OGH 6Ob257/03t

OGH6Ob257/03t11.12.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Nikola M*****Hauseigentümerin, *****, vertreten durch Dr. Erwin Balogh, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ingrid V***** Pensionistin, *****, vertreten durch Mag. Hermann Köck, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen Räumung, über die ordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 12. Mai 2003, GZ 22 R 144/03p-31, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 30. Dezember 2002, GZ 13 C 558/02p-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes in der Hauptsache wiederhergestellt wird. Die klagende Partei hat der beklagten Partei den mit 76,16 EUR bestimmten Anteil an den Verfahrenskosten erster Instanz, die mit 222,23 EUR (darin 37,05 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten für den Kostenrekurs, die mit 598,97 EUR (darin 98,33 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 459,10 EUR (darin 50,02 EUR Umsatzsteuer und 159 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist Mieterin einer 172 m2 großen Wohnung, die von 1936 bis 1981 von ihrem Vater (ihrem Rechtsvorgänger) bewohnt wurde. In einem Vorprozess mit der klagenden Vermieterin war es strittig, ob eine Wertsicherung des Mietzinses zustehe. Das auf die Bezahlung rückständiger Wertsicherungsbeträge und rückständiger Betriebskosten gerichtete Klagebegehren wurde mit Urteil vom 25. 7. 1997 rechtskräftig abgewiesen. Die Klägerin verlangte ab April 2000 von der Mieterin monatlich Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge. Mit ihrer auf § 1118 ABGB gestützten Mietzins- und Räumungsklage begehrte die Klägerin 9.033,60 S an Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen für die Monate April bis Juli 2000 und die Räumung des Mietobjektes. Das Zahlungsbegehren wurde in der Folge mehrfach ausgedehnt und eingeschränkt. Der Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag bilde einen Mietzinsbestandteil. Die Vorschreibung der Beträge entspreche den gesetzlichen Vorschriften. Vereinbarungen der Vertragspartner im Jahr 1936 über eine Mietzinsanhebung seien nicht relevant.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren. Sie sei im Dezember 1981 Rechtsnachfolgerin nach ihrem Vater geworden. Vom 11. 6. 1936 bis 1. 9. 1959 sei der Mietzins von 110 S monatlich unverändert geblieben. Am 1. 9. 1959 sei der Mietzins einvernehmlich auf 650 S monatlich angehoben worden. Tatsächlich habe der Vater der Beklagten aber monatlich 700 S bezahlt. Ein Büroraum sei am 1. 7. 1977 wieder zurückgegeben worden. Dennoch seien weiterhin 700 S monatlich bezahlt worden. In einem Vorprozess sei entschieden worden, dass die Klägerin keine Wertsicherung begehren könne. Die Rückgabe des Büroraums müsse bei der Berechnung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages bzw des Mietzinses Berücksichtigung finden. Die Beklagte begehre die Überprüfung der Angemessenheit des vorgeschriebenen Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages im Außerstreitverfahren. Sie lebe nur von einer Pension von 5.459,10 S monatlich.

In ihrem gemäß § 37 Abs 1 Z 13 MRG beim Außerstreitgericht gestellten Antrag berief sich die Beklagte auch darauf, dass seit 1936 für die angemietete Wohnung niemals eine Wertsicherung vorgeschrieben worden sei und dass eine Anhebung des Mietzinses nur aufgrund von Vereinbarungen erfolgen könne.

