BVwG W273 2226338-2

BVwGW273 2226338-227.1.2020

BVergG 2018 §12 Abs1
BVergG 2018 §141 Abs1
BVergG 2018 §2 Z5
BVergG 2018 §20 Abs1
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §333
BVergG 2018 §334 Abs2
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §344
BVergG 2018 §346
BVergG 2018 §347 Abs1
BVergG 2018 §4 Abs1 Z2
BVergG 2018 §78 Abs1
BVergG 2018 §82 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:W273.2226338.2.00

 

Spruch:

W273 2226338-2/31E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabel FUNK-LEISCH als Vorsitzende und Mag. Johanna HAYDEN als fachkundige Laienrichterin auf Auftraggeberseite und Mag. Julia WEISS als fachkundige Laienrichterin auf Auftragnehmerseite über die Anträge der Bietergemeinschaft bestehend aus der XXXX , und der XXXX , vertreten durch RA Dr. Roland Katary, Neubaugasse 64-66/1/12, 1070 Wien, im Vergabeverfahren "Reinigungsdienstleistungen Wien I", GZ 2601.03283, Lose 8, 9 und 28, der Auftraggeberinnen Republik Österreich (Bund), der Bundesbeschaffung GmbH und der Bundesimmobilien GmbH, alle vertreten durch Bundesbeschaffung GmbH, Lasallestraße 9b, 1020 Wien, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung:

 

A)

 

I. zu Recht erkannt:

 

Der Antrag "das Bundesverwaltungsgericht wolle die am 29.11.2019 bekannt gegebene Ausscheidensentscheidung bezogen auf die Lose 8, 9 und 28 für nichtig erklären, in eventu, die angefochtene Ausscheidensentscheidung bezogen auf die Lose 8, 9 und 28 für nichtig erklären, in eventu die angefochtenen Ausscheidensentscheidungen bezogen auf die Lose 8, 9 und 28 jeweils für nichtig erklären" wird abgewiesen.

 

II. beschlossen:

 

Der Antrag "das Bundesverwaltungsgericht wolle die am 29.11.219 bekannt gegebene Entscheidung, mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, zu den Lose 8, 9 und 28 für nichtig erklären, in eventu die angefochtene Auswahlentscheidung zu den Losen 8, 9 und 28 für nichtig erklären, in eventu, die angefochtenen Auswahlentscheidungen zu den Losen 8, 9 und 28 jeweils für nichtig erklären" wird zurückgewiesen.

 

B)

 

I. Die ordentliche Revision gegen Spruchpunkt A) I. ist nicht zulässig.

 

II. Die ordentliche Revision gegen Spruchpunkt A) II. ist nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang und Vorbringen der Parteien

 

1. Mit Schriftsatz vom 09.12.2019 beantragten die XXXX , und die XXXX , als Bietergemeinschaft (im Folgenden auch "die Antragstellerin") die Ausscheidensentscheidung vom 29.11.2019 und die Auswahlentscheidung vom 29.11.2019, jeweils zu den Losen 8, 9 und 28 für nichtig zu erklären, Akteneinsicht in den Vergabeakt und den Nachprüfungsakt zu gewähren, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und die Auftraggeberin dazu zu verpflichten, der Antragstellerin die Pauschalgebühren binnen 14 Tagen zu ersetzen. Die Antragstellerin verband ihre Anträge mit dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Gegenstand der Anträge ist das Vergabeverfahren "Reinigungsdienstleistungen Wien I", GZ 2601.03283, Lose 8, 9 und 28, (im Folgenden auch "das Vergabeverfahren") der Republik Österreich (Bund), der Bundesbeschaffung GmbH und der Bundesimmobilien GmbH (im Folgenden auch "die Auftraggeberinnen"), vertreten durch die Bundesbeschaffung GmbH, als vergebende Stelle.

 

2. Begründend führte die Antragstellerin zusammengefasst aus, dass sie in ihrem Recht auf Durchführung eines und auch auf Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren(s) und Verfahren(s) zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung, insbesondere in den ihr dabei zustehenden Rechten auf Gleichbehandlung, Transparenz und Nichtdiskriminierung verletzt sei. Insbesondere sie in ihrem Recht auf rechtskonforme Prüfung, Beurteilung und Bewertung (auch Bepunktung) aller Angebote sowie der Vornahme des Ausscheidens von Angeboten von Mitbietern bei Vorliegen von Ausscheidensgründen verletzt sei. Die Antragstellerin sei in ihrem Recht verletzt, dass die Rahmenvereinbarung nur mit Bietern abgeschlossen werde, die ein rechtskonformes Angebot abgegeben hätten. Die Antragstellerin sei in ihren Rechten auf Erstreihung bei der Angebotsbewertung sowie auf Auswahl, Erhalt der Auswahlentscheidung zu ihren Gunsten, auf Unterlassung eines willkürlichen Ausscheidens, auf Durchführung einer rechtskonformen Angebotebewertung und auf Zuschlagerteilung bzw. Abschluss der Rahmenvereinbarung mit ihr verletzt. Das Recht der Antragstellerin auf ordnungsgemäße Durchführung des Vergabeverfahrens umfasse auch das Recht auf Widerruf. Die Antragstellerin sei auch in allen Rechten verletzt, die im Antrag nicht ausdrücklich genannt seien, sich aber aus der Gesamtheit des Antrages ergeben würden.

 

2.1. Am 29.11.2019 habe die Antragstellerin sowohl die Ausscheidensentscheidung (datiert mit 22.11.2019) zum eigenen Angebot als auch die Auswahlentscheidung erhalten. Die Ausscheidensentscheidung sei gleichzeitig mit der Auswahlentscheidung ergangen.

 

2.2. Das Angebot der Antragstellerin zu den Losen 8, 9 und 28 sei nicht auszuscheiden gewesen. Der von den Auftraggeberinnen herangezogene Ausschlussgrund liege nicht vor. Die XXXX habe einen ordnungsgemäßen Nachweis zur Sozialversicherung in Form einer "letztgültigen Kontobestätigung" in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben gelegt.

 

2.3. Bezüglich der Auswahlentscheidung bringt die Antragstellerin vor, dass sie in allen Qualitätskriterien zu allen Losen die volle Punktezahl erhalten habe. Die vorgereihten Mitbewerber in den Losen 8 und 28 seien zu Recht ausgeschieden worden. In Los 28 hätten die Auftraggeberinnen das Angebot des präsumtiven Rahmenvertragspartners sowie von zwei weiteren Bietern ausscheiden müssen. Bei diesen drei Mitbietern hätte das Thema Kalkulation zum Ausscheiden führen müssen. Zur Kalkulation sei relevant, dass die Antragstellerin bereits in den letzten Jahren und auch aktuell Reinigungen in diesem Los durchführe und daher sagen könne, dass die Preise dieser Mitbewerber nicht erklär- und nachvollziehbar sein können, um die ausgeschriebene Leistung in der der geforderten Qualität durchführen zu können. Dabei seien auch die ausgeschriebenen Flächen und die Mindestlohnkosten unter Berücksichtigung des anzuwendenden Kollektivvertrages samt der ÖNORM D 2050 zu berücksichtigen. Die Antragstellerin sei zu allen angefochtenen Losen als Rahmenvereinbarungs-Partnerin vorzusehen. Aus der Branchenkenntnis der Antragstellerin sei zu schließen, dass diese drei Angebote in den Zuschlagskriterien nicht die volle Punkteanzahl erlangen könnten, sodass sich auch bei geringfügig niedrigeren Angebotspreisen zu Los 28 eine bewertungsbezogene Vorreihung des Angebotes der Antragstellerin ergebe.

