BVwG W273 2188533-1

BVwGW273 2188533-125.3.2020

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:W273.2188533.1.00

 

Spruch:

W273 2188533-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Isabel FUNK-LEISCH als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. AFGHANISTAN, vertreten durch: Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Burgenland vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Die Erstbefragung fand am XXXX statt, die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) fand am XXXX statt.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.). Es wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.-V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde. Er brachte im Wesentlichen vor, dass er in Afghanistan zuletzt bei einer Firma in Kandahar beschäftigt gewesen sei, welche die NATO-Streitkräfte mit Gemüse beliefert habe. Aufgrund seiner Zusammenarbeit mit ausländischen Auftraggebern sei er persönlich und telefonisch von Mitgliedern der Taliban bedroht worden. Diese hätten ihn auch versucht zu überreden, dass er für sie arbeite.

4. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX eine mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer erschien unentschuldigt nicht.

5. Mit Ladungsbeschluss vom XXXX wurde der Beschwerdeführer zur mündlichen Verhandlung am XXXX als Partei geladen.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX eine mündliche Verhandlung durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Er ist sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari. Er ist ledig und kinderlos.

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Parwan geboren und wuchs in Parwan sowie in Kabul gemeinsam mit seinen Eltern und seinen zehn Geschwistern auf. Der Beschwerdeführer besuchte sieben Jahre lang die Schule in Kabul.

Der Beschwerdeführer verfügt über Berufserfahrung. Er arbeitete im Geschäft seines Vaters mit, eröffnete selbst ein eigenes Geschäft und war später am Flughafen in Kabul als Schweißer und Spengler tätig. Kurze Zeit arbeitete er in einer Speditionsfirma. Zuletzt war bei dem Unternehmen XXXX als Sicherheitsmann für den Innenbereich sowie für Elektroarbeiten in Parwan und Kandahar zuständig. Das Unternehmen XXXX verpackt Obst und Gemüse und bringt dieses in Containern zum Flughafen Kandahar.

Der Beschwerdeführer ist nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan im Rahmen seiner Tätigkeit als Sicherheitsmann für den Innenbereich und Elektriker für ein Unternehmen, welches Gemüse zum Flughafen Kandahar lieferte, von den Taliban weder telefonisch noch persönlich bedroht. Der Beschwerdeführer wurde von den Taliban auch nicht gesucht. Die Familie des Beschwerdeführers wurde wegen der Tätigkeit des Beschwerdeführers ebenfalls nicht von den Taliban gesucht, bedroht oder verfolgt.

Der Beschwerdeführer wurde nicht von den Taliban aufgefordert, mit ihnen zusammen zu arbeiten oder diese zu unterstützen. Der Beschwerdeführer wurde von den Taliban weder angesprochen, noch angeworben und hatte in Afghanistan auch sonst keinen Kontakt zu den Taliban.

Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen. Dem Beschwerdeführer droht aufgrund seiner Tätigkeit für die Firma XXXX bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine Gefahr der Verfolgung durch die Taliban oder durch anderer Personen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer auch keine Zwangsrekrutierung durch die Taliban oder durch andere Personen.

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Sunniten oder zur Volksgruppe der Tadschiken konkret und individuell weder physische noch psychische Gewalt.

Der Beschwerdeführer ist bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land weder psychischer noch physischer Gewalt ausgesetzt.

1.3. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich seit zumindest XXXX durchgehend in Österreich auf. Er ist in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig.

Der Beschwerdeführer verfügt über geringe Deutschkenntnisse. Der Beschwerdeführer besuchte Integrationskurse.

Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung und geht keiner Erwerbstätigkeit nach.

Der Beschwerdeführer ist ehrenamtlich tätig.

Der Beschwerdeführer konnte in Österreich Freundschaften zu österreichischen StaatsbürgerInnen knüpfen. Der Beschwerdeführer verfügt, abgesehen von einem Cousin, weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen (Ehefrau, Kinder, etc.) in Österreich. Zu seinem Cousin besteht kein finanzielles oder sonstiges Naheverhältnis.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer ist gesund, arbeits- und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer hat am linken Auge eine Art Muttermal, die Sehkraft ist dadurch nicht beeinträchtigt.

1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

1.4.1. Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr in die Provinz Parwan aufgrund der dort herrschenden allgemeinen Sicherheitslage kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit. Die sichere Erreichbarkeit der Heimatprovinz Parwan ist nicht gewährleistet, zumal der Beschwerdeführer durch die Provinz Kabul müsste, um nach Parwan zu gelangen.

Die Eltern des Beschwerdeführers leben derzeit in der Provinz Parwan. Der Vater des Beschwerdeführers betreibt einen Laden, einen weiteren hat er vermietet. Sämtliche Geschwister des Beschwerdeführers leben in Kabul, wo der Vater des Beschwerdeführers früher ein Lebensmittelgeschäft betrieb, in dem auch Gas und Benzin verkauft wurden. Die wirtschaftliche Lage der Familie ist gut. Der Vater des Beschwerdeführers verfügt neben seinem Wohnhaus und seinem Geschäft auch über Grundstücke, einen Obstgarten und zwei Autos. Der Beschwerdeführer steht in Kontakt zu seinen Familienangehörigen. Der Beschwerdeführer kann zumindest anfänglich mit finanzieller Unterstützung durch seine Eltern rechnen. Der Beschwerdeführer unterstützt seine Familie derzeit finanziell nicht.

Der Beschwerdeführer kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

1.4.2. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen und sich selber erhalten.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.4.3. Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es mit Stand 25.03.2020, 09:07 Uhr, 5.585 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 30 Todesfälle; in Afghanistan wurden zu diesem Zeitpunkt 74 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei zwei diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden.

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

1.5.1. Allgemeine Sicherheitslage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (LIB, Kapitel 2).

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren (LIB, Kapitel 3). Die Hauptlast einer unsicheren Sicherheitslage in der jeweiligen Region trägt die Zivilbevölkerung (UNHCR, Kapitel II. B)

Für die Sicherheit in Afghanistan sind verschiedene Organisationseinheiten der afghanischen Regierungsbehörden verantwortlich. Die Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan National Police (ANP) und die Afghan Local Police (ALP). Die Afghan National Army (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Die ALP wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB, Kapitel 5).

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv, welche eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität in Afghanistan darstellen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und Angriffen auf staatliche Einrichtungen und gegen Gläubige und Kultstätten bzw. religiöse Minderheiten aus. (LIB, Kapitel 3)

1.5.2. Allgemeine Wirtschaftslage

Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant. Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (LIB, Kapitel 21).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen, wobei Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen können. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB Kapitel 21).

In den Jahren 2016-2017 lebten 54,5% der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Immer mehr Menschen greifen auf negative Bewältigungsmechanismen wie Kleinkriminalität, Kinderehen, Kinderarbeit und Betteln zurück, von denen insbesondere Binnenvertriebene betroffen sind. Der Zugang zu einer produktiven oder entgeltlichen Beschäftigung ist begrenzt, 80% der Beschäftigung gelten als anfällig und unsicher in Form von Selbst- oder Eigenbeschäftigung, Tagarbeit oder unbezahlter Arbeit. Der saisonale Effekt ist erheblich. Die Arbeitslosenquote ist in den Frühlings- und Sommermonaten relativ niedrig (rund 20%), während sie im Winter 32,5% erreichen kann (EASO, Common Analysis Afghanistan, Kapitel V).

Nach einer Zeit mit begrenzten Bankdienstleistungen, entstehen im Finanzsektor in Afghanistan schnell mehr und mehr kommerzielle Banken und Leistungen. Die kommerziellen Angebote der Zentralbank gehen mit steigender Kapazität des Finanzsektors zurück. Es ist mittlerweile auch relativ einfach, in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen (LIB, Kapitel 21).

Über Jahrhunderte hat sich eine Form des Geldaustausches entwickelt, welche Hawala genannt wird. Dieses System, welches auf gegenseitigem Vertrauen basiert, funktioniert schnell, zuverlässig und günstig. Spezielle Dokumente sind nicht notwendig und der Geldtransfer ist weltweit möglich. Hawala wird von den unterschiedlichsten Kundengruppen in Anspruch genommen: Gastarbeiter, die ihren Lohn in die Heimat transferieren wollen, große Unternehmen und Hilfsorganisationen bzw. NGOs, aber auch Terrororganisationen (LIB, Kapitel 21).

Im Zeitraum von 2016 bis 2017 waren 44,6% der afghanischen Bevölkerung sehr stark bis mäßig von Lebensmittelunsicherheit betroffen. In allen Wohnbevölkerungsgruppen war seit 2011 ein Anstieg festzustellen, wobei der höchste Anstieg in den ländlichen Gebieten zu verzeichnen war (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Afghanistans jährliche Wachstumsrate der städtischen Bevölkerung gehört zu den höchsten der Welt. Kabul war das Zentrum des Wachstums, und der Rest der städtischen Bevölkerung konzentriert sich hauptsächlich auf vier andere Stadtregionen: Herat, Mazar-e Sharif, Kandahar und Jalalabad. Die große Mehrheit (72%, basierend auf ALCS-Zahlen für 2016-2017) der afghanischen Stadtbevölkerung lebt in Slums oder in ungenügenden Wohnungen. 86% der städtischen Häuser in Afghanistan können gemäß der Definition von UN-Habitat als Slums eingestuft werden. Der Bericht über den Zustand afghanischer Städte stellte fest, dass der Zugang zu angemessenem Wohnraum für die Mehrheit der Afghanen in den Städten eine große Herausforderung darstellt. (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

In den Städten besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Darüber hinaus bietet die Städte die Möglichkeit von "Teehäusern", die mit 30 Afghani (das sind ca. € 0,35) bis 100 Afghani (das sind ca. € 1,20) pro Nacht relativ günstig sind. "Teehäuser" werden von Reisenden, Tagesarbeitern, Straßenhändlern, jungen Menschen, alleinstehenden Männern und anderen Personen, die in der Gegend keine ständige Unterkunft haben, als vorübergehende Unterkunft genutzt (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V). Man muss niemanden kennen, um eingelassen zu werden (EASO Bericht Afghanistan Netzwerke, Kapital 4.2.)

Der Zugang zu sauberem Trinkwasser sowie angemessenen sanitären Einrichtungen hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, wie Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, war in den Städten im Allgemeinen besser als auf dem Land. Der Zugang zu Trinkwasser ist für viele Afghanen jedoch nach wie vor ein Problem, und die sanitären Einrichtungen sind weiterhin schlecht (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

1.5.3. Medizinische Versorgung

Das afghanische Gesundheitsministerium gab an, dass 60 % der Menschen im April 2018 Zugang zu Gesundheitsdiensten hatten, wobei der Zugang als eine Stunde Fußweg zur nächsten Klinik definiert wurde. Trotz der Tatsache, dass die Gesundheitsversorgung laut afghanischer Verfassung kostenlos sein sollte, müssen die Menschen in vielen öffentlichen Einrichtungen für Medikamente, Arzthonorare, Labortests und stationäre Versorgung bezahlen. Hohe Behandlungskosten sind der Hauptgrund, weswegen die Behandlung vermieden wird (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre, als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (LIB, Kapitel 22).

Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar. (LIB, Kapitel 22.1)

1.5.4. Ethnische Minderheiten

In Afghanistan sind ca. 40 - 42% Paschtunen, rund 27 - 30% Tadschiken, ca. 9 - 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt. Soziale Gruppen werden in Afghanistan nicht ausgeschlossen und kein Gesetz verhindert die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben. Es kommt jedoch im Alltag zu Diskriminierungen und Ausgrenzungen ethnischer Gruppen und Religionen sowie zu Spannungen, Konflikten und Tötungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (LIB, Kapitel 17).

Die Volksgruppe der Tadschiken ist die zweitgrößte Volksgruppe in Afghanistan, sie machen etwa 27-30% der afghanischen Gesellschaft aus und hat deutlichen politischen Einfluss im Land. In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Tadschiken sind in zahlreichen politischen Organisationen und Parteien vertreten, sie sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (LIB, Kapitel 17.2). Tadschiken sind allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit in Afghanistan weder psychischen noch physischen Bedrohungen ausgesetzt.

1.5.5. Religionen

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon 80 - 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB Kapitel 16).

