BVwG W259 2211051-1

BVwGW259 2211051-129.1.2021

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs3a
AsylG 2005 §9 Abs2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W259.2211051.1.00

 

Spruch:

 

W259 2211051-1/22E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ulrike RUPRECHT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:

 

A) I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I., III., IV. und VI. als unbegründet abgewiesen.

II. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte II. und V. des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe abgeändert, dass diese zu lauten haben:

„II. Gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 wird Ihnen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt.“

„V. Es wird gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 und § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass Ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Iran unzulässig ist.“

III. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt VII mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbots auf 5 Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VII. als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Perser, reiste ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 09.03.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl; in der Folge „belangte Behörde“) vom XXXX , Zl. XXXX , wurde diesem Antrag stattgegeben und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

3. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX zu GZ XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG und § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall sowie Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 15 Monaten verurteilt. Das Urteil erwuchs in Rechtskraft.

4. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 28.06.2018 wurde der Beschwerdeführer darüber in Kenntnis gesetzt, dass gegen ihn ein Aberkennungsverfahren eingeleitet werde und wurde dieser binnen einer Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert. Am 09.07.2018 langte bei der belangten Behörde eine diesbezügliche Stellungnahme ein.

5. Mit Bescheid vom XXXX wurde dem Beschwerdeführer der zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt. Weiters wurde festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde. In der Beschwerdebegründung wurde insbesondere ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine günstige Zukunftsprognose aufweise und nicht gemeingefährlich sei. Er sei als Konvertit im Iran nach wie vor einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Vereinbarkeit einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes mit Art. 8 EMRK habe nicht stattgefunden (AS 883 ff).

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 24.08.2020 in Anwesenheit einer beeideten Dolmetscherin für die Sprache Farsi und im Beisein des rechtskundigen Vertreters des Beschwerdeführers eine mündliche Verhandlung durch, in welcher eine Zeugin einvernommen und der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Aufgrund der der Entscheidung zugrundeliegenden Akten der belangten Behörde und des BVwG, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem steht der entscheidungsrelevante Sachverhalt fest:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer besitzt die iranische Staatsangehörigkeit, gehört der Volksgruppe der Perser an und wurde als Moslem geboren. Er lehnt den Islam jedoch ab. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Farsi.

Der Beschwerdeführer ist im erwerbsfähigen Alter. Er leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung und nimmt keine Medikamente. Er fällt nicht unter die Risikogruppe gemäß der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Definition der allgemeinen COVID-19-Risikogruppe (COVID-19-Risikogruppe-Verordnung), BGBl. II Nr. 203/2020.

Der Beschwerdeführer ist am XXXX geboren.

Der Beschwerdeführer hat im Iran zumindest sieben Jahre die Schule besucht. Danach hat er eine Ausbildung als Rettungsschwimmer gemacht und als Friseurgehilfe gearbeitet.

Der Beschwerdeführer führt mit XXXX , geb. XXXX , eine Beziehung. Er ist nicht verheiratet und hat keine Kinder.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX , Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Dem Beschwerdeführer droht im Falle seiner Rückkehr in den Iran aufgrund seiner religiösen Einstellung psychische und/oder physische Gewalt durch die iranische Regierung oder Dritte.

Mit Bescheid vom XXXX wurde dem Beschwerdeführer der zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt. Zugleich wurde festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt und ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Weiters wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran zulässig ist. Dem Beschwerdeführer wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise im Ausmaß von 14 Tage gewährt und gegen ihn ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

1.2. Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten:

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX zu GZ XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG und § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall sowie Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 15 Monaten verurteilt.

Der Beschwerdeführer und andere haben in vielen Teilhandlungen zumindest seit Frühjahr des Jahres 2017 bis zu ihren Festnahmen zwischen 16.10. und 20.11.2017 in XXXX und anderorts und ab Sommer 2017 und zudem auch im gesamten Tatzeitraum im Zusammenwirken (§ 12 StGB) mit weiteren abgesondert Verfolgten vorschriftswidrig nachbezeichnete Suchtgiftquanten an Cannabiskraut (THC) mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 8 %, Opium mit zumindest 10%igem Reinsubstanzgehalt an Morphin und Tramadol-Tabletten (à 100 mg Tramadol) erworben und besessen und bis zu einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge ein- und ausgeführt sowie anderen abgesondert Verfolgten überlassen, und zwar der Beschwerdeführer

1./ durch die Weitergabe von zumindest 1.000 g Cannabiskraut (80 g reines THC – 4 Grenzmengen), und zwar

a) 400 g an XXXX

b) 16 g an XXXX

c) 589 g an Unbekannte;

2./ durch den Erwerb und Besitz von unbekannten Mengen Cannabiskraut.

Der Beschwerdeführer hat hierdurch zu 1./ das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG und zu 2./ die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall sowie Abs. 2 SMG begangen.