 

3. Die Antragstellerin führte aus, dass sie ihr Interesse am Vertragsabschluss durch die Abgabe eines gesetzes- und ausschreibungskonformen Angebots nachgewiesen hätte. Der Antragstellerin drohe durch die rechtswidrige Auswahlentscheidung Schaden durch entgangenen Gewinn sowie den Verlust von Deckungsbeiträgen. Ein Schaden drohe weiters in Form der Kosten für die Teilnahme am Vergabeverfahren, einschließlich der Kosten des Nachprüfungsverfahrens sowie aufgrund des Verlustes eines Referenzprojektes.

 

4. Am 12.12.2019 erteilten die Auftraggeberinnen allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren und übermittelten die Unterlagen des Vergabeverfahrens. Die Auftraggeberinnen beantragten, sämtliche nicht die Antragstellerin selbst betreffenden Unterlagen, wie interne Dokumente der Auftraggeberinnen und die Angebote weiterer Bieter von der Akteneinsicht auszunehmen. Insbesondere seien folgende Dokumente jedenfalls von der Akteneinsicht auszunehmen:

Angebote der weiteren Bieter; Nachforderungen und Nachreichungen der weiteren Bieter; Sämtliche Prüfprotokolle betreffend die Angebote der weiteren Bieter; Unterlagen der Bewertung der weiteren Bieter; sämtliche Bieteranfragen.

 

5. Mit Schriftsatz vom 16.12.2019 erstatteten die Auftraggeberinnen eine Stellungnahme zu den vorgebrachten Rechtswidrigkeiten. Die Antragstellerin habe anstelle des laut Ausschreibung erforderlichen Eignungsnachweises gemäß Rz. 97 Allgemeine Ausschreibungsbedingungen einen Auszug aus ihrem Beitragskonto, sohin eine Kontoinformation nachgereicht und es handle sich hierbei keinesfalls um eine der Rz. 97 Allgemeine Ausschreibungsbedingungen entsprechende Kontobestätigung oder Unbedenklichkeitsbescheinigung. Es entspreche der Rechtsprechung, dass es sich bei einem Kontoauszug aus dem Steuerkonto nicht um eine amtliche Bestätigung handelt, die der Antragsgegnerin ohne weiteren Ermittlungsaufwand die Feststellung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Ausschlussgrundes ermögliche. Ein dahingehend erstellter Auszug sei einer Erklärung der zuständigen amtlichen Stelle nicht gleichwertig und wäre es auch nicht Aufgabe der Antragsgegnerin, diese Gleichwertigkeit zu prüfen, wenn - was im gegenständlichen Fall gegeben sei - der geforderte Nachweis problemlos erhältlich gewesen wäre. Die Auftraggeberinnen hätten die Antragstellerin folglich zu Recht gemäß § 141 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018 ausgeschieden. Durch die Nichtbeibringung des geforderten Nachweises sei des Weiteren ebenso der Ausscheidensgrund nach § 141 Abs. 2 BVergG 2018 verwirklicht. Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Auswahlentscheidung vom 29.11.2019 brachten die Auftraggeberinnen vor, dass die Behauptungen der Antragstellerin zum Ausscheiden der vor ihr gereihten Bieter jeglicher Grundlage entbehren würden. Die Angebote der präsumtiven Zuschlagsempfängerinnen in den jeweiligen Auswahlentscheidungen der Lose 8, 9 und 28 würden den Erfordernissen der gegenständlichen Ausschreibung entsprechen, deren jeweils bewertungsrelevanter Gesamtpreis würde die dahingehenden kollektivvertraglichen Normen einhalten und dieser sei ebenso nachvollzieh- und erklärbar. Ein Verstoß gegen geltende kollektivvertragliche Verpflichtungen sei ebenso wenig argumentierbar wie das angebliche Nichtvorliegen der entsprechenden Eignung. Die Antragstellerin sei dazu jedenfalls nicht antragslegitimiert, weil sie korrekt ausgeschieden worden sei. Die Auftraggeberinnen beantragten die Zurück- in eventu die Abweisung sämtlicher Anträge der Antragstellerin.

 

6. Am 16.12.2019 erließ das Bundesverwaltungsgericht eine einstweilige Verfügung, mit welcher den Auftraggeberinnen für die Dauer des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens über die Ausscheidens- und die Auswahlentscheidung untersagt wurde, jeweils in den Losen 8, 9 und 28 die Rahmenvereinbarung abzuschließen.

 

7. Mit Schriftsatz vom 16.12.2019 erhob die XXXX (im Folgenden die "präsumtive Zuschlagsempfängerin zu Los 9") begründete Einwendungen und brachte zusammengefasst vor, die Antragstellerin sei zu Recht ausgeschieden worden und sei deshalb zur Anfechtung der Auswahlentscheidung nicht antragslegitimiert. Selbst für den Fall, dass die Ausschluss- und Ausscheidensgründe gegenüber der Antragstellerin nicht zu Recht vorlägen, wäre das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin zu Los 9 als wirtschaftlich günstigstes Angebot zu bewerten. Im gegenständlichen Ausschreibungsverfahren sei die Zuschlagserteilung nach dem Bestbieterprinzip erfolgt. Die Behauptung der Antragsgegnerin, dass das insgesamt bewertungsrelevant preisgünstigste Angebot für die Auswahlentscheidung herangezogen werden müsste, sei daher unrichtig und auf Grund der Ausschreibungsunterlagen nicht nachvollziehbar. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin zu Los 9 habe das wirtschaftlich günstigste Angebot gelegt und sei daher zu Recht für den Abschluss der Rahmenvereinbarung vorgesehen. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin zu Los 9 beantragte, dem Begehren der Antragstellerin nicht Folge zu geben und die Angebote der präsumtiven Zuschlagsempfängerin zu Los 9 und sämtliche ihre Angebote betreffenden Teile des Vergabeakts von der Akteneinsicht durch die Antragstellerin und allfällig weitere mitbeteiligten Parteien auszunehmen.

 

8. Die Bietergemeinschaft bestehend aus XXXX zu Los 8 erstattete innerhalb von 10 Tagen ab Verständigung durch das Bundesverwaltungsgericht von der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens keine begründeten Einwendungen.

 

9. Mit Schriftsatz vom 19.12.2019 erhob die XXXX (im Folgenden die "präsumtive Zuschlagsempfängerin zu Los 28") begründete Einwendungen und brachte zusammengefasst vor, dass die Antragstellerin zu Recht ausgeschieden worden sei und deshalb nicht antragslegitimiert sei. Das Vorbringen der Antragstellerin zur nicht kostendeckenden Kalkulation des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin zu Los 28 sei nicht näher begründet. Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin zu Los 28 sei entsprechend den Vorgaben der Ausschreibung und den anzuwendenden arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen kalkuliert und dies sei auch in der Angebotsprüfung dokumentiert. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin zu Los 28 beantragte, sämtliche sie betreffenden Bestandteile des Vergabeaktes von der Akteneinsicht durch die Antragstellerin auszunehmen und die Anträge der Antragstellerin abzuweisen.