1.5.6. Allgemeine Menschenrechtslage

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, die durch die afghanische Verfassung und einschlägige völkerrechtliche Verträge garantierten Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB, Kapitel 11).

Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden nach wie vor in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betroffenen Gebiete tatsächlich kontrolliert (UNHCR, Kapitel II. C. 1).

Die Fähigkeit der Regierung, Menschenrechte zu schützen, wird durch die Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte untergraben. Insbesondere ländliche und instabile Gebiete leiden unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden (UNHCR, Kapitel II. C. 2).

1.5.7. Bewegungsfreiheit und Meldewesen

Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Afghanen dürfen sich formell im Land frei bewegen und niederlassen (LIB, Kapitel 19).

Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, keine Datenbanken mit Adress- oder Telefonnummerneinträgen und auch keine Melde- oder Registrierungspflicht. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (LIB, Kapitel 19.1).

1.5.8. Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB, Kapitel 2).

Taliban:

Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten bestehen die Taliban bereits überwiegend aus Nicht-Paschtunen, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB, Kapitel 2).

Die Gesamtstärke der Taliban betrug im Jahr 2017 über 200.000 Personen, darunter ca. 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan (LIB, Kapitel 2).

Zwischen 01.12.2018 und 31.05.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zum Ziel - die Taliban beschränken ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte (LIB, Kapitel 2).

Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten", unter anderem Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte jeden Ranges, oder Regierungsbeamte und Mitarbeiter westlicher und anderer "feindlicher Regierungen, Kollaborateure oder Auftragnehmer der afghanischen Regierung oder des ausländischen Militäres, oder Dolmetscher, die für feindliche Länder arbeiten. Die Taliban bieten diesen Personen grundsätzlich die Möglichkeit an, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Die Chance zu bereuen, ist ein wesentlicher Aspekt der Einschüchterungstaktik der Taliban und dahinter steht hauptsächlich der folgende Gedanke: das Funktionieren der Kabuler Regierung ohne übermäßiges Blutvergießen zu unterminieren und Personen durch Kooperationen an die Taliban zu binden. Diese Personen können einer "Verurteilung" durch die Taliban entgehen, indem sie ihre vermeintlich "feindseligen" Tätigkeiten nach einer Verwarnung einstellen. (Landinfo 1, Kapitel 4)

Haqani-Netzwerk:

Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida. Als gefährlichster Arm der Taliban, hat das Haqqani-Netzwerk seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt und ist für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich (LIB, Kapitel 2).

Islamischer Staat (IS/DaesH) - Islamischer Staat Khorasan Provinz:

Die Stärke des ISKP variiert zwischen 1.500 und 3.000, bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern bzw. ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Der IS ist seit Sommer 2014 in Afghanistan aktiv. Durch Partnerschaften mit militanten Gruppen konnte der IS seine organisatorischen Kapazitäten sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan stärken. Er ist vor allem im Osten des Landes in der Provinz Nangarhar präsent (LIB, Kapitel 2).

Neben komplexen Angriffen auf Regierungsziele, verübte der ISKP zahlreiche groß angelegte Anschläge gegen Zivilisten, insbesondere auf die schiitische-Minderheit. Die Zahl der zivilen Opfer durch ISKP-Handlungen hat sich dabei 2018 gegenüber 2017 mehr als verdoppelt, nahm im ersten Halbjahr 2019 allerdings wieder ab. Die Taliban und der IS sind verfeindet. Während die Taliban ihre Angriffe überwiegend auf Regierungszeile bzw. Sicherheitskräfte beschränken, zielt der IS darauf ab konfessionelle Gewalt zu fördern und Schiiten anzugreifen (LIB, Kapitel 2).

Al-Qaida:

Al-Qaida sieht Afghanistan auch weiterhin als sichere Zufluchtsstätte für ihre Führung, basierend auf langjährigen und engen Beziehungen zu den Taliban. Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen (LIB, Kapitel 2).

1.5.8.1. Rekrutierung durch die Taliban:

Menschen schließen sich den Taliban zum einen aus materiellen und wirtschaftlichen Gründen zum anderen aus kulturellen und religiösen Gründen an. Die Rekruten sind durch Armut, fehlende Chancen und die Tatsache, dass die Taliban relativ gute Löhne bieten, motiviert. Es spielt auch die Vorstellung, dass die Behörden und die internationale Gemeinschaft den Islam und die traditionellen Standards nicht respektieren würden, eine zentrale Rolle, wobei sich die Motive überschneiden. Bei Elitetruppen sind beide Parameter stark ausgeprägt. Sympathisanten der Taliban sind Einzelpersonen und Gruppen, vielfach junger Männer, deren Motiv der Wunsch nach Rache, Heldentum gepaart mit religiösen und wirtschaftlichen Gründen sind (Landinfo 2, Kapitel 4.1). Die Billigung der Taliban in der Bevölkerung ist nicht durch religiöse Radikalisierung bedingt, sondern Ausdruck der Unzufriedenheit über Korruption und Misswirtschaft (Landinfo 2, Kapitel 4.1.1).

Die Taliban sind aktiver als bisher bemüht Personen mit militärischem Hintergrund sowie mit militärischen Fertigkeiten zu rekrutieren. Die Taliban versuchen daher das Personal der afghanischen Sicherheitskräfte auf ihre Seite zu ziehen. Da ein Schwerpunkt auf militärisches Wissen und Erfahrungen gelegt wird, ist mit einem Anstieg des Durchschnittsalters zu rechnen Landinfo 2, Kapitel 3). Durch das Anwerben von Personen mit militärischem Hintergrund bzw. von Mitgliedern der Sicherheitskräfte erhalten Taliban Waffen, Uniformen und Wissen über die Sicherheitskräfte. Auch Personen die über Knowhow und Qualifikationen verfügen (z.B. Reparatur von Waffen), können von Interesse für die Taliban sein (Landinfo 2, Kapitel 5.1).

Die Mehrheit der Taliban sind Paschtunen. Die Rekrutierung aus anderen ethnischen Gruppen ist weniger üblich. Um eine breitere Außenwirkung zu bekommen, möchte die Talibanführung eine stärkere multiethnische Bewegung entwickeln. Die Zahl der mobilisierten Hazara ist unerheblich, nur wenige Kommandanten der Hazara sind mit Taliban verbündet. Es ist für die Taliban wichtig sich auf die Rekruten verlassen zu können (Landinfo 2, Kapitel 3.3).

Die Taliban waren mit ihrer Expansion noch nicht genötigt Zwangsmaßnahmen zur Rekrutierung anzuwenden. Zwangsrekrutierung ist noch kein herausragendes Merkmal für den Konflikt. Die Taliban bedienen sich nur sehr vereinzelt der Zwangsrekrutierung, indem sie männliche Dorfbewohner in von ihnen kontrollierten Gebieten, die mit der Sache nicht sympathisieren, zwingen, als Lastenträger zu dienen (Landinfo 2, Kapitel 5.1). Die Taliban betreiben eine Zwangsrekrutierung nicht automatisch. Personen die sich gegen die Rekrutierung wehren, werden keine rechtsverletzenden Sanktionen angedroht. Eine auf Zwang beruhende Mobilisierungspraxis steht auch den im Pashtunwali (Rechts- und Ehrenkodex der Paschtunen) enthaltenen fundamentalen Werten von Familie, Freiheit und Gleichheit entgegen. Es kommt nur in Ausnahmefällen und nur in sehr beschränktem Ausmaß zu unmittelbaren Zwangsrekrutierungen durch die Taliban. Die Taliban haben ausreichend Zugriff zu freiwilligen Rekruten. Zudem ist es schwierig einen Afghanen zu zwingen, gegen seinen Willen gegen jemanden oder etwas zu kämpfen (Landinfo 2, Kapitel 5.1).

Im Kontext Afghanistans verläuft die Grenze zwischen Jungen und Mann fließend. Ausschlaggebend für diese Beurteilung sind Faktoren wie Pubertät, Bartwuchs, Mut, Unabhängigkeit, Stärke und die Fähigkeit die erweiterte Familie zu repräsentieren. Der Familienälteste ist das Oberhaupt, absolute Loyalität gegenüber getroffenen Entscheidungen wird vorausgesetzt. Kinder unterstehen der Obrigkeit der erweiterten Familie. Es stünde im Widerspruch mit der afghanischen Kultur, würde man Kinder gegen den Wunsch der Familie und ohne entsprechende Entscheidung des Familienverbandes aus dem Familienverband "herauslösen" (Landinfo 2, Kapitel 6).

1.5.9. Provinzen und Städte

1.5.9.1. Provinz Parwan

Parwan liegt im zentralen Teil Afghanistans. Die Provinz hat 724.561 Einwohner. Die Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Paschtunen, Tadschiken, Usbeken, Qizilbash, Kuchi und Hazara (LIB, Kapitel 3.28).

Die Provinz Parwan zählt zu den relativ friedlichen Provinzen Afghanistans, in deren abgelegenen Distrikten Aufständische oftmals den Versuch unternehmen, terroristische Aktivitäten auszuführen. In manchen Distrikten der Provinz hat sich die Sicherheitslage in den vergangenen Jahren verschlechtert. Im August 2018 waren Taliban-Aufständische in den Distrikten Koh-e-Safi, Sayyid Khel, Shinwari, Siyahgird und Surkhi Parsa aktiv. Von dort aus planten sie Angriffe auf die Provinzhauptstadt Charikar und die Luftwaffenbasis Bagram (größte NATO-Militärbasis in Afghanistan). In der Provinz werden Sicherheitsoperationen durch die afghanischen Sicherheitskräfte ausgeführt. Bei manchen dieser Operationen wurden auch Zivilisten getötet. Auch kommt es immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Aufständischen und afghanischen Streitkräften. Außerdem greifen Aufständische der Taliban, manchmal auch gemeinsam mit Al-Qaida, in regelmäßigen Abständen das Bagram Airfield an (LIB, Kapitel 3.28).

Parwan zählt zu jenen Provinzen, in denen willkürliche Gewalt auf einem so niedrigen Niveau stattfindet, dass im Allgemeinen kein reales Risiko besteht, dass ein Zivilist aufgrund willkürlicher Gewalt im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen wird. Es müssen jedoch immer einzelne Elemente berücksichtigt werden, da sie den Antragsteller in risikoreichere Situationen bringen könnten (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).

Im Jahr 2018 gab es 41 zivile Opfer (20 Tote und 21 Verletzte) in der Provinz Parwan. Dies entspricht einem Rückgang von 47% gegenüber 2017. Die Hauptursachen für zivile Opfer waren Bodenangriffe, gefolgt von Selbstmord-/komplexen Angriffen und Bodenangriffen (LIB, Kapitel 3.28).

1.5.9.2. Kabul

Die Provinz Kabul liegt im Zentrum Afghanistans. Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und auch ein Distrikt in der Provinz Kabul. Die Stadt Kabul ist die bevölkerungsreichste Stadt Afghanistans, sie hat 5.029.850 Einwohner. Kabul ist Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt (LIB, Kapitel 3.1). Die Stadt Kabul ist über Hauptstraßen mit den anderen Provinzen des Landes verbunden und verfügt über einen internationalen Flughafen (LIB Kapitel 3.1 und Kapitel 3.35).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul. Nichtsdestotrotz, führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele durch, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Die Hauptursache für zivile Opfer in der Provinz Kabul (596 Tote und 1.270 Verletzte im Jahr 2018) waren Selbstmord- und komplexe Angriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs) und gezielten Tötungen (LIB, Kapitel 3.1).

Kabul zählt zu jenen Provinzen, in denen es zu willkürlicher Gewalt kommt, jedoch nicht auf hohem Niveau. Dementsprechend ist ein höheres Maß an individuellen Risikofaktoren erforderlich, um wesentliche Gründe für die Annahme aufzuzeigen, dass ein in dieses Gebiet zurückgekehrter Zivilist einem realen ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie zu nehmen (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).

1.5.9.3. Mazar-e Sharif/ Herat

Mazar-e Sharif ist die Provinzhauptstadt von Balkh, einer ethnisch vielfältigen Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Sie hat 469.247 Einwohner und steht unter Kontrolle der afghanischen Regierung (LIB, Kapitel 3.5).

Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, III).

Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) legal zu erreichen (LIB, Kapitel 21). Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz, ein regionales Handelszentrum sowie ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen (LIB, Kapitel 21). Mazar-e Sharif gilt im Vergleich zu Herat oder Kabul als wirtschaftlich relativ stabiler. Die größte Gruppe von Arbeitern in der Stadt Mazar-e Sharif sind im Dienstleistungsbereich und als Verkäufer tätig (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Die Unterkunftssituation stellt sich in Mazar-e Sharif, wie in den anderen Städten Afghanistans auch, für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge als schwierig dar. Viele Menschen der städtischen Population lebt in Slums oder nichtadäquaten Unterkünften. In Mazar-e Sharif besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum, wie beispielsweise in Teehäusern, zu mieten. (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Die meisten Menschen in Mazar-e Sharif haben Zugang zu erschlossener Wasserversorgung (76%), welche in der Regel in Rohrleitungen oder aus Brunnen erfolgt. 92% der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Während Mazar-e Sharif im Zeitraum Juni 2019 bis September 2019 noch als IPC Stufe 1 "minimal" (IPC - Integrated Phase Classification) klassifiziert wurde, ist Mazar-e Sharif im Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 in Phase 2 "stressed" eingestuft. In Phase 1 sind die Haushalte in der Lage, den Bedarf an lebensnotwenigen Nahrungsmitteln und Nicht-Nahrungsmitteln zu decken, ohne atypische und unhaltbare Strategien für den Zugang zu Nahrung und Einkommen zu verfolgen. In Phase 2 weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentliche, nicht nahrungsbezogene Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden (ECOI, Kapitel 3.1)

In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es 10 - 15 - teils öffentliche, teils private - Krankenhäuser. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer, jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken die zu 80% öffentlich finanziert sind (LIB, Kapitel 22).

Herat-Stadt ist die Provinzhauptstadt der Provinz Herat. Sie hat 556.205 Einwohner. Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert, der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 durch Iran-Rückkehrer und Binnenvertriebene besonders gestiegen (LIB, Kapitel 3.13).

Herat ist durch die Ring-Road sowie durch einen Flughafen mit nationalen und internationalen Anbindungen sicher und legal erreichbar (LIB, Kapitel 3.13). Der Flughafen Herat (HEA) liegt 13 km südlich der Stadt im Distrikt Gozara. Die Straße, welche die Stadt mit dem Flughafen verbindet wird laufend von Sicherheitskräften kontrolliert. Unabhängig davon gab es in den letzten Jahren Berichte von Aktivitäten von kriminellen Netzwerken, welche oft auch mit Aufständischen in Verbindung stehen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten. Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als "sehr sicher" gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban. Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Herat so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, III).

Im Vergleich mit anderen Teilen des Landes weist Herat wirtschaftlich und sicherheitstechnisch relativ gute Bedingungen auf. Es gibt Arbeitsmöglichkeiten im Handel, darunter den Import und Export von Waren mit dem benachbarten Iran, wie auch im Bergbau und Produktion. Die Industrie der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) ist insbesondere im Handwerksbereich und in der Seiden- und Teppichproduktion gut entwickelt und beschäftigt Tagelöhner sowie kleine Unternehmer (LIB, Kapitel 21).

Die Unterkunftssituation stellt sich in Herat, wie in den anderen Städten Afghanistans auch, für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge als schwierig dar. Viele Menschen der städtischen Population lebt in Slums oder nichtadäquaten Unterkünften. In Herat besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum, wie beispielsweise in Teehäusern, zu mieten (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Die meisten Menschen in Herat haben Zugang zu Elektrizität (80 %), zu erschlossener Wasserversorgung (70%) und zu Abwasseranlagen (30%). 92,1 % der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen und 81,22 % zu besseren Wasserversorgungsanlagen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Herat ist im Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 als IPC Stufe 2 klassifiziert (IPC - Integrated Phase Classification). In Phase 2, auch "stressed" genannt, weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentlich, nicht nahrungsbezogenen Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden (ECOI, Kapitel 3.1.).

1.5.10. Situation für Rückkehrer/innen

In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 kehrten insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB, Kapitel 23).

Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB, Kapitel 23).

Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB, Kapitel 23).

Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB, Kapitel 23).

Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB, Kapitel 23).

Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB, Kapitel 23).

Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB, Kapitel 23).

Die "Reception Assistance" umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB, Kapitel 23).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB, Kapitel 23).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt und durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der zweiten mündlichen Verhandlung (Niederschrift der ersten mündlichen Verhandlung vom 25.11.2019 = OZ 18, Niederschrift der zweiten mündlichen Verhandlung vom 24.01.2020 = OZ 21).

Die Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen:

* Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019 (LIB),

* UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 (UNHCR),

* EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2019 (EASO),

* Arbeitsübersetzung Landinfo report "Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017 (Landinfo 1),

* Arbeitsübersetzung Landinfo report "Afghanistan: Rekrutierung durch die Taliban" vom 29.06. 2017 (Landinfo 2),

* ecoi.net Themdossier zu Afghanistan: "Sicherheitslage und die soziökonomische Lage in Herat und in Masar-e Scharif" vom 15.01.2020 (ECOI Herat und Masar-e Sharif),

* EASO Bericht Afghanistan Netzwerke, Stand Jänner 2018.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan, seine Schul- und Berufsausbildung, seine Berufserfahrung) gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellung zur Sozialisierung des Beschwerdeführers nach den afghanischen Gepflogenheiten, ergibt sich daraus, dass er in Afghanistan mit seiner afghanischen Familie aufgewachsen ist, in Kabul zur Schule gegangen ist und in mehreren Provinzen in verschiedenen Berufen gearbeitet hat (OZ 21, S. 7-8).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung (BFA-Akt, AS 65; OZ 21, S. 15). Hinsichtlich des Vorbringens, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine medizinische Behandlung bezüglich seines Auges erhalten habe (OZ 21, S. 15) ist festzuhalten, dass diesbezüglich seitens des Beschwerdeführers keine medizinischen Unterlagen vorgelegt wurden. Zudem ergibt sich aus den Länderfeststellungen, dass in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht (LIB, Kapitel 22). Der Beschwerdeführer hat in Mazar-e Sharif und Herat folglich Zugang zu staatlichen sowie privaten Krankenhäusern. Eine Verminderung der Sehkraft aufgrund des Muttermals am linken Auge liegt nach den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung nicht vor, eine andere Beeinträchtigung wurde weder vorgebracht noch durch ärztliche Atteste belegt (OZ 21, S. 15).

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan zuletzt für das Unternehmen XXXX tätig war. Der Beschwerdeführer führte in diesem Zusammenhang gleichbleibend aus, dass er in diesem Unternehmen Sicherheitsmann für den Innenbereich war und auch Elektroarbeiten durchführte, Kameras wartete und Essen verteilte (BFA-Akt, AS 77; OZ 21, S. 11). Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund der stringenten Angaben des Beschwerdeführers folglich davon aus, dass der Beschwerdeführer im Bereich der Videoüberwachung des Unternehmens tätig war und für Elektroarbeiten eingesetzt wurde. Gleichbleibende Angaben machte der Beschwerdeführer auch im Zusammenhang der Tätigkeit des Unternehmens. So führte er sowohl vor dem Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung aus, dass die Firma Gemüse lieferte (BFA-Akt, AS 71; OZ 21, S. 11). Anzumerken ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass der Beschwerdeführer lediglich vor dem Bundesamt angab, dass das Unternehmen Gemüse an NATO-Kräfte liefern würde (BFA-Akt, AS 71). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er, befragt, was das Unternehmen genau mache, lediglich an: "Die Firma XXXX hat Obst und Gemüse verpackt, sie in Container gegeben und zum Flughafen Kandahar gebracht." (OZ 21, S. 11). Dass das Unternehmen NATO-Kräfte beliefern würde, brachte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nicht mehr vor. Eine Zusammenarbeit mit ausländischen Auftraggebern ergab sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung folglich nur aus der abschließenden Stellungnahme des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers (OZ 21, S. 18-19). Das Bundesverwaltungsgericht geht in der folgenden Beurteilung davon aus, dass das Unternehmen, für das der Beschwerdeführer tätig war, Obst und Gemüse an ausländische Kräfte lieferte.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

2.2.1. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, wonach er aufgrund seiner Tätigkeit für ausländische Unternehmen telefonisch und persönlich von den Taliban bedroht worden sei, wurde aus den folgenden Gründen nicht festgestellt:

Zum Vorbringen der Bedrohung und Verfolgung durch die Taliban:

Der Beschwerdeführer gab in der Einvernahme vor dem Bundesamt an, dass er zuletzt für eine Gemüsefirma gearbeitet hätte, die die NATO-Kräfte beliefert hätte (BFA-Akt, AS 71). Da diese Firma angegriffen und von den Taliban bedroht worden sei, sei diese geschlossen worden (BFA-Akt, AS 75). Er selbst habe eine Begegnung mit den Taliban gehabt: Zwei Männer seien ihm auf dem Motorrad entgegengekommen und hätten versucht ihn anzuhalten. Er sei auch auf einem Motorrad unterwegs gewesen und hätte sich in die Nähe der Firma, für die er gearbeitet habe, geflüchtet, weil dort Sicherheitskräfte gewesen seien. Dabei sei er vom Motorrad gestürzt und habe sich am Kinn verletzt, einen Zahn abgebrochen und seine Lippe habe genäht werden müssen. Wer diese Männer gewesen seien, wisse er nicht (BFA-Akt, AS 79). Später führte der Beschwerdeführer aus, dass die Männer am Motorrad Taliban gewesen seien und Waffen mit sich geführt hätten (BFA-Akt, AS 87). Zudem seien zwei seiner Brüder und ein Onkel von den Taliban getötet worden (BFA-Akt, AS 87). Aufgrund seiner Tätigkeit für eine Firma in Kabul, die zur US-Botschaft gehört hätte, seien seine Fingerabdrücke registriert worden. Die Taliban hätten mit einem Gerät Zugriff auf diese Fingerabdrücke und könnten damit erkennen, wer für welche ausländische Firmen gearbeitet hätte. Deswegen seien schon viele Menschen getötet worden. Er persönlich sei von den Taliban mit unterdrückter Nummer angerufen und bedroht worden. Auch seine Mitarbeiter und Vorgesetzte seien so bedroht worden. Deshalb habe er die Firma und das Land verlassen (BFA-Akt, AS 83). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht führte er aus, dass er bei ausländischen Firmen gearbeitet hätte. Einige seiner Mitarbeiter seien umgebracht worden (OZ 21, S. 9). Zwei bis drei Personen seien mit dem Motorrad gekommen. Nachgefragt sei er mit einem Freund auf einem Motorrad gefahren und sie seien von bewaffneten Personen verfolgt worden. Als sie in der Nähe der Firma gewesen seien, sei das Motorrad umgestürzt (OZ 21, S. 10). Er sei auch zwei bis dreimal von den Taliban angerufen worden und sie hätten ihn aufgefordert, ihnen Informationen zu geben und Minen bzw. Bomben für sie zu platzieren. Es gäbe nicht nur die Taliban, sondern auch andere kriminelle Gruppierungen, deshalb sei er aus Angst nach Europa geflüchtet (OZ 21, S. 10). Da seine Fingerabdrücke registriert seien, könne man herausfinden, wo, wann und wie lange er gearbeitet habe. Andererseits würden die War Lords auch immer stärker werden. Deshalb könne er nicht nach Afghanistan zurückkehren (OZ 21, S. 11).

