OGH 2Ob520/86

OGH2Ob520/864.3.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Schobel, Dr. Melber und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Albert M***, Fachoberlehrer, Obere Tausinggasse 369, 8950 Steinach, vertreten durch Dr. Alfred Lind, Dr. Klaus Rainer, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Margarethe J***, Hausfrau, 8010 Graz, Harrachgasse 14, vertreten durch Dr. Hans-Günther Medwed, Rechtsanwalt in Graz, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes vom 31.Oktober 1985, GZ 3 R 356/85-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 4.Juli 1985, GZ 6 C 97/85-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung in dem im Eigentum des Klägers stehenden Haus Graz, Harrachgasse 14. Mit Urteil des Erstgerichtes vom 21.12.1983, 6 C 377/83, wurde dem Lebensgefährten der Beklagten Walter B*** das weitere Betreten dieses Hauses verboten. Bei dieser Entscheidung ging das Erstgericht davon aus, daß durch lautstarke Streitigkeiten zwischen Walter B*** und der Beklagten, insbesondere in der Nacht, die übrigen Bewohner gestört wurden und daß Walter B*** im betrunkenen Zustand eine Tür der Wohnung eingetreten hatte, wodurch ein Schaden von S 7.581,20 entstand. Wegen dieses Vorfalles wurde Walter B*** vom Strafgericht rechtskräftig wegen Sachbeschädigung verurteilt. Gestützt auf § 1118 ABGB begehrt der Kläger die Räumung der Wohnung mit der Begründung, die Beklagte mache vom Bestandgegenstand einen erheblich nachteiligen Gebrauch, weil sich Walter B*** mit ihrer offensichtlichen Duldung nach wie vor öfters in der Wohnung aufhalte.

Das Erstgericht gab diesem Begehren statt. Aus seinen Feststellungen ist hervorzuheben:

Walter B*** hält sich trotz des rechtskräftigen Urteils mit offensichtlicher Duldung der Beklagten nach wie vor in der Wohnung auf. Seit dem Urteil hat sich die Situation nur insofern gebessert, als sich die lautstarken Auseinandersetzungen zwischen ihm und der Beklagten weitgehend auf den Tag verlagert haben, es kommt nach wie vor zu Handgreiflichkeiten, wobei Walter B*** und die Beklagte auch häufig alkoholisiert sind. Walter B*** bedrohte den Kläger, die übrigen Hausbewohner fühlen sich beeinträchtigt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige und die Revision zulässig sei. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, unter dem Gesichtspunkt der Kündigungsbestimmungen des MRG betrachtet, würde das Verhalten der Beklagten und des von ihr wiederholt in die gemieteten Räume aufgenommenen Walter B*** - länger dauernde, lautstarke, nicht vereinzelt gebliebene Auseinandersetzungen und Handgreiflichkeiten in alkoholisiertem Zustand, wodurch den Mitbewohnern das Zusammenleben verleidet wurde - den Kündigungsgrund des § 30 Abs2 Z 3 zweiter Fall MRG erfüllt haben, zumal die Beklagte Behauptungen und Beweise für die Unmöglichkeit, in bezug auf das Verhalten des Walter B*** Abhilfe zu schaffen, nicht angeboten habe. Bei richtiger Wertung des Aufhebungstatbestandes des erheblich nachteiligen Gebrauches im Sinne des § 1118 erster Fall ABGB müsse auch unleidliches Verhalten einbezogen werden. Der Ansicht, daß der Vermieter erst nach Ausschöpfung aller legalen Mittel - in diesem Fall der Exekution, gestützt auf das rechtskräftige Urteil gegen Walter B*** - die Räumungsklage hätte einbringen dürfen, könne nicht beigepflichtet werden, eine solche Rangordnung finde im Gesetz keine Stütze. Die Revision sei gemäß § 502 Abs4 Z 1 ZPO für zulässig zu erklären, da der entscheidenden Rechtsfrage, ob ein "unleidliches Verhalten" unter den Tatbestand des § 1118 erster Fall ABGB zu subsumieren sei, für die Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung wegen Vorliegens nur zweier oberstgerichtlicher Entscheidungen, wovon eine aus dem Jahre 1947 stamme, erhebliche Bedeutung zukomme.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig.

Die Revisionswerberin führt aus, es hätte Verschweigung angenommen werden müssen, weil die Vorfälle schon längere Zeit zurückliegen, es sei nicht geprüft worden, ob die Beklagte das Verhalten des Walter B*** hätte verhindern können, überdies hätte der Kläger exekutiv gegen Walter B*** vorgehen müssen. Primär gehe es der Beklagten aber um die Rechtsfrage, ob bei unleidlichem Verhalten der Vermieter mit Räumungsklage nach § 1118 ABGB vorgehen könne. Diese Frage sei - jedenfalls seit Inkrafttreten des MRG - zu verneinen.

