European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0100OB00040.23I.0213.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.640,61 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 421,61 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 29. September 2017 bei einem Autohändler einen PKW der Marke Audi A6 Avant V6 3,0 TDI mit der Fahrgestellnummer *, Erstzulassung 29. Oktober 2015, mit einem Kilometerstand von 30.000 km um einen Kaufpreis von 42.000 EUR. Zwischen den Streitteilen besteht kein Vertragsverhältnis.
[2] Die Beklagte ist nicht Herstellerin dieses Fahrzeugs, in dem ein Dieselmotor EA 897 mit 160 kW verbaut ist und das von einem Rückruf des deutschen Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) betroffen ist. Die Beklagte war für die Entwicklung des Fahrzeugs und des Motors nicht zuständig und nicht verantwortlich. Vielmehr wurde dieser Motor von der A* AG entwickelt und auch hergestellt. Dass es bezüglich der Entwicklung dieses Motors insbesondere im Umfang der „Abgasthematik“ einen Auftrag von „V*“, konkret von (richtig:) der Beklagten, gegeben hätte, steht nicht fest.
[3] Der Kläger begehrte (zuletzt) die Zahlung von 42.000 EUR sA Zug um Zug gegen die Rückstellung des Fahrzeugs und die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle dem Kläger aus dem Kaufvertrag resultierenden noch nicht bezifferbaren oder zukünftigen Schäden, in eventu die Zahlung von 12.600 EUR sA. Das Fahrzeug sei vom Abgasskandal betroffen und enthalte eine unzulässige Abschalteinrichtung. Die Beklagte, die Konzernmutter der Herstellerin sei, sei für die „Manipulationen“ der Fahrzeuge verantwortlich. Es bestehe eine personelle, organisatorische, finanzielle, betriebswirtschaftliche und institutionelle Verflechtung der Herstellerin und der Beklagten. Die Beklagte sei für die Entwicklung des gegenständlichen Fahrzeugs und die Entwicklung des gegenständlichen Motors zuständig und verantwortlich gewesen. Die Mitarbeiter bzw die Geschäftsführung der Beklagten hätten eine rechtswidrige Täuschungshandlung gesetzt. Ein Vorstandsvorsitzender habe im Jahr 2019 zugestanden, dass die „Abgasmanipulation“ ein Betrug gewesen sei, und die Beklagte habe den Betrug in den USA bereits zugegeben. Die Beklagte hafte als Mittäter solidarisch mit der Herstellerin des Fahrzeugs.
[4] Der Beklagte bestritt und beantragte die Abweisung der Klage. Sie sei weder Herstellerin des Fahrzeugs, noch habe sie den verbauten Dieselmotor entwickelt oder einen Entwicklungsauftrag erteilt. Im Übrigen enthalte das Fahrzeug keine vom (deutschen) Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) als unzulässig eingestufte Abschalteinrichtung.
[5] Das Erstgericht wies alle Klagebegehren ab. Der Kläger stehe mit der Beklagten nicht in einer Vertragsbeziehung und könne keine gewährleistungsrechtlichen Ansprüche geltend machen. Es sei kein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten von Verantwortlichen der Beklagten in Bezug auf das Fahrzeug des Klägers nachgewiesen.
[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Dass die Beklagte Muttergesellschaft der Herstellerin des Fahrzeugs sei, führe nicht zu einer Haftung der Beklagten für ein allfälliges Verschulden ihrer Tochtergesellschaft, woran auch die vom Kläger dargestellte „systematische Verflechtung“ von Mutter- und Tochtergesellschaft nichts ändere. Das Vorbringen des Klägers, wonach die Beklagte an die Herstellerin des Fahrzeugs einen Entwicklungsauftrag erteilt und dabei in Bezug auf die Entwicklung und Verwendung des Motors und dessen Software die grundlegenden strategischen Entscheidungen mitgetroffen und die „entsprechenden Entscheidungen“ der Tochtergesellschaft abgesegnet habe, würde die Annahme eines kollusiven Zusammenwirkens der Beklagten mit der Herstellerin des Fahrzeugs in rechtlicher Hinsicht nicht tragen. Aus dem Vorbringen des Klägers lasse sich nicht ableiten, inwiefern Organe oder Repräsentanten der Beklagten konkret ein Verhalten gesetzt hätten, das der Beklagten als Beteiligung an einer bedingt vorsätzlichen Täuschung über die wahre Beschaffenheit des Fahrzeugs des Klägers oder seines Motors anzulasten wäre.
[7] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zur Frage der Mithaftung einer Konzernmutter, die weder Fahrzeug-, noch Motorenherstellerin ist, zu.
[8] Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinn einer Stattgabe der Klagebegehren; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[9] In der Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[10] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
[11] 1.1. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist und ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RS0042828). Die Auslegung von Prozessvorbringen stellt daher, soweit es sich um keine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung handelt, regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0042828 [T23]).
[12] 1.2. Nach der Beurteilung des Berufungsgerichts lasse sich aus den Prozessbehauptungen des Klägers nicht ableiten, inwiefern Organe oder Repräsentanten der Beklagten konkret ein Verhalten gesetzt hätten, das der Beklagten als Beteiligung an einer Täuschung über die wahre Beschaffenheit des von der Fahrzeugherstellerin in Verkehr gesetzten Fahrzeugs des Klägers oder dessen Motors anzulasten wäre.
[13] 1.3. Angesichts der unstrittigen Tatsache, dass die Beklagte weder das vom Kläger erworbene Fahrzeug noch den hier gegenständlichen Motor entwickelte, stellt dies keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar. Eine solche zeigt der Kläger auch mit der Aufzählung diverser zum „Abgasskandal“ ergangener Entscheidungen, mit dem mehrfachen Zitat allgemeiner Rechtssätze zur Solidarhaftung von Mit- oder Nebentätern oder mit dem Hinweis darauf nicht auf, dass die Beklagte die „grundlegenden strategischen“ Entscheidungen der Fahrzeugherstellerin mitgetroffen und die „entsprechenden Entscheidungen“ der Fahrzeugherstellerin genehmigt habe, weil sich auch daraus nicht ergibt, in welcher konkreten Art und Weise sich die Beklagte – in Bezug auf den hier gegenständlichen Motor – an einer Irreführung des Klägers beteiligt haben soll. Ebenso wenig genügt das allgemein gehaltene Vorbringen, dass die Beklagte „unzulässige Abschalteinrichtungen eingesetzt“ und „gemeinschaftlich“ als Mittäterin mit der Fahrzeugherstellerin gehandelt habe sowie „systematisch“ mit letzterer „verflochten“ sei.
[14] 2. Die bloße und nicht weiter begründete Behauptung einer solidarischen Haftung der Beklagten und ihrer Tochtergesellschaft aufgrund der „organisatorischen, personellen und materiell strukturellen Verbindungen“ setzt sich überdies mit der Argumentation des Berufungsgerichts nicht auseinander, wonach es sich um zwei eigenständige juristische Personen handle. Aus welchen rechtlichen Gründen die Beklagte für Handlungen ihrer Tochtergesellschaft (solidarisch) haften sollte, thematisiert der Kläger in der Revision nicht weiter, sodass sie in diesem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (RS0043603 [T9]).
[15] 3. Ausgehend davon, dass die Vorinstanzen eine Haftung der Beklagten schon aus diesen Gründen in nicht korrekturbedürftiger Weise verneinten, kommt es auf die in der Revision weiter als erheblich angesehenen Rechtsfragen (zur Unzulässigkeit der verbauten Abschalteinrichtung und zum behaupteten Schaden des Klägers) nicht entscheidend an.
[16] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0112296).
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