OGH 10Ob7/10t

OGH10Ob7/10t2.3.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Darian Danut P*****, geboren am 6. Juni 2001, und der minderjährigen Dorotaea P*****, geboren am 23. Oktober 2003, beide vertreten durch das Land Oberösterreich als Jugendwohlfahrtsträger (Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Amt für Soziales, Jugend und Familie, Hauptstraße 1-5, 4041 Linz), über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 15. Oktober 2009, GZ 15 R 343/09f, 15 R 344/09b-29, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Linz vom 24. Juli 2009, GZ 5 PU 158/09x-18 und -19, abgeändert wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird keine Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird mit der Maßgabe bestätigt, dass das auf Vorschussgewährung in voller Höhe des Richtsatzes nach § 6 UVG gerichtete Mehrbegehren der beiden Minderjährigen abgewiesen wird.

Text

B e g r ü n d u n g :

Der rumänische Staatsbürger Danut R***** wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 2. 2. 2004, GZ 5 C 117/03b-7, als außerehelicher Vater des am 6. 6. 2001 geborenen minderjährigen Darian Danut P***** festgestellt und zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 155 EUR ab Geburt des Kindes verpflichtet.

Weiters wurde Danut R***** mit Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 6. 12. 2004, GZ 5 C 5/04h-21, als außerehelicher Vater der am 23. 10. 2003 geborenen Dorotaea P***** festgestellt und zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 155 EUR ab Geburt des Kindes verpflichtet.

Am 17. 1. 2006 beantragte der Vater den Unterhalt für die beiden Minderjährigen ab 1. 1. 2006 jeweils auf 25 EUR monatlich herabzusetzen. Er lebe in Rumänien, sei arbeitslos und erhalte keinerlei Unterstützung vom rumänischen Staat. Auch in Österreich habe er keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld und er verfüge auch über keine Arbeitsgenehmigung für Österreich. Er habe den Beruf eines Malers erlernt und könnte in Rumänien als Maler ca 120 EUR bis 130 EUR monatlich verdienen.

Mit rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 3. 3. 2006 (ON U 5) wurde die Unterhaltsverpflichtung des Vaters für die beiden Minderjährigen ab 1. 1. 2006 auf jeweils 25 EUR monatlich herabgesetzt. Das Erstgericht ging davon aus, dass der Vater in Rumänien lebt, von Beruf Maler/Anstreicher und derzeit arbeitslos ist und als Maler in der Lage wäre, in Rumänien ein Einkommen von 120 EUR bis 130 EUR netto monatlich zu verdienen. Weiters ist der Vater für den minderjährigen David R*****, geboren am 27. 2. 1994, sorgepflichtig.

Aufgrund dieses Unterhaltstitels wurden den beiden Minderjährigen aufgrund der rechtskräftigen Beschlüsse des Bezirksgerichts Linz vom 29. 1. 2007 (ON U 9 und U 10) Unterhaltsvorschüsse nach den §§ 3, 4 Z 1 UVG für den Zeitraum vom 1. 1. 2007 bis 31. 12. 2009 jeweils in Titelhöhe von 25 EUR monatlich gewährt.

Mit Antrag vom 16. 7. 2009 begehrten die beiden Minderjährigen die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß den §§ 4 Z 2, 6 Abs 2 UVG mit der Begründung, der Vater sei unbekannten Aufenthalts. Er scheine weder im Zentralen Melderegister noch im Versicherungsdatenauszug des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger als gemeldet auf. Es seien keine Gründe bekannt, weswegen der Vater nicht in der Lage sein solle, ein monatliches Einkommen zu erzielen, um den Richtsatzvorschuss leisten zu können. Die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen werde beantragt, weil eine Unterhaltserhöhung aus Gründen auf Seite des Unterhaltspflichtigen derzeit nicht möglich sei.