Das Landesgericht XXXX stellte als erschwerend das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen und die Tatbegehung mit Komplizen fest. Als mildernd wurde das Geständnis, die Unbescholtenheit und die Gewöhnung an Suchtgift gewertet.

Das Urteil erwuchs am XXXX 2018 in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer ist aufgrund der Schwere seiner Straftat und seines Persönlichkeitsbildes als Gefahr für die Gemeinschaft einzuschätzen.

1.3. Zum Leben in Österreich:

Der Beschwerdeführer ist seit März 2011 in Österreich aufhältig und befand sich vom 02.11.2017 bis zum 02.09.2018 in Strafhaft.

In Österreich führt der Beschwerdeführer seit 2012, abgesehen von einer Unterbrechung im Jahr 2017, eine Beziehung mit XXXX , geb. XXXX . Er lebt mit ihr seit September 2018 in einem gemeinsamen Haushalt und möchte sie heiraten. Es gibt keinen konkreten Heiratstermin. Es liegt keine besondere Abhängigkeit zu seiner in Österreich lebenden Lebensgefährtin vor.

Der Beschwerdeführer hält die Termine zur Bewährungshilfe ein. Er absolvierte erfolgreich eine ambulante Suchttherapie. Er geht seit Herbst 2018 einer regelmäßigen Beschäftigung als Lagerist und Staplerfahrer nach und ist selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer konnte während der mündlichen Verhandlung die meisten der an ihn gestellten Fragen in sehr gutem Deutsch beantworten. Seine Freizeit verbringt er im gemeinsamen Freundeskreis und geht unter anderem Radfahren. Darüber hinaus pflegt der Beschwerdeführer kein besonderes Abhängigkeits- oder Naheverhältnis zu Dritten in Österreich.

1.4. Das Bundesverwaltungsgericht trifft aufgrund der aktuellen Erkenntnisquellen folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

1.4.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 19.06.2020:

Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 4.5.2020).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 4.5.2020; vgl. AA 4.5.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 4.5.2020b).

Sicherheitsbehörden

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums, die dem Präsidenten berichten, und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC), welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen im ganzen Land, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij-Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten involviert (US DOS 11.3.2020). Organisatorisch sind die Basij den Pasdaran (Revolutionsgarden) unterstellt und ihnen gehören auch Frauen an (AA 26.2.2020). Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen und Universitäten, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (ÖB Teheran 10.2019).

Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei, Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über fortschrittlichere Ausrüstung als die reguläre Armee, eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste, die auch mit Inlandsaufgaben betraut sind, sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer (AA 26.2.2020). Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 4.3.2020). Sie betreiben den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügen damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der IRGC Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als

120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Khamenei und den Revolutionsgarden gehören rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitätswerke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018). Längst ist aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden – gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Sehr zum Leidwesen von Hassan Rohani. Der Präsident versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Das gelingt ihm jedoch kaum (Tagesspiegel 8.6.2017; vgl. BTI 2020). Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor nach Belieben – nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen – überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017).

Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela’at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität (Imam Ali Universität). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz (AA 26.2.2020).

Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem „Hohen Rat für den Cyberspace“ beschäftigt sich die iranische Cyberpolizei mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU- Menschenrechtssanktionsliste (AA 26.2.2020).

Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete. Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und für Proteste oder Aufstände. Sie wird von den Revolutionsgarden (IRGC) und den Basij Milizen unterstützt. Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den IRGC. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, ist aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen (BTI 2020).

Der Oberste Führer hat die höchste Autorität über alle Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Fehlverhalten der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter zur Rechenschaft zieht (US DOS 11.3.2020).

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insbesondere westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger, nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierender Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Misshandlung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 10.2019).

In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung, ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). Insbesondere die kurdische Region scheint stärker überwacht zu sein, als der Rest des Landes (DIS 7.2.2020).

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen in iranischen Gefängnissen sind von massiver Überbelegung geprägt. Berichten zufolge kommt es auch vor, dass bei Überbelegung der Zellen Häftlinge im Freien untergebracht werden (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020, FH 4.3.2020), oder sie müssen auf Gängen oder am Boden schlafen. Geschätzt gibt es ca. eine Viertelmillion Häftlinge (US DOS 11.3.2020). Die Haftbedingungen sind sehr oft auch gesundheitsschädigend. Berichtet wird über unzureichende Ernährung und Verweigerung notwendiger medizinischer Behandlung, in Einzelfällen mit tödlichen Folgen. Auch ist von mangelnder Hygiene auszugehen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020, FH 4.3.2020, HRW 14.4.2020).

