OGH 10Ob515/94

OGH10Ob515/9410.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier, Dr.Bauer, Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Leasinggesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Raimund Gehart, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Rudolf B*****, Dienstnehmer, ***** vertreten durch Dr.Felix Graf, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen S 59.295,23 sA (Revisionsinteresse S 51.744,54 sA) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 17.März 1994, GZ 2 R 59/94-39, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 27.Oktober 1993, GZ 4 Cg 399/92-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.871,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 811,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrt vom Beklagten aus der vorzeitigen Auflösung des Leasingvertrages über einen PKW Zahlungsrückstände sowie den sich aus § 921 ABGB ergebenden Nichterfüllungsschaden:

Zahlungsrückstand (rückständige Leasingentgelte, Mahnspesen und Versicherungsprämie S 15.276

Nichterfüllungsschaden (31 Restleasing-

entgelte abzüglich Abzinsung zuzüglich

Restwert netto zuzüglich 32 % Umsatzsteuer) S 151.571,23.

Insgesamt ergäbe sich folgende Abrechnung:

Nichterfüllungsschaden S 151.571,23

Zahlungsrückstand bei Vertragsauflösung S 15.276,--

Schätzkosten S 1.260,--

Interventionskosten S 1.920,--

Abmeldekosten S 420,--

Standgebühren S 1.848,--

abzüglich Schätzwert S 93.000,--

Summe S 79.295,23.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Bei ordnungsgemäßer Verwertung des Leasingfahrzeuges wäre ein Erlös von mindestens S 120.000 erzielbar gewesen. Der Nichterfüllungsschaden sei eine Konventionalstrafe, für die Umsatzsteuer nicht anfalle.

Folgender wesentlicher Sachverhalt steht fest:

Die Streitteile schlossen am 24.10.1990 einen Leasingvertrag über einen PKW mit Anschaffungskosten von insgesamt S 175.000 (einschließlich Umsatzsteuer). Das Leasingentgelt betrug monatlich S 3.441,24 (einschließlich Umsatzsteuer). Der Restwert sollte nach Ablauf eines Nutzungszeitraumes von 54 Monaten S 40.045 (ohne Umsatzsteuer) betragen.

Für den Fall der vorzeitigen Vertragsauflösung sah die Vereinbarung im wesentlichen vor:

.....

"3. Wird der Leasingvertrag vorzeitig aufgelöst, so hat der Leasingnehmer dem Leasinggeber folgende Leistungen zu erbringen:

a) sämtliche bis zur Beendigung des Leasingvertrages noch anfallenden Zahlungen (Leasingentgelte, Verzugszinsen, Kosten etc);

b) als (pauschalierten) Schadenersatz die Summe aller auf die vereinbarte restliche Vertragsdauer entfallenden Leasingraten zuzüglich eines allfälligen kalkulierten Restwertes, sämtliche Beträge abgezinst zur jeweils geltenden Bankrate der österreichischen Nationalbank auf den Tag der Fälligkeit des Anspruches des Leasinggebers,

c) sämtliche dem Leasinggeber aus der vorzeitigen Vertragsbeendigung erwachsenden Aufwendungen;

Soferne sich das Leasingobjekt zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung in der ausschließlichen Verfügungsgewalt des Leasinggebers befindet, wird der Leasinggeber von dem unter b) genannten Betrag den Verkehrswert des Leasingobjektes, welcher vereinbarungsgemäß durch einen vom Leasinggeber auf Kosten des Leasingnehmers zu bestellenden gerichtlich beeideten Sachverständigen zu ermitteln ist, zuzüglich einer den Leasinggeber bereits zugeflossenen oder verbindlich zugesagten Versicherungsleistung, sowie der vom Leasingnehmer geleisteten, noch nicht zur Verrechnung gelangten Depotzahlung in Abzug bringen...."

