European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0100OB00066.16B.1011.000
Spruch:
Der Rekurs und die Revision werden zurückgewiesen.
Der Rechtsmittelwerber hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Begründung
Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Zahlung von 837,67 EUR sA.
Der Beklagte erhob gegen den antragsgemäß erlassenen Zahlungsbefehl fristgerecht Einspruch. Zur vorbereitenden Tagsatzung erschien er nicht.
Das Erstgericht erließ ein Versäumungsurteil.
Der Beklagte erhob dagegen Berufung aus dem Berufungsgrund der Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Vorbringen, er sei zur vorbereitenden Tagsatzung nicht ordnungsgemäß geladen worden. Unter dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens machte er geltend, es liege ein Verstoß gegen das Recht der Streitteile auf Beteiligung an der Beweisaufnahme und am Fragerecht vor (§ 289 ZPO).
Das Berufungsgericht verwarf (jeweils mit Beschluss) die Berufung wegen Nichtigkeit und wies im Übrigen die Berufung als unzulässig zurück. Rechtlich ging es davon aus, der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liege nicht vor, weil der Beklagte mangels eines ungesetzlichen Zustellvorgangs nicht daran gehindert gewesen sei, vor Gericht zu verhandeln. Die auf die (primäre) Mangelhaftigkeit des Verfahrens gestützte Berufung sei unzulässig, weil das Ersturteil nach § 501 Abs 1 ZPO nur wegen Nichtigkeit und wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung anfechtbar sei.
Gegen diese Entscheidung erhob der Beklagte „in vollem Umfang“ ein als Rekurs bezeichnetes Rechtsmittel.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Rechtsmittel ist unzulässig.
1. Soweit sich der Rechtsmittelwerber gegen die in Beschlussform erfolgte Abweisung (= Verwerfung) der Berufung wegen Nichtigkeit richtet, ist ihm entgegenzuhalten, dass es sich dabei um einen im § 519 ZPO nicht aufgezählten und daher unanfechtbaren Beschluss des Berufungsgerichtes handelt (RIS‑Justiz RS0043405).
2.1 Nach § 501 Abs 1 ZPO ist dann, wenn das Erstgericht über einen Streitgegenstand entschieden hat, der an Geld oder Geldeswert 2.700 EUR nicht übersteigt, das Urteil nur wegen Nichtigkeit und wegen einer ihm zugrunde liegenden unrichtigen rechtlichen Beurteilung bekämpfbar.
2.2 Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, dass in Rechtsstreitigkeiten mit einem diese Bagatellgrenze nicht übersteigenden Streitgegenstand Berufungen, in denen ausschließlich andere als die in § 501 Abs 1 ZPO genannten Berufungsgründe geltend gemacht werden, als unzulässig zurückzuweisen sind (RIS‑Justiz RS0041863 [T3, T4]). Dahinter steht die Überlegung, dass eine nur aus unzulässigen Rechtsmittelgründen erhobene Berufung im Sinn des § 471 Z 2 ZPO einer gesetzlich unzulässigen Berufung gleichzustellen ist (RIS‑Justiz RS0041861). Hingegen ist eine sachliche Entscheidung dann zu treffen, wenn (auch) zulässige Berufungsgründe geltend gemacht und inhaltlich ausgeführt werden (4 Ob 60/02f; RIS‑Justiz RS0041863 [T1]).
2.3 Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht über den Berufungsgrund der Nichtigkeit des Verfahrens nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO inhaltlich abgesprochen, indem es diesen Berufungsgrund mangels Vorliegens eines gesetzwidrigen Zustellvorgangs verneint und deshalb die Berufung wegen Nichtigkeit „verworfen“ hat. Es wäre daher auch über den weiters (entgegen § 501 Abs 1 ZPO) geltend gemachten Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens mittels Sachentscheidung in Urteilsform dahin zu erkennen gewesen, dass der Revision (aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund) nicht Folge gegeben wird.
2.4 Hat sich das Berufungsgericht bei der dennoch vorgenommenen beschlussmäßigen (Teil‑)Zurück-weisung in der Entscheidungsform vergriffen, beeinflusst dies aber weder die Zulässigkeit noch die Behandlung des Rechtsmittels (RIS‑Justiz RS0036324). Für die Beurteilung der Frage, ob ein Urteil oder ein Beschluss vorliegt, ist nicht die tatsächlich gewählte, sondern die im Gesetz vorgesehene Entscheidungsform maßgebend.
Der vorliegende „Rekurs“ ist daher auch als Revision zu werten, die aber – soweit sie sich dagegen wendet, dass der behauptete Verfahrensmangel nicht verwirklicht wurde – jedenfalls unzulässig ist, weil der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld oder Geldeswert insgesamt 5.000 EUR nicht übersteigt (§ 502 Abs 2 ZPO). Nur wenn das Berufungsgericht eine mit ausschließlich unzulässigen Rechtsmittelgründen erhobene Berufung zurückgewiesen hätte, handelte es sich um einen Beschluss gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO, der stets und ohne Rücksicht auf die Höhe des Streitwerts bekämpft werden kann (1 Ob 640/92 = SZ 65/157).
Das Rechtsmittel war daher als absolut unzulässig zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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