 

10. Mit Schriftsatz vom 10.01.2020 erstattete die Antragstellerin ergänzendes rechtliches Vorbringen zur Rechtswidrigkeit der Ausscheidensentscheidung. Die Antragstellerin brachte zusammengefasst vor, dass die Begriffe der "letztgültigen Kontobestätigung" und der "Unbedenklichkeitsbescheinigung" Begriffe der Vergabegesetze ohne nähere Umschreibung seien. Es gäbe keine Ansatzpunkte dafür, dass eine ausdrückliche Erklärung mittels Fließtextes bei der Bestätigung des Sozialversicherungsträgers vorzusehen sei. Der von der Antragstellerin vorgelegte amtssignierte Kontoauszug sei genau die von den Auftraggeberinnen vorgegebene Kontobestätigung. Aus dem vorgelegten Kontoauszug könne unmittelbar und ohne weiteren Ermittlungsaufwand herausgelesen werden, dass der hier relevante Ausscheidensgrund des § 78 Abs 1 Z 6 BVergG 2018 nicht vorliege. Diese Auslegung der Ausschreibungsbestimmungen stehe auch im Einklang mit § 915 AGBB, zumal eine undeutliche Festlegung der Auftraggeberin zum Nachteil der Auftraggeberin gehe. Zur Auswahlentscheidung brachte die Antragstellerin vor, dass es sich in der Ausschreibung um ein verstecktes Billigstangebotsprinzip handle. Bei rechtskonformen Unterbleiben des Ausscheidens sei die Antragstellerin in Los 8 und Los 9 erstzureihen und es sei mit ihr die Rahmenvereinbarung abzuschließen.

 

11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 15.01.2020 im Beisein der Antragstellerin, der Auftraggeberinnen und der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerinnen zu Los 9 und Los 28 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

 

12. Am 15.01.2019 erfolgte nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtsfragen die Beschlussfassung im Senat.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Die Republik Österreich (Bund), die Bundesbeschaffung GmbH und die Bundesimmobilien GmbH schrieben unter der Bezeichnung "Reinigungsdienstleistungen Wien I", GZ 2601.03283, Reinigungsdienstleistungen mit insgesamt 30 Losen aus. Die Bekanntmachung des Vergabeverfahrens erfolgte am 04.06.2019 zu GZ 2019/S 106 - 259187 in der europäischen Union. Die Auftraggeberinnen führten ein offenes Verfahren zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung im Oberschwellenbereich nach dem Bestbieterprinzip durch (Auskünfte der Auftraggeberinnen = OZ 7). Die Antragstellerin legte ein Angebot jeweils hinsichtlich der Lose 8, 9 und 28 (Antrag auf Nichtigerklärung = OZ 1). Der geschätzte Auftragswert der Lose 8, 9 und 28 beträgt jeweils (OZ 7):

 

· Los 08 EUR XXXX

 

· Los 09 EUR XXXX

 

· Los 28 EUR XXXX

 

1.2. Die Allgemeinen Ausschreibungsbedingungen, berichtigte Version 02 (im Folgenden "AAB 02"), Randziffern (Rz.) 94 bis 98, lauten auszugsweisen (Vergabeakt, AAB 02, S. 19-20 AAB 02, Hervorhebungen im Original):

 

"...5.5 Berufliche Zuverlässigkeit

 

5.5.1 Allgemeines

 

94 Der Unternehmer muss zuverlässig im Sinne des BVergG 2018 sein.

 

95 ACHTUNG: Unternehmer sind von der Teilnahme am Vergabeverfahren (unbeschadet des § 78 Abs. 3 und 4 BVergG 2018) auszuschließen, wenn ein Tatbestand des § 78 Abs. 1 BVergG 2018 erfüllt ist.

 

5.5.2 Nachweis der beruflichen Zuverlässigkeit

 

96 Der Unternehmer hat im Angebotshauptteil eine Erklärung abzugeben, in welcher er ausdrücklich seine berufliche Zuverlässigkeit im Sinne des BVergG 2018 erklärt und bestätigt, dass gegen ihn kein Ausschlussgrund gemäß § 78 Abs. 1 BVergG 2018 vorliegt. Insbesondere hat er in dieser Erklärung seine straf- und arbeitsrechtliche Unbescholtenheit zu bestätigen sowie gleichzeitig zu erklären, dass er sich nicht in Liquidation befindet, seine gewerblichen Tätigkeiten nicht eingestellt hat und gegen ihn weder ein Insolvenzverfahren eingeleitet noch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels hinreichenden Vermögens abgewiesen wurde.

 

97 Der Unternehmer hat weiters zum Nachweis der beruflichen Zuverlässigkeit die nachstehenden Urkunden bzw. Erklärungen vorzulegen:

 

...

 

* die letztgültige Kontobestätigung oder Unbedenklichkeitsbescheinigung des zuständigen Sozialversicherungsträgers oder gleichwertige Dokumente der zuständigen Behörde des Sitzstaates des Unternehmers, (am Tag der Angebotsöffnung nicht älter als drei Monate) zum Nachweis der Erfüllung der Verpflichtungen zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge;

 

* Rückstandsbescheinigung gemäß § 229a Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961 oder gleichwertige Dokumente der zuständigen Behörde des Sitzstaates des Unternehmers, (am Tag der Angebotsöffnung nicht älter als drei Monate) zum Nachweis der Erfüllung der Verpflichtung zur Zahlung der Steuern und Abgaben.

 

....

 

98 Werden die oben genannten Nachweise im Sitzstaat des Unternehmers nicht ausgestellt oder werden darin nicht alle in § 78 Abs. 1 Z 1 bis 3 und 6 BVergG 2018 vorgesehenen Fälle erwähnt, hat der Bieter eine Bescheinigung über eine eidesstattliche Erklärung oder eine entsprechende, vor einer dafür zuständigen Gerichts- oder Verwaltungsbehörde, vor einem Notar oder vor einer dafür zuständigen Berufsorganisation des Sitzstaates des Unternehmers abgegebene Erklärung des Unternehmers vorlegen, dass kein Ausschlussgrund gemäß § 78 Abs. 1 Z 1 bis 3 und 6 BVergG 2018 vorliegt..

 

99 Die vergebende Stelle behält sich vor, zur Überprüfung der beruflichen Zuverlässigkeit des Unternehmers weitere Nachweise zu verlangen.

 

..."

 

1.3. Die Angebotsfrist endete am 06.08.2019 (AAB 02, RZ 5, Vergabeakt). Die Angebotsöffnung erfolgte am 06.08.2019. Das Angebotsöffnungsprotokoll wurde an alle Bieter per Lieferanzeiger am 07.08.2019 übermittelt (OZ 7). Die Namen und Angebotssummen der Bieter zu den Losen 8, 9 und 28 lauteten (OZ 7):

 

Tabelle kann nicht abgebildet werden

 

1.4. Die XXXX , XXXX , (im Folgenden "die Bieterin zwei") legte mit ihrem Angebot vom 06.08.2019 einen von ihr am 04.06.2019 erstellten Ausdruck mit dem Titel "Kontoinformation" der auszugsweise folgendermaßen lautete (Vergabeakt):

 

"...

 

Partnerdaten

 

Name ... Dienstgebernummer...