Der Rechtsstreit wurde am 4. 10. 2000 bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren 5 Msch 11/00m des Erstgerichtes unterbrochen. Mit Sachbeschluss vom 23. 5. 2001 stellte das Außerstreitgericht fest, dass der der Mieterin seit April 2000 vorgeschriebene Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag von 2.258 S monatlich zulässig und angemessen sei. Einem von der Mieterin erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht mit Beschluss vom 7. 11. 2001 nicht Folge. Nach der im Jänner 2002 eingetretenen Rechtskraft der Rekursentscheidung beantragte die Klägerin die Fortsetzung des Mietzins- und Räumungsstreits. Die Klagebegehren wurden aufgrund von Zahlungen der Beklagten zuletzt auf Räumung eingeschränkt. Die Klägerin brachte ergänzend vor, dass die Beklagte erst seit Juli 2002 den vorgeschriebenen Hauptmietzins entrichte. Der Verzug mit der Zahlung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags über die Dauer von insgesamt 26 Monaten sei grob fahrlässig. Die Beklagte habe in unvertretbarer Weise behauptet, dass die Geltendmachung von Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen eine schriftliche Vereinbarung voraussetze. Sie habe nur versucht, das Verfahren zu verschleppen. Die Beklagte replizierte, dass ihr die lange Verfahrensdauer des außerstreitigen Verfahrens nicht angelastet werden könne. Nach rechtskräftiger Feststellung ihrer Zahlungsverpflichtung habe sie die geschuldeten Beträge bezahlen wollen. Ihr Rechtsfreund habe den Rechtsvertreter der Klägerin am 6. 3. 2002 schriftlich aufgefordert, die offenen Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge sowie die Verfahrenskosten bekanntzugeben. Es sei keine Rückmeldung erfolgt. Eine solche sei am 23. 5. 2002 und am 10. 6. 2002 urgiert worden. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung habe sich die Beklagte in unverschuldeten erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befunden. Ihr Ehemann sei seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nachgekommen. Aus von ihr nicht zu vertretenden wirtschaftlichen Gründen habe sie die geforderten Beträge nicht bezahlen können. Nach einem Beinbruch sei sie bis 18. 9. 2001 in stationärer Krankenhausbehandlung und anschließend über drei Monate gehunfähig gewesen. Bei der letzten Operation am 17. 4. 2002 seien Schrauben entfernt worden. Der Unfall sei Mitursache für die Verzögerung der Zahlung gewesen. Das Erstgericht wies das noch offene Räumungsbegehren ab. Von seinen Feststellungen ist Folgendes hervorzuheben:

Die Beklagte habe sich am 5. 4. 2000 bei einem Immobiliensprechtag der Wirtschaftskammer über die Zulässigkeit der Vorschreibung von Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen erkundigt. Ihr sei die Auskunft erteilt worden, dass ihre Zahlungspflicht von dem dem Mietverhältnis zugrunde liegenden Vertrag abhänge. Der geschiedene Ehegatte der Beklagten habe im November 1998 die ihm obliegenden Unterhaltszahlungen von monatlich 10.008 S eingestellt. Die Beklagte habe Unterhaltsexekution geführt. Vor Hereinbringung der Unterhaltsrückstände habe sie von einer monatlichen Pension von 5.459,10 S leben müssen. Nach Bewilligung der Exekution vom 21. 12. 2000 habe die Beklagte der Klägerin im außerstreitigen Verfahren am 15. 1. 2001 vergleichsweise die Zahlung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags für den Fall angeboten, dass die Klägerin vom Räumungsbegehren Abstand nehme. Ab Februar 2001 habe die Klägerin die laufenden Unterhaltsbeträge von 10.008 S und einen Teil des Unterhaltsrückstandes hereingebracht. Zuvor habe die Beklagte von Bekannten und Verwandten Geldbeträge ausleihen müssen, um ihr Überleben zu sichern. Ab Februar 2001 habe sie mit der Rückzahlung dieser Schulden begonnen. Eine Hinterlegung der von der Klägerin geforderten Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge bei Gericht sei nicht erfolgt, weil der Rechtsfreund der Beklagten mitgeteilt habe, dass eine Erlag nicht notwendig und es ausreichend sei, wenn die geforderten Beträge vor Schluss der Verhandlung bezahlt werden. Im Herbst 2001 habe die Beklagte auf den Unterhaltsrückstand eine Abschlagszahlung von 100.000 S erhalten. Der Unterhaltsrückstand ihres Ehegatten habe sich auf 50.000 S reduziert. Von den rund 240.000 S hereingebrachten Unterhaltsbeiträgen habe sie 80 bis 90 % zur Rückzahlung von Schulden verwendet, den Restbetrag zur Unterstützung ihrer arbeitslosen Tochter. Die Rekursentscheidung im MSch-Verfahren sei ihrem Rechtsvertreter am 3. 1. 2002 zugestellt worden. Nach Information über das Verfahrensergebnis habe die Beklagte auf ein weiteres Rechtsmittel verzichtet. Nach einem im Sommer 2001 erlittenen Beinbruch sei sie bis 18. 9. 2001 in stationärer Krankenhausbehandlung gewesen, anschließend habe sie drei Monate einen Rollstuhl benützen müssen. Nach ihrer Spitalsentlassung sei sie von einem Bekannten betreut worden und zu den notwendigen physikalischen Therapien geführt worden. Sie sei erst Ende Februar 2002 nach Vöcklabruck zurückgekehrt. Am 6. 3. 2002 habe der Rechtsfreund der Beklagten an den Rechtsvertreter der Klägerin ein Schreiben mit der Mitteilung gerichtet, dass die Beklagte die rückständigen Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge bezahlen wolle, dass sie sich im Verfahren aber auf § 33 Abs 2 und 3 MRG berufen wolle. Es sei um die Bekanntgabe der bisher im Verfahren aufgelaufenen Kosten ersucht worden. Dieses Schreiben sei in der Kanzlei des Rechtsvertreters der Klägerin nicht eingelangt. Am 23. 5. 2002 habe die Rechtsvertreterin der Beklagten neuerlich schriftlich um Stellungnahme ersucht. Als auch darauf keine Reaktion erfolgt sei, sei am 10. 6. 2002 telefonisch um eine Stellungnahme ersucht und mitgeteilt worden, dass die Beklagte die eingeklagten Beträge entrichtet habe. Den Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag für 26 Monate in der Höhe von 4.267,12 EUR sowie weitere 176,17 EUR habe die Beklagte am 6. 6. 2002 überwiesen. Am 15. 7. 2002 seien weitere 195,97 EUR überwiesen worden. Für die Überweisung von 700 S monatlich an Miete (227,04 EUR) ab 1. 7. 2002 habe die Beklagte einen Dauerauftrag erteilt, ebenso für ein Betriebskostenakonto von 1.000 S ab 1. 1. 1996. Die Augustmiete von 227,50 EUR sei per 1. 8. 2002 überwiesen worden.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass für die Wohnung seit 1936 niemals eine Wertsicherung vorgeschrieben worden sei. Es könne der Beklagten nicht als grobes Verschulden vorgeworfen werden, dass sie ihre Zahlungspflicht in Ansehung der geforderten Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge gerichtlich klären habe lassen wollen. Ihr Standpunkt, dass auf eine solche Einhebung konkludent verzichtet worden wäre, sei nicht unvertretbar gewesen. Ein Verhandlungstermin vom 15. 4. 2002 sei abberaumt worden. Es könne der Beklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn ihre Vertreterin um die Bestätigung des errechneten Rückstandes ersucht habe und davon ausgehen habe können, dass in absehbarer Zeit eine neue Verhandlung anberaumt werde. Die Überweisung der rückständigen Beträge per 6. 6. 2002 sei noch nicht als grob verschuldeter Zahlungsverzug zu werten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und dem Räumungsbegehren statt. Bei dem qualifizierten Zinsrückstand obliege es dem Mieter, das Fehlen eines groben Verschuldens zu beweisen. Nach der oberstgerichtlichen Rechtsprechung werde im Allgemeinen nur eine Verspätung von wenigen Tagen oder wegen vorübergehender Zahlungsschwierigkeiten toleriert. Die Mieterin habe die ab 1. 4. 2000 zu leistenden Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge erst am 6. 6. 2002 entrichtet. Zweifel über die wahre Rechtslage begründeten in der Regel nur leichte Fahrlässigkeit. Hier sei aber schon der im Rekurs der Beklagten im außerstreitigen Verfahren vertretene Standpunkt, dass aufgrund vorhergehender Übung (bei der Wertsicherung) eine Anhebung des Mietzinses nur im Einvernehmen erfolgen könne, zweifelhaft gewesen. Jedenfalls sei mit Ablauf der Rekursfrist gegen die am 3. 1. 2002 zugestellte Rekursentscheidung die Zahlungspflicht der Beklagten unzweifelhaft gewesen. Zu diesem Zeitpunkt seien auch gesundheitliche und/oder finanzielle Schwierigkeiten bereits weggefallen gewesen. Der Mietzinsrückstand hätte sofort entrichtet werden müssen. In der Entscheidung 5 Ob 528/93 habe der Oberste Gerichtshof die Ansicht vertreten, dass denjenigen, der sich auf den Rat eines Anwalts verlasse und sich nicht weiter um die Mietzahlung kümmere, ein grobes Verschulden treffe. In der gegenteiligen Entscheidung 1 Ob 531/91 sei allerdings ausgeführt worden, dass es nicht auf den Sorgfaltsmaßstab des Erfüllungsgehilfen, sondern auf denjenigen des Mieters ankomme. Hier sei der Beklagten zwar im Mai 2001 die anwaltliche Auskunft erteilt worden, dass die Zahlung des Rückstandes vor Schluss der Verhandlung ausreiche, das Berufungsgericht sei aber der Ansicht, dass auch einem durchschnittlich sorgfältigen Mieter aus eigenem die Kenntnis zugesonnen werden müsse, dass nach rechtskräftigem Abschluss eines über die Höhe und Leistungspflicht durchgeführten Außerstreitverfahrens die ausstehenden Beträge unverzüglich entrichtet werden müssen. Der ab Februar 2002 geführte Schriftverkehr könne die Mieterin daher nicht entlasten. Eine mehrmonatige Verspätung der Zahlung könne nicht toleriert werden. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die erhebliche Rechtsfrage vorliege, ob nach einer in einem außerstreitigen Verfahren ergangenen Angemessenheitsentscheidung nur mehr eine Verspätung von wenigen Tagen tolerierbar sei oder ob aus besonderen, auch mit dem Einschreiten eines Anwalts verbundenen Gründen ein mehrmonatiges Zuwarten mit der Zahlung hinzunehmen sei.

