Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittelschriften selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft *****, die Beklagte Mieterin der Bestandobjekte top Nr. 1 a und 2 in diesem Haus; sie betreibt dort ein Cafe-Restaurant-Bar. Mit der am 3.8.1988 bei Gericht eingelangten, der Beklagten am 9.8.1988 zugestellten Aufkündigung kündigte der Kläger dieses Objekt zum 30.9.1988 gerichtlich auf, gestützt auf die Kündigungsgründe nach § 30 Abs 2 Z 3 erster und zweiter Fall MRG. Die Beklagte erhob rechtzeitig Einwendungen und beantragte die Aufhebung der Aufkündigung.
Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung für rechtswirksam und verpflichtete die Beklagte zur Räumung des Bestandobjektes. Es gelangte zum Ergebnis, daß der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG vorliege ("unleidliches Verhalten").
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen der gerügten Verfahrensmängel und hatte keine Bedenken an der Richtigkeit der erstgerichtlichen Beweiswürdigung und der darauf gestützten Feststellungen über die nächtlichen Lärmerregungen im Innenhof des Hauses, die durch das ständig wiederholte und jeweils auf längere Zeit erfolgte Offenhalten der Innenhoftür des Lokals verursacht wurden. In seiner rechtlichen Beurteilung ging es von den Feststellungen aus, daß im maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung im August 1988 infolge der fast täglich immer wieder für längere Zeit durch Einklemmen eines Hockers vor allem zu Lüftungszwecken offengehaltenen Innenhoftüre des Lokales andere Bewohner des Hauses vielfach noch bis nach 1 Uhr nachts durch aus dem Lokal dringenden Lärm, vor allem durch Stimmen der Gäste und Klappern von Geschirr oder Gläsern, in ihrer Nachtruhe und ihrem Schlafbedürfnis empfindlich gestört worden seien. Anhaltspunkte dafür, daß Lärm, der von anderen in der Umgebung gelegenen Innenstadtlokalen ausgehe, sich im Innenhof des Hauses störend auswirken würde, hätten sich nicht ergeben. Das Gesamtverhalten der Beklagten, der auch das Verhalten ihres im Lokal tätigen Personals zuzurechnen sei, überschreite infolge der Intensität und Häufung der nächtlichen Lärmentwicklungen im Innenhof des Hauses das Maß des Zumutbaren und sei objektiv geeignet, den Mitbewohnern des Hauses das friedliche Zusammenleben empfindlich zu stören. Das unvermeidliche Ausmaß der mit dem Betrieb eines gastgewerblichen Unternehmens üblicherweise verbundenen Lärmbelästigungen für andere Hausbewohner sei durch das laufende und gegen die Betriebsanlagengenehmigung verstoßende Offenhalten der Innenhoftür jedenfalls empfindlich überschritten worden. Auf nach Zustellung der Aufkündigung erstattete Verbesserungsvorschläge und eine Zukunftsprognose brauche dabei nicht näher eingegangen zu werden, da die Beklagte das unleidliche Verhalten, welches den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG verwirkliche, auch während des laufenden Kündigungsverfahrens noch jahrelang fortgesetzt habe. Dafür, daß der Kläger das unleidliche Verhalten dadurch veranlaßt hätte, daß er bereits vor Einbringung dieser Aufkündigung von der Beklagten angebotene Verbesserungsvorschläge zur Lärmeindämmung abgelehnt hätte, gebe es keinerlei Anhaltspunkte. Das Berufungsgericht sprach schließlich aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Rechtsprechung zur Frage, inwiefern bei gewerblichen Unternehmen Störungen, die durch den Betrieb des Unternehmens verursacht werden, das übliche und unvermeidliche Ausmaß überschritten, nicht einheitlich sei.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß die gerichtliche Aufkündigung für rechtsunwirksam erklärt und das Räumungsbegehren abgewiesen werde.
Der Kläger erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig.
Nach § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision ist das Revisionsgericht an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508 a Abs 1 ZPO). Nach § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (siehe dazu Kodek in Rechberger ZPO Rz 6 zu § 510).
