Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Adoptionssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung
Mit schriftlichem Adoptionsvertrag vom 3. 6. 2003 erklärten der Erstantragsteller und die mit ihm in aufrechter Ehe verheiratete Zweitantragstellerin, die Drittantragstellerin als Wahlkind an Kindesstatt anzunehmen. Bei der Drittantragstellerin handelt es sich um die Ehegattin des Sohnes der Erst- und Zweitantragsteller; dieser hat seine Zustimmung zur Adoption der Drittantragstellerin durch seine Eltern erteilt. Die Erst- und Zweitantragsteller sind österreichische Staatsbürger; die Drittantragstellerin und ihr Ehegatte sind rumänische Staatsbürger.
Das Erstgericht wies den Antrag auf Bewilligung des Adoptionsvertrages ab. Zur Begründung führte es aus, dass die von § 180a Abs 1 ABGB geforderte Nachbildung eines kindschaftsähnlichen Verhältnisses im gegenständlichen Fall nicht möglich sei, sei doch die Wahltochter mit dem leiblichen Sohn der Wahleltern verheiratet. Somit bestehe zwischen der Wahltochter und den Wahleltern bereits das Verhältnis der Schwägerschaft. Es sei nicht möglich, dass die Drittantragstellerin gleichzeitig Schwiegertochter und Adoptivtochter der Erst- und Zweitantragsteller sei. Durch die Bewilligung der Adoption würde die Ehe zwischen der Drittantragstellerin und ihrem Gatten zu einer Geschwisterehe. Somit sei der Adoptionsvertrag nicht geeignet, kindschaftsähnliche Verhältnisse zwischen Wahlkind und Adoptiveltern herzustellen.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Wohl beeinflusse eine Adoption die Blutsverwandtschaft nicht, weshalb zwischen Wahleltern und Wahlkindern nur ein schlichtes Trauungsverbot nach § 10 EheG bestehe. § 180a ABGB verlange aber für die Zulässigkeit der Adoption das Bestehen eines kindschaftsähnlichen Verhältnisses zwischen Wahlkind und Adoptivparens oder die Absicht, eine solche Beziehung herzustellen. Diese Voraussetzung gelte für Minderjährigen- und Erwachsenenadoption gleichermaßen. Für die Erwachsenenadoption dürfe zwar die kindschaftsähnliche Beziehung nicht überbetont werden, doch sei auch hier eine über die Intimität gesellschaftlichen Verkehrs hinausgehende Beziehung zwischen Adoptivparens und Wahlkind erforderlich. Zu Recht habe das Erstgericht das Vorliegen dieser Voraussetzung verneint. Das Verhältnis der Schwägerschaft sei naturgemäß ein anderes als es zwischen Eltern und ihrer Tochter bestehe. Die Möglichkeit, die vom Gesetz geforderten kindschaftsähnlichen Verhältnisse zwischen Wahlkind und Adoptiveltern herzustellen, sei daher für den vorliegenden Fall von vornherein zu verneinen, mögen auch gerechtfertigte Anliegen der Adoptiveltern vorliegen. Da es an der Voraussetzung des § 180a Abs 1 erster Satz ABGB mangle, sei eine weitere Prüfung iSd § 180a Abs 2 ABGB ebenso entbehrlich wie eine Beantwortung der Frage, ob iSd von § 181 ABGB, § 26 IPRG im Zusammenhang mit Art 86 der Dringlichkeitsanordnung der Regierung Nr 25 vom 9. 6. 1997 für Rumänien die Zustimmung der Eltern des Wahlkindes einzuholen wäre.
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Antragsteller ist zulässig und im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Auch bei der Erwachsenenadoption (SZ 69/292) sind die Voraussetzungen der Annahme an Kindesstatt nach dem Personalstatut jedes Annehmenden zu beurteilen (§ 26 Abs 1 Satz 1 IPRG). Da Erst- und Zweitantragsteller österreichische Staatsbürger sind, kommt insoweit materielles österreichisches Recht, insbesondere §§ 180 und 180a ABGB, zur Anwendung. Ob darüber hinaus Zustimmungsrechte Dritter bestehen, ist nach dem Personalstatut des Wahlkindes zu beurteilen (§ 26 Abs 1 Satz 2 IPRG). Diese Verweisung auf die fremde Rechtsordnung umfasst nach § 5 Abs 1 IPRG auch deren Verweisungsnormen. Nach Art 30 des rumänischen Gesetzes Nr 105 vom 22. 9. 1992 zur Regelung der Verhältnisse des internationalen Privatrechts (abgedruckt bei Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht 135. Lfg, Rumänien 44h ff) unterliegen die sachlichen Voraussetzungen für die Vollziehung der Adoption sowohl dem Heimatrecht des Adoptierenden als auch dem des Wahlkindes. Diese müssen alle Voraussetzungen erfüllen, die von beiden anzuwendenden Heimatrechten vorgeschrieben sind.
Die Adoption ist in Rumänien durch Dringlichkeitsanordnung der Regierung Nr. 25 vom 9. 6. 1997 neu geregelt worden (abgedruckt bei Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht 142. Lfg, Rumänien 39 ff). Nach dieser Dringlichkeitsanordnung kann ein Kind nur bis zum Erwerb der vollen Geschäftsfähigkeit adoptiert werden, außer es wird von der Person oder der Familie adoptiert, die es erzogen hat (Art 2). Sowohl bei der Minderjährigen- als auch bei der Erwachsenenadoption ist nach Art 7 Abs 1 lit a der Dringlichkeitsanordnung die in öffentlich beurkundeter Form erteilte Einwilligung der leiblichen Eltern zur Adoption des Kindes erforderlich, außer wenn den Eltern die elterlichen Rechte entzogen sind, wenn sie entmündigt oder gerichtlich für tot erklärt wurden, wenn sie unbekannt oder aus irgendeinem Grund nicht in der Lage sind, ihren Willen zu erklären oder wenn das Verlassen des Kindes durch rechtskräftige Gerichtsentscheidung festgestellt worden ist (Art 7 Abs 2).