 

Adresse... Firmenbuchnummer

 

Kennziffer des Unternehmensregisters....

 

Umsatzsteuer Identifikation...

 

Kontodetails

 

Beitragskontonummer...

 

Konto gültig ab...

 

Betriebsort...

 

Wirtschaftsklasse (ÖNACE 2008)...

 

Guthaben...

 

Bevollmächtigter...

 

Aktueller Verzugszinssatz....

 

Sozialversicherungsträger Wiener Gebietskrankenkasse

 

....

 

Beitragsfälle

 

Unselbständige Erwerbstätigkeit

 

Abrechnungsart...

 

Abrechnungszeitraum...

 

Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA)

 

Letzte Prüfung.... Geprüft bis...

 

..."

 

1.5. Mit Schreiben vom 23.09.2019 forderten die Auftraggeberinnen die Antragstellerin hinsichtlich der Bieterin zwei auszugsweise folgendermaßen zur Nachreichung auf (Vergabeakt):

 

"...

 

Das Angebot ist leider unvollständig. Wir fordern Sie daher auf, folgende Nachweise gemäß den Bestimmungen der Ausschreibungsunterlagen nachzubringen:

 

1. Die letztgültige Kontobestätigung oder Unbedenklichkeitsbescheinigung der zuständigen Sozialversicherungsanstalt (am Tag der Angebotsöffnung am 06.08.2019 nicht älter als 3 Monate), da kein entsprechender Nachweis beigelegt wurde, weil der vorgelegte Auszug aus dem Beitragskonto (WEBEKU) nicht den Anforderungen der Ausschreibungsunterlagen entspricht.

 

.."

 

1.6. Die Bieterin zwei legte auf Nachforderung der Auftraggeberinnen vom 23.09.2019 einen Kontoauszug der Wiener Gebietskrankenkasse vor. Dieser umfasste den Beitragszeitraum von zwei Monaten. Der in dem Kontoauszug erfasste Beitragszeitraum endete mehr als ein Kalendermonat vor dem Tag der Angebotsöffnung. Zahlungen nach dem Ende des Beitragszeitraumes laut Kontoauszug wurden nicht berücksichtigt. Der Kontoauszug zeigt im Beitragszeitraum die Daten "Text", "Buchungsdatum", Wertstellungsdatum", "Bewegungen in €" (unterteilt in "Soll" und "Haben"), "Kontosaldo in €", "Buchungszustand", sowie in der letzten Zeile zur Spalte "Kontosaldo in €" einen allfälligen Rückstand.

 

Auf dem Kontoauszug befindet sich links folgender Text:

 

"Dieses Dokument ist amtssigniert. Informationen zur Prüfung des Ausdrucks: http://www.sozialversicherung.at/amtssignatur ".

 

1.7. Mit Schreiben vom 22.11.2019, an die Antragstellerin versendet am 29.11.2019, teilten die Auftraggeberinnen der Antragstellerin mit, dass das Angebot der Antragstellerin auszuscheiden gewesen war und begründete dies auszugweise wie folgt (Beilage ./A zu OZ 1, Vergabeakt):

 

"

 

... Ihr Angebot ist gemäß § 141 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018 auszuscheiden, da die gemäß Aus schreibungsunterlagen verlangte Eignung nicht nachgewiesen wurde.

 

Zum Nachweis der beruflichen Zuverlässigkeit war gemäß Rz. 97 der Allgemeinen Ausschrei-bungsbedingungen unter anderem die letztgültige Kontobestätigung oder Unbedenklichkeits-bescheinigung des zuständigen Sozialversicherungsträgers vorzulegen.

 

Das Mitglied der Bietergemeinschaft XXXX legte ihrem Angebot keinen entsprechenden Nachweis vor. Sie wurde daher am 23.09.2019 aufgefordert, den Nachweis nachzureichen. Dieser Aufforderung kamen Sie nicht nach, da Sie, anstelle des geforderten Nachweises, einen Kontoauszug der WGKK für die Zeit vom ....2019 bis ....2019 nachreichten, welcher jedoch kein korrekter Nachweis gemäß den Festlegungen in den Allgemeinen Ausschreibungsbedingungen ist.

 

Somit haben Sie trotz Aufforderung die erforderlichen Auskünfte betreffend die Eignung nicht erteilt und liegt somit der Ausschlussgrund gemäß § 78 Abs. 1 Z 10 BVergG 2018 vor und ist Ihr Angebot demnach gemäß § 141 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018 auszuscheiden.

 

Darüber hinaus ist auch der Ausscheidenstatbestand des § 141 Abs. 2 BVergG 2018 erfüllt und Ihr Angebot auch aus diesem Grund auszuscheiden, da eine weitere Mängelbehebung dem Prinzip der Gleichbehandlung widersprechen würde.

 

Folglich ist Ihr Angebot in den Losen 1 - 30 gemäß § 141 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018 und § 141 Abs. 2 BVergG 2018 auszuscheiden.

 

..:"

 

1.8. Am 29.11.2019 gaben die Auftraggeberinnen die Auswahlentscheidung bekannt. Die Auftraggeberinnen gaben bekannt, dass sie beabsichtigte, die Rahmenvereinbarung in den Losen 8, 9 und 28 mit folgenden Bietern abzuschließen (Beilage ./B zu OZ 1):

 

* Hinsichtlich Los 8 mit der Bietergemeinschaft bestehend aus

 

XXXX

 

* Hinsichtlich Los 9 mit XXXX

 

* Hinsichtlich Los 28 mit XXXX

 

1.9. Die Antragstellerin entrichtete eine Pauschalgebühr in der Höhe von EUR XXXX (Zahlungsbestätigung, Beilage ./C zu OZ 1).

 

1.10. Die Auftraggeberinnen haben das Vergabeverfahren nicht widerrufen und den Zuschlag zu den Losen 8, 9 und 28 noch nicht erteilt (OZ 7).

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den jeweils in Klammer genannten Quellen. Diese sind die Unterlagen des Vergabeverfahrens, sowie Auskünfte, die nur die Auftraggeberinnen erteilen können.

 

2.2. Die Echtheit und Richtigkeit von herangezogenen Unterlagen hat keine der Verfahrensparteien bestritten. Diese Beweismittel sind daher echt. Ihre inhaltliche Richtigkeit steht außer Zweifel. Widersprüche in den Unterlagen traten nicht auf.

 

2.3. Jene Bestandteile der Angebotsprüfung der Auftraggeberinnen, die Rückschlüsse auf Details des Beitragskontos der Antragstellerin zulassen, wurden in den Feststellungen zum Schutz der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der Antragstellerin nur auszugsweise widergegeben. Diesbezüglich ist auf die ständige Rechtsprechung zur Geheimhaltung schutzwürdiger Angaben zu verweisen (VwGH 09.04.2013, 2011/04/0207).

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und zur formalen Zulässigkeit

 

3.1.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 328 Abs. 1 Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 - BVergG 2018), BGBl I 2018/65 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 327 BVergG 2018, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht über den oben wiedergegebenen Nachprüfungsantrag zu entscheiden. Somit liegt Senatszuständigkeit vor.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

 

3.1.2. Auftraggeberinnen im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 sind die Republik Österreich (Bund), die Bundesbeschaffung GmbH und die Bundesimmobilien GmbH. Sie sind öffentliche Auftraggeberinnen im Sinne des § 4 Abs. 1 Z 1 und 2 BVergG 2018. Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich gemäß § 7 BVergG 2018 um einen Dienstleistungsauftrag. Der geschätzte Auftragswert liegt jedenfalls über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs. 1 BVergG 2018, sodass es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt. Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018. Da das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 334 Abs. 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen eines Auftraggebers zuständig.