Mit ihrer ordentlichen Revision beantragt die Beklagte die Abänderung dahin, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, sie ist auch berechtigt.

Die in der Entscheidung 5 Ob 528/93 (MietSlg 45.443) vertretene Auffassung, dass sich der mit der Mietzinszahlung säumige Mieter bei der Beurteilung des groben Verschuldens (§ 33 Abs 2 MRG) einen rechtlich verfehlten Rat seines Rechtsanwalts zurechnen lassen müsse, wurde ohne nähere Begründung nur darauf gestützt, dass der Anwalt Erfüllungsgehilfe (§ 1313a ABGB) bei der Erfüllung der Mieterpflichten sei. Im Ergebnis bejahte der 5. Senat das Vorliegen eines groben Verschuldens des Mieters "auch aus anderen Gründen". Die Qualifizierung des Rechtsfreundes als Erfüllungsgehilfe des Mieters wurde im Schrifttum als bedenklich und die gegenteilige Auffassung des 1. Senates (1 Ob 531/91 = JBl 1992, 42 = MietSlg 43.287/8) als zutreffend bezeichnet (Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 Rz 28 zu § 33 MRG). Tatsächlich überzeugt die auf Vorjudikatur (SZ 61/190) und Lehrmeinungen gestützte Begründung des 1. Senates, dass es für die Zurechnung des schuldhaften Verhaltens des Erfüllungsgehilfen darauf ankomme, ob die Ersatzpflicht auch zu verneinen sei, wenn dasselbe Verhalten vom Schuldner selbst gesetzt worden wäre. Der Beurteilungsmaßstab sei dem Verkehrskreis und der Stellung des Schuldners zu entnehmen. Ein Schuldner, der sich eines Erfüllungsgehilfen bediene, der dem erhöhten Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB unterliege, hafte selbst nur für jene Sorgfalt, die von seinem Verkehrskreis gefordert werden dürfe, weil andernfalls der besonders sorgfältige Geschäftsherr, der sich an einen Spezialisten wende, "gleichsam bestraft" werde. Diese Ausführungen sind durchaus überzeugend. Bei der Beurteilung des groben Verschuldens eines Mieters am Mietzinsrückstand (§ 33 Abs 2 MRG) ist dem Mieter ein rechtlich verfehlter Rat seines Rechtsanwalts, der nicht Erfüllungsgehilfe bei der Erfüllung der Mieterpflichten ist, nicht zuzurechnen. Im vorliegenden Fall ist ein grobes Verschulden der beklagten Mieterin am Zahlungsrückstand wegen der erst einige Monate nach der nicht mehr bekämpften Rekursentscheidung im außerstreitigen Verfahren über die Zulässigkeit der von der Klägerin geforderten Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen auch aus folgenden weiteren Gründen zu verneinen:

Beim Zahlungsverzug wird im Allgemeinen nur eine Verspätung von wenigen Tagen oder wegen vorübergehender Zahlungsschwierigkeiten toleriert (RIS-Justiz RS0070310). Solche Schwierigkeiten lagen nach den getroffenen Feststellungen ab Jänner 2002 nicht mehr vor. Die Beklagte hätte den Rückstand durchaus schon im Frühjahr bezahlen können. Grobes Verschulden setzt aber ein besonderes Maß an Sorglosigkeit voraus, sodass der Vorwurf berechtigt erscheint, der Mieter habe die Interessen des Vermieters aus Rechthaberei, Willkür, Leichtsinn oder Streitsucht verletzt (RS0069304). Gegen eine solche Qualifikation sprechen die festgestellten Umstände, dass die Beklagte bis Ende Februar 2002 krankheitsbedingt ortsabwesend war, immerhin schon am 6. 3. 2002 über ihren Anwalt ihre Zahlungsbereitschaft erklärte und um Bekanntgabe auch der Verfahrenskosten ersuchte. Dass dieses Schreiben nicht in der Kanzlei des Rechtsvertreters der Klägerin einlangte, kann der beklagten Mieterin nicht als Verschulden angelastet werden. Das Ersuchen um Bekanntgabe der Gesamtforderung der Klägerin war schon im Hinblick auf die Zinsenforderungen nicht unzweckmäßig, auch wenn natürlich die Beklagte selbst ihre Gesamtschuld ermitteln hätte können. Schließlich erfolgte die Bezahlung fast des gesamten Rückstands am 6. 6. 2002 noch vor der Aufklärung des Umstandes, dass das Schreiben vom 6. 3. 2002 beim Rechtsvertreter der Klägerin nicht eingelangt war. Bei Würdigung aller angeführten Umstände sind die von der Rechtsprechung für die Bejahung eines groben Verschuldens für erforderlich erachteten Motive des Mieters (Rechthaberei, Willkür, Streitsucht) ohne Weiteres zu verneinen, ein Leichtsinn überdies aus dem schon erläuterten Grund, dass der Rechtsvertreter der Beklagten erklärt hatte, dass eine Zahlung bis zum Schluss der Verhandlung ausreichend sei. Diese Auskunft war zwar im Sinne der schon zitierten Rechtsprechung und bei richtiger Auslegung des Gesetzes falsch, weil nach Wegfall von Zahlungshindernissen der Rückstand sofort zu begleichen ist. Einem rechtsunkundigen Mieter könnte aber nicht als grob fahrlässige Verkennung der Rechtslage vorgeworfen werden, dass er den Gesetzestext des § 33 Abs 2 MRG missversteht, wenn dort von der Möglichkeit der Entrichtung des geschuldeten Betrags vor Schluss der der Entscheidung des Gerichts vorangehenden Verhandlung die Rede ist.

Zu den Verfahrenskosten:

Infolge vollen Erfolges der Revisionswerberin hat der Oberste Gerichtshof über die gesamten Kosten des Verfahrens ohne Rücksicht auf die bisher ergangenen Entscheidungen abzusprechen (Bydlinski in Fasching, Zivilprozessgesetze2 Rz 4 zu § 50 mwN). Wenn - wie hier - der in erster Instanz Obsiegende Kostenrekurs erhoben hat, der durch die abändernde Entscheidung des Berufungsgerichtes gegenstandslos geworden ist, hat das Revisionsgericht, wenn es die Entscheidung des Erstgerichtes in der Hauptsache wiederherstellt, bei der Kostenentscheidung auf die Argumente des Kostenrekurses Bedacht zu nehmen (Bydlinski aaO Rz 5; 1 Ob 25/92 = RZ 1994/26 uva). Die in der Entscheidung SZ 24/247 vertretene Auffassung, dass nach Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils durch den Obersten Gerichtshof das Berufungsgericht über den Kostenrekurs zu entscheiden hätte ist durch die jüngere oberstgerichtliche Rechtsprechung überholt (zuletzt 8 ObA 288/01p und die in der Rechtssatzkette RIS-Justiz RS0036069 angeführten jüngeren Entscheidungen). Die Entscheidungskompetenz des Revisionsgerichtes, das in der Hauptsache abschließend entscheidet, geht aus § 50 Abs 1 ZPO unmissverständlich hervor.