Die gemäß Art 30 des rumänischen Gesetzes Nr 105 vom 22. 9. 1992 zur Regelung der Verhältnisse des internationalen Privatrechts ebenfalls zu beachtenden Zustimmungserfordernisse des österreichischen Adoptionsrechts sehen noch die Zustimmung der Ehegatten des Wahlkindes vor.
In ihrem Antrag auf Bewilligung der Annahme an Kindesstatt stellen die Antragsteller fest, "dass eine Anhörung nach § 181a Abs 2 ABGB der Eltern der Anzunehmenden unterbleiben soll, da diese in Rumänien wohnhaft sind und eine Stellungnahme diesbezüglich nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu erlangen" sei. Damit lassen die Antragsteller aber außer Betracht, dass Art 7 Abs 1 lit a der genannten Dringlichkeitsanordnung die in öffentlich beurkundeter Form erteilte Einwilligung der leiblichen Eltern zur Adoption des Kindes verlangt, sofern nicht ein gesetzlicher Ausnahmetatbestand eingreift. Schon allein mangels Vorliegen der erforderlichen Einwilligung kann die Annahme an Kindesstatt derzeit nicht bewilligt werden (EvBl 1994/158). In einem solchen Fall hat allerdings das Gericht vorerst die Antragsteller im Sinne des § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG anzuleiten, die erforderlichen Urkunden vorzulegen oder das Bestehen eines Ausnahmetatbestands darzutun, bevor die Bewilligung versagt wird (in diesem Sinn bereits SZ 56/175).
Anders als Art 3 Abs 2 der Dringlichkeitsanordnung der rumänischen Regierung Nr 25 vom 9. 6. 1997 zur Regelung der Adoption schließt das österreichische Recht die gleichzeitige Adoption von miteinander verheirateten Wahlkindern nicht aus (vgl EvBl 1962/225 = RIS-Justiz RS0008597; Mottl, Ein Jahr neues Namensrecht, NZ 1996, 321 [330]). Daraus ist abzuleiten, dass auch eine Adoption der Schwiegertochter nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist. Die Möglichkeit des Bestehens oder der Herstellung eines kindschaftsähnlichen Verhältnisses kann demnach auch nicht von vornherein verneint werden (vgl 5 Ob 139/03g = RIS-Justiz RS0118007 zur Adoption durch Bruder und Schwägerin).
Wohl setzt auch die Bewilligung der Erwachsenenadoption wie die der Minderjährigenadoption voraus, dass eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll (§ 180a Abs 1 Satz 1 ABGB). Unter Erwachsenen genügt nach der Judikatur allerdings eine nähere persönliche Beziehung, die dem Verhältnis von leiblichen Eltern zu ihren erwachsenen Kindern entspricht (SZ 69/292; RIS-Justiz RS0048766; Schwimann in Schwimann, ABGB I² § 180a Rz 1, 2).
Weiters verlangt § 180a Abs 1 Satz 3 ABGB für die Erwachsenenadoption, dass ein gerechtfertigtes Anliegen des Annehmenden oder des eigenberechtigten Wahlkindes vorliegt. Dieses im Gesetz selbst nicht näher definierte Erfordernis soll der Missbrauchsgefahr bei der Erwachsenenadoption begegnen (RIS-Justiz RS0048764; 7 Ob 102/02d = EF 100.401; 9 Ob 8/03x; 10 Ob 306/02a). Die Erwachsenenadoption weicht nämlich insofern von den allgemeinen gesellschaftlichen Vorstellungen vom Wesen einer Adoption ab, als ein Volljähriger in der Regel sein Leben selbst zu gestalten vermag und nicht - wie ein minderjähriges Kind - auf Schutz, Fürsorge und Erziehung durch Ersatzeltern angewiesen ist. Im Verhältnis zur Minderjährigenadoption kommt der Erwachsenenadoption nach heutiger gesellschaftlicher Auffassung eher Ausnahmecharakter zu. Ob ein - auch im Licht des Bestehens oder der Herstellung einer dem Verhältnis zwischen leiblichen Kindern und Eltern entsprechenden Beziehung - gerechtfertigtes Anliegen des Annehmenden oder des Wahlkindes vorliegt, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des konkreten Einzelfalles, die im vorliegenden Fall nicht erhoben wurden, obwohl die Antragsteller dazu auch (wenn auch kurzes) Vorbringen erstattet haben.
Da die Vorinstanzen zu Unrecht davon ausgegangen sind, dass die begehrte Bewilligung der Annahme an Kindesstatt von vornherein nicht zu erteilen sei, ist den Antragstellern weder die Möglichkeit eingeräumt worden, die Einwilligung der leiblichen Eltern des Wahlkindes in der im rumänischen Recht vorgeschriebenen Form beizubringen (bzw das Bestehen eines gesetzlichen Ausnahmetatbestands darzutun), noch wurden die in § 180a Abs 1 ABGB genannten Voraussetzungen der Adoption (kindschaftsähnliche Beziehung; gerechtfertigtes Anliegen) geprüft und dazu nähere Feststellungen getroffen. Das Verfahren erweist sich insoweit als ergänzungsbedürftig, weshalb eine Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen erforderlich ist.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)