Da der Oberste Gerichtshof gemäß § 508 a Abs1 ZPO an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nicht gebunden ist, muß geprüft werden, ob eine bedeutsame Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs4 Z 1 ZPO vorliegt. Das Berufungsgericht hat der Frage, ob unleidliches Verhalten den Tatbestand des erheblich nachteiligen Gebrauches im Sinne des § 1118 erster Fall ABGB erfüllt, eine derartige Bedeutung beigemessen. Der Oberste Gerichtshof hat diese Frage bereits in zwei Entscheidungen aus dem Jahr 1932 (4 Ob 101/32 und Gerichtshalle 1933,8) bejaht, ebenso im Jahre 1947 (SZ 21/36) und im Jahre 1982 (MietSlg.34.262). Schließlich hat er nach Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes in 3 Ob 576/85 ausgesprochen, daß ein unleidliches Verhalten im Sinne des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs2 Z 3 zweiter Fall MRG, das mit dem Kündigungsgrund des "erheblich nachteiligen Gebrauches" im Sinne des § 30 Abs2 Z 3 erster Fall MRG zusammengefaßt sei und daher vom Gesetz offenbar als gleichwertig angesehen werde, unter den Tatbestand des § 1118 erster Fall ABGB zu subsumieren sei. Darüber hinaus hat der Oberste Gerichtshof in einer Reihe von Entscheidungen die von der Beklagten in der Revision vertretene Ansicht, der erste Fall des § 1118 ABGB umfasse nur die Schädigung der körperlichen Substanz der Bestandsache, abgelehnt (so etwa MietSlg. 7.929, 18.209, 19.151, 23.185 ua). Die vom Berufungsgericht zur Anwendung des § 1118 ABGB vertretene Meinung entspricht daher der langjährigen einhelligen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, die auch nach dem Inkrafttreten des MRG aufrecht erhalten wurde. Soweit ersichtlich, wurde dieser Ansicht von der Lehre nicht widersprochen (vgl. etwa Klang in Klang 2 V 122; Koziol-Welser 7 I 337 und insbesondere Würth in Rummel, ABGB, Rdz 11 zu § 1118). Diese Rechtsfrage kann daher die Zulässigkeit der Revision gemäß § 502 Abs4 Z 1 ZPO nicht rechtfertigen.

Gleiches gilt auch für die übrigen in der Revision behandelten Probleme. Der Frage, ob es sich bei einem konkreten Verhalten um ein unleidliches Verhalten handelt, kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs4 Z 1 ZPO zu (7 Ob 598/84), ebensowenig der Frage, ob in einem konkreten Fall "Verschweigung", also ein konkludenter Verzicht auf die Geltendmachung des Auflösungsgrundes (vgl. Würth aaO Rdz 8) anzunehmen ist. Dazu kommt, daß die Beklagte einen konkludenten Verzicht nicht einwendete und sich Vorfälle, die als unleidliches Verhalten qualifiziert wurden, auch noch nach dem Urteil gegen Walter B*** ereigneten, wobei den Feststellungen nicht zu entnehmen ist, daß das Verhalten bereits längere Zeit vor Einbringung der Räumungsklage beendet wurde. Daß die Beklagte als Hauptmieterin nicht nur ihr eigenes Verhalten, sondern auch das ihres Lebensgefährten zu vertreten hat, entspricht ebenfalls der Rechtsprechung (SZ 13/213; ImmZ 1963, 122; vgl. auch Würth aaO Rdz 10 und Klang in Klang 2 V 123). Es wäre Sache der Beklagten gewesen, zu behaupten und zu beweisen, daß es ihr unmöglich gewesen wäre, Abhilfe zu schaffen (MietSlg. 21.425, 31.368 ua). Daraus, daß der Bestandnehmer für die Handlungen anderer Personen einzustehen hat, folgt auch zweifelsfrei, daß der Bestandgeber nicht genötigt ist, gegen diese anderen Personen selbst die notwendigen Schritte zu unternehmen. Auch die Frage, ob der Kläger gegen Walter B*** aufgrund des gegen diesen erwirkten Urteiles hätte Exekution führen müssen, vermag daher die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen.

Aus diesen Gründen war die Revision zurückzuweisen. Kosten für die Revisionsbeantwortung waren dem Kläger nicht zuzusprechen, weil er auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat.

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