OGH 10Ob41/16a

OGH10Ob41/16a7.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. DI F***** und 2. Dkfm. L*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Horst Auer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch MMag. Dr. Franz Stefan Pechmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 10. Februar 2016, GZ 39 R 295/15v‑19, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0100OB00041.16A.0607.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Beurteilung der Frage, ob den Mieter an der verspäteten Zahlung des Mietzinses ein grobes Verschulden trifft, seine „Willensrichtung“, die zur Zahlungssäumnis führte, maßgebend (RIS‑Justiz RS0069316 [T2, T14]). Grobes Verschulden setzt ein besonderes Maß an Sorglosigkeit voraus, sodass der Vorwurf berechtigt erscheint, der Mieter habe die Interessen des Vermieters aus Rechthaberei, Willkür, Leichtsinn oder Streitsucht verletzt (RIS‑Justiz RS0069304). Der Oberste Gerichtshof hat es schon mehrfach als zulässig angesehen, bei der Beurteilung des Verschuldens auch das Zahlungsverhalten des Mieters vor dem Räumungsprozess zu berücksichtigen (10 Ob 3/14k ua; RIS‑Justiz RS0069316 [T2, T7, T13]). Die Beweislast dafür, dass ein grobes Verschulden an der Nichtzahlung des Zinses nicht vorliegt, trifft den Beklagten (RIS‑Justiz RS0069316).

2. Ob den Mieter an der nicht rechtzeitigen Zahlung des Mietzinses ein grobes Verschulden iSd § 33 Abs 2 MRG trifft, stellt eine Frage des Einzelfalls dar, sodass eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO in der Regel nicht zu beurteilen ist. Eine die Zulässigkeit der Revision dennoch rechtfertigende Überschreitung des Spielraums des Berufungsgerichts bei der Beurteilung des groben Verschuldens an der nicht rechtzeitigen Zahlung des Mietzinses (RIS‑Justiz RS0042773 [T1, T3]) zeigt der Revisionswerber nicht auf.

2.1 Der Beklagte geriet bereits in den Jahren 2008/2009, 2011 und 2013 in Verzug mit Mietzinszahlungen, sodass die Kläger zu deren Hereinbringung mehrfach Gerichtsverfahren anhängig machen mussten. Schon allein der Umstand der vor der Einbringung dieser Klage immer wieder – trotz mehrfachergerichtlicher Geltendmachung – entstandenen Mietzins-rückstände rechtfertigt den Vorwurf des groben Verschuldens (RIS‑Justiz RS0070310).

2.2 Der Beklagte hielt sich krankheitsbedingt seit dem Jahr 2006 regelmäßig für mehrere Monate im Ausland auf. Aufgrund finanzieller Engpässe war er nicht in der Lage, einen Dauerauftrag zur Bezahlung der Mieten während dieser Auslandsaufenthalte einzurichten. Bereits in der Vergangenheit scheiterten Versuche des Beklagten, seine Mutter und in weiterer Folge einen ersten Untermieter anzuweisen, die Mieten während dieser Auslandsaufenthalte an die Kläger zu überweisen. Die Nichtzahlung der Mietzinse durch diesen ersten Untermieter hatte eines der genannten Gerichtsverfahren der Kläger gegen den Beklagten zur Hereinbringung rückständiger Mietzinse im Jahr 2013 zur Folge.

2.3 Dennoch richtete der Beklagte, als er von März bis November 2014 wiederum im Ausland war, keinen Kontrollmechanismus ein, um die Zahlung der Mieten durch eine Bekannte zu überwachen, an die er die Wohnung für diesen Zeitraum untervermietet und mit der er vereinbart hatte, dass sie die Miete von seinem Konto an die Hausverwaltung der Kläger überweisen sollte. Er vertraute dieser Bekannten und rief sie lediglich mehrmals im Monat an, um zu fragen, „ob alles in Ordnung sei“, was sie immer bejahte. Diese Bekannte berichtete dem Beklagten aber nicht über den Umstand, dass sie – infolge ihrer schwierigen familiären Situation – die Mieten für zwei Monate nicht bezahlte. Eine Berichtspflicht war nicht vereinbart. Auch als der Beklagte aus dem Ausland zurückkehrte, sah er seine Untermieterin nicht und berichtete ihm diese nichts vom entstandenen Rückstand.

2.4 Ausgehend davon und unter Berücksichtigung des früheren Verhaltens des Beklagten bei Mietzinszahlungen ist die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass dem Beklagten im konkreten Fall ein besonderes Maß an Sorglosigkeit im Sinn eines groben Verschuldens vorzuwerfen sei, vertretbar. Der Umstand, dass ein Mieter trotz Zustellung der Mietzins‑ und Räumungsklage die Mietzinsrückstände nicht sofort begleicht, obwohl zu diesem Zeitpunkt keine finanziellen Schwierigkeiten mehr bestanden und auch gar nicht behauptet wurden, lässt sich nur als Leichtsinn, zumindest aber als reine Gleichgültigkeit ansehen (8 Ob 47/03z). Die in diesem Zusammenhang behauptete sekundäre Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor.

3. Die vom Beklagten behaupteten Widersprüchlichkeiten in der Rechtsprechung zum groben Verschulden bei Beiziehung Dritter durch den Mieter liegen nicht vor. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass immer dann, wenn der Einsatz von Gehilfen eine Verschlechterung der vom Gesetzgeber im Sinn eines gerechten Interessenausgleichs vorgesehenen Rechtsposition Dritter mit sich bringen würde, der Geschäftsherr sich das Verhalten des Gehilfen wie sein eigenes zurechnen lassen muss. Dies gilt zumindest dann, wenn das Verhalten des Gehilfen zu dem ihm vom Geschäftsherrn übertragenen Aufgabenbereich gehört (RIS‑Justiz RS0016312). Dem Mieter ist daher das grobe Verschulden derjenigen Personen zuzurechnen, deren er sich zur Bezahlung des Mietzinses bedient (7 Ob 607/91 = MietSlg 43.288; RIS‑Justiz RS0070442). Gegenteiliges ergibt sich entgegen der Rechtsansicht des Revisionswerbers auch nicht aus der Entscheidung 6 Ob 257/03t (= immolex 2004/106, 182), weil dort der Mieter einen Rechtsanwalt gerade nicht als Erfüllungsgehilfe bei der Erfüllung von Mieterpflichten beigezogen hat.

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision des Beklagten daher zurückzuweisen.

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