Spruch:
Die Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 922,07 EUR (darin enthalten 153,68 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Kläger erwarben im Juni 2005 nach Beratung durch einen Mitarbeiter der beklagten Partei 1.047 Stück M*****-Wertpapiere (im Folgenden: „M*****-Wertpapiere“) zu einem Kaufpreis von 15.142,97 EUR inklusive Spesen. Sie unterfertigten zu Gunsten der M***** Bank AG einen Konto- und Depoteröffnungsantrag. Im Jahr 2006 übertrugen sie ihr Wertpapierdepot von der M***** Bank AG auf die d***** AG. Aufgrund der positiven Kursentwicklung und im Vertrauen auf die 2005 erfolgte Beratung durch den Mitarbeiter der beklagten Partei sowie auf die Angaben in den Verkaufsfoldern erwarben sie im Februar 2007 weitere 953 Stück M*****-Wertpapiere um 18.831,28 EUR inklusive Spesen. Zwischen dem Erstkauf im Juni 2005 und dem Zweitkauf im Februar 2007 gab es keinen Kontakt zwischen den Klägern und der beklagten Partei; es waren den Klägern lediglich aktuelle Verkaufsfolder übermittelt worden.
Nach Klageeinschränkungen (AS 70 und AS 98) begehren die Kläger 32.664,25 EUR sA Zug um Zug gegen Übertragung von 2.000 Stück M*****-Wertpapieren (nunmehr „A*****“), somit den Kaufpreis der im Juni 2005 und im Februar 2007 gekauften M*****-Wertpapiere abzüglich erhaltener Dividendenausschüttungen im Gesamtbetrag von 1.310 EUR.
Sie bringen zusammengefasst vor, sie seien vor der Veranlagung im Juni 2005 von dem Mitarbeiter der beklagten Partei schuldhaft unter Verletzung der Bestimmungen der §§ 13 ff WAG 1996 beraten worden. Der Wertpapierkauf im Jahr 2007 sei eine adäquat kausale Folge dieser Fehlberatung. Auch 2007 hätten sie noch auf die Richtigkeit der Beratung vor dem Erstkauf vertraut. Die Haftung der beklagten Partei für den Schaden aus der im Jahr 2007 getätigten Veranlagung werde auch auf die von der beklagten Partei übersandten Verkaufsfolder und Informationsmaterialien gestützt. Diese hätten einen beachtlichen Kurswert aufgewiesen. Die Produkt- und Geschäftsdarstellungen hätten Garanten für eine seriöse und sichere Veranlagung dargestellt. In den Unterlagen sei die beklagte Partei genannt, weswegen sie für deren Inhalt verantwortlich sei.
Die beklagte Partei wendete zusammengefasst ein, ihr Mitarbeiter habe lediglich die Veranlagung im Juni 2005 vermittelt; eine „Dauerberatung“ oder Nachberatung sei nicht vereinbart gewesen. Eine Haftung für Vermögensschäden infolge des Ankaufs weiterer M*****-Wertpapiere im Jahr 2007 bestehe nicht.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, 21.776,17 EUR sA Zug um Zug gegen Übertragung von 1.333,33 Stück M*****-Wertpapiere zu bezahlen und wies das Mehrbegehren ab. Rechtlich ging es zusammengefasst davon aus, auf den Sachverhalt sei noch das WAG 1996 zur Anwendung zu bringen. Der Berater habe den Klägern eine sichere Investition mit einer Rendite von 6-8 % pro Jahr suggeriert. Diese Falschberatung sei auch für den Wertpapierkauf im Jahr 2007 kausal gewesen und mache die beklagte Partei auch für diesen Wertpapierkauf schadenersatzpflichtig. Die Kläger treffe aber ein Mitverschulden. Da das Verschulden des professionell agierenden Beraters gegenüber der Sorglosigkeit der Kläger schwerer wiege, sei von einer Verschuldensteilung von 2:1 zu Lasten der beklagten Partei auszugehen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge und erkannte die beklagte Partei schuldig, 9.745 EUR sA Zug um Zug gegen Übertragung von 698 Stück M*****-Wertpapieren zu bezahlen. Das Mehrbegehren, weitere 22.919,25 EUR sA, Zug um Zug gegen Übertragung von 1.302 Stück M*****-Wertpapiere zu bezahlen, wurde abgewiesen.
Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, die vom Schutzzweck des Vertrags umfassten Interessen seien aus dem Sinn und Zweck des Vertrags im Wege der Auslegung zu ermitteln. Anstelle der allgemein schematisierenden Betrachtung im Sinne der Adäquanztheorie trete ein am konkreten Vertragszweck ausgerichtete individualisierende Betrachtung. Einschränkungen könnten sich nicht nur durch ergänzende Vertragsauslegung, sondern auch vom Vertragstyp her ergeben. Maßgeblich sei, welche Interessen des anderen Teils in den Schutzbereich des Vertrags fallen sollen. Auch die wirtschaftliche Zielsetzung könne eine Beschränkung der Haftung ergeben. Dass die Vertragsverletzung einer Vertragspartei für den später entstandenen Schaden adäquat kausal war, reiche für die Begründung der Haftung nicht aus. Vor allem sei bei der Ermittlung des Schutzzwecks eines Vertrags auch darauf abzustellen, ob die Pflicht entgeltlich oder unentgeltlich übernommen worden sei und wie weit das Entgelt der Risikotragung entspreche. Die beklagte Partei habe nur Provision für die Vermittlung des Wertpapierkaufs im Juni 2005 erhalten. Eine Haftung wegen damals unterlaufener Fehlberatung für alle späteren - ohne jede Beratung - abgeschlossenen Kaufverträge würde gerade zu jener uferlosen Haftung führen, welcher die Lehre vom Schutzzweck der Norm bzw des Vertrags entgegenwirken solle.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob ein Anlagevermittler oder -berater aufgrund einer Fehlberatung dem Anleger auch dann hafte, wenn dieser später ohne neuerliche Beratung durch den Kauf gleichartiger Wertpapiere weitere Schäden erleide, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen den klageabweislichen Teil des Berufungsurteils gerichtete Revision der Kläger ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
1. Die Bestimmung des hier noch zur Anwendung gelangenden § 15 Abs 1 WAG 1996 schafft eine auf den allgemeinen Schadenersatzregelungen aufbauende, abgeschlossene Haftungsnorm, welche - außer bei einer Verletzung des § 14 Z 2 und Z 3 WAG - keine Anknüpfung als Schutzgesetz zulässt, aber eine gesetzliche Konkretisierung vorvertraglicher und auch nebenvertraglicher Verpflichtungen enthält (RIS-Justiz RS0120998).
2. Steht - wie hier - ein Verstoß gegen diese Verpflichtungen fest, ist nach dem Schutzzweck des Vertrags zu fragen und dabei darauf abzustellen, ob die verletzten Interessen sachlich in der Richtung und im Rahmen der übernommenen Pflichten liegen (Karner in KBB, ABGB3 § 1295 Rz 9). Aus der vom Berufungsgericht bereits wiedergegebenen Rechtsprechung zum Schutzzweck von Verträgen (RIS-Justiz RS0017850) ist hervorzuheben, dass bei Vertragsverletzungen der Schutzzwecklehre vor allem Bedeutung für die Begrenzung der Folgeschäden eines vertragswidrigen Verhaltens zukommt. Für die Reichweite der Verantwortlichkeit ist neben dem Vertragstypus unter anderem die Unentgeltlichkeit oder Entgeltlichkeit maßgeblich; ebenso die Höhe des Entgelts als Indiz für das Ausmaß des zu tragenden Risikos (RIS-Justiz RS0017850; Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1295 Rz 8b). Weiters fällt die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses für den Vertragspartner objektive Erkennbarkeit des Risikos ins Gewicht. Zu berücksichtigen ist, mit welchen Schäden zu rechnen ist, weil der Vertragspartner bei Eingehen der Verpflichtung erst später erkennbare Umstände nicht bedenken kann. Derartige Umstände können ihm daher auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks des Vertrags zur Last gelegt werden (8 Ob 11/11t; Reischauer in Rummel aaO Rz 8b, 8c). So wurde etwa eine Haftung bei eigenmächtiger Verwendung eines fehlerhaften Bauplans für weitere Bauwerke verneint (4 Ob 521/87, JBl 1987, 720).