Zur Bedrohung und Verfolgung durch die Taliban machte der Beschwerdeführer zahlreiche widersprüchliche Angaben:

* So führte der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt aus, dass ihm zwei Männer auf einem Motorrad entgegengekommen seien und versucht hätten, ihn anzuhalten. Er selbst sei auch auf einem Motorrad unterwegs gewesen und sei in die Nähe seiner Arbeitsstätte geflüchtet, weil dort Sicherheitskräfte gewesenen seien. Er wisse nicht, wer die Männer gewesen seien (BFA-Akt, AS 79: "[...] da sind 2 Männer auf dem Motorrad mir entgegengekommen, die haben versucht mich anzuhalten, ich war auch auf einem Motorrad und ich bin geflüchtet in die Nähe der Firma, da waren ja Sicherheitskräfte, dort bin ich dann vom Motorrad gestürzt [...]). Später führte er aus, dass die Verfolger auf dem Motorrad Taliban gewesen seien und sie zudem bewaffnet gewesen seien (BFA-Akt, AS 87). In der mündlichen Verhandlung schilderte der Beschwerdeführer hingegen, dass er hinten auf dem Motorrad eines Freundes gesessen sei. Sie seien von ca. zwei bis drei bewaffneten Personen verfolgt worden (OZ 21, S. 10: R: "Sie haben Personen auf einem Motorrad erlebt. Was ist da genau passiert?" BF: "Sie waren auf einem Motorrad und bewaffnet. Ein Freund und ich waren ebenfalls auf einem Motorrad. Sie haben uns verfolgt. Als wir in der Nähe der Company waren, sind wir umgestürzt. Wir waren mit hoher Geschwindigkeit unterwegs. In der Kurve ist das Motorrad ausgerutscht."). Die widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang sind nicht glaubhaft. Angesprochen auf den Widerspruch, dass er vor dem Bundesamt ausgeführt habe, dass er alleine auf dem Motorrad gefahren sei, als ihn zwei Männer verfolgt hätten, führte der Beschwerdeführer aus: "Die Sabrina hat bei der Einvernahme vor dem BFA selbst gesagt, dass sie verrückt wäre und nicht normal. Ich verstehe nicht, warum man so jemanden arbeiten lässt und ich kann für den Fehler nichts." (OZ 21, S. 13). Der Beschwerdeführer gab in diesem Zusammenhang äußerst unzusammenhängende und ausweichende Antworten, was die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers massiv in Zweifel zieht.

* Vor dem Bundesamt führte der Beschwerdeführer aus, dass er telefonisch von den Taliban bedroht worden sei. Auch seine Mitarbeiter und Vorgesetzten seien bedroht worden (BFA-Akt, AS 83). In der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer hingegen zum ersten Mal vor, dass einige Mitarbeiter umgebracht worden seien (OZ 21, S. 9). Es handelt sich hierbei um gesteigertes Vorbringen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein gesteigertes Vorbringen nicht als glaubhaft anzusehen. Vielmehr müsse grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden (so schon VwGH 08.04.1987, 85/01/0299), weil es der Lebenserfahrung entspricht, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261, mwH). Vor diesem Hintergrund bestehen bereits im Hinblick auf die Steigerung des Vorbringens massive Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Beschwerdeführers betreffend die vorgebrachten Telefonanrufe durch die Taliban. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes wäre es dem Beschwerdeführer zudem möglich gewesen, ein derart einschneidendes Erlebnis wie die Ermordung von anderen Mitarbeitern, die der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung als fluchtauslösendes Element für seinen Aufbruch schilderte, in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt zumindest kurz zu erwähnen.

* Vor dem Bundesamt gab der Beschwerdeführer zum Inhalt der Telefongespräche mit den Taliban an, dass sie gesagt hätten, dass er entweder ihrer Gruppe beitreten oder tun solle, was sie ihm sagen würden (BFA-Akt, AS 89). In der Beschwerde führte er aus, dass die Taliban ihm gedroht hätten, er solle seine Tätigkeit für die Amerikaner niederlegen oder für sie arbeiten (S. 3 der Beschwerde). In der mündlichen Verhandlung führte er hingegen aus, dass die Taliban gewollt hätten, dass er für sie arbeite und ihnen Informationen beschaffe und Minen oder Bomben platziere (OZ 21, S. 10). Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes hätte es dem Beschwerdeführer hier möglich sein müssen, die Inhalte der Drohanrufe gleichbleibend anzugeben. Aufgrund der dargelegten Widersprüche sind die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers nicht als glaubhaft zu erachten.

* Hinsichtlich der Angaben des Beschwerdeführers zu den persönlichen bzw. telefonischen Bedrohungen durch die Taliban in der Einvernahme beim Bundesamt sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ist zunächst festzuhalten, dass diese vollkommen vage und oberflächlich waren. So gab er auf die Frage nach seinen Fluchtgründen im Rahmen der freien Erzählung vor dem Bundesverwaltungsgericht an: "Wie ich vorher erwähnt habe, arbeitete ich bei ausländischen Firmen. Die erste davon hieß ECLS, welche der amerikanischen Botschaft gehörte. Für die Firma die ich nach Kandahar und Bagram arbeiten, das was in Kandahar passierte, veranlasste mich dazu, mit der Arbeit bei der Firma aufzuhören. Und veranlasste mich auch dazu, aus Afghanistan zu flüchten." (OZ 21, S. 9). Auf Nachfrage, was da passiert sei, führte der Beschwerdeführer aus: "Davor wurden dort einige Mitarbeiter umgebracht. Vor der Aufnahme bei dieser Firma wurden wir biometrisch registriert. Im Zuge dessen wurden auch unsere Fingerabdrücke registriert. Es gab mehrere Checkpoints. Sie hatten mehr Wissen über uns als die Regierung." (OZ 21, S. 9). Unter Hinweis auf seine Mitwirkungspflicht brachte er schließlich vor: "Das was dort passiert ist, machte mir Angst. Deswegen habe ich meine Arbeit und meine Heimat verlassen, was soll ich mehr dazu sagen." (OZ 21, S. 10). Aufgrund der Oberflächlichkeiten und Widersprüche, insbesondere bezüglich des Kernpunkts des Fluchtvorbringens, der Bedrohung durch die Taliban aufgrund der Tätigkeit des Beschwerdeführers, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Beschwerdeführer diese Ereignisse nicht erlebt hat, sondern dass es sich bei dem Vorbringen um eine für die Zwecke des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz konstruierte Rahmenhandlung handelt.

Eine Bedrohung durch die Taliban im Rahmen einer persönlichen Verfolgung oder durch Drohanrufe per Telefon wurde vom Beschwerdeführer folglich nicht glaubhaft gemacht.

Zum Risikoprofil des Beschwerdeführers als (vermeintlicher) Kollaborateur ausländischer Truppen:

Der Beschwerdeführer war für das Unternehmen XXXX als Sicherheitsmann im Innenbereich und als Elektriker tätig. Aufgrund seiner Tätigkeit als Sicherheitsmann für ein Unternehmen, das seinen Angaben zufolge Gemüse an ausländische Truppen lieferte, ist im konkreten Fall das Risikoprofil für vermeintliche Kollaborateure ausländischer Truppen (Pkt. II.3. des EASO Country Guidance 2019) zu prüfen. Der Beschwerdeführer führte zudem aus, dass er Sicherheitsmann im Innenbereich (Videoüberwachung) gewesen sei, weshalb auch nicht von einer besonderen Sichtbarkeit des Beschwerdeführers während seiner Tätigkeit ausgegangen wird. Weiters war der Beschwerdeführer nicht nur im Sicherheitsbereich des Unternehmens tätig, sondern führte auch Elektroarbeiten durch, verteilte Essen oder wurde für Büroarbeiten eingesetzt, weshalb das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer sich zumeist im Inneren des Gebäudes aufgehalten hat (OZ 21, S. 11). Anzumerken ist weiters, dass das Unternehmen, in welchem der Beschwerdeführer tätig war, seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung zufolge, lediglich Gemüse verpackte und zum Flughafen Kandahar lieferte, weshalb auch für Außenstehende nicht ersichtlich ist, welche Organisation das Unternehmen tatsächlich belieferte. Wie bereits erwähnt, machte der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auch unterschiedliche Angaben, indem er vor dem Bundesamt ausführte, dass das Unternehmen NATO-Truppen beliefert hätte, während er vor dem Bundesverwaltungsgericht lediglich den Transport zum Flughafen erwähnte (OZ 21, S. 11). Die Angaben des Beschwerdeführers zur genauen Tätigkeit des Unternehmens waren somit vage und oberflächlich. Der Beschwerdeführer legte nicht dar, aus welchem Grund gerade er für die Taliban besonders interessant gewesen sein sollte oder aus welchen Umständen abzuleiten sei, dass ihm die Taliban eine Zusammenarbeit mit ausländischen (Militär-)kräften unterstellen könnten. Da der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Tätigkeit nie persönlicher Verfolgung oder Bedrohung durch die Taliban ausgesetzt war und auch keine risikoerhöhenden Umstände, wie beispielswiese die direkte Bezahlung des Beschwerdeführers durch ausländische Truppen oder eine spezielle Rolle des Beschwerdeführers im Kontakt mit ausländischen Truppen, vorliegen, ist das Risikoprofil als (vermeintlicher) Kollaborateur ausländischer Truppen im konkreten Fall zu verneinen.

Zum Vorbringen der Zwangsrekrutierung durch die Taliban:

Hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers, dass die Taliban ihn aufgefordert hätten, für sie zu arbeiten, Informationen zu beschaffen und Bomben oder Minen zu platzieren (OZ 21, S. 10) ist festzuhalten, dass die Angaben des Beschwerdeführers mit den aktuellen, in den Feststellungen zitierten Länderinformationen zum Thema "Zwangsrekrutierung" nicht in Einklang zu bringen sind: Diesen ist zu entnehmen, dass die Taliban bemüht sind, Personen mit militärischem Wissen, Erfahrung sowie mit militärischen Fertigkeiten, wie das Personal der afghanischen Sicherheitskräfte, zu rekrutieren. Die Taliban waren mit ihrer Expansion noch nicht genötigt, Zwangsmaßnahmen zur Rekrutierung anzuwenden. Die Taliban bedienen sich nur sehr vereinzelt der Zwangsrekrutierung, indem sie männliche Dorfbewohner in von ihnen kontrollierten Gebieten, die mit der Sache nicht sympathisieren, zwingen, als Lastenträger zu dienen. Die Taliban betreiben eine Zwangsrekrutierung nicht automatisch. Die Taliban haben ausreichend Zugriff zu freiwilligen Rekruten (s. Pkt. 1.5.8.1. der Feststellungen (Arbeitsübersetzung Landinfo report "Afghanistan: Rekrutierung durch die Taliban" vom 29.06. 2017 (Landinfo 2)).

Da der Beschwerdeführer weder über militärisches Wissen noch über militärische Erfahrung verfügt und Zwangsrekrutierungen durch die Taliban nicht üblich sind, steht das Fluchtvorbringen in Widerspruch zu den Länderfeststellungen und ist daher nicht glaubhaft. Das allgemein gehaltene Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die Taliban ihn in anonymen Telefonanrufen aufgefordert hätten, für sie zu arbeiten, sind daher auch vor dem Hintergrund der festgestellten Länderinformationen nicht plausibel. Zu betonen ist in diesem Zusammenhang, dass der Beschwerdeführer sowohl vor dem Bundesamt als auch vor dem Bundesverwaltungsgericht in der freien Erzählung und auf Nachfragen keine Details zu den versuchten Zwangsrekrutierungen durch die Taliban benennen konnte und stets auffallend vage Antworten gab, sodass der Eindruck entstand, der Beschwerdeführer versuche die Angaben zum Fluchtvorbringen so kurz wie möglich zu halten, um widersprüchliche Aussagen zu vermeiden. Auch auf Nachfragen brachte der Beschwerdeführer keine detaillierteren Ausführungen vor, was den Eindruck verstärkte, dass er lediglich eine konstruierte Rahmengeschichte für die Zwecke der Asylverhandlung präsentiere (OZ 21, S. 10: R: "Können Sie mir nicht sagen, was genau passiert ist?" BF: "Es sind 2 bis 3 Personen mit dem Motorrad gekommen. Sie haben mich auch 2 bis 3 Mal angerufen. Irgendwie hatten sie meine Nummer herausgefunden gehabt. Sie wissen, es gibt nicht nur die Taliban dort, sondern auch viele andere kriminelle Gruppierungen. Dies alles machte mir Angst und ich flüchtete nach Europa." R: "Was wurde am Telefon zu Ihnen gesagt?" BF: "Sie wollten, dass ich für sie arbeite und ihnen Informationen gebe und z.B. Minen und Bomben platziere bzw. in den Boden eingrabe." R: "Wann wurden Sie das erste Mal kontaktiert?" BF: "Kann ich nicht sagen, weil ich bei Daten sehr schlecht bin."). Insgesamt war das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers aufgrund der zahlreichen Widersprüche, Steigerungen, Unplausibilitäten und Oberflächlichkeiten nicht glaubhaft und der Beschwerdeführer erweckte insgesamt bei der Ausführung seines Fluchtvorbringens persönlich keinen glaubwürdigen Eindruck.