 

3.1.3. Die Anträge auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung vom 29.11.2019 und der Auswahlentscheidung vom 29.11.2019, jeweils zu den Losen 8, 9 und 28 wurden rechtzeitig eingebracht. Die Anträge enthalten alle in § 344 Abs. 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte. Ein Grund für eine Unzulässigkeit gemäß § 344 Abs. 2 BVergG 2018 liegt nicht vor. Die Antragstellerin entrichtete die Pauschalgebühren in der erforderlichen Höhe (§ 340 Abs. 1 Z 1, 3 und 4 BVergG 2018 iVm §§ 1 und 2 BVwG-Pauschalgebührenverordnung Vergabe 2018, BGBl II Nr 212/2018 - Dienstleistungsaufträge im Oberschwellenbereich).

 

3.2. Zu A) I. Abweisung des Antrages auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung

 

3.2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen BVergG 2018 lauten:

 

"Grundsätze des Vergabeverfahrens

 

§ 20. (1) Vergabeverfahren sind nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundsätze wie insbesondere der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter, der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit, der Transparenz sowie des freien und lauteren Wettbewerbes und unter Wahrung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit durchzuführen. Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige (geeignete) Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen.

 

...

 

4. Abschnitt

 

Eignung der Unternehmer

 

1. Unterabschnitt

 

Von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließende Unternehmer

 

Ausschlussgründe

 

§ 78. (1) Der öffentliche Auftraggeber hat - unbeschadet der Abs. 3 bis 5 - einen Unternehmer jederzeit von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen, wenn

 

...

 

6. der Unternehmer seine Verpflichtungen zur Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge oder der Steuern und Abgaben in Österreich oder nach den Vorschriften des Landes, in dem er seinen Sitz hat, nicht erfüllt hat und dies

 

a) durch eine rechtskräftige Gerichts- oder Verwaltungsentscheidung in Österreich oder gemäß den Vorschriften des Landes, in dem der Unternehmer seinen Sitz hat, festgestellt wurde, oder

 

b) durch den öffentlichen Auftraggeber auf andere geeignete Weise nachgewiesen wurde, oder

 

...

 

10. der Unternehmer sich bei der Erteilung von Auskünften betreffend die Eignung einer schwerwiegenden Täuschung schuldig gemacht hat, diese Auskünfte nicht erteilt hat oder die vom öffentlichen Auftraggeber zum Nachweis der Eignung geforderten Nachweise bzw. Bescheinigungen nicht vorgelegt, vervollständigt oder erläutert hat oder

 

...

 

(4) Der öffentliche Auftraggeber hat von einem Ausschluss gemäß Abs. 1 Z 6 Abstand zu nehmen, wenn

 

1. er festgestellt hat, dass der Unternehmer seinen Verpflichtungen zur Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge oder der Steuern und Abgaben dadurch nachgekommen ist, dass er die Zahlung vorgenommen oder eine verbindliche Vereinbarung im Hinblick auf die Entrichtung der fälligen Sozialversicherungsbeiträge, Steuern oder Abgaben - gegebenenfalls einschließlich etwaiger Zinsen oder Strafzahlungen - eingegangen ist, oder

 

2. nur ein geringfügiger Rückstand hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge oder der Steuern und Abgaben besteht oder

 

3. der Ausschluss aus anderen Gründen offensichtlich unverhältnismäßig wäre.

 

...

 

Nachweis der beruflichen Zuverlässigkeit

 

§ 82. (1) Der öffentliche Auftraggeber hat Nachweise für die Darlegung der beruflichen Zuverlässigkeit gemäß § 80 Abs. 1 Z 2 festzulegen, die belegen, dass in Bezug auf den Unternehmer kein Ausschlussgrund gemäß § 78 Abs. 1 vorliegt.

 

(2) Nachweise gemäß Abs. 1 sind

 

1. hinsichtlich § 78 Abs. 1 Z 1 die Strafregisterbescheinigung gemäß § 10 des Strafregistergesetzes 1968, BGBl. Nr. 277/1968, bzw. die Registerauskunft für Verbände gemäß § 89m des Gerichtsorganisationsgesetzes - GOG, RGBl. Nr. 217/1896, oder eine gleichwertige Bescheinigung eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde des Sitzstaates des Unternehmers,

 

2. hinsichtlich § 78 Abs. 1 Z 2 die Insolvenzdatei gemäß § 256 der Insolvenzordnung - IO, RGBl. Nr. 337/1914, oder gleichwertige Dokumente der zuständigen Behörden des Sitzstaates des Unternehmers,

 

3. hinsichtlich § 78 Abs. 1 Z 3 der Firmenbuchauszug gemäß § 33 des Firmenbuchgesetzes, BGBl. Nr. 10/1991, und die Auskunft aus dem Gewerbeinformationssystem Austria (GISA) gemäß § 365e Abs. 1 der Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994, oder gleichwertige Dokumente der zuständigen Behörden des Sitzstaates des Unternehmers, und

 

4. hinsichtlich § 78 Abs. 1 Z 6 die letztgültige Kontobestätigung bzw. Unbedenklichkeitsbescheinigung des zuständigen Sozialversicherungsträgers und die letztgültige Rückstandsbescheinigung gemäß § 229a der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, oder gleichwertige Dokumente der zuständigen Behörden des Sitzstaates des Unternehmers.

 

...

 

(4) Werden die in Abs. 2 genannten Nachweise im Herkunftsland des Unternehmers nicht ausgestellt oder werden darin nicht alle in § 78 Abs. 1 Z 1 bis 3 und 6 vorgesehenen Fälle erwähnt, kann der öffentliche Auftraggeber eine Bescheinigung über eine eidesstattliche Erklärung oder eine entsprechende, vor einer dafür zuständigen Gerichts- oder Verwaltungsbehörde, vor einem Notar oder vor einer dafür zuständigen Berufsorganisation des Herkunftslandes des Unternehmers abgegebene Erklärung des Unternehmers verlangen, dass kein Ausschlussgrund gemäß § 78 Abs. 1 Z 1 bis 3 und 6 vorliegt.

 

...

 

Ausscheiden von Angeboten

 

§ 141. (1) Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung hat der öffentliche Auftraggeber aufgrund des Ergebnisses der Prüfung folgende Angebote auszuscheiden:

 

...

 

2. Angebote von Bietern, deren Eignung nicht gegeben ist, oder

 

...

 

Einleitung des Verfahrens

 

§ 342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern

 

1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und

 

2. ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

 

...

 

Parteien des Nachprüfungsverfahrens

 

§ 346. (1) Parteien des Nachprüfungsverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht sind jedenfalls der Antragsteller und der Auftraggeber. Soweit eine zentrale Beschaffungsstelle ein Vergabeverfahren oder Teile eines Vergabeverfahrens als vergebende Stelle durchführt, tritt sie als Partei des Nachprüfungsverfahrens an die Stelle des Auftraggebers. Der Auftraggeber kann, soweit die zentrale Beschaffungsstelle an seine Stelle tritt, dem Nachprüfungsverfahren als Nebenintervenient beitreten; §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 und 19 Abs. 1 ZPO sind sinngemäß anzuwenden. Wird ein Vergabeverfahren von mehreren Auftraggebern gemeinsam durchgeführt, so bilden die in der Ausschreibung genannten Auftraggeber eine Streitgenossenschaft im Nachprüfungsverfahren. Die Bestimmungen der §§ 14 und 15 ZPO sind sinngemäß anzuwenden.