Das Vorliegen einer solchen erheblichen Rechtsfrage wird in der Revision nicht dargetan. Zunächst wird die Auffassung vertreten, es sei nicht nur auf das Verhalten der Beklagten im Zeitpunkt der Kündigungszustellung abzustellen, sondern auch auf die bis Schluß der Verhandlung erster Instanz eingetretenen Umstände Bedacht zu nehmen. Dem ist zu erwidern, daß es grundsätzlich bedeutungslos ist, ob der Mieter sein Verhalten nach der Kündigung fortsetzt, wenngleich allerdings das nachfolgende Verhalten doch als Illustrationsfaktum gewertet werden muß (Würth in Rummel ABGB, Rz 17 zu § 30 MRG mit Judikaturnachweisen). Die Verhaltensänderung nach Einbringung der Aufkündigung hat nach ständiger Rechtsprechung (5 Ob 1506/91, 5 Ob 1552/91, 7 Ob 628/91) nur dann Einfluß auf das Schicksal der Aufkündigung, wenn der Schluß zulässig ist, daß die Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeiten ausgeschlossen werden kann. Ob dies der Fall ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iS des § 502 Abs 1 ZPO ist darin nicht zu erblicken. Davon abgesehen hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß die Beklagte ihr unleidliches Verhalten auch während des laufenden Kündigungsverfahrens fortgesetzt habe. Ob dies zutrifft, ist eine Frage der Tatsachenfeststellung und vom Revisionsgericht nicht überprüfbar. Dem Argument, der Kläger habe keinen Kellerraum für eine Klimaanlage beigestellt, obwohl er dazu im Rahmen der Ermöglichung des bedungenen Gebrauches verpflichtet gewesen wäre, ist entgegenzuhalten, daß das Bestandobjekt im Zeitpunkt der Übergabe an die Beklagte zum bedungenen Gebrauch geeignet war, was im Mietvertrag bestätigt wurde. Auch insoweit ist eine erhebliche Rechtsfrage nicht ersichtlich.
Richtig ist, daß der Vermieter Unzukömmlichkeiten, die mit dem Betrieb eines Gewerbes in den gemieteten Räumen notwendig und üblicherweise verbunden sind, nach ständiger Rechtsprechung auf sich zu nehmen hat, weil er bei der Vermietung damit rechnen mußte. Daß ein gastgewerblicher Betrieb Störungen vor allem in Bezug auf Lärm- und Geruchsentwicklung mit sich bringen kann, liegt auf der Hand. Derartige Störungen können gleichwohl dann als Kündigungsgrund herangezogen werden, wenn sie das bei Unternehmen dieser Art übliche und unvermeidbare Ausmaß übersteigen. Bei der Beurteilung dieses Ausmaßes sind die in dem Haus und seiner Umgebung üblichen Verhältnisse zu berücksichtigen. Haben deshalb die Belästigungen der Mitbewohner des Hauses durch den gastgewerblichen Betrieb jenes Ausmaß überschritten, mit dem mit Rücksicht auf die Art des vertragsgemäß in den Bestandräumen geführten Unternehmens üblicherweise gerechnet werden muß, ist der Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG gegeben (MietSlg 36.394 für einen gastgewerblichen Betrieb; MietSlg 38.444/4 für eine Diskothek). Von diesen Rechtsgrundsätzen ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen. Der Frage aber, ob es sich bei einem konkret festgestellten Verhalten um ein unleidliches Verhalten im Sinne des genannten Kündigungstatbestandes handelt, kommt keine grundsätzliche Bedeutung iS des § 502 Abs 1 ZPO zu, weil diese Frage nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles beantwortet werden kann, die für vergleichbare andere Fälle möglicherweise keine Gültigkeit haben (7 Ob 598/84, 2 Ob 520/86, 3 Ob 596/89, 2 Ob 578/90). Fragen der Einzelfallgerechtigkeit dürfen vom Obersten Gerichtshof als erhebliche Rechtsfragen nur dann überprüft werden, wenn dem Berufungsgericht bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm ein grober Fehler unterlaufen ist, der im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden muß (EvBl 1993/59). Von einer solchen im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierenden groben Fehlbeurteilung kann im vorliegenden Fall keine Rede sein.
Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO war daher die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision nicht hingewiesen, so daß davon auszugehen ist, daß die Rechtsmittelgegenschrift zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht notwendig war (10 Ob 511/93 uva).
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