OGH 10Ob36/15i

OGH10Ob36/15i28.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und Hofrätinnen Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, Dr. Schramm, Dr. Fichtenau und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.‑Ing. G*****, vertreten durch Dr. Bertram Broesigke, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. H*****, vertreten durch Dr. Gerhard Steiner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 10. Dezember 2014, GZ 39 R 321/14s‑20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 31. Juli 2014, GZ 5 C 881/13g‑14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0100OB00036.15I.0428.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Das Berufungsgericht hat ein schutzwürdiges Interesse des Beklagten am Fortbestand des vom Vermieter aufgekündigten Mietverhältnisses als nicht ausreichend behauptet angesehen und die vom Erstgericht ausgesprochene Rechtswirksamkeit der Aufkündigung vom 27. November 2013 bestätigt.

Nach den vom Berufungsgericht (nach Beweiswiederholung) übernommenen Feststellungen des Erstgerichts wohnt der 1950 geborene Beklagte, der die aufgekündigte Wohnung im Lauf der Zeit in unterschiedlichem Ausmaß benutzt hat, seit etwa zwei Jahren fast ständig bei seiner inzwischen 93jährigen Mutter in deren Mietwohnung im 13. Wiener Gemeindebezirk; diese Wohnung verfügt über viereinhalb Zimmer und Nebenräume. Die Mutter des Beklagten ist zunehmend pflegebedürftig und bezieht Pflegegeld der Stufe 3 oder 4. Die Hauptlast der Pflege ruht auf dem Beklagten; nur ab und zu hilft auch seine Schwester aus.

In seiner außerordentlichen Revision weist der Beklagte darauf hin, dass er ausreichend vorgebracht habe, ein schutzwürdiges Interesse am Fortbestand des Mietverhältnisses zu haben. Er sei erkennbar auf die aufgekündigte Wohnung angewiesen und halte sich nur deshalb wenig in der Wohnung auf, weil er sich intensiv um seine pflegebedüftige Mutter kümmere; allein aus diesem Grund habe er seinen Lebensmittelpunkt in die Wohnung der Mutter verlegt. In einem solchen Fall übersteige das Interesse des Mieters am Fortbestand des Bestandverhältnisses das Interesse des Vermieters an dessen Auflösung.

Rechtliche Beurteilung

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage dargestellt.

1. Benützt der Mieter die aufgekündigte Wohnung ‑ wie hier ‑ nicht regelmäßig, trifft ihn die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Fortbestand des Mietverhältnisses hat (RIS‑Justiz RS0079210 [T9]), etwa weil trotz vorübergehender Abwesenheit in absehbarer Zeit mit seiner Rückkehr in die Wohnung zu rechnen ist (RIS‑Justiz RS0079350). Dies ist mit konkreten Behauptungen zu untermauern (RIS‑Justiz RS0079210 [T14]). Zweifellos darf dem Mieter ein familiärer Pflegeeinsatz, der zur ständigen Anwesenheit bei der pflegebedürftigen Person führt, nicht zum Nachteil gereichen, wenn damit keine rechtlich gesicherte Wohnversorgung verbunden ist (RIS‑Justiz RS0068687 [T10]). Auch in diesem Fall muss aber ein schutzwürdiges Interesse des Mieters an der Weiterbenützung der aufgekündigten Wohnung gegeben sein, indem sie in naher Zukunft mit Sicherheit wieder benützt werden wird (vgl RIS‑Justiz RS0079210 [T16]).

2. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, kann nur einzelfallbezogen beantwortet werden (RIS‑Justiz RS0042828). Ebenso kommt der Frage, wie ein bestimmtes Vorbringen zu verstehen ist, keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS‑Justiz RS0042828 [T3]).

Dass der Beklagte, der sich im Verfahren erster Instanz auf den Standpunkt gestellt hatte, er sei seit seiner Geburt in der aufgekündigten Wohnung wohnhaft und diese sei seit Jahrzehnten sein ausschließlicher Lebensmittelpunkt, kein konkretes Vorbringen zu seinem schutzwürdigen Interesse erstattet hat, ist nicht unvertretbar.

Da eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht nicht vorliegt, ist die außerordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

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