Zum Vorbringen der Verfolgung der Familienangehörigen des Beschwerdeführers:

Zu der Ermordung zwei seiner Brüder und eines Onkels, die der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt schilderte (BFA-Akt, AS 87), wurde vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht kein Vorbringen erstattet, weshalb nicht davon ausgegangen wird, dass dem Beschwerdeführer aufgrund dieses Zusammenhangs Bedrohung oder Verfolgung droht. Ebenso wurde eine Gefahr für die Familie des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung nicht vorgebracht, weshalb nicht davon auszugehen ist, dass die Familienangehörigen des Beschwerdeführers aufgrund der beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers Bedrohung oder Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt sind.

Zum Vorbringen der Verfolgung durch die Taliban aufgrund abgenommener Fingerabdrücke des Beschwerdeführers:

Vor dem Bundesamt brachte der Beschwerdeführer vor, dass ausländische Arbeitgeber die Fingerabdrücke ihrer Angestellten registrieren würden. Seine Fingerabdrücke seien registriert worden, als er für ein Unternehmen, das zur US-Botschaft gehörte, gearbeitet habe. Die Taliban hätten jetzt ein Gerät namens "Boymetrik" und würden Fingerabdrücke abnehmen. Auf dem Gerät würde dann der Name des Angestellten und die Firma bzw. Nationalität der Firma, bei der dieser gearbeitet hätte, aufscheinen. Deshalb seien viele Menschen getötet worden (BFA-Akt, AS 83). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht machte der Beschwerdeführer keine Angaben zu einem solchen Gerät. Er führte lediglich aus, dass seine Fingerabdrücke registriert worden seien, weshalb man herausfinden könne, wo, wann und wie lange er gearbeitet habe (OZ 21, S. 11: R: "Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?" BF: "Um ehrlich zu sein, will ich nach Afghanistan nicht zurückkehren. Ich habe dort viel Probleme und bin dort auch verfeindet. R: "Was würde Ihnen konkret passieren?" BF: "Meine Fingerabdrücke wurden dort registriert. Anhand dessen kann man herausfinden, wo, wann und wie lange ich gearbeitet habe. Andererseits werden die War Lords auch immer stärker. Sie bringen auch Menschen um ohne zu hinterfragen. Wie kann ich in so einer Lage nach Afghanistan zurückkehren?"). Bezüglich der abgenommenen Fingerabdrücke des Beschwerdeführers ist zunächst anzumerken, dass in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht diesbezüglich kein konkretes Vorbringen erstattet wurde. Zudem wurde der Beschwerdeführer von den Taliban weder verfolgt noch bedroht, weshalb das Bundesverwaltungsgericht nicht davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer von den Taliban gesucht wird und folglich allein die Abnahme seiner Fingerabdrücke durch die Taliban nicht glaubhaft ist. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass es in Afghanistan kein zentrales Bevölkerungsregister gibt, ebenso wenig "gelbe Seiten" oder Datenbanken mit Telefonnummerneinträgen (LIB 13.11.2019, S. 328). Auch muss sich ein Neuankömmling bei Ankunft nicht in dem neuen Ort registrieren. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer. Es ist folglich nicht davon auszugehen, dass die Taliban Kenntnis darüber haben, wo sich der Beschwerdeführer aufhält, um ihm allenfalls mit dem von ihnen gefundenen Gerät namens "Boymetrik" (BFA-Akt, AS 83) die Fingerabdrücke abzunehmen. Wie bereits erwähnt, erstattete der Beschwerdeführer diesbezüglich auch kein substantiiertes Vorbringen, aus dem sich eine Verfolgung oder Bedrohung ableiten lassen könnte.

Zum Vorbringen der Verfolgung durch die Taliban aufgrund eines Anrufes bei der Nationalen Sicherheit:

Hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt, dass er beobachtete habe, dass einige Personen von einem Hügel in Kabul aus Bagram beschießen hätten wollen und er die Nationale Sicherheit angerufen hätte, die diese Personen dann verhaftet hätte (BFA-Akt, AS 91), ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung kein diesbezügliches Vorbringen mehr erstattete und auch keine Bedrohung oder Verfolgung aus dieser Situation ableitbar ist.

Zum Vorbringen der Bestätigung des Fluchtvorbringens durch XXXX :

Bezüglich des anfänglichen Vorbringens des Beschwerdeführers, dass der Österreicher und länderkundliche Sachverständige XXXX sein Vorgesetzter gewesen sei und deshalb bestätigen könne, dass er für eine der vorgebrachten Firmen gearbeitet habe, ist zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer lediglich einen Google Mail Auszug vorlegte, dem die Signatur des XXXX zu entnehmen ist. Weitere Unterlagen konnten vom Beschwerdeführer nicht vorgelegt werden. Weiters führte der Beschwerdeführer zunächst aus, dass er XXXX persönlich kenne und ihn natürlich auch gesehen habe. Auf die Frage, ob er ihn auch beschreiben könne, verneinte der Beschwerdeführer dies jedoch und brachte vor, dass er XXXX stets nur aus der Ferne gesehen habe (OZ 21, S. 11-12: BehV: "Können Sie irgendwie beweisen, dass Sie für eine dieser Firmen gearbeitet haben?" BF: "Unser Vorgesetzter, XXXX , der in Österreich lebt, wird es bestätigen können. Ich habe im Laufe meines Verfahrens seine E-Mail Adresse und seinen Namen auch angegeben, aber ich glaube, es wurde nicht protokolliert." BehV: "Kennen Sie XXXX persönlich?" BF: "Er war der Vorgesetzte, er kannte alle Mitarbeiter. Er ist auch nach Kandahar gekommen." R: "Sie haben einen Google Mail Auszug vorgelegt, aber mehr nicht. Gibt es noch zusätzliche Unterlagen in Bezug auf XXXX (verweist auf Beilage zu OZ 2)?" BF: "Nein." BehV: "Sie haben XXXX auch gesehen? BF: Ja, natürlich, er war der Vorgesetzte." BehV: "Beschreiben Sie ihn. BF: Um ehrlich zu sein, habe ich ihn immer von der Ferne gesehen, weil ich meistens beim Eingangstor oder im Büro war. Sie können sich sein Foto ansehen, dann würden Sie wissen, wie er ausschaut." BehV: "Es gibt keinen Arbeitsvertrag, Sie haben ihn nur von der Ferne gesehen. Wie soll er dann Ihr Vorbringen bestätigen?" BF: "Er ist ein Österreicher, ich lebe auch in Österreich. Warum soll er über mich nicht wissen und nicht bestätigen können." R: "Haben Sie in Österreich mit ihm Kontakt aufgenommen?" BF: "Ich persönlich nicht, aber andere hatten Kontakt zu ihm. Einmal sagte er, dass er uns treffen würde, aber dazu kam es nicht."). Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung deutlich, dass der Beschwerdeführer XXXX nicht kennt und auch nicht ersichtlich ist, wie XXXX die Angaben zu seiner beruflichen Tätigkeit in Afghanistan oder seinem Fluchtvorbringen stützen könnte. Im Gegenteil wurde aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vielmehr ersichtlich, dass XXXX keine eigenen Wahrnehmungen zu einer Bedrohung des Beschwerdeführers durch die Taliban hat und auch den Beschwerdeführer nie persönlich gekannt hat. Zudem ist auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass XXXX sein Vorgesetzter gewesen sei, nicht glaubhaft. Diesbezüglich wurden weder Unterlagen vorgelegt, die eine solche Tätigkeit XXXX belegen könnten, noch konnte der Beschwerdeführer substantiierte Angaben zu dieser Thematik machen. Die widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers, wonach er XXXX persönlich kenne, ihn aber nicht beschreiben könne, weil er ihn nur aus der Ferne gesehen habe und sich vorrangig am Eingangstor aufgehalten habe, an dem XXXX jedoch vorbeimüsste, wenn er tatsächlich dort gewesen wäre, sind ebenfalls nicht als glaubhaft zu erachten. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes konstruierte der Beschwerdeführer hinsichtlich seines Vorbringens zu XXXX eine bloße Rahmengeschichte, die den Zweck hatte, sein Fluchtvorbringen zu untermauern und durch die Nennung einer gerichtsbekannten Person einen glaubhafteren Eindruck beim Gericht zu hinterlassen. Aufgrund der vagen und massiv widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers ist das diesbezügliche Vorbringen jedoch nicht glaubhaft.

Aufgrund der mehrfachen Steigerungen, Oberflächlichkeiten und Widersprüche geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Beschwerdeführer diese Ereignisse nicht erlebt hat, sondern dass es sich bei dem Vorbringen um eine für die Zwecke des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz konstruierte Rahmenhandlung handelt. Eine konkrete und individuelle Bedrohung und eine demensprechend bestehende reale Gefahr einer physischen oder psychischen Gewalt bei einer Rückkehr in Afghanistan konnte in Bezug auf den Beschwerdeführer somit nicht festgestellt werden. Das Gericht geht davon aus, dass eine solche Gefahr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht besteht, weshalb die entsprechenden Feststellungen zu treffen waren.

Es haben sich auch keine Hinweise ergeben, dass der Beschwerdeführer in Österreich eine Lebensweise angenommen hat, die ihn in Afghanistan zum Ziel psychischer oder physischer Gewalt werden lassen könnte. Aufgrund der Kürze seines Aufenthalts ist in Zusammenhang mit dem von ihm in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck nach Ansicht des Gerichts nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine westliche Lebenseinstellung in einer ihn in Afghanistan exponierenden Intensität übernommen hätte. Es ist auch nicht erkennbar, warum gerade der Beschwerdeführer gegenüber hunderttausend anderen Rückkehrern in eine derart exponierte Lage geraten soll, dass er auf Grund seines Lebensstils oder auf Grund seines Aufenthaltes in einem westlichen Land psychischer oder physischer Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt wäre. Mangels Hinweise auf risikoerhöhende Umstände ist somit auf Basis der aktuellen Länderinformationen und der Feststellungen zur Lebensweise des Beschwerdeführers in Österreich nicht von einer risikorelevanten Verwestlichung des Beschwerdeführers auszugehen.

Es ist weder den Angaben des Beschwerdeführers noch den beigezogenen Länderberichten zu entnehmen, dass Rückkehrer aus Europa in besondere Form von Gewalt und Bedrohung betroffen wären, sodass auch eine generelle (Gruppen-)Verfolgung von Rückkehrern aus Europa nicht festgestellt werden konnte.

Eine individuelle konkrete Verfolgung des Beschwerdeführers als Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und der Religionszugehörigkeit der Sunniten wurde vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht und deckt sich eine solche auch nicht mit den aktuellen Länderinformationen. Nach dem aktuellen Länderinformationsblatt machen Tadschiken die zweitgrößte darisprachige Minderheit und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan aus. Sie machen etwa 30 % der afghanischen Gesellschaft aus. Eine Verfolgung von Personen mit der Volksgruppenzugehörigkeit Tadschiken und dem Glaubensbekenntnis als sunnitische Muslime geht aus den Länderinformationen nicht hervor (s. Pkt. 1.5.4. und 1.5.5. der Länderfeststellungen). Aus dem aktuellen Länderinformationsblatt geht hervor, dass über 80% der afghanischen Muslime Sunniten sind. Auch die aktuellen UNHCR RL 2018 nennen Tadschiken mit sunnitischen Glaubensbekenntnis nicht unter den aktuellen Risikoprofilen (UNHCR RL 2018, Seite 1 - 3).

2.3. Zu den Feststellungen zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen, seinen fehlenden familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), und auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (OZ 21, S. 14-17). Ein finanzielles oder sonstiges besonderes Naheverhältnis zu seinem in Österreich aufhältigen Cousin wurde vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nicht vorgebracht, weshalb die diesbezügliche Feststellung, dass ein solches nicht besteht, zu treffen war.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Strafregisterauszug vom XXXX ).