Bei den Verfahrenskosten erster Instanz ist der im Kostenrekurs der Beklagten vertretenen Auffassung zu folgen, dass nach Tilgung des Mietzinsrückstandes für das fortgesetzte Verfahren, in dem es nur mehr um die Berechtigung des Räumungsanspruchs wegen groben Verschuldens der Mieterin am Zinsrückstand ging, im Sinne der zutreffenden Judikatur des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien (MietSlg 38.507, 47.425) der Grundsatz des Obsiegens (§§ 41 ZPO) und nicht mehr die Kostentragungsregel des § 33 Abs 2 MRG maßgeblich ist. Im zweiten Verfahrensabschnitt ab der Tagsatzung vom 2. 7. 2002 ist die Beklagte mit der Abwehr des Räumungsbegehrens als voll obsiegend anzusehen. An dieser Beurteilung vermag der in der Kostenrekursbeantwortung der Klägerin relevierte Umstand nichts zu ändern, dass die Mieterin auch mit den Monatsmieten Juli und August 2002 in Verzug geraten sei, weil nach den getroffenen Feststellungen auch die Augustmiete von der Beklagten schon am 1. 8. 2002 überwiesen worden war und selbst ein Verzug von wenigen Tagen (wenn es überhaupt darauf ankäme, dass die Mieten schon am Monatsersten im Voraus bei der Vermieterin einlangen müssen) weder für den Räumungsanspruch noch für die Kostenentscheidung (§ 43 Abs 2 ZPO) von Bedeutung sein könnte.

Die im Kostenrekurs der Beklagten vorgenommene Aufstellung der zu honorierenden Leistungen in beiden Verfahrensabschnitten entspricht der Aktenlage. Die von der Klägerin vorgegebene Kostenbemessungsgrundlage (§ 10 Z 2 lit a RATG) ließ die Beklagte unbekämpft. Da bei der Kostenentscheidung auf den Kostenrekurs der Beklagten Bedacht zu nehmen ist und ihr aufgrund des Dispositionsgrundsatzes nicht mehr zugesprochen werden kann, als sie selbst anstrebt, ist nicht von der niedrigeren Kostenbemessungsgrundlage auszugehen, wie sie sich aufgrund des Jahresmietzinses für die Wohnung ergäbe. Entgegen der im Kostenrekurs vertretenen Ansicht hat die Klägerin allerdings auch Anspruch auf 25 % Verbindungsgebühr für den mit der Klage verbundenen Antrag auf pfandweise Beschreibung (Anm 4 zu TP 3 RAT). Zu dem von der Beklagten in ihrem Kostenrekurs rechnerisch richtig ermittelten Kostenersatzanspruch der Klägerin von 1.176,12 EUR ist daher noch die Verbindungsgebühr von 81,16 EUR (darin 13,53 EUR Umsatzsteuer) hinzuzurechnen. Dies ergibt insgesamt einen Kostenersatzanspruch der Klägerin von 1.257,28 EUR für den ersten Verfahrensabschnitt. Dem steht der ebenfalls richtig berechnete Kostenersatzanspruch der Beklagten von 1.333,44 EUR aus dem zweiten Verfahrensabschnitt gegenüber. Bei einer Phasenbildung wegen unterschiedlichen Prozesserfolges sind die Kosten zu saldieren (SZ 67/143). Danach hat die Klägerin der Beklagten anteilig 76,16 EUR an Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie die Kosten des hypothetisch erfolgreichen Kostenrekurses auf der Basis des obsiegten Kostenbetrages (§ 50 Abs 2 ZPO sinngemäß) zu ersetzen. Der obsiegenden Beklagten sind ferner die Kosten beider Rechtsmittelverfahren zuzusprechen (§§ 41, 50 Abs 1 ZPO). Diese Kosten waren allerdings auf der Basis des Mindeststreitwerts von

1.740 EUR (§ 10 Z 2 lit a RATG) zu bestimmen.

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