Spruch:
Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Tamsweg vom 13. März 2014, GZ 1 Ps 101/12s‑130, ausgesprochene Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Döbling wird genehmigt.
Text
Begründung
Seit 3. 10. 2013 werden die Minderjährigen ‑ mit ausdrücklicher Zustimmung des Jugendamts ‑ von ihrem Vater in dessen Haushalt in Wien ***** betreut.
Mit Beschluss vom 18. 10. 2013 (ON 89) wurde der Mutter die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung der Kinder vorläufig entzogen (sodass dieser Bereich dem Vater nunmehr allein zusteht); gleichzeitig wurden sämtliche, die Obsorge betreffenden Anträge der Mutter und der mütterlichen Großeltern abgewiesen.
Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Mutter mit Beschluss vom 6. 2. 2014 (ON 123) nicht Folge: Übereinstimmend mit den Erwägungen des Erstgerichts bestanden für das Rechtsmittelgericht keine Anhaltspunkte dafür, dass der weitere Verbleib der Minderjährigen bei den Pflegeeltern dem Wohl der Kinder besser entspreche als der Verbleib bei ihrem voll erziehungsfähigen Vater; insbesondere hatte nämlich auch die Jugendwohlfahrt eine Übersiedlung der Kinder zum Vater nach Wien ausdrücklich befürwortet.
Nach Rechtskraft dieser Obsorgeentscheidung übertrug das Bezirksgericht Tamsweg die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache gemäß § 111 Abs 1 und 2 JN mit folgender Begründung an das Bezirksgericht Döbling (ON 130): Die Minderjährigen haben seit nunmehr fünf Monaten ihren dauernden gewöhnlichen Aufenthalt im Sprengel dieses Gerichts, wo sie den Kindergarten bzw die Volksschule besuchen, sodass der Aufenthalt als stabil bezeichnet werden kann. Auch die persönlichen Kontakte zur Mutter sind in Wien durchzuführen (und müssen vorerst jedenfalls im Beisein professioneller Besuchsbegleiter stattfinden und dokumentiert werden), wo im Sprengel des Bezirksgerichts Döbling ‑ anders als im Sprengel des Bezirksgerichts Tamsweg ‑ bereits die Familiengerichtshilfe eingerichtet ist. Aus all diesen Gründen erscheint die Weiterführung des Obsorgeverfahrens beim Bezirksgericht Tamsweg ‑ trotz des offenen Antrags der Jugendwohlfahrt, der Mutter die Obsorge zu entziehen ‑ unzweckmäßig, weil die Interessen der mj Kinder in diesem Obsorgeverfahren beim Bezirksgericht ihres nunmehrigen Aufenthalts besser gewahrt werden können.
Das Bezirksgericht Döbling lehnte die Übernahme des Pflegschaftsverfahrens ab, weil der Antrag des Jugendwohlfahrtsträgers „nach wie vor“ offen sei und das Bezirksgericht Tamsweg „umfangreiche Beweise“ unmittelbar aufgenommen habe, die vom Bezirksgericht Döbling zu wiederholen wären, was nicht im Interesse der mj Kinder liege.
Nach Rechtskraft des Übertragungsbeschlusses legte das Bezirksgericht Tamsweg den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.
Rechtliche Beurteilung
Die Übertragung ist zu genehmigen.
Nach § 111 Abs 1 JN kann das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht auch von Amts wegen seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Minderjährigen gelegen erscheint. Diese Bestimmung nimmt darauf Bedacht, dass ein örtliches Naheverhältnis zwischen dem Pflegschaftsgericht und dem Pflegebefohlenen in der Regel zweckmäßig und von wesentlicher Bedeutung ist. Es sollen daher bei Kindern die Aufgaben des Pflegschaftsgerichts grundsätzlich von jenem Gericht wahrgenommen werden, in dessen Sprengel der Mittelpunkt ihrer Lebensführung liegt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sprechen offene Anträge im Allgemeinen nicht gegen eine Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN. Offene Anträge können nur dann bedeutsam sein, wenn das Wohl des Kindes aus besonderen Gründen von dem bisher befassten Gericht wirksamer beachtet werden kann (RIS‑Justiz RS0046895 [T3]; 10 Nc 24/13f; 10 Nc 16/12b; 4 Nc 6/11m mwN).
Im vorliegenden Fall zeigt das übertragende Gericht zutreffend auf, weshalb ‑ trotz des offenen Antrags der Jugendwohlfahrt ‑ die Interessen der Kinder beim Bezirksgericht ihres nunmehrigen Aufenthalts besser gewahrt werden können. Mögen dort auch Beweise, die bereits unmittelbar aufgenommen wurden, zu wiederholen sein, so steht dieser Einwand doch nicht dem vorrangigen Argument der ‑ im Interesse des Kindeswohls ‑ herzustellenden Nähe zwischen dem Wohnsitz der Pflegebefohlenen und dem zur Führung des Pflegschaftsverfahrens zuständigen Gericht entgegen (10 Nc 24/13f mwN; vgl RIS‑Justiz RS0047074 [T5, T7]).
Die mit Beschluss vom 13. 3. 2014 (ON 130) ausgesprochene Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht des Aufenthaltsorts der Minderjährigen ist daher zu genehmigen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)