Das Erstgericht bewilligte den beiden Minderjährigen jeweils Unterhaltsvorschüsse nach § 4 Z 2 UVG in der Höhe nach § 6 Abs 2 UVG von derzeit 253 EUR monatlich für den Zeitraum vom 1. 7. 2009 bis 30. 6. 2012 und stellte gleichzeitig die bewilligten Titelvorschüsse mit Ablauf des Juni 2009 ein. Es begründete seine Entscheidung damit, dass der Unterhaltsschuldner derzeit unbekannten Aufenthalts und daher nicht erreichbar sei. Aufgrund der Aktenlage würden sich keine Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners ergeben, weshalb die Minderjährigen Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 2 UVG in der jeweiligen Höhe nach § 6 Abs 2 UVG hätten.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der für den Vater bestellten Zustellkuratorin Folge und bewilligte Unterhaltsvorschüsse nach § 4 Z 2 UVG in Höhe von jeweils 25 EUR monatlich (das ist in Höhe des bestehenden Unterhaltstitels). Eine ausdrückliche Abweisung des Mehrbegehrens der beiden Minderjährigen auf Vorschussgewährung in voller Höhe des Richtsatzes nach § 6 UVG unterblieb. Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass sich die Einkommensverhältnisse des Unterhaltsschuldners gegenüber den der seinerzeitigen Unterhaltsfestsetzung zugrunde liegenden Umständen offenbar nicht derart verbessert hätten, dass seine materielle Unterhaltspflicht die Titelhöhe betragsmäßig übersteigen würde. Der Unterhaltsschuldner habe nach der Aktenlage zum Zeitpunkt der (letzten) Titelschaffung in Rumänien gelebt, sei arbeitslos gewesen und sei auf ein von ihm in Rumänien erzielbares Einkommen von 120 EUR bis 130 EUR monatlich angespannt worden. Weiters sei seine Sorgepflicht für den am 27. 2. 1994 geborenen David R***** berücksichtigt worden. Der nunmehrige Aufenthaltsort des Unterhaltsschuldners sei nicht bekannt. Hinweise auf eine Rückkehr nach Österreich oder in einen anderen EU-Mitgliedstaat mit höherem Lebensstandard lägen nicht vor. Aus der Aktenlage ergebe sich jedoch, dass der Unterhaltsschuldner auch für den am 9. 4. 2000 geborenen Dominik R***** sorgepflichtig sei. Angesichts dieser Umstände sei davon auszugehen, dass der Unterhaltsschuldner zu einer höheren Unterhaltsleistung als der (zuletzt) mit 25 EUR monatlich titelmäßig festgesetzten Verpflichtung offenbar nicht im Stande sei. Die Voraussetzungen für die beantragte Vorschussgewährung nach § 4 Z 2 UVG seien daher nicht gegeben. Die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach dieser Gesetzesstelle in Höhe von jeweils 25 EUR monatlich für die beiden Minderjährigen sei jedoch unbekämpft in Rechtskraft erwachsen.

Das Rekursgericht sprach zunächst aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Über Antrag der Minderjährigen in ihrer Zulassungsvorstellung änderte es seinen Ausspruch dahin ab, dass der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG doch zulässig sei, weil die Beurteilung der Frage, ob eine Offenkundigkeit nicht verbesserter Umstände gegenüber der seinerzeitigen Unterhaltsfestsetzung bei beantragter Unterhaltsvorschussgewährung nach § 4 Z 2 zweiter Fall UVG nach der Aktenlage beurteilt werden könne oder eines Ausschlussbeweises bedürfe, eine erhebliche Rechtsfrage darstelle.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Minderjährigen sinngemäß mit dem Antrag auf Wiederherstellung der antragstattgebenden Entscheidungen des Erstgerichts.

Der Bund, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz, der Vater als Unterhaltsschuldner, vertreten durch die Zustellkuratorin, und die Mutter als Zahlungsempfängerin haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Revisionsrekurswerber machen geltend, der Unterhaltsschuldner sei unter der von ihm bekannt gegebenen Adresse in Rumänien nicht erreichbar. Da Rumänien seit 1. 1. 2007 ein Mitgliedstaat der EU sei, sei davon auszugehen, dass der Unterhaltsschuldner die Möglichkeit, im Raum der EU Arbeit zu finden, genutzt habe, zumal er vom 23. 11. 1998 bis 3. 8. 2000 und vom 7. 5. 2004 bis 18. 1. 2006 mit Hauptwohnsitz in Linz gemeldet gewesen sei und hier noch familiäre Bindungen bestünden. Diese Fakten sprächen dafür, dass sich der Unterhaltsschuldner entgegen der Ansicht des Rekursgerichts nicht mehr in Rumänien aufhalte.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Wie bereits das Rekursgericht unter Hinweis auf die beiden Entscheidungen 1 Ob 262/03s und 8 Ob 29/07h des Obersten Gerichtshofs zutreffend dargelegt hat, regelt § 4 Z 2 UVG zwei unterschiedliche Fälle:

Einerseits soll ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss dann bestehen, wenn „die Festsetzung des Unterhaltsbeitrags überhaupt ... nicht gelingt“, also die Schaffung eines Unterhaltstitels zugunsten des Unterhaltsberechtigten gegen den Unterhaltsschuldner nicht möglich ist; dann ist die Vorschussgewährung nur ausgeschlossen, wenn der Unterhaltsschuldner nach seinen Kräften offenbar zu einer, also zu irgendeiner, wenn gleich nur geringfügigen Unterhaltsleistung nicht im Stande ist. Diese Voraussetzungen liegen hier im Hinblick auf die bestehenden Unterhaltstitel nicht vor.