2.4. Zu den Feststellungen zur Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

2.4.1. Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Parwan ergeben sich aus den oben angeführten Länderberichten. Die Provinz Parwan zählt zu den relativ friedlichen Provinzen Afghanistans, in deren abgelegenen Distrikten Aufständische oftmals den Versuch unternehmen, terroristische Aktivitäten auszuführen. Parwan zählt zu jenen Provinzen, in denen willkürliche Gewalt auf einem so niedrigen Niveau stattfindet, dass im Allgemeinen kein reales Risiko besteht, dass ein Zivilist aufgrund willkürlicher Gewalt im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen wird. Es müssen jedoch immer einzelne Elemente berücksichtigt werden, da sie den Antragsteller in risikoreichere Situationen bringen könnten (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).

Die Feststellungen zur Erreichbarkeit der Provinz Parwan ergeben sich aus den festgestellten Länderberichten (LIB).

Die Feststellungen zum Aufenthaltsort, zu den Eigentums- und Vermögensverhältnissen sowie zur finanziellen Situation der Familie des Beschwerdeführers in Afghanistan ergeben sich aus den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (BFA-Akt, AS 69-75, OZ 21, S. 7-9). Die Feststellung zum regelmäßigen Kontakt zu seinen Verwandten ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 21, S. 8). Die Feststellungen zur finanziellen Unterstützungsfähigkeit seiner Familie in Afghanistan, ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (OZ 21, S. 16).

Die Feststellungen zur Rückkehrhilfe ergeben sich aus den Länderberichten.

Die Feststellung zur Anpassungsfähigkeit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich daraus, dass er in Österreich einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgeht, er sich in Österreich an sich zurechtfindet und er angab einer Arbeit nachgehen zu wollen. Es sind im Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die gegen eine grundsätzliche Anpassungsfähigkeit oder gegen eine Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers sprechen.

2.4.2. Die Feststellungen zu den Folgen einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif, ergeben sich - unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan - aus den oben angeführten Länderberichten und aus den Angaben des Beschwerdeführers. Die Feststellung zur Prognose, dass sich der Beschwerdeführer in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif eine Existenz aufbauen kann, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Aus den Länderinformationen ergibt sich, dass die Städte Herat und Mazar-e Sharif als relativ sicher gelten und unter der Kontrolle der Regierung stehen. Diese sind auch sicher erreichbar. Die Versorgung der Bevölkerung ist in diesen Städten grundlegend gesichert.

Der Beschwerdeführer ist mit der afghanischen Kultur und den afghanischen Gepflogenheiten sozialisiert. Er kann sich daher in den Städten Herat und Mazar-e Sharif zurechtfinden. Der Beschwerdeführer hat sieben Jahre die Schule in Kabul besucht. Der Beschwerdeführer verfügt über jahrelange Berufserfahrung in verschiedensten Tätigkeitsbereichen (Spengler, Schweißer, Verkauf, Sicherheitsmann, Elektroarbeiten). Der Beschwerdeführer ist zudem im erwerbsfähigen Alter, gesund, volljährig, alleinstehend, anpassungsfähig und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer hat keine Sorgepflichten. Der Beschwerdeführer kann von seiner Familie finanziell unterstützt werden. Er kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher auf Grund dieser Umstände davon aus, dass sich der Beschwerdeführer nach anfänglichen Schwierigkeiten, in den Städten Herat und Mazar-e Sharif niederlassen und sich dort eine Existenz ohne unbillige Härte aufbauen kann.

2.4.3. Die Feststellungen zu den derzeitigen Informationen betreffend COVID-19 sind amtsbekannt und der Gesamtberichterstattung zu entnehmen. Die Feststellungen hinsichtlich der Anzahl der erkrankten und verstorbenen Personen in Österreich und Afghanistan stammen von der John Hopkins University & Medicine (https://coronavirus.jhu.edu/map.html , abgerufen am 25.03.2020).

2.5. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan aktuell. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die jeweils verfügbaren Quellen (u.a. laufende Aktualisierung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) davon versichert, dass zwischen dem Stichtag der herangezogenen Berichte und dem Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan eingetreten ist. Die in der Beschwerde zitierten Länderberichte sind durch die aktuellen, in den Feststellungen zitierten Länderinformationen überholt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides - Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

3.1.1. § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:

"Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

..."

3.1.2. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.3. Der Beschwerdeführer war in Afghanistan zuletzt als Sicherheitsmann für den Innenbereich und Elektroarbeiten für ein Unternehmen tätig, das Gemüse zum Flughafen Kandahar transportierte, welches für ausländische Kräfte bestimmt war. Aufgrund dieser Tätigkeit war der Beschwerdeführer aber keiner telefonischen oder persönlichen Bedrohung, Verfolgung oder Zwangsrekrutierung durch die Taliban ausgesetzt. Die Familie des Beschwerdeführers wurde in Afghanistan nicht von den Taliban oder von anderen Personen bedroht. Da die vom Beschwerdeführer geschilderten Vorfälle sich nicht ereignet haben, droht dem Beschwerdeführer aus diesem Grund auch keine Bedrohung durch die Taliban in Afghanistan. Es ist daher aus dessen Fluchtvorbringen keine Verfolgung des Beschwerdeführers und auch keine Verfolgungsgefahr aus einem Konventionsgrund ableitbar.

Den UNHCR-Richtlinien 2018 ist zu entnehmen, dass für Personen, die mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der internationalen Streitkräfte, verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, abhängig von den jeweiligen Umständen des Falles ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz aufgrund einer begründeten Furcht vor Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure wegen ihrer (ihnen zugeschriebenen) politischen Überzeugung oder aus anderen relevanten Konventionsgründen, in Verbindung mit der allgemeinen Unfähigkeit des Staates, Schutz vor dieser Verfolgung zu bieten, bestehen kann (UNHCR-Richtlinien 2018, S. 55). EASO wiederum schließt aus einer ebenfalls ausreichend aktuellen Berichtslage, dass Dolmetscher und Wachkräfte als ein Ziel von höchster Priorität angesehen werden, und im Allgemeinen würde eine begründete Furcht vor Verfolgung begründet werden (EASO Country Guidance Afghanistan vom Juni 2019, Pkt. II.3. (S. 51)).

Der Beschwerdeführer wurde aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit von den Taliban weder verfolgt noch bedroht, weshalb der Beschwerdeführer folglich nicht von den Taliban gesucht wird. Zudem liegen auch sonst keine risikoerhöhenden Umstände vor, weshalb das Vorliegen des Risikoprofils als "Kollaborateur" ausländischer Truppen im konkreten Fall verneint wird.

3.1.4. Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, liegt beim Beschwerdeführer keine europäische oder "westliche" Lebenseinstellung seiner Person, die zu einer Gefährdung führen könnte, vor. Es sind nach den zitierten Länderinformationen keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthaltes in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Auch EASO bewertet in seinen Leitlinien vom Juni 2019 das Risikopotential von Männern, welche als "verwestlicht" angesehen werden könnten, im Allgemeinen als minimal (EASO Kapitel Common analysis, II. 13).

Eine individuelle und konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung iSd GFK aufgrund seiner Eigenschaft als Rückkehrer aus Europa oder im Zusammenhang mit einer "westlichen Wertehaltung" kann nicht abgleitet werden.

3.1.5. Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte zur Herkunftsregion des Beschwerdeführers erlaubt es nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen.

3.1.6. Im Ergebnis droht dem Beschwerdeführer aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat keine asylrelevante Verfolgung.

3.1.7. Die Beschwerde betreffend die Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides - Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

3.2.1. § 8 AsylG lautet auszugsweise:

"Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

..."

3.2.2. Gemäß Art. 2 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.

Unter realer Gefahr in diesem Sinne ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573).

Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 MRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (VwGH vom 31.10.2019, Ra 2019/20/0309).

Für die zur Prüfung der Notwendigkeit von subsidiärem Schutz erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei seiner Rückkehr abzustellen. Dies ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. EuGH 17.02.2009, C-465/07 , Elgafaji; VfGH 13.09.2013, U370/2012; VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0029).

3.2.3. Herkunftsregion des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer stammt aus der afghanischen Provinz Parwan. Die zu dieser Provinz festgestellten Länderinformationen zeigen, dass die Provinz Parwan zu den relativ friedlichen Provinzen Afghanistans zählt, in deren abgelegenen Distrikten Aufständische oftmals den Versuch unternehmen, terroristische Aktivitäten auszuführen. In manchen Distrikten der Provinz hat sich die Sicherheitslage in den vergangenen Jahren verschlechtert. Im August 2018 waren Taliban-Aufständische in den Distrikten Koh-e-Safi, Sayyid Khel, Shinwari, Siyahgird und Surkhi Parsa aktiv. Von dort aus planten sie Angriffe auf die Provinzhauptstadt Charikar und die Luftwaffenbasis Bagram (größte NATO-Militärbasis in Afghanistan). In der Provinz werden Sicherheitsoperationen durch die afghanischen Sicherheitskräfte ausgeführt. Bei manchen dieser Operationen wurden auch Zivilisten getötet. Auch kommt es immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Aufständischen und afghanischen Streitkräften. Außerdem greifen Aufständische der Taliban, manchmal auch gemeinsam mit Al-Qaida, in regelmäßigen Abständen das Bagram Airfield an (LIB, Kapitel 3.28). Parwan zählt zu jenen Provinzen, in denen willkürliche Gewalt auf einem so niedrigen Niveau stattfindet, dass im Allgemeinen kein reales Risiko besteht, dass ein Zivilist aufgrund willkürlicher Gewalt im Sinne von Artikel 15 lit. c der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen wird. Es müssen jedoch immer einzelne Elemente berücksichtigt werden, da sie den Antragsteller in risikoreichere Situationen bringen könnten (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).

Obwohl der Beschwerdeführer mehrere Jahre nicht mehr in seiner Heimatprovinz gelebt hat, stünde diesem aufgrund des Kontaktes zu seiner Familie und des Wohnsitzes seiner Eltern in Parwan, bei Rückkehr eine - jedenfalls vorübergehende - entsprechend sichere Unterkunft zur Verfügung. Auch sind in Bezug auf den Beschwerdeführer keine sonstigen besonderen Gefährdungsmomente ersichtlich, um von der Erfüllung von Art. 15 lit. c Statusrichtlinie auszugehen.

Anders stellt sich allerdings die im Hinblick auf die Erreichbarkeit des Heimatdistrikts zu treffende Schlussfolgerung dar: Da der Herkunftsdistrikt des Beschwerdeführers nicht festzustellen ist und der Beschwerdeführer um etwa vom internationalen Flughafen in Kabul in seinen Herkunftsdistrikt zu gelangen, jedenfalls die Provinz Kabul durchqueren müsste, ist die gefahrlose Erreichbarkeit des Heimatdistrikts des Beschwerdeführers nicht gewährleistet.

Damit stünde dem Beschwerdeführer grundsätzlich ein Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu. Allerdings steht ihm mit der Möglichkeit zur Neuansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif oder der Stadt Herat auch eine mögliche innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG 2005 offen.

3.2.4. Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht.

3.2.5. § 11 AsylG lautet:

"Innerstaatliche Fluchtalternative

§ 11. (1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen."

Es ist daher zu prüfen, ob der Beschwerdeführer gemäß § 11 Abs. 2 AsylG auf eine andere Region des Landes aufgrund der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände verwiesen werden kann (VfGH 11.10.2012, U677/12).

Für die Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative (im Folgenden auch "IFA") sind zwei getrennte und selbständige Voraussetzungen zu prüfen. Zum einen ist zu klären, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG die Gewährung von subsidiären Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist. Daher scheidet das ins Auge gefasste Gebiet aus, wenn in dieser Region Verhältnisse herrschen, die Art. 3 EMRK widersprechen. Von dieser Frage ist getrennt zu beurteilen, ob dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann, bzw. dass vom ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, sich in dem betreffenden Gebiet niederzulassen (VwGH vom 23.01.2018, Ra 2018/18/0001).