Wie weit der Schutzzweck eines singulären Vertrags geht, berührt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0017850 [T12, T16]).
3. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Haftung der beklagten Partei erstrecke sich lediglich auf die 2005 getroffene Anlageentscheidung, hinsichtlich derer die (fehlerhafte) Beratung erfolgte, nicht aber auf das Risiko des ohne jede weitere Beratung getätigten Ankaufs von weiteren M*****-Wertpapieren im Februar 2007, weicht von diesen Grundsätzen nicht ab. Eine Einschränkung der Haftung ergibt sich schon aus dem Vertragstypus, stellt doch die in § 13 Z 4 WAG 1996 geregelte Pflicht zur Mitteilung der zweckdienlichen Information auf die Erbringung der jeweiligen konkreten Finanzdienstleistung bzw darauf ab, die Grundlagen für die konkret beabsichtigte Anlageentscheidung zu schaffen. Die allgemeine produktbezogene Aufklärungspflicht bezieht sich (lediglich) auf den Auftragserteilungszeitpunkt und umfasst die Information über das zu diesem Zeitpunkt bestehende Kurs-, Zins- und Währungsrisiko (Fröhlichsthal/Hausmaninger/Knobl/Oppitz/ Zeipelt, Kommentar zum WAG § 13 Rz 33). Das Berufungsgericht sah weiters das Kriterium der Entgeltlichkeit als maßgeblich dafür an, dass der aus dem 2007 getätigten Ankauf resultierende Vermögensschaden außerhalb der Reichweite der Verantwortlichkeit der beklagten Partei liegt. Die Ansicht, die Schadensfolge aus diesem Ankauf sei nicht zuzurechnen, weil die beklagte Partei nur für die Vermittlung des Wertpapierkaufs im Jahr 2005 eine an der Kaufsumme orientierte Provision erhalten habe und weitere Ankäufe von dieser Provision üblicherweise nicht mehr abgedeckt sind, stellt jedenfalls kein - am Zweck des Vertrags orientiertes - unvertretbares Auslegungsergebnis dar. Zudem war der beklagten Partei im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses objektiv nicht erkennbar, dass sie auch für Vermögensschäden aus Jahre später - von den Klägern ohne jede weitere Beratung - getätigten Kaufentscheidungen desselben Produkts einstehen werde müssen. Dieses Risiko ist ihr deshalb auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks des Vertrags zur Last zu legen.
Somit liegt in der Ansicht, der vertragliche Schutzzweck erstrecke sich lediglich auf die im Jahr 2005 getroffene Veranlagungsentscheidung, keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung.
4. Auch mit dem weiteren Vorbringen, infolge Übersendung von Verkaufsfoldern sei eine punktuelle Begrenzung der Haftung für die Vermögensverluste aus dem im Juni 2005 abgeschlossenen Wertpapierkauf auszuschließen, zeigt die Revisionswerberin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf:
4.1. Nach der bisherigen Rechtsprechung werden durch die Verbreitung fehlerhafter Prospekte die dem Publikum gegenüber bestehenden Informationspflichten verletzt, die den vorvertraglichen Aufklärungspflichten entsprechen und auf denselben Grundwertungen beruhen (10 Ob 69/11m mwN). Es haben alle jene Personen für eine sachlich richtige und vollständige Information einzustehen, die durch ihr nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken an der Prospektgestaltung einen besonderen - zusätzlichen - Vertrauenstatbestand schaffen (RIS-Justiz RS0107352). Voraussetzung für eine Prospekthaftung ist schon angesichts ihres schadenersatzrechtlichen Charakters, dass der in Anspruch Genommene die Unrichtigkeit der Prospektangaben kennt oder kennen musste (RIS-Justiz RS0108625). Die unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Angaben müssen darüber hinaus wesentlich, das heißt so beschaffen sein, dass sich unter Anlegung eines objektiven Maßstabs ein durchschnittlicher, verständiger Anleger von diesen Angaben bei einer Auswahlentscheidung unter mehreren Anlagemöglichkeiten beeinflussen lässt (RIS-Justiz RS0108624).