Die hier maßgebende zweite Fallgruppe des § 4 Z 2 UVG erfasst Unterhaltsberechtigte, die zwar über einen mehr als drei Jahre alten Unterhaltstitel verfügen, jedoch eine Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung „aus Gründen auf Seite des Unterhaltsschuldners“ nicht erreichen können; zu diesen Gründen zählt insbesondere ein unbekannter Aufenthalt des Unterhaltsschuldners, verbunden mit der daraus resultierenden Unmöglichkeit, dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse festzustellen. In diesen Fällen soll grundsätzlich Unterhaltsvorschuss gebühren.

Diese Rechtsfolge ist allerdings im Hinblick auf den in § 4 Z 2 UVG vorgesehenen Ausnahmefall (... außer der Unterhaltsschuldner „ist nach seinen Kräften offenbar zu einer Unterhaltsleistung bzw einer höheren Unterhaltsleistung nicht im Stande“) dann nicht gerechtfertigt, wenn sich die (Einkommens-)Verhältnisse des Unterhaltsschuldners - bzw seine Erwerbsmöglichkeiten im Sinne einer „Anspannung“ - gegenüber den der seinerzeitigen Unterhaltsfestsetzung zugrunde liegenden Umstände offenbar nicht verbessert haben (8 Ob 29/07h; 1 Ob 262/03s = RIS-Justiz RS0118524; Neumayr in Schwimann, ABGB³ § 4 UVG Rz 28). Den Beweis für die offenbare Leistungsunfähigkeit hat der Bund zu erbringen. Zweifel an der Leistungsfähigkeit machen die Unfähigkeit des Unterhaltsschuldners zu einer Unterhaltsleistung nicht „offenbar“, es sind vielmehr positive Beweise für die Leistungsunfähigkeit erforderlich (Neumayr aaO § 4 UVG Rz 44 f mwN). Es kommt daher zu einer entsprechenden Einschränkung der Richtsatzhöhe, wenn dem vorschusspflichtigen Bund der Nachweis gelingt, dass der Unterhaltsschuldner offenbar nicht zur Leistung des vollen, der Richtsatzhöhe entsprechenden Betrags im Stande wäre, etwa durch den Nachweis, dass sich unter Zugrundelegung der zuletzt bekannten Einkommens- und Lebensverhältnisse des nunmehr unbekannten Aufenthalts befindlichen Unterhaltsschuldners nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge keine entsprechende Erhöhung der Unterhaltsbemessungsgrundlage annehmen ließe (vgl 6 Ob 690/90 = SZ 63/219).

Die Auffassung des Rekursgerichts, im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass sich die (Einkommens-)Verhältnisse des Unterhaltsschuldners gegenüber den der letzten Unterhaltsfeststellung zugrunde liegenden Umstände offenbar nicht derart verbessert haben, dass seine materielle Unterhaltspflicht den Titel betragsmäßig übersteigen würde, entspricht der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im vorliegenden Fall - anders als in dem der erst jüngst ergangenen Entscheidung 10 Ob 42/09p zugrunde liegenden Fall - eine nur eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners schon einmal festgestellt wurde, weil er zum Zeitpunkt der Titelschaffung in Rumänien lebte, arbeitslos war und daher nur auf ein erzielbares Einkommen von 120 EUR bis 130 EUR monatlich angespannt werden konnte. Der nunmehrige Aufenthaltsort des Unterhaltsschuldners ist nicht bekannt. Hinweise auf eine Rückkehr nach Österreich oder auf eine Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat der EU liegen nicht vor. Eine Veränderung gegenüber der seinerzeitigen Unterhaltsbemessung im Titelverfahren ergibt sich nur insofern, als der Unterhaltsschuldner für ein weiteres Kind sorgepflichtig ist. Wenn das Rekursgericht bei dieser Sachlage zu dem Ergebnis gelangte, dass der Unterhaltsschuldner zu einer höheren Unterhaltsleistung als der mit jeweils 25 EUR monatlich zuletzt titelmäßig festgesetzten Leistung nicht im Stande ist, weshalb die Voraussetzungen für die beantragte Vorschussgewährung nach § 4 Z 2 UVG nicht gegeben sind, kann darin keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden.

Es war daher der angefochtene Beschluss mit der Maßgabe zu bestätigen, dass das allein noch verfahrensgegenständliche Mehrbegehren der beiden Minderjährigen auf Vorschussgewährung in voller Höhe des Richtsatzes nach § 6 UVG ausdrücklich abgewiesen wird.

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