätigkeit des persönlichen Bereichs, wird der notwendige innere Zusammenhang nur dann angenommen werden können, wenn diese mit dem Aufenthalt an dem fremden Ort notwendigerweise verbunden ist; es muss sich also um eine Tätigkeit handeln, der sich der Versicherte bei normalem Lebensablauf unter den jeweiligen örtlichen Verhältnissen nicht entziehen kann, wobei der Kreis solcher Verrichtungen nicht zu eng und der Gesamtsituation angepasst zu ziehen ist (Lauterbach/Schwerdtfeger aaO Rz 298 mwN aus der deutschen Rechtsprechung; BSGE 39/39). Hiezu gehört etwa das Begehen einer Hoteltreppe auf dem Weg zur Einnahme einer Mahlzeit (SZ 65/53 = SSV-NF 6/39), nicht aber zB ein Saunabesuch, der Besuch der Hotelbar nach Beendigung der Dienstgeschäfte oder ein Spaziergang (10 ObS 120/01x), es sei denn, der Spaziergang ist aus besonderen Gründen notwendig (Lauterbach/Schwerdtfeger aaO Rz 297).
Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall das Aufsuchen eines schattigen Platzes auf dem Gelände des einschulenden Unternehmens während der Mittagspause im unmittelbaren Anschluss an das Ende der Vormittagsveranstaltung in sehr heißen Vortragsräumlichkeiten bei nicht zu enger Betrachtung noch als unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehend anzusehen: Neben der Hitze in den Räumlichkeiten ist als besonderer Grund zum Aufsuchen eines schattigen Platzes auf dem Betriebsgelände die Ortsfremdheit der Klägerin für die Abwägung wesentlich, auf Grund derer ihr die Lage einer anderen zur Erholung tauglichen Räumlichkeit im Gebäude, wenn eine solche der Klägerin als Betriebsfremde überhaupt zugänglich war, unbekannt war. Unter diesen besonderen Verhältnissen ist die Erfrischung im Schatten während der Pause nach der ersten Einschulungsphase von der dienstlichen Tätigkeit in sehr heißen Vortragsräumlichkeiten und den Besonderheiten des auswärtigen Aufenthalts wegen der Ortsfremdheit der Klägern wesentlich beeinflusst und zugleich der anschließenden Fortsetzung der Einschulung wesentlich zu dienen bestimmt. Diese Art der Erholung war nämlich ein geeignetes Mittel zur nach den gegebenen Umständen notwendigen Wiederherstellung/Aufrechterhaltung der Spannkraft für die Nachmittagsveranstaltung. Sie überstieg auch nicht das Übliche, erfordert doch der Erfolg einer Einschulung Aufmerksamkeit und Aufnahmefähigkeit, die nach dem normalen Lebensablauf erheblich beeinträchtigt ist, wenn es in den Vortragsräumlichkeiten sehr heiß ist.
Stand demnach das Verhalten der Klägerin unter Versicherungsschutz, so war der Biss durch den Hund der Prokuristin des einschulenden Unternehmens ein Arbeitsunfall (vgl JBl 1960, 497; 9 ObA 316/89; 2 Ob 340/99k). Ist schon ein Arbeitsunfall im Sinn des § 175 Abs 1 ASVG zu bejahen, so muss nicht mehr geprüft werden, ob der Sachverhalt unter § 175 Abs 2 Z 7 ASVG subsumiert werden kann.
Die Sache ist noch nicht zur Entscheidung reif, weil die Vorinstanzen ausgehend von einer anderen Rechtsansicht keine Tatsachenfeststellung getroffen haben, die die Ermittlung einer konkreten Versehrtenrente ermöglichten. Nach § 203 Abs 1 ASVG besteht Anspruch auf Versehrtenrente, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versehrten durch die Folgen eines Arbeitsunfalles über drei Monate nach dem Eintritt des Versicherungsfalles hinaus zumindestens 20 vH vermindert ist; die Versehrtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 vH. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren daher Feststellungen über das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin aufgrund des Arbeitsunfalles zu treffen haben.
Die Rechtssache ist auch hinsichtlich des auf Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall gerichteten Klageteilbegehrens nicht spruchreif. Dieses Begehren entspricht nämlich nicht dem § 65 Abs 2 ASGG: Danach gilt als Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder Rechts auch diejenige, dass eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist; das rechtliche Interesse ist in diesem Sinn jedenfalls zu bejahen, obwohl im Zeitpunkt der Feststellung nicht gesagt werden kann, ob aus der Gesundheitsstörung jemals ein Recht bzw Rechtsverhältnis des Versichterten gegenüber dem Versicherungsträger wird ableitet werden können (SSV-NF 8/14). Das Feststellungsbegehren wird durch die Möglichkeit eines Leistungsbegehrens ausgeschlossen, sofern durch den Leistungsanspruch auch der Feststellungsanspruch erschöpft wird, weil dann mit dem Leistungsbegehren das strittige Rechtsverhältnis endgültig bereinigt wird. Unter diesem Gesichtspunkt fehlt auch einem nach § 65 Abs 2 ASGG gestellten Feststellungsbegehren das erforderliche Feststellungsinteresse (SSV-NF 8/82; vgl SSV-NF 4/131 mwN). Allerdings schließt gemäß § 82 Abs 5 ASVG ein auf einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit gestütztes Leistungsbegehren das Eventualbegehren auf Feststellung ein, dass die geltend gemachte Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit ist, sofern darüber noch nicht abgesprochen worden ist. In diesem Sinn ist das auf Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall gerichtete Begehren der Klägerin als (unrichtig formuliertes) Eventualfeststellungsbegehren aufzufassen, über das allerdings erst nach Entscheidung über das auf Leistung der Versehrtenrente gerichtete Hauptbegehren abgesprochen werden kann (SSV-NF 8/82 mwN). Die Stattgebung eines Feststellungsbegehrens in diesem Sinn setzt aber voraus, dass zumindest bei Schluss der Verhandlung erster Instanz eine bestimmte Gesundheitsstörung der Klägerin als Folge des Arbeitsunfalles besteht (SSV-NF 8/14). Aus diesen Gründen waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen (§ 510 Abs 1 ZPO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
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