Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
B e g r ü n d u n g :
Der dem Verfahren auf Seite der klagenden Partei als Nebenintervenient beigetretene Gerhard D***** war Angestellter und Handlungsbevollmächtigter der beklagten Partei und hat namens dieser unter Verwendung ihres Firmenstempels zugunsten der klagenden Partei Garantieerklärungen abgegeben, die der bürgschaftsähnlichen Besicherung von Forderungen der klagenden Partei aus der Betankung der LKW-Flotte der insolventen H***** GmbH dienten. Diese führte Frachtaufträge der beklagten Partei aus.
Die klagende Partei als Garantiebegünstigte begehrt von der beklagten Partei Zahlung von EUR 526.108,27 aus neunzehn Garantieerklärungen aus dem Zeitraum vom 18. Oktober 2006 bis 18. Jänner 2006. Gerhard D***** sei in seiner Funktion als auf seiner Visitenkarte und im Internet ausgewiesener „Teamleiter Spedition" für die Abwicklung des gesamten europäischen Speditionsgeschäftes der beklagten Partei verantwortlich gewesen und sei auch im rechtsgeschäftlichen Verkehr in dieser Funktion aufgetreten. Er sei zu Geschäftsabschlüssen bis zu einem Volumen von EUR 100.000,-- pro Einzelgeschäft bevollmächtigt gewesen. Zumindest im Nachhinein habe die beklagte Partei die Handlungen ihres Mitarbeiters vorbehaltlos genehmigt. Überdies müsse sie sich die Vertretungshandlungen zurechnen lassen, da D***** uneingeschränkten Zugang zu allen Kommunikationsmitteln und Geschäftspapieren gehabt habe. Dazu komme eine wirtschaftliche Verflechtung der beklagten Partei mit der insolventen H***** GmbH. Letztlich hafte die beklagte Partei auch aus culpa in contrahendo und aus Bereicherung.
Der auf der Seite der klagenden Partei beigetretene Nebenintervenient Gerhard D***** bringt noch vor, als Leiter der Speditionsabteilung zum Abschluss aller Verträge berechtigt gewesen zu sein, die zur Abwicklung der Geschäfte erforderlich gewesen seien. Die beklagten Partei wendet die fehlende Vertretungsbefugnis des Gerhard D***** in Bezug auf Garantieerklärungen ein. Aus dem Firmenbuch sei klar ersichtlich, dass D***** zur Abgabe von Garantieerklärungen nicht berechtigt gewesen sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach den Feststellungen verfügte D***** über eine Handlungsvollmacht. Im Internet und auf seiner Visitenkarte war er als „Teamleiter" ausgewiesen. Der Prokurist S***** hatte ihm ausdrücklich untersagt, schriftliche Garantieerklärungen im Zusammenhang mit der Sicherstellung von Treibstofflieferungen für die H***** GmbH abzugeben. Zwischen den Streitparteien gab es keine direkte Geschäftsverbindung. Der Geschäftsführer der H***** GmbH teilte dem Gerhard D***** mit, dass sein Unternehmen ab dem nächsten Tag nicht mehr für die beklagte Partei fahren könne, weil er von der klagenden Partei keinen Treibstoff mehr bekomme. Als der Verkaufsleiter der klagenden Partei Garantieerklärungen zu Gunsten der Firma H***** verlangte, erklärte sich D***** einverstanden, hinsichtlich jeder Treibstofflieferung an die Firma H***** eine Garantieerklärung abzugeben. Über seine Bevollmächtigung erkundigte sich der Verkaufsleiter der klagenden Partei bei D***** nicht und schaute auch nicht in das Firmenbuch. D***** informierte über seine Vorgangsweise weder die Geschäftsführung noch die Prokuristen der beklagten Partei. Ab Oktober 2005 war die H***** GmbH nicht mehr in der Lage, die Treibstoffrechnungen der klagenden Partei zu zahlen. In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, dass D***** zur Abgabe von Garantieerklärungen nicht befugt gewesen sei. Der Zugang zum Firmenstempel und zum Faxgerät der beklagten Partei sowie sein Auftreten als Teamleiter könne zwar eine Duldungs- und Anscheinsvollmacht iSd § 863 Abs 1 ABGB begründen, doch sei der klagenden Partei fahrlässiges Nichtwissen von der fehlenden Bevollmächtigung vorzuwerfen, weil ihr Verkaufsleiter weder in das Firmenbuch geschaut noch D***** über seine Vertretungsbefugnis befragt habe. Dass die Geschäftsführung der beklagten Partei ab Kenntnis von den Garantieerklärungen keine Zahlungen an die Firma H***** zurückgehalten habe, begründe wegen der Ungültigkeit der Garantieerklärungen keine culpa in contrahendo. Auch eine Bereicherung der beklagten Partei sei nicht erkennbar. Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge und erklärte die ordentliche Revision mangels Abweichung von der höchstgerichtlichen Judikatur und mangels einer über den Einzelfall hinausreichenden grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungswesentlichen Rechtsfragen für nicht zulässig. Unzweifelhaft habe der Nebenintervenient über Handlungsvollmacht verfügt, sei er doch bei der beklagten Partei als „Teamleiter" zum Abschluss von Speditionsgeschäften befugt gewesen. Damit sei sein Zugang zu Geschäftspapieren, Firmenstempel und Faxgerät der beklagten Partei hinreichend gerechtfertigt gewesen; die beklagte Partei sei nicht verpflichtet gewesen, den Firmenstempel für D***** unerreichbar aufzubewahren.