 

(2) Parteien des Nachprüfungsverfahrens sind ferner jene Unternehmer, die durch die vom Antragsteller begehrte Entscheidung unmittelbar in ihren rechtlich geschützten Interessen nachteilig betroffen sein können (Antragsgegner); insbesondere ist im Falle der Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung der für den Zuschlag in Aussicht genommene Bieter Partei des Nachprüfungsverfahrens.

 

(3) Der in einer Zuschlagsentscheidung für den Zuschlag in Aussicht genommene Bieter verliert seine Parteistellung, wenn er seine begründeten Einwendungen gegen die vom Antragsteller begehrte Entscheidung nicht binnen zehn Tagen ab Zustellung der Verständigung über die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens erhebt. Andere Parteien im Sinne des Abs. 2 verlieren ihre Parteistellung, wenn sie ihre begründeten Einwendungen gegen die vom Antragsteller begehrte Entscheidung nicht binnen zehn Tagen ab Bekanntmachung der Verfahrenseinleitung nach § 345 Abs. 1 erheben. Sofern eine mündliche Verhandlung vor Ablauf dieser Fristen stattfindet, können die Einwendungen spätestens in der mündlichen Verhandlung erhoben werden. § 42 Abs. 3 AVG gilt sinngemäß.

 

Nichtigerklärung von Entscheidungen des Auftraggebers

 

§ 347. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene gesondert anfechtbare Entscheidung eines Auftraggebers mit Erkenntnis für nichtig zu erklären, wenn

 

1. sie oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte rechtswidrig ist und

 

2. die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.

 

(2) Als Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen kommt insbesondere auch die Streichung von für Unternehmer diskriminierenden Anforderungen hinsichtlich technischer Leistungsmerkmale sowie hinsichtlich der wirtschaftlichen oder finanziellen Leistungsfähigkeit in der Ausschreibung in Betracht.

 

(3) Erklärt das Bundesverwaltungsgericht eine gesondert anfechtbare Entscheidung für nichtig, ist der Auftraggeber verpflichtet, in dem betreffenden Vergabeverfahren mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen."

 

3.2.2. Die Antragsvoraussetzungen gemäß § 342 Abs. 1 BVergG 2018 liegen bei der Antragstellerin bezüglich des Antrages auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung vor. Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Vertragsabschluss durch Abgabe des Angebotes nachgewiesen und einen drohenden Schaden aufgrund der Ausscheidensentscheidung in Form von Aufwendungen für die Teilnahme am Vergabeverfahren plausibel vorgebracht. Der Antragstellerin kommt jedenfalls Legitimation zur Überprüfung ihres eigenen Ausscheidens zu (VwGH 25.01.2011, 2009/04/0302).

 

3.2.3. Die Auftraggeberinnen begründen das Ausscheiden der Antragstellerin damit, dass die Antragstellerin in Bezug auf Bieterin zwei keinen Nachweis der beruflichen Zuverlässigkeit gemäß Rz. 97 ABB 02 in Form einer "letztgültigen Kontobestätigung oder Unbedenklichkeits-bescheinigung des zuständigen Sozialversicherungsträgers" vorgelegt hat. Es war daher zu klären, ob die von der Bieterin zwei im Vergabeverfahren vorgelegten Unterlagen einen Nachweis im Sinne der Rz. 97 ABB 02 darstellen.

 

Vorauszuschicken ist, dass die Ausschreibung im gegenständlichen Vergabeverfahren nicht angefochten wurde. Sie ist daher bestandsfest geworden und alle am Vergabeverfahren Beteiligten sind daran gebunden (st Rspr zB VwGH 14.04.2011, 2008/04/0065). Die von einem öffentlichen Auftraggeber festgelegten Kriterien sind von ihm selbst strikt einzuhalten (EuGH 14.12.2016, C-171/15 Connexxion Taxi Services, Rn 38). Zudem verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung, dass die an einer öffentlichen Ausschreibung interessierten Wirtschaftsteilnehmer bei der Abfassung ihrer Angebote die gleichen Chancen haben müssen, dass sie genau erkennen können, welche Bedingungen sie in dem Verfahren zu beachten haben, und dass sie die Gewissheit haben können, dass für alle Wettbewerber die gleichen Bedingungen gelten (EuGH 14.12.2016, C-171/15 Connexxion Taxi Services, Rn 39,. EuGH 02.06.2016, C-27/15 , Pizzo, Rn. 36). Die Auslegung von Ausschreibungsbestimmungen hat nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlichen fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt zu erfolgen. Im Zweifel sind Festlegungen in den Ausschreibungsbestimmungen gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu lesen. Auf den vermuteten Sinn und Zweck kommt es nicht an. Maßgeblich ist der objektive Erklärungswert (VwGH 01.02.2017, Ro 2016/04/0054).

 

Die Auftraggeberinnen verlangen von den Bietern gemäß Punkt 5.5.2. der AAB 02 Nachweise zur Überprüfung, ob der Unternehmer seine Verpflichtung zur Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge in Österreich erfüllt hat und damit, ob der Ausschlussgrund des § 78 Abs. 1 Z 6 BVergG 2018 vorliegt. Die Anforderung an die vorzulegenden Unterlagen gemäß Rz. 97 ABB 02 beruht auf § 82 Abs. 2 Z 4 BVergG 2018. Rz. 97 AAB 02 weicht insofern von den Vorgaben des § 82 Abs. 2 Z 4 BVergG 2018 sprachlich ab, als nach Rz. 97 AAB 02 eine letztgültige Kontobestätigung "oder" eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vorzulegen ist, nach der gesetzlichen Bestimmung hingegen eine letztgültige Kontobestätigung "bzw" eine Unbedenklichkeitsbescheinigung.

 

Zweck sämtlicher nach Rz. 97 AAB 02 vorzulegenden Unterlagen, somit sowohl der Kontobestätigung, als auch der Unbedenklichkeitsbescheinigung ist es, für den Auftraggeber die Prüfung zu ermöglichen, ob der Unternehmer seiner Verpflichtung zur Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge in Österreich nachkommt und ob somit der Ausschlussgrund des § 78 Abs. 1 Z 6 BVergG 2018 vorliegt. Entsprechend der Rechtsprechung des VwGH zur Rückstandsbescheinigung gemäß § 229a Bundesabgabenordnung (BAO) sollen die vom Unternehmer im Vergabeverfahren vorgelegten Unterlagen es dem Auftraggeber ermöglichen, das Vorliegen eines Ausschlussgrundes "ohne weiteren Ermittlungsaufwand zu prüfen" (VwGH 15.03.2017, Ra 2014/04/0052).