Der Beklagte geriet mit der Zahlung der Leasingraten in Verzug. Mit Schreiben vom 28.8.1992 kündigte die klagende Partei den Leasingvertrag zum 31.8.1992 auf. Eine durch die klagende Partei veranlaßte Schätzung des Fahrzeuges ergab einen Zeitwert von 93.000 S inklusive Umsatzsteuer. Dabei handelt es sich um den Händlerankaufswert unter Berücksichtigung des Zustandes am Fahrzeug zum Zeitpunkt der Vertragsauflösung. Objektiv hätte der Händlerankaufswert S 95.000 betragen, der Zeitwert S 110.000. Die vom Beklagten von Juni bis August 1992 nicht entrichteten Leasingentgelte betragen S 10.779. Zwei Mahnungen kosteten S 260. Die klagende Partei legte für den Beklagten darüber hinaus eine Versicherungsprämie von S

2.937 aus. Ferner sind Schätzungskosten, Interventionskosten, Abmeldekosten und eine Standgebühr in der Gesamthöhe von S 5.448 angefallen. Die nach Auflösung des Leasingvertrages noch vorgesehenen 31 Leasingraten betragen ohne Umsatzsteuer S 85.038,58. Infolge der vertraglich vereinbarten Abzinsung reduziert sich dieser Betrag auf S 74.781,69.

Unter Berücksichtigung eines in der mündlichen Streitverhandlung vom 14.1.1993 gefällten Teilanerkenntnisurteiles über S 20.000 sA gab das Erstgericht dem Klagebegehren mit S 4.250 sA statt und wies das Mehrbegehren ab.

Rechtlich ging das Erstgericht von folgender Abrechnung aus:

Leasingentgelte Juni bis August 1992 S 10.779

Mahnkosten S 260

vorgelegte Versicherungsprämie S 2.937

Restentgelte abzüglich Abzinsung S 74.781,69

Restwert netto S 40.045

sonstige Kosten S 5.448

S 134.250,69.

Aufgrund des Leasingvertrages sei nicht der von der Klägerin zugrundegelegte Händlerankaufswert, sondern der Verkehrswert des Fahrzeuges von S 110.000 in Abzug zu bringen. Mangels eines Leistungsaustausches ab Aufhebung des Vertrages sei die klagende Partei nicht berechtigt, Umsatzsteuer aus den restlichen Leasingentgelten zu begehren.

Das Gericht der zweiten Instanz gab der Berufung der Beklagten, die die Abweisung von Mahnspesen und die Feststellung des Händlerankaufswertes von S 95.000 nicht mehr bekämpfte, im Umfang des Berufungsinteresses von S 51.745,23 sA nicht Folge.

Es vertrat die Rechtsansicht, daß die Bedeutung des Begriffes Verkehrswert durch Vertragsauslegung zu ermitteln sei. Danach sei aber der Verkehrswert auf dem allgemeinen ("jedermann"), nicht nur Wiederverkäufer umfassenden Markt zu ermitteln, so daß nicht der Händlerankaufswert, sondern der Zeitwert von S 110.000 der Verrechnung zugrundezulegen sei. Die klagende Partei habe den Anspruch auf Zahlung von Restentgelt und Restwert nicht auf eine Leistung im Sinne des § 1 Abs 1 UStG, sondern auf den Titel des Schadenersatzes gestützt, welche rechtliche Qualifikation sowohl dem Vertrag als auch der von der Klägerin herangezogenen Bestimmung des § 921 ABGB entspreche. Da der Leasingvertrag vorzeitig aufgelöst und das Leasingobjekt eingezogen worden sei, sei der für einen Leasingvertrag charakteristische Leistungsaustausch entfallen. Die Schadenersatzleistung des Beklagten stelle daher "echten" Schadenersatz dar und unterliege nicht der Umsatzsteuer. Das Berufungsgericht teilte die erstmals in der Berufung vertretene Rechtsansicht der Klägerin nicht, daß bei Annahme einer Nettoschadenersatzforderung auch der Erlös aus der Veräußerung des Fahrzeuges netto angesetzt werden müsse, weil die Klägerin die Umsatzsteuer aus dem Erlös abzuführen hätte.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache. Sie beantragt die Abänderung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens im Umfang des Revisionsinteresses von S 51.744,54 sA und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte beantragte in seiner Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision als unzulässig, hilfsweise die Bestätigung des angefochtenen Urteiles.