Nach § 54 HGB erstrecke sich die Handlungsvollmacht auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringe. Entscheidend sei, ob es sich bei der Abgabe von Garantieerklärungen um ein gewöhnliches oder ein ungewöhnliches Geschäft iSd § 54 Abs 1 HGB gehandelt habe. Der Oberste Gerichtshof habe bereits in der Entscheidung 7 Ob 694/87 die Abgabe einer Zahlungsgarantie durch den Handlungsbevollmächtigten eines Spediteurs als ungewöhnliches, durch die Handlungsvollmacht nicht gedecktes Geschäft beurteilt und diese Ansicht mehrmals wiederholt. Auch die Voraussetzungen für eine Vorteilszuwendung iSd § 1016 ABGB lägen - insbesondere im Hinblick auf die fehlende Kenntnis des Geschäftsherrn - nicht vor.
Rechtliche Beurteilung
Die von der klagenden Partei erhobene außerordentliche Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. In der Zulassungsbeschwerde bezeichnet die klagenden Partei im Wesentlichen zwei Rechtsfragen als erheblich, nämlich a) die Außerachtlassung der Judikatur zur „Gewöhnlichkeit" eines Rechtsgeschäfts nach § 54 HGB und b) die unrichtige Anwendung der herrschenden Rechtsprechung auf die Schadenersatzhaftung nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo. Im Zusammenhang damit wird noch auf das Fehlen einer Rechtsprechung zur Schadenersatzhaftung des unwirksam Vertretenen bei Vollmachtsüberschreitung des Vertreters verwiesen.
zu a) Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die Frage der Ungewöhnlichkeit eines Geschäfts nach § 54 Abs 1 HGB nach den örtlichen, zeitlichen und branchenmäßigen Anschauungen zu beurteilen. Die Grenze zur Ungewöhnlichkeit kann nicht bloß unter dem Gesichtspunkt der Möglichkeit der vertragsmäßigen Erfüllung geprüft werden, vielmehr müssen auch die mit dem Geschäft verbundenen Risken und die Folgen allenfalls auftretender Hindernisse bei der Erfüllung in Betracht gezogen werden. Selbst dann, wenn ein Geschäft oder eine Rechtshandlung der Art nach zwar in den Vollmachtsrahmen fällt, kann das einzelne Geschäft dennoch wegen seiner Eigenart, wie etwa seiner besonderen Tragweite, dessen spekulativen Einschlages udgl durch die Vollmacht nicht gedeckt sein (10 Ob 63/02s = wbl 2002, 577 = RIS-Justiz RS0061457 [T3] und [T4]). Vor allem beim Eingehen ungewöhnlich großer Verpflichtungen oder besonderer Bedingungen, wie sie im betreffenden Geschäftszweig nicht üblich sind, ist die Ungewöhnlichkeit eines Geschäfts zu bejahen (1 Ob 49/01i = SZ 74/177 = RIS-Justiz RS0019707 [T16]; weitere Nachweise bei Schinko in Straube, HGB I3 § 54 Rz 10).
Angesichts dieser Rechtsprechung liegt in der Ansicht des Berufungsgerichtes, dass die Garantieerklärungen als außergewöhnliche Geschäfte zu qualifizieren sind, jedenfalls keine Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufgegriffen werden müsste.
zu b) Gleiches gilt auch für die Frage der Haftung aus culpa in contrahendo. Abgesehen davon, dass deren Folgen nicht auf den Erfüllungsschaden gerichtet sind, wie von der klagenden Partei begehrt, sondern auf den Ersatz des Vertrauensinteresse und es diesbezüglich an Vorbringen zur Schadenshöhe fehlt, steht einer Haftung entgegen, dass es zwischen den vertretungsbefugten Organen der Streitparteien selbst keinen rechtsgeschäftlichen Kontakt gegeben hat und die Organe der beklagten Partei keinen Anschein in Richtung einer Erfüllungsgehilfeneigenschaft des Nebenintervenienten in Bezug auf die Abgabe von Garantieerklärungen gesetzt haben. Mangels eines tauglichen Zulassungsgrundes iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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