 

Nach dem Wortlaut der AAB 02 kann der Unternehmer entweder eine letztgültige Kontobestätigung oder eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Sozialversicherungsträgers vorlegen. Der Informationswert der Unbedenklichkeitsbescheinigung und die Kontobestätigung muss entsprechend der Judikatur dergestalt sein, dass der Auftraggeber prüfen kann, ob der Ausschlussgrund des § 78 Abs. 1 Z 6 BVergG 2018 vorliegt. Wesentlich ist dabei, dass es sich um ein Dokument handelt, das das vom Sozialversicherungsträger stammt und das eine Erklärung des Sozialversicherungsträgers in Bezug auf die Erfüllung der Verpflichtungen des Unternehmers zu Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge enthält. Dies ergibt sich schon aus den Formulierungen "Bescheinigung" und "Bestätigung" jeweils "des Sozialversicherungsträgers".

 

Es spricht auch für das Erfordernis der Vorlage einer Erklärung des Sozialversicherungsträgers zum Nachweis der beruflichen Zuverlässigkeit, dass auch im Zusammenhang mit dem Nachweis, dass Steuern und Abgaben in Österreich entrichtet wurden, eine Wissenserklärung der Steuerbehörde betreffend vollstreckbare Abgabenforderungen in Form einer Rückstandsbescheinigung gemäß § 229a BAO erforderlich ist. In den Materialien zu § 82 BVergG 2018 wird zur Rückstandsbescheinigung festgehalten: "...Gemäß § 229a BAO hat das Finanzamt auf Antrag des Abgabepflichtigen (eine elektronische Antragstellung via Finanz Online ist möglich) eine Rückstandsbescheinigung auszustellen. Diese Bescheinigung enthält den vollstreckbar aushaftenden Rückstand einschließlich jener Beträge, deren Einbringung gemäß § 231 BAO ausgesetzt wurde, oder die Feststellung, dass kein solcher Rückstand besteht. Der maßgebende Rückstand ist jener, der gemäß § 229 BAO als Gegenstand eines Rückstandsausweises in Betracht kommt. Gemäß § 231 BAO ausgesetzte Beträge gehören zum Rückstand im Sinn des § 229a BAO. Nicht hiezu gehören Abgabenschuldigkeiten, deren Einbringung gehemmt ist (zB bei Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO oder bei Zahlungserleichterungen nach § 212 BAO). Die Rückstandsbescheinigung gem. § 229a BAO ist eine Wissenserklärung der Steuerbehörde betreffend vollstreckbare Abgabenforderungen und dient als Nachweis für den Abgabenpflichtigen. Es handelt sich nicht um einen Bescheid...".

 

Da keine Gründe ersichtlich sind, warum für den Nachweis der Entrichtung von Sozialversicherungsabgaben geringere Anforderungen gelten sollen, als für den Nachweis der Entrichtung von Steuern und Abgaben, bedarf es auch im Zusammenhang mit der Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen einer Erklärung des Sozialversicherungsträgers, die sich auf die Erfüllung der Verpflichtungen des Unternehmers bezieht. Dies kann in Form einer Unbedenklichkeitsbescheinigung oder einer letztgültigen Kontobestätigung des Sozialversicherungsträgers erfolgen. Aufgrund einer Erklärung des Sozialversicherungsträgers ist der Auftraggeber ohne weitere Nachforschungen in der Lage, das Vorliegen des Ausschlussgrundes des § 78 Abs 1 Z 6 BVergG 2018 zu prüfen.

 

Nach der Ausschreibung hat diese Erklärung des Sozialversicherungsträgers nicht älter als drei Monate zu sein. Ausgehend vom dem Stichtag der Angebotseinreichung, nämlich dem 06.08.2019, durften die vorgelegten Dokumente nicht vor dem 06.05.2019 ausgestellt sein.

 

Die nach Rz. 98 AAB vorgesehene Eigenerklärung des Bieters kommt im Fall der Antragstellerin nicht in Betracht, weil sich dies nach dem Wortlaut der Ausschreibung nur auf Bieter bezieht, die ihren Sitz in einem Staat haben, in dem die Nachweise nach Rz. 97 AAB nicht ausgestellt werden. Da die Bieterin zwei ihren Sitz im Österreichischen Bundesgebiet hat, ist Rz. 97 auf sie nicht anwendbar.

 

3.2.4. Vor diesem Hintergrund ist auf die im Vergabeverfahren von der Antragstellerin, Bieterin zwei, vorgelegten Unterlagen folgendermaßen einzugehen: Die mit dem Angebot vorgelegte Kontoinformation enthielt in Bezug auf die Beitragszahlungen der Bieterin zwei sowie der Frage der Einhaltung der Verpflichtungen zu Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge keine Informationen. Im Nachprüfungsverfahren wurde nicht einmal von der Antragstellerin behauptet, dass die mit dem Angebot vorgelegte Kontoinformation ausreichend im Sinne der Rz. 97 AAB 02 gewesen sein sollte.

 

Der von der Bieterin zwei auf Nachforderung der Auftraggeberinnen vorgelegte Kontoauszug der Wiener Gebietskrankenkasse stammt zweifellos vom Sozialversicherungsträger. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Kontoauszug amtssigniert ist. Eine Amtssignatur im Sinne des E-Government-Gesetzes dient aber lediglich der Erkennbarkeit der Herkunft eines Dokumentes (§ 19 Abs. 2 E-Government-Gesetz). Der Umstand, dass der Kontoauszug vom Sozialversicherungsträger stammt, bedeutet noch nicht, dass es sich dabei um eine Erklärung des Sozialversicherungsträgers handelt. Der von der Bieterin zwei vorgelegte Kontoauszug enthält keine Erklärung des Sozialversicherungsträgers, sondern stellt eine Information über die Bewegungen auf dem Beitragskonto der Bieterin zwei in dem auf dem Kontoauszug angegebenen Beitragszeitraums dar. Ein- und Abgänge auf dem Beitragskonto der Bieterin zwei außerhalb des von der Bieterin zwei auf dem Kontoauszug angegebenen Beitragszeitraums werden nicht dargestellt. Es handelt sich bei dem Kontoauszug somit um eine isolierte Betrachtung des Buchungsstandes auf dem Beitragskonto der Bieterin zwei und nicht um eine Erklärung des Sozialversicherungsträgers betreffend die Erfüllung der Beitragspflichten. Der Kontoauszug ist schon begrifflich keine Kontobestätigung des Sozialversicherungsträgers, weil er in Bezug auf die Beitragszahlungen zur Sozialversicherung keine Erklärung des Sozialversicherungsträgers zum Inhalt hat. Der von der Bieterin zwei vorgelegte Kontoauszug stellt somit schon begrifflich keine "letztgültige Kontobestätigung" im Sinne der Rz. 97 AAB 02 und des § 82 Abs. 2 Z 4 BVergG 2018 dar. des Sozialversicherungsträgers zum Inhalt hat.