In den Gefängnissen wird auch von physischer und psychischer Folter berichtet. Dies gilt auch und gerade im Zusammenhang mit Häftlingen, die unter politischem Druck stehen, zu intensive Kontakte mit Ausländern pflegen, etc. Neben Elektroschocks werden u.a. Schläge, Verbrennungen, Vergewaltigungen, Scheinhinrichtungen, Verhaftung der Familie, Einzelhaft und Schlafentzug verwendet. Dazu kommt vielfach der nicht oder nur ganz selten mögliche Kontakt mit der Außenwelt. Oft ist es Angehörigen während mehrerer Wochen oder Monate nicht möglich, Häftlinge zu besuchen. Politische Gefangene oder Minderjährige werden teils mit kriminellen Straftätern zusammengelegt, wodurch Übergriffe nicht selten sind (ÖB Teheran 10.2019). Die Haftbedingungen für politische und sonstige Häftlinge weichen stark voneinander ab. Dies betrifft in erster Linie den Zugang zu medizinischer Versorgung (einschließlich Verweigerung grundlegender Versorgung oder lebenswichtiger Medikamente) sowie hygienische Verhältnisse. Es kommt regelmäßig zu Hungerstreiks gegen Haftbedingungen (AA 26.2.2020). Die Grenzen zwischen Freiheit, Hausarrest und Haft sind in Iran manchmal fließend. Politisch als unzuverlässig geltende Personen werden manchmal in „sichere Häuser“ gebracht, die den iranischen Sicherheitsbehörden unterstehen, wo sie ohne Gerichtsverfahren Monate oder sogar Jahre festgehalten werden. Ein besonders prominentes Beispiel ist Oppositionsführer Mehdi Karroubi, der zusammen mit seiner Frau und zwei anderen Oppositionsführern seit 2011 unter Hausarrest steht (ÖB Teheran 10.2019). Von Hungerstreiks in iranischen Gefängnissen wird des Öfteren berichtet, in der Regel entschließen sich politische Häftlinge dazu (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020).

Es ist nach wie vor üblich, Inhaftierte zu foltern und anderweitig zu misshandeln, z. B. in Form von Einzelhaft über lange Zeiträume hinweg. Die größte Gefahr droht Inhaftierten bei Verhören. Die Behörden gingen Foltervorwürfen grundsätzlich nicht nach und zogen die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft. Folter soll zu mehreren Todesfällen in Gewahrsam geführt oder dazu beigetragen haben (AI 18.2.2020).

Religionsfreiheit

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA Analyse 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019).

Anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha‘i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament (ÖB Teheran 10.2019). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA Analyse 23.5.2018; vgl. FH 4.3.2020). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA Analyse 23.5.2018; vgl. FH 4.3.2020) und ihre politische Vertretung bleibt schwach (FH 4.3.2020).

Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 10.2019).

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt (AI 18.2.2020).

Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache Farsi sind verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 26.2.2020).

Schiitische Religionsführer, welche die Regierungspolitik nicht unterstützen, sind weiterhin Einschüchterungen und Verhaftungen ausgesetzt (US DOS 21.6.2019).

Laut der in den USA ansässigen NGO „United for Iran“ waren 2018 mindestens 272 Angehörige religiöser Minderheitengruppen aufgrund des Praktizierens ihrer Religion inhaftiert, 165 Gefangene wegen „Feindschaft gegen Gott“, 34 wegen „Beleidigung des Obersten Führers und Ayatollah Khomeini“ und 20 wegen „Korruption auf Erden“ (US DOS 21.6.2019).

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 18.2.2020). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie jedoch sehr selten (wenn überhaupt noch vorhanden), bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 10.2019).

Christen

Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen – solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten – ihren Glauben relativ frei ausüben. Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben. Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden. Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA Analyse 23.5.2018). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung zuerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA 26.2.2020). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam. Grundrechtlich besteht „Kultusfreiheit“ innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime weder Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, noch Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit. Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten (Proselytismusverbot) und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor, wobei es in den letzten Jahren zu keinem derartigen Urteil kam. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen („Hauskirchen“) oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot (ÖB Teheran 10.2019).

Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (US DOS 21.6.2019).

Im Weltverfolgungsindex 2020 von Christen von Open Doors befindet sich Iran, wie im letzten Jahr, auf dem neunten Platz. Im Beobachtungszeitraum (November 2018 – Oktober 2019) wurden 169 Christen verhaftet, 114 von ihnen in einer einzigen Woche Ende 2018 (Open Doors 2020).

Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2019). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“ (ÖB Teheran 10.2019; vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2020; vgl. AA 26.2.2020). Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (zehn und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019). Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2020).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2019).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2019).

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit „Konversion“ vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese „Konversion“ ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte“ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan- Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2019).

Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online- Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.3.2020; vgl. AI 18.2.2020). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low- profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 10.2019). Die Regierung nutzt unverhältnismäßig hohe Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2020).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high- profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht- muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 21.6.2019).

Grundversorgung

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 15,7 Mio. Rial im Monat (ca. 110 Euro). Das durchschnittliche monatliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. Rial (ca. 400 Euro) (AA 26.2.2020).

Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert (ÖB Teheran 10.2019; vgl. BTI 2020). Die Weltbank erwartet in den Jahren 2018-2020 eine anhaltende Rezession, der Internationale Währungsfonds sogar einen Rückgang des BIP. Das Budget wird durch die sinkenden Erdölexporte erheblich