4.2. Eine erfolgreiche Berufung auf die Prospekthaftung setzt im vorliegenden Fall somit vor allem Feststellungen zum Inhalt der Verkaufsfolder voraus, insbesondere dazu, ob diese unrichtige, unvollständige oder irreführende Angaben enthalten haben und diese Angaben wesentlich im Sinn der oben dargelegten Rechtsprechung sind; weiters die Feststellung, dass die beklagte Partei durch ihr nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken an der Prospektgestaltung einen besonderen - zusätzlichen - Vertrauenstatbestand geschaffen hat und sie die Unrichtigkeit der Prospektangaben kannte oder zumindest kennen musste. Derartige Feststellungen hat das Erstgericht ausgehend von seiner Rechtsansicht, die Haftung der beklagten Partei sei schon aufgrund des zu bejahenden Schutzzwecks des Vertrags zu bejahen, nicht getroffen. Das Berufungsgericht ist in seiner Entscheidung auf die Prospekthaftung nicht eingegangen. In ihrer Revision wiederholen die Kläger aber nur ihren bereits in erster Instanz vertretenen Standpunkt, die Schadenersatzpflicht der beklagten Partei ergäbe sich auch aus der Prospekthaftung, ohne das Fehlen der oben aufgezeigten Feststellungen zu rügen. Mit diesem ganz allgemein gehaltenen Vorbringen wird daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt. Allein die Feststellung, die Kläger seien durch die ihnen zur Verfügung gestellten Werbeunterlagen im Zusammenspiel mit der sorgfaltswidrigen Beratung und der positiven Kursentwicklung zu ihrer zweiten Kaufentscheidung veranlasst worden, stellt keine ausreichende Sachverhaltsgrundlage für die Bejahung von Prospekthaftungsansprüchen dar.
5. Die Annahme der Revisionswerber, infolge Übermittlung von Werbeunterlagen wäre das Produkt von der beklagten Partei auch im Februar 2007 empfohlen worden, findet im festgestellten Sachverhalt keine Stütze.
6. Das in der Revision enthaltene Vorbringen, eine weitere, der beklagten Partei zuzurechnende Fehlberatung liege in der Unterlassung der Belehrung darüber, dass sich der Rat nur auf den konkreten Wertpapierkauf beziehe und nicht auf allenfalls folgende Ankäufe desselben Produkts, wurde in erster Instanz in dieser Form nicht erstattet. Es verstößt daher gegen das Neuerungsverbot (RIS-Justiz RS0042011, RS0110773, RS0083783).
7. Soweit sich die Revision gegen die Entscheidung der zweiten Instanz im Kostenpunkt richtet, ist sie absolut unzulässig. § 528 Abs 2 Z 3 ZPO schließt die Überprüfung der Entscheidung über die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens durch den Obersten Gerichtshof aus (RIS-Justiz RS0044228).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, weshalb die diesbezüglichen Kosten als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich anzusehen sind (RIS-Justiz RS0035979 [T16]).
Der der beklagten Partei unterlaufene Additionsfehler (bei Hinzuzählung der Umsatzsteuer: 892,07 EUR statt richtig 922,07 EUR) konnte, weil dabei von richtigen Ansätzen ausgegangen wurde, ohne Verstoß gegen § 405 ZPO von Amts wegen korrigiert werden (RIS-Justiz RS0113805).
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