OGH 10Ob77/00x

OGH10Ob77/00x2.5.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr, Dr. Steinbauer, Dr. Hopf und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** AG Österreich, ***** vertreten durch Siemer-Siegl-Füreder & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Karl Heinz Fibrich, Rechtsanwalt, 8600 Bruck/Mur, Schiffgasse 8, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der P***** GmbH, ***** wegen Herausgabe (Streitwert S 296.395,20), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 29. Juni 1999, GZ 2 R 87/99b-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 28. Jänner 1999, GZ 7 Cg 63/97m-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

13.725 (darin S 2.287,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO liegen entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht vor:

Nach den unbestrittenen Feststellungen des Erstgerichtes stand die klagende Partei mit der Gemeinschuldnerin in langjähriger Geschäftsverbindung, deren Gegenstand die Lieferung von Elektrogeräten an die Gemeinschuldnerin war. Die Warenlieferung erfolgte dabei in der Regel aufgrund von Bestellungen, welche von zwei zum Wareneinkauf bevollmächtigten Mitarbeitern der Gemeinschuldnerin in der Vertriebsabteilung der klagenden Partei getätigt wurden. Eine Ausfertigung der dabei von der klagenden Partei verwendeten Bestellscheine wurde von den Mitarbeitern der Gemeinschuldnerin zur weiteren Bearbeitung übernommen. Die Auslieferung der Ware erfolgte durch ein Speditionsunternehmen, wobei der Ware üblicherweise auch ein von der klagenden Partei ausgestellter Lieferschein beigelegt war, welcher von den Mitarbeitern der Gemeinschuldnerin bei Übernahme der Ware unterfertigt und in einer Durchschrift an die klagende Partei retourniert wurde. Die Rechnungen über die an die Gemeinschuldnerin ausgelieferten Waren wurden an die Buchhaltung der Gemeinschuldnerin gesandt, von der die Bezahlung der Rechnungsbeträge veranlasst wurde.

Sowohl die Bestellscheine als auch die Lieferscheine enthalten auf der Vorderseite einen Hinweis auf die Allgemeinen Lieferbedingungen der Elektro- und Elektronikindustrie Österreichs sowie einen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass die Ware bis zur Erfüllung sämtlicher Ansprüche im Eigentum der klagenden Partei verbleibt. Auch in den von der klagenden Partei ausgestellten Rechnungen findet sich ein entsprechender Hinweis auf einen Eigentumsvorbehalt an den verkauften Waren. In den vom Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie Österreichs herausgegebenen Allgemeinen Lieferbedingungen ist in Punkt 7.8 an sämtlichen gelieferten Waren bis zur vollständigen Bezahlung der Rechnungsbeträge ebenfalls ein Eigentumsvorbehalt vorgesehen.

Nach einhelliger Auffassung bedarf der - von der Dispositivnorm des § 1063 ABGB abweichende - Eigentumsvorbehalt zu seiner Gültigkeit einer - ausdrücklichen oder konkludenten - rechtsgeschäftlichen Vereinbarung (Aicher in Rummel, ABGB2 Rz 28 zu § 1063; Binder in Schwimann, ABGB2 Rz 32 f zu § 1063 jeweils mwN uva; Bydlinski in Klang2 IV/2 470 f; RIS-Justiz RS0054266).

Es trifft zwar zu, dass nach ständiger Rechtsprechung eine beim Abschluss eines Kaufvertrages unterlassene Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes durch die bloße nachträgliche Zusendung einer eine entsprechende Klausel enthaltende Faktura - selbst wenn diese unbeanstandet bleibt - nicht ersetzt werden kann (vgl RIS-Justiz RS0020291; 0014529 mwN ua). Es hat allerdings bereits das Erstgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass eine stillschweigende Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes nach ständiger Rechtsprechung aber dann anzunehmen ist, wenn bei längerer Geschäftsverbindung Fakturen, Lieferscheine und Bestellscheine immer wieder einen solchen Vermerk enthalten und der Käufer dies hinnimmt (Binder aaO Rz 38; Aicher aaO Rz 29; MGA, ABGB35 E Nr 79, 95 ff zu § 863 jeweils mwN; HS

10.560 ua; RIS-Justiz RS0020291; RS0014529). Im Fall einer länger dauernden Geschäftsverbindung, die auf solchen Lieferungen mit Eigentumsvorbehalt aufgebaut ist, muss der Käufer einer Ware dem entsprechenden Vermerk über den Eigentumsvorbehalt widersprechen, ansonsten sein Schweigen als Einverständnis mit dem Eigentumsvorbehalt gedeutet werden muss (vgl Aicher aaO mwN).

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die jahrelange widerspruchslose Hinnahme des in den Bestellscheinen, Lieferscheinen und Rechnungen der klagenden Partei enthaltenen Vermerkes über den Eigentumsvorbehalt durch die Gemeinschuldnerin als stillschweigende Vereinbarung des Eigentumsvorbehaltes an der gelieferten Ware zu werten ist, steht mit der zitierten ständigen Rechtsprechung im Einklang, wobei auch die Beurteilung der Konkludenz von Willenserklärungen im Einzelfall keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO darstellt (vgl 2 Ob 174/99y; 10 Ob 151/97x ua).

Auch die Ausführungen in der Entscheidung 5 Ob 18/97a (= NZ 1998, 136

= ecolex 1997, 424 [Wilhelm]), wonach die widerspruchslose

Entgegennahme eines Lieferscheines, in dem der Lieferant erstmals - als Vorschlag zur Abänderung der bisherigen Vereinbarung - einen Eigentumsvorbehalt erklärt, für sich allein nicht als Einverständnis des Übernehmers gedeutet werden kann, stehen im Einklang mit der zitierten ständigen Rechtsprechung. Die in dieser Entscheidung nicht abschließend erörterte Frage, ob ein vom Verkäufer bei Übergabe der Sache einseitig erklärter Eigentumsvorbehalt in jedem Fall nicht nur obligationswidrig, sondern auch sachenrechtlich wirkungslos ist, stellt sich hier nicht (vgl auch Schaschl, Eigentumsvorbehalt kraft Lieferschein, RdW 1997, 261 f), weil im vorliegenden Fall, wie bereits dargelegt, von einem zwischen den Parteien konkludent vereinbarten Eigentumsvorbehalt auszugehen ist.

Da somit die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt (§ 502 Abs 1 ZPO), war die ordentliche Revision zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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