3.2.6. Die folgende Prüfung einer IFA für den Beschwerdeführer erfolgt anhand der kursiv wiedergegebenen Prüfkriterien des Leitfadens zur Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Afghanistan der UNHCR-Österreich vom November 2018 (im Folgenden "UNHCR IFA Leitfaden"), soweit diese Kriterien für den Beschwerdeführer relevant sind. Der UNHCR IFA Leitfaden fasst die Kriterien der UNHCR RL 2018 für die Analyse, ob in einem Fall an einem bestimmten Ort eine IFA vorliegt zusammen. Inhaltlich erfolgt die Prüfung der IFA anhand der in den Feststellungen zitierten Länderinformationen.

- Gibt es einen bestimmten Ort, der für den Beschwerdeführer als IFA in Frage kommt?

Als IFA kommen die Städte Mazar-e-Sharif und Herat in Betracht.

- Steht das IFA-Gebiet unter der Kontrolle von regierungsfeindlichen Kräften?

Mazar-e-Sharif und Herat stehen nach den vorliegenden Länderinformationen nicht unter der Kontrolle von regierungsfeindlichen Kräften.

- Ist das IFA-Gebiet von aktiven Kampfhandlungen betroffen?

Mazar-e Sharif: Balkh zählt zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten. Aus dem vorliegenden aktuellen Berichtsmaterial geht hervor, dass die Sicherheitslage in der Stadt Mazar-e Sharif nach wie vor als ausreichend gut zu bewerten ist.

Herat: Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten. Die Stadt Herat gilt als sehr sicher (LIB 13.11.2019, S. 106).

In den EASO Leitlinien 2019 (EASO Country Guidance: Afghanistan, Juni 2019) werden die Städte Herat und Mazar-e Sharif als jene Gebiete aufgezählt, in denen das Ausmaß willkürlicher Gewalt nicht ein derart hohes Niveau erreicht, dass wesentliche Gründe zur Annahme vorliegen, wonach ein Zivilist - bloß aufgrund seiner Anwesenheit - ein tatsächliches Risiko zu gewärtigen hätte, ernsthaften Schaden zu nehmen (EASO Leitlinien 2019, S. 29).

- Geht die ursprünglich befürchtete Verfolgung von einem nicht-staatlichen Akteur aus?

Die vorgebrachte Verfolgung durch staatliche oder nicht-staatlichen Akteure wurde nicht festgestellt, weshalb dieser Punkt im gegenständlichen Fall nicht relevant ist.

- Ist die befürchtete Verfolgung das Resultat von schädlichen traditionellen Bräuchen oder religiösen Normen?

Dieses Prüfkriterium ist relevant für Frauen mit spezifischen Profilen oder im Fall des Verstoßes gegen soziale Normen und für den Beschwerdeführer nicht einschlägig.

- Droht im IFA-Gebiet eine neue Verfolgung oder ein anderer schwerer Schaden?

Mazar-e Sharif: Wie dargestellt, ist die Sicherheitslage in der Provinz Balkh und konkret in Mazar-e-Sharif derzeit als stabil und ruhig zu bezeichnen. Auf Basis der vorliegenden Staateninformationen ist nicht davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer in Mazar-e-Sharif eine Verfolgung oder ein anderer schwerer Schaden droht.

Dabei wird nicht verkannt, dass nach vorliegenden Länderinformationen Terroranschläge insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, auch in Mazar-e-Sharif nicht auszuschließen sind. Hierzu ist auszuführen, dass die weltweit zu verzeichnende Zunahme von Terroranschlägen für sich alleine betrachtet noch nicht die Schlussfolgerung zu tragen vermag, dass die Ausweisung in einen von Terroranschlägen betroffenen Staat automatisch für den Betroffenen unzumutbar wäre. Die in Mazar-e-Sharif verzeichneten Anschläge ereignen sich - wie sich aus einer Gesamtschau der Länderberichte ableiten lässt - hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass die Lage in der Stadt Mazar-e-Sharif nicht insgesamt als ausreichend sicher bewertet werden könnte.

Herat: Wie festgestellt, wird Herat als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet und die Stadt Herat gilt als sicher. Es wird nicht verkannt, dass die Länderberichte in der Stadt Herat einen Anstieg von Kriminalität verzeichnen und dass in einigen Distrikten der Provinz Herat Talibanaktivitäten stattfinden. Auf Basis der vorliegenden Länderinformationen, insbesondere im Hinblick auf die EASO Leitlinien 2019 ist nicht davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer in Herat eine neue Verfolgung oder ein anderer schwerer Schaden droht. Die Stadt Herat wird in den EASO Leitlinien 2019 als einer der Städte bzw. Provinzen angeführt, in denen willkürliche auf so niedrigem Niveau stattfindet, dass im Allgemeinen kein reales Risiko für eine Zivilperson besteht (EASO Leitlinien 2019, S. 29).

- Ist das IFA-Gebiet praktisch, sicher und auf legalem Weg zu erreichen?

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt über den Luftweg von Kabul sicher zu erreichen ist (LIB 13.11.2019, S. 237). Die Verbindungsroute in die Stadt ist bei Tageslicht jedenfalls sicher, zumal aus den Länderinformationen nichts Gegenteiliges hervorgeht.

Herat hat einen Flughafen, der außerhalb der Stadt, ca. 1o km außerhalb der Stadt liegt und ist von Kabul aus auf diesem Weg sicher zu erreichen (LIB 13.11.2019, S. 238).

- Wie sind die persönlichen Umstände des Beschwerdeführers?

Der Beschwerdeführer ist jung, gesund, arbeits- und anpassungsfähig und ledig. Er wuchs mit seinen Eltern, vier Schwestern und sechs Brüdern im Haus seiner Familie auf. Die Eltern des Beschwerdeführers leben derzeit in Parwan. Der Vater des Beschwerdeführers betreibt einen Laden, einen weiteren hat er vermietet. Sämtliche Geschwister des Beschwerdeführers leben in Kabul, wo der Vater des Beschwerdeführers früher ein Lebensmittelgeschäft, in dem auch Gas und Benzin verkauft wurden, betrieb. Die wirtschaftliche Lage der Familie ist gut. Der Vater des Beschwerdeführers verfügt neben seinem Wohnhaus und seinem Geschäft auch über Grundstücke, einen Obstgarten und zwei Autos. Der Beschwerdeführer steht in Kontakt zu seinen Familienangehörigen. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Der Beschwerdeführer besuchte sieben Jahre lang die Schule in Kabul. In Afghanistan war er als Hilfsarbeiter im Geschäft seines Vaters und am Flughafen in Kabul als Schweißer und Spengler tätig. Zudem betrieb der Beschwerdeführer einige Zeit lang ein eigenes Geschäft. Zuletzt war er in der Firma XXXX als Sicherheitsmann für den Innenbereich sowie für Elektroarbeiten in Parwan und Kandahar zuständig. Der Beschwerdeführer ist mit den Gepflogenheiten in Afghanistan vollkommen vertraut. Auf Grund dieser Erfahrungen ist vor dem Hintergrund der sonstigen Umstände des Beschwerdeführers (Gesundheit, Arbeitsfähigkeit) davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer bei einer Neuansiedelung in Mazar-e-Sharif oder Herat in gleicher Weise wie andere Rückkehrer in der gleichen Situation zurechtfinden wird. Zudem kann der Beschwerdeführer laut eigenen Angaben zumindest anfänglich mit finanzieller Unterstützung durch seine Familie rechnen.

Der Beschwerdeführer gehört auch keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Insbesondere ist auch nicht hervorgekommen, dass sich der Beschwerdeführer bei Neuansiedlung in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat häufig an den oben angegebenen - mit höherer Wahrscheinlichkeit von Anschlägen regierungsfeindlicher Elemente betroffenen - Orten aufhalten wird.

Hinsichtlich der aktuellen Pandemie aufgrund des Corona-Virus ist in Erinnerung zu rufen, dass ein Fremder im Allgemeinen kein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt eine Abschiebung zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0105, Rz. 20, bzw. das Urteil des EGMR vom 13.12.2016, Paposhvili vs. Belgium, Appl. 41738/10). In Anbetracht der genannten Rechtsprechung des EGMR hat jedenfalls eine Auseinandersetzung mit der Schwere der Erkrankung und dem Zugang des Beschwerdeführers zu medizinischer Versorgung sowie Medikamenten im Heimatstaat zu erfolgen (vgl. VfGH 11.06.2019, E 3796/2018-19, Rz. 19). Außergewöhnliche Umstände, aufgrund derer vor dem Hintergrund der von der erwähnten Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien auf ein reales Risiko einer Verletzung Art. 3 EMRK zu schließen wären liegen jedoch fallbezogen nicht vor:

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf. Der Beschwerdeführer ist nach eigenen Angaben gesund. Dass der Beschwerdeführer an Erkrankungen leidet, aufgrund derer er im Hinblick auf COVID-19 zu einer vulnerablen Gruppe zählen würde, wurde im Laufe des Verfahrens nicht vorgebracht und ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch nicht erkennbar.

- Wird der Beschwerdeführer im IFA-Gebiet auf Dauer in Sicherheit leben können?

Auf Grund der anhaltenden Stabilität in der Region Balkh und der dargestellten grundsätzlich ruhigen Sicherheitslage in Mazar-e-Sharif, sowie auch in der Stadt Herat, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Mazar-e-Sharif oder Herat trotz der Schwankungen der allgemeinen Sicherheitslage auf Grund des bewaffneten Konflikts auch auf Dauer sicher wird leben können. Insbesondere sind beim Beschwerdeführer keine individuellen Umstände hervorgekommen, die gegen diese Einschätzung sprechen.

- Werden die grundlegenden Menschenrechte im IFA-Gebiet geachtet?

Es ergeben sich aus den Länderberichten keine Hinweise darauf, dass die grundlegenden Menschenrechte in Mazar-e Sharif oder Herat nicht geachtet werden.

- Kann der Beschwerdeführer im IFA-Gebiet wirtschaftlich überleben?

Da der Beschwerdeführer jung, gesund und arbeitsfähig ist, spricht nichts dagegen, dass der Beschwerdeführer in Mazar-e Sharif oder Herat durch Annahme von Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Nach den vorliegenden Länderberichten besteht Bedarf am Arbeitsmarkt überwiegend in Hinblick auf manuelle Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung (EASO Bericht Afghanistan Netzwerke vom Januar 2018).

Insgesamt ist festzuhalten, dass die sozioökonomischen Rahmenbedingungen für einen Rückkehrer auch in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat schwierig sind. Der Zugang zu Grundversorgung, medizinischer Versorgung, Arbeits- und Wohnungsmarkt ist jedoch gegeben. Die Arbeitslosigkeit ist zwar hoch, jedoch wäre nach der festgestellten Berichtslage nicht erkennbar, dass ganz generell nicht die Grundlage bzw. (Lebens-) Bedingungen an sich für die - in weiterer Folge, wie nachstehend auch erwogen, dann von weiteren persönlichen Umständen des Einzelnen abhängig - Existenzsicherung allgemein wie auch das Erreichen und Halten eines - auch der übrigen dortigen Bevölkerung entsprechenden - angemessenen Lebensstandards vorhanden wären (s. dazu auch EASO Leitlinien 2019, S. 34, LIB 13.11.2019, S. 353ff.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer als sehr junger Mann in der Lage war, sich in Afghanistan durch verschiedenste berufliche Tätigkeiten zu erhalten. Auf Basis dieser Vorerfahrungen ist zu prognostizieren, dass der Beschwerdeführer auch in Mazar-e Sharif oder Herat in der Lage sein wird, sich durch eigene Tätigkeit ein den dortigen Verhältnissen entsprechendes Einkommen zu erwirtschaften.

- Hat der Beschwerdeführer Zugang zu einer Unterkunft?

Mazar-e Sharif: Die Wohnsituation in der Stadt Mazar-e-Sharif ist angespannt. Es stehen nach den Länderinformationen aber ausreichende (wenn auch einfache) Unterkünfte zur Verfügung. Insbesondere kann - wie dies Landinfo im EASO-Bericht Netzwerke Januar 2018 aufzeigte - anstelle einer ganzen Wohnung ein einzelnes (und damit gegenüber einem ganzen Apartment deutlich günstigeres) Zimmer gemietet werden, z.B. vorübergehend in einem "Teehaus" ("tea house"). Es ist zu berücksichtigen, dass nicht davon ausgegangen werden muss, dass eine einzelne Person eine ganze Wohnung für sich mieten müsste. So könnte auch eine Wohnung von mehreren Personen/Rückkehren, jedenfalls für eine Übergangszeit, geteilt werden, was die Mietkosten (erheblich) senken würde.

