Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
In welchem Umfang ein Arzt den Patienten - als Teil des Behandlungsvertrages - aufklären muss, damit dieser die Tragweite seiner Erklärung, in eine ärztliche Behandlung einzuwilligen, überschauen kann, ist eine stets an Hand der zu den konkreten Umständen des Einzelfalles getroffenen Feststellungen zu beurteilende Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0026763). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die ärztliche Aufklärungspflicht umso umfassender, je weniger der Eingriff aus der Sicht eines vernünftigen Patienten vordringlich oder gar geboten ist. In einem solchen Fall ist die Aufklärungspflicht über mögliche Risken selbst dann geboten, wenn die nachteiligen Folgen wohl erheblich, jedoch wenig wahrscheinlich sind. Auch auf die Möglichkeit äußerst seltener Zwischenfälle ist genauso wie auf das allgemein mit einem Eingriff in die Körperintegrität verbundene Risiko (wie die Gefahr von Thrombosen, Embolien und dergleichen) hinzuweisen. Die Aufklärungspflicht ist bei Vorliegen typischer, mit der Heilbehandlung verbundener Risken verschärft. Das sind Risken, die speziell dem geplanten Eingriff anhaften und auch bei Anwendung allergrösster Sorgfalt und fehlerfreier Durchführung nicht sicher zu vermeiden sind und den nicht informierten Patienten überraschen, weil er mit dieser Folge nicht rechnet (SZ 69/199 uva; RIS-Justiz RS0026340). Auf sie ist unabhängig von der prozent-(oder promille)mäßigen statistischen Wahrscheinlichkeit, also auch bei einer allfälligen Seltenheit ihres Eintrittes hinzuweisen (SZ 69/199 ua; RIS-Justiz RS0026340). Entscheidend ist die Erheblichkeit des seltenen Risikos und damit die Eignung, die Willensbildung des Patienten zu beeinflussen, nicht aber die Häufigkeit (bzw Seltenheit) der Verwirklichung des Risikos selbst (RIS-Justiz RS0026313). Ist der Eingriff nicht dringlich, muss der Patient auch auf allenfalls bestehende alternative Behandlungsmethoden hingewiesen werden. Dabei sind Vor- und Nachteile, verschiedene Risken, verschieden starke Intensität des Eingriffs, differierende Folgen, Schmerzbelastungen und verschiedene Höhe der Erfolgsaussichten gegeneinander abzuwägen (JBl 1999, 531 mwN ua). Der Umfang der Aufklärung muss somit auf Grund gewissenhafter ärztlicher Übung und Erfahrung nach den Umständen des Einzelfalles unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten des Krankheitsbildes beurteilt werden. Daraus folgt, dass der Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht grundsätzlich eine Frage des Einzelfalles ist (RdM 1996/25; JBl 1992, 391; SZ 59/18 ua; RIS-Justiz RS0026529).
Das Berufungsgericht hat sich an diese von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze gehalten. Nach seinen Ausführungen sind für die zwar medizinisch notwendige, aber nicht besonders dringende zahnmedizinische Behandlung der Klägerin zwei Möglichkeiten zur Verfügung gestanden, nämlich zum einen die langwierige, mit dem Risiko der Herdbildung behaftete und teure, bei Gelingen aber zu einer besseren Funktion führende Erhaltung und Überkronung der großteils devitalen Zähne der Klägerin und zum anderen die radikale, ein Herdgeschehen und dessen negative Folgen ausschließende, aber die funktionellen und kosmetischen Nachteile einer Vollprothese nach sich ziehende Entfernung aller oder der meisten Zähne der Klägerin. Der Beklagte habe weder behauptet und es sei vom Erstgericht auch nicht festgestellt worden, dass er die Klägerin eingehend über den Verlauf und die Auswirkungen einer prothetischen Versorgung aufgeklärt und eine Gegenüberstellung mit den Risken einer zahnerhaltenden Behandlung vorgenommen hätte. In der weiters vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung, der vom Beklagten hinsichtlich der Risken einer zahnerhaltenden Behandlung bei der Klägerin nach den getroffenen Feststellungen allein geäußerte Hinweis, es sei möglich, dass die zu behandelnden Zähne nicht "halten" - bzw nach der wörtlichen Aussage des Beklagten: "herausfallen" - könnten und deshalb dann doch eine prothetische Versorgung notwendig werden könne, sei nicht ausreichend, sondern es hätte der Beklagte die Klägerin - insbesondere im Hinblick auf den Zustand der noch vorhandenen Zähne - genauer über die nicht völlig unwahrscheinlichen, möglichen negativen Folgen, insbesondere über die Gefahr des Auftretens umfangreicher Eiterherdbildungen an den behandelten Zähnen (und die in diesem Fall dann möglicherweise zur Erhaltung der Zähne notwendigen umfangreichen und langwierigen chirurgischen Interventionen) aufklären müssen, kann ein Abweichen von diesen oben dargelegten Grundsätzen nicht erblickt werden. Da keine besondere Dringlichkeit der zahnärztlichen Behandlung bestand, war unabhängig von der in der außerordentlichen Revision relevierten Frage, ob es sich bei den bei der Klägerin nach der festsitzenden Zahnversorgung tatsächlich aufgetretenen umfangreichen Eiterherdbildungen um typisch diesem speziellen Eingriff anhaftende Risken gehandelt hat, auf jeden Fall die Aufklärung auch über diese allenfalls auch nur selten auftretenden Komplikationen zu fordern. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Auftreten dieser Komplikationen für den Beklagten nicht vorhersehbar gewesen sein könnte. In der Ansicht des Berufungsgerichtes, die Möglichkeit eines derartigen Behandlungsverlaufes und der sich daraus ergebenden Risken wäre in das Aufklärungsgespräch einzubeziehen gewesen, kann daher keine vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung erblickt werden (vgl auch JBl 1995, 245 ua). Auch die vom Revisionswerber in seiner Berufungsbeantwortung dazu begehrten ergänzenden Feststellungen könnten nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichtes an dieser dem Beklagten zur Last gelegten Verletzung der Aufklärungspflicht nichts ändern.
Soweit der Revisionswerber geltend macht, es sei von den Vorinstanzen nicht geprüft worden, ob die Klägerin bei Kenntnis des Risikos des Auftretens von Eiterherdbildungen die andere Behandlungsmethode (Vollprothese) gewählt hätte, hat bereits das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der Revisionswerber weder behauptet noch unter Beweis gestellt hat, dass die Klägerin auch bei ausreichender Aufklärung ihre Zustimmung zu der schließlich angewandten Behandlungsmethode gegeben hätte (vgl zur Behauptungs- und Beweislast: JBl 1999, 531; SZ 69/199; JBl 1992, 520 uva; RIS-Justiz RS0108185; RS0111528).
Ist aber - wie im vorliegenden Fall - der Arzt seiner Aufklärungspflicht nicht genügend nachgekommen und hat sich bei dem Patienten ein Risiko verwirklicht, über das er hätte aufgeklärt werden müssen, wird der Arzt dafür haftbar, ohne dass es dazu noch des Nachweises des Vorliegens eines hier ebenfalls geltend gemachten Behandlungsfehlers und dessen Kausalität für die beim Patienten eingetretenen Körperschäden bedürfte. Auf den in erster Instanz erhobenen Einwand der Verjährung kommt der Revisionswerber in seinen Revisionsausführungen zu Recht nicht mehr zurück. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes entspricht somit der zur Aufklärungspflicht ergangenen höchstgerichtlichen Judikatur.
Die Revision ist daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
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