 

Würde man den Kontoauszug betreffend die Sozialversicherungsbeiträge zu einem vom Unternehmer festgelegten Beitragszeitraum einer "letztgültigen Kontobestätigung" im Sinne des § 82 Abs. 1 Z 4 BVergG 2018 gleichhalten, hätte der Unternehmer die Möglichkeit, einen Beitragszeitraum auszuwählen, der keinen Rückstand ausweist. Damit wäre aber zur Frage, ob der Unternehmer seinen Pflichten zur Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge nach dem Wissen des Sozialversicherungsträgers nachkommt, nichts gesagt, weil nur ein stichtags- oder beitragsbezogener Zeitraum in dem Kontoauszug erfasst wäre. Der Unternehmer hätte es damit in der Hand, Zeiträume, in denen ausscheidensrelevante Rückstände bestehen, im Vergabeverfahren vorzuenthalten. Damit würde der Zweck der Vorlage der Kontobestätigung als Nachweis zum Nichtvorliegen eines Ausschlussgrundes des § 78 Abs. 1 Z 6 BVergG 2018 gerade nicht erreicht, weil der Auftraggeber auf Basis eines Kontoauszuges nicht ersehen kann, ob außerhalb des vom Unternehmer angegebenen Beitragszeitraums Rückstände beim Sozialversicherungsträger bestehen.

 

Der von der Bieterin zwei vorgelegte Kontoauszug stellt somit keine "letztgültige Kontobestätigung" im Sinne der Rz. 97 AAB 02 und des § 82 Abs. 2 Z 4 BVergG 2018 dar. Diese Auslegung steht im Einklang mit der Rechtsprechung, weil die Auftraggeberinnen auf Basis des vorgelegten Kontoauszuges nicht ohne weiteren Ermittlungsaufwand bestimmen konnten, ob die Bieterin zwei ihren Verpflichtungen zur Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge nachgekommen ist und somit der Ausschlussgrund des § 78 Abs. 1 Z 6 BVergG 2018 nicht besteht. Entsprechend dieser Auslegung stellt der vorgelegte Kontoauszug auch keine Unbedenklichkeitsbescheinigung dar; dies wurde von der Antragstellerin auch nicht behauptet.

 

Die Antragstellerin hat die nach Rz. 97 AAB 02 geforderten Nachweise der Eignung bzw.- Bescheinigungen im Vergabeverfahren auf Aufforderung der Auftraggeberinnen hin somit nicht vorgelegt. Der Ausschlussgrund des § 78 Abs. 1 Z 10 BVergG 2018 betrifft nach seinem Wortlaut den Ausschluss des Unternehmers bei nicht rechtzeitiger Vorlage bzw. Vervollständigung oder Erläuterung von Eignungsnachweisen (Deutschmann/Heid in Heid/Reisner/Deutschmann/Hofbauer, BVergG 2018 § 78 RZ 41, § 141 RZ 18). Die Auftraggeberinnen haben daher zu Recht den Ausschlussgrund des § 78 Abs. 1 Z 10 BVergG 2018 herangezogen. Eine nochmalige Aufforderung zur Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung oder einer letztgültigen Kontobestätigung im Sinne der Rz. 97 AAB 02 war im Hinblick auf die Gleichbehandlung aller Bieter nicht zulässig.

 

Entsprechend der Rechtsprechung muss bei einer Bietergemeinschaft die Zuverlässigkeit aller Mitglieder gegeben sein. Das Vorliegen eines Ausschlussgrundes bei einem Mitglied der Bietergemeinschaft führt dazu, dass die Bietergemeinschaft als solches nicht als zuverlässig anzusehen ist (VwGH 26 06. 2019, RA 2018/04/0161).

 

Die Auftraggeberinnen haben die Antragstellerin somit mit Schreiben vom 22.11.2019, an die Antragstellerin versendet am 29.11.2019, zu Recht ausgeschieden.

 

Da die vorgebrachte Rechtswidrigkeit der Ausscheidenentscheidung nicht vorliegt, ist der Antrag der Antragstellerin samt Eventualanträgen auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung vom 29.11.2019 abzuweisen. Dies erfolgte gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 334 Abs. 2 Z 2 BVergG 2018 mit Erkenntnis.

 

3.3. Zu A) II. Zurückweisung des Antrages auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung

 

3.3.1. Die Antragstellerin hat zu den Losen 8 und 9 lediglich vorgebracht, dass sie im Fall der Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung als Partnerin der Rahmenvereinbarung vorzusehen gewesen wäre; sie hat insbesondere nicht vorgebracht, dass die Angebote der jeweiligen präsumtiven Zuschlagsempfängerin oder anderer im Vergabeverfahren verbliebener Bieter ausgeschieden hätten werden müssen. Zur Auswahlentscheidung betreffend Los 28 brachte die Antragstellerin vor, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin sowie zwei andere Bieter zu Los 28 aufgrund einer nicht erklärbaren Kalkulation ausgeschieden hätte werden müssen.

 

Die Antragstellerin erstattete aber kein plausibles Vorbringen dazu, dass die Auftraggeberinnen im Falle des Ausscheidens der präsumtiven Zuschlagsempfänger gezwungen sein könnten, eine Neuausschreibung durchzuführen. Hinweise darauf ergaben sich auch nicht aus dem Vergabeakt. Ein plausibles Vorbringen zu einem drohenden Schaden in Form der fehlenden Teilnahmemöglichkeit an einem neu auszuschreibenden Vergabeverfahren ist aber nach der Judikatur erforderlich, damit die Antragslegitimation eines ausgeschiedenen Bieters in Bezug auf die Zuschlagsentscheidung überhaupt in Frage kommen kann (vgl. VwGH 29.01.2018, Ra 2016/04/0086 unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zu Fastweb, C-200/12 und PFE, C-689/13 )

 

Eine Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidungen zu Los 8, 9 und 28, die einen Schaden der ausgeschiedenen Antragstellerin im Sinne einer fehlenden Teilnahmemöglichkeit an einer Neuausschreibung bewirken könnte, ist damit nicht ersichtlich.

 

Die Ausscheidensentscheidung der Auftraggeberinnen ist mit Spruchpunkt A) I. dieses Erkenntnisses rechtskräftig geworden (VwGH 01.02.2017, Ro 2014/04/0069). Damit steht fest, dass das Angebot der Antragstellerin bei der Zuschlagsentscheidung von den Auftraggeberinnen nicht zu berücksichtigen war. Damit fehlt es der Antragstellerin hinsichtlich der Zuschlagsentscheidung an der Antragsvoraussetzung des 342 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018, zumal ihr als ausgeschiedener Bieterin durch die Zuschlagsentscheidung kein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

 

3.3.2. Der Antragstellerin kommt somit hinsichtlich der Auswahlentscheidung keine Antragslegitimation mehr zu (vgl. VwGH 01.02.2017, Ro 2014/04/0069). Der Antrag der Antragstellerin auf Nichtigerklärung der Auswahlentscheidung vom 22.11.2019 (zugegangen am 29.11.2019) war somit mangels Antragslegitimation zurückzuweisen. Dies erfolgte gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVW iVm § 334 Abs. 2 Z 2 BVergG 2018 mit Beschluss.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Zu B) I.:

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Im gegenständlichen Fall war Beurteilungsgegenstand die Auslegung der Bestimmungen der Ausschreibung zum Begriff der "letztgültigen Kontobestätigung" (§ 82 Abs 2 Z 4 BVergG 2018). Dies konnte anhand der unter A) I. widergegebenen Leitlinien der Rechtsprechung zur Auslegung von Ausschreibungsbestimmungen und der bestehenden Rechtsprechung zur Rückstandsbescheinigung gemäß § 229a BAO (VwGH 15.03.2017, Ra 2014/04/0052) erfolgen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Zu B) II.:

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die Antragslegitimation der Antragstellerin konnte anhand der unter

A) II. widergegebenen Rechtsprechung des VwGH und des EuGH geklärt

werden. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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