Herat: Da Stämme in Herat weniger Rolle spielen, ist es für Rückkehrer leichter, sich dort niederzulassen. Zudem besteht für den Beschwerdeführer auch in Herat die Möglichkeit vorübergehend in einem "Teehaus" ("tea house") zu wohnen (EASO Leitlinien 2019, S. 132-133).

- Ist grundlegende Versorgung und Infrastruktur verfügbar?

Auch wenn die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur eingeschränkt möglich ist, so ist die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in den Städten Mazar-e Sharif und Herat dennoch zumindest grundlegend gesichert.

Die grundsätzliche Versorgung mit Gütern wird nach den getroffenen, auf aktuellen Berichten beruhenden Feststellungen - s. dazu auch die Hinweise der UNHCR RL 2018 S. 111 - auch nicht durch eine im Jahr 2018 auch die Provinz Balkh betreffende Trockenperiode (Dürre) und die darauffolgenden Überschwemmungen abgeschnitten, zumal aufgrund dieser Ereignisse umfangreiche Hilfe durch NGOs zur Verfügung gestellt wurde bzw. wird (LIB 13.11.2019, S. 330-331).

Mazar-e Sharif: Laut Prognose des FEWS befindet sich Mazar-e Sharif im Zeitraum Dezember 2019 bis Jänner 2020 sowie im Zeitraum Februar bis Mai 2020 in der zweitniedrigsten Stufe (Stufe 2) des Klassifizierungssystems für Nahrungsmittelversorgung. In Stufe 2, auch "stressed" genannt, weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentlich, nicht nahrungsbezogenen Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden. (ECOI.net Themendossier zu Afghanistan: Sicherheitslage und sozio-ökonomische Lage in Herat und Mazar-e Sharif vom 15.01.2020, 3.1.).

Herat: Laut Prognose des FEWS befindet sich Herat im Zeitraum Dezember 2019 bis Jänner 2020 sowie im Zeitraum Februar bis Mai 2020 in der zweitniedrigsten Stufe (Stufe 2) des Klassifizierungssystems für Nahrungsmittelversorgung. In Stufe 2, auch "stressed" genannt, weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentlich, nicht nahrungsbezogenen Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden. (ECOI.net Themendossier zu Afghanistan: Sicherheitslage und sozio-ökonomische Lage in Herat und Mazar-e Sharif vom 15.01.2020, 3.1.).

Die Nahrungsmittelversorgung ist in der Stadt Herat schwieriger als in Mazar-e Sharif, jedoch trotz der angespannten Lage aufgrund der Dürre im Jahr 2018 grundsätzlich sichergestellt und wie den aktuellen Länderinformationen zu entnehmen ist, laut Prognose des FEWS bis Januar 2020 grundsätzlich gewährleistet.

- Sind Lebensgrundlagen bzw. erwiesene und nachhaltige Unterstützung vorhanden?

Der Beschwerdeführer kann sich - möglicherweise nach Anfangsschwierigkeiten - durch Annahme von Gelegenheitsarbeiten eine Lebensgrundlage schaffen. Es kamen im Verfahren keine Umstände hervor, die darauf schließen lassen, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage wäre, für seinen eigenen Unterhalt zu sorgen, wie dies auch andere in Mazar-e Sharif oder Herat ansässige Personen tun können.

Der Beschwerdeführer kann nach eigenen Angaben mit finanzieller Unterstützung durch seine Eltern rechnen, die derzeit in Parwan aufhältig sind.

Der Beschwerdeführer kann nach den vorliegenden Länderinformationen sowohl staatliche als auch NGO-Hilfe für Rückkehrer nach Afghanistan in Anspruch nehmen und damit die Grundlage für sein weiteres Leben in Mazar-e Sharif oder Herat schaffen. Diese steht nach den in den Feststellungen zitierten Länderinformationen durch die afghanische Regierung sowie durch NGOs in Form von Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft sowie zur Verfügung.

- Besteht Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk?

Nach Angaben des Beschwerdeführers leben seine Eltern mittlerweile in Parwan. Sämtliche Geschwister leben in Kabul. Da die finanzielle Situation der Familie gut ist und auch Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Familie besteht, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auf ein Unterstützungsnetzwerk zurückgreifen kann. Nach eigenen Angaben kann er mit finanzieller Unterstützung durch seine Eltern rechnen.

Selbst wenn die Herkunftsfamilie den Beschwerdeführer nicht unterstützen könnte, führt dies jedoch nicht zum Ausschluss einer IFA: Den UNHCR RL 2018 (S. 110 englische Version, S. 123 deutsche Version) ist zu entnehmen, dass alleinstehende, leistungsfähige Männer ohne besondere Vulnerabilität im erwerbsfähigen Alter sich auch ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten in zumutbarer Weise ansiedeln können, wenn eine notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung gegeben ist und das Gebiet unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen (S. 125). Dies ist derzeit in Mazar-e Sharif und Herat der Fall. In den EASO Leitlinien 2019 (S. 36) wird ebenfalls festgehalten, dass, obwohl die Situation im Zusammenhang mit der Ansiedlung in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat gewisse Härten mit sich bringt, eine IFA für alleinstehende, erwerbsfähige Männer unter Berücksichtigung ihrer individuellen Umstände aber angemessen sein kann. Dies ist aufgrund der vorgenommenen Prüfung der individuellen Umstände des Beschwerdeführers bei ihm der Fall.

Somit steht dem Beschwerdeführer im Ergebnis eine IFA in Mazar-e Sharif und Herat zur Verfügung, auf die er entsprechend den Anforderungen der UNHCR RL 2018 sowie den Kriterien der EASO Leitlinien 2019 in zumutbarer Weise verwiesen werden kann. Unter Berücksichtigung der Länderberichte, der von UNHCR-Richtlinie und der persönlichen Situation des Beschwerdeführers ist in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass er im Fall seiner Abschiebung nach Afghanistan und einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif oder Herat in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Es liegen keine exzeptionellen Gründe vor, die einer Ansiedlung in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat entgegenstehen würden. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Ansiedlung in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat möglich und auch zumutbar ist.

3.2.7. Die Beschwerde betreffend Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ist daher abzuweisen.

3.3. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides - Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 Abs. 1 AsylG

3.3.1. § 57 AsylG lautet auszugsweise:

"Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, ...,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

..."

3.3.2. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

3.3.3. Die Beschwerde betreffend Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides war daher abzuweisen.

3.4. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides - Rückkehrentscheidung

3.4.1. § 52 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 9 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG), und §§ 58 Abs. 2 und 52 AsylG lauten auszugsweise:

"Rückkehrentscheidung (FPG)

§ 52 ...

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn,

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird,

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

..."

"Schutz des Privat- und Familienlebens (BFA-VG)

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.

..."

"Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln

Antragstellung und amtswegiges Verfahren (AsylG)

§ 58 ...

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

..."

"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK (AsylG)

§ 55 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn,

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

..."

3.4.2. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien vorzunehmen. Dabei sind die Umstände des Einzelfalles unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR vom 14.03.1980, B 8986/80; EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (EKMR vom 06.10.1981, B 9202/80; EuGRZ 1983, 215; VfGH vom 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.

Unter "Privatleben" im Sinne von Art. 8 EMRK sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554).

Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zu (VwGH vom 25.04.2018, Ra 2018/18/0187). Liegt eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so muss die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich sein, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu rechtfertigen (VwGH vom 18.09.2019). Die Kombination aus Fleiß, Arbeitswille, Unbescholtenheit, dem Bestehen sozialer Kontakte in Österreich, dem verhältnismäßig guten Erlernen der deutschen Sprache sowie dem Ausüben einer Erwerbstätigkeit stellen bei einem Aufenthalt von knapp vier Jahren im Zusammenhang mit der relativ kurzen Aufenthaltsdauer keine außergewöhnliche Integration dar (VwGH vom 18.09.2019, Ra 2019/18/0212). Es ist im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (VwGH vom 28.02.2019, Ro 2019/01/003).

Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zu. Gegen diese Normen verstoßen Fremde, die nach dem negativen Abschluss ihres Asylverfahrens über kein weiteres Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und unrechtmäßig in diesem verbleiben (VwGH 02.09.2019, Ra 2019/20/0407).

3.4.3. Da der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen (mit Ausnahme eines Cousins, zu dem kein Naheverhältnis besteht) oder sonstigen engen Nahebeziehungen in Österreich verfügt, ist ein Eingriff in sein Recht auf Familienleben iSd Art. 8 EMRK auszuschließen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.

3.4.4. Im gegenständlichen Fall ist der Beschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrollen und somit illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Antragstellung im Jänner 2016, somit seit ca. vier Jahren, im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer durfte sich in Österreich bisher nur aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz aufhalten, der zu keinem Zeitpunkt berechtigt war. Der Zeitraum des Aufenthalts des Beschwerdeführers ist mit vier Jahren als eher kurz zu werten.

Der Beschwerdeführer, verfügt über geringe Deutschkenntnisse (Teilnahmebestätigung Deutsch als Fremdsprache A1 vom XXXX , Bestätigung Deutschkurs für Asylwerber/innen des WIFI XXXX vom XXXX , Teilnahmebestätigung Deutsch als Fremdsprache A1 vom XXXX , ÖSD-Zertifikat A1 - nicht bestanden). Er war ehrenamtlich beim XXXX tätig. Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach, sondern bezieht die staatliche Grundversorgung, er ist am Arbeitsmarkt nicht integriert und verfügt auch nicht über verbindliche Einstellungszusagen. Der Beschwerdeführer hat zwar freundschaftliche Beziehungen zu Österreichern, verfügt jedoch weder über Verwandte noch sonstige enge soziale Bindungen in Österreich.

Das Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung seiner privaten Kontakte ist dadurch geschwächt, dass er sich bei allen Integrationsschritten seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste.

Dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen.

Es ist auch nach wie vor von einer engen Bindung des Beschwerdeführers nach Afghanistan auszugehen, zumal er dort den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat. Er wurde in Afghanistan sozialisiert und bestritt dort seinen Lebensunterhalt. Er spricht auch eine Landessprache als Muttersprache. Hinzu kommt, dass er nach wie vor familiäre Anknüpfungspunkte (seine Eltern, Geschwister, Onkel und Tanten) in Afghanistan hat.

3.4.5. Den privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Der Beschwerdeführer konnte in der relativ kurzen Aufenthaltsdauer zwar mehrere Integrationsschritte setzen, es liegen jedoch keine außergewöhnlichen Umstände vor.

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig machen würden oder die die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG erforderlich machen würden.

Der Beschwerdeführer hat weder behauptet über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens zu verfügen, noch ist ein solches im Ermittlungsverfahren hervorgekommen. Die Erlassung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig.

3.4.6. Die Beschwerde war daher auch in diesem Punkt abzuweisen.

3.5. Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides - Zulässigkeit der Abschiebung

3.5.1. §§ 52 Abs. 9 und 50 FPG lauten auszugsweise wie folgt:

"Rückkehrentscheidung

§ 52 ...

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

...

Verbot der Abschiebung

§ 50 (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

..."

3.5.2. Die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 FPG entsprechen jenen des § 8 Abs. 1 AsylG. Die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 FPG entsprechen jenen des § 3 Abs. 1 AsylG. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wurde mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint.

Es besteht auch keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, welche eine Abschiebung nach Afghanistan für unzulässig erklärt. Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan ist daher zulässig.

3.5.3. Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich dieses Spruchpunktes als unbegründet abzuweisen.

3.6. Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides - Ausreisefrist

3.6.1. § 55 FPG lautet auszugsweise:

"Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55 (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

...

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben."

3.6.2. Besondere Umstände im Sinne des § 55 Abs. 2 FPG sind im Beschwerdeverfahren nicht vorgebracht worden, weshalb die vom Bundesamt gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise den gesetzlichen Bestimmungen entspricht.

3.6.3. Die Beschwerde war daher auch diesbezüglich als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

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