Die Revision ist zwar zulässig, weil es zur Frage der Verpflichtung zur Zahlung von Umsatzsteuer für die Schadenersatzforderung nach vorzeitiger Auflösung eines Leasingvertrages zwar eine Rechtsprechung des VwGH, aber keine des Obersten Gerichtshofes gibt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Ob der in den allgemeinen Vertragsbedingungen genannte "Verkehrswert" des Leasingobjektes als Händlerankaufs- oder tatsächlicher Zeitwert des Leasingobjektes zu verstehen ist, ist mangels Determinierung dieses Begriffes durch die Vertragsparteien im Wege der Auslegung zu ermitteln. Dabei sind die allgemeinen Vertragsbedingungen, die als Vertragsschablone Inhalt des Leasingvertrages wurden, so auszulegen, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis objektiv erschließen (Schauer, Einführung in das österreichische Versicherungsvertragsrecht2 85 ff; Dreher in AcP 189, 360 f; EvBl 1982/94; RdW 1987, 122; RdW 1989, 329 [Schauer]; VR 1990/224; ÖBA 1991/273 [Jabornegg]). Es kommt daher nicht darauf an, welches nicht im Vertrag zum Ausdruck gebrachte Verständnis die Klägerin dem Begriff "Verkehrswert" zumaß, sondern wie dieser Begriff objektiv von einem verständigen Durchschnittsbürger verstanden werden konnte.

Verkehrswert im Sinne der Leasingverträge ist demnach - wovon die

Vorinstanzen zutreffend ausgingen - der Wert der Sache, den sie mit

Rücksicht auf Zeit, Ort und Beschaffenheit normalerweise für

jedermann - und nicht nur für den Händler - hat (Koziol,

Haftpflichtrecht I2 24 f; ZVR 1988/104); dies ist im vorliegenden

Fall der Betrag von S 110.000,-, den die Vorinstanzen somit

zutreffend als Abzugsposten berücksichtigten.

Eine Leistung unterliegt nur dann der Umsatzsteuer, wenn sie gegen

Entgelt ausgeführt wird, das heißt, wenn ein wirtschaftlicher

Leistungsaustausch stattfindet (Doralt/Ruppe, Grundriß des

österreichischen Steuerrechts4 I 288 f; Kranich/Siegel/Waber,

Kommentar zum Umsatzsteuergesetz Anm 69 ff zu § 1). Bei

Geltendmachung des Nichterfüllungsschadens nach § 921 Satz 1 ABGB

durch die Klägerin nach vorzeitiger Auflösung des Vertrages aus Verschulden des Beklagten ist das Vertragsverhältnis beseitigt, so daß kein Austauschanspruch, sondern ein Differenz- als Ersatzanspruch in Frage kommt (Koziol/Welser Grundriß9 I 246). Bei echten Schadenersatzleistungen, die deshalb erbracht werden, weil ein Schaden verursacht wurde oder für einen Schaden einzustehen ist, liegt daher kein Leistungsaustausch vor. Erst wenn die Ersatzleistungen Gegenleistungen für eine besondere Leistung des Geschädigten darstellen, besteht ein Leistungsaustausch als "unechter" Schadenersatz (Doralt/Ruppe aaO 289; Kranich/Siegel/Waber aaO Anm 129 ff zu § 1; ÖBl 1979, 28; RdW 1989, 131; RdW 1992, 171; RdW 1993, 241; 6 Ob 532/90, 6 Ob 631/92). Der Nichterfüllungsschaden bei Auflösung eines Leasingvertrages begründet aber einen "echten" Schadenersatz, denn bei der vorzeitigen Vertragsauflösung und Rücknahme des Leasingobjektes durch den Leasinggeber mangels Nutzungsmöglichkeit durch den Leasingnehmer ist die Zahlung des Nichterfüllungsschadens kein Entgelt für eine Lieferung oder sonstige Leistung, sondern tritt anstelle der vereinbarten Leistung (Kranich/Siegel/Waber aaO Anm 139 zu § 1 mwN).

Zu Recht verneinten die Vorinstanzen sohin die Umsatzsteuerpflicht für die vorliegende "echte" Schadenersatzforderung.

Ob die Veräußerung des zurückgestellten Leasingobjektes durch die Klägerin als Unternehmerin gegen Entgelt einen umsatzsteuerpflichtigen Vorgang des § 1 Abs 1 Z 1 UStG bildet und sie daher für diesen Umsatz aus der Verwertung des Leasingobjektes die nach § 10 Abs 4 UStG 1972 idF BGBl 695/1991 sich ergebende Umsatzsteuer abzuführen hatte, braucht hier nicht untersucht zu werden, denn die Klägerin ging in erster Instanz selbst von der Verrechnung des Bruttoschätzwertes gegenüber dem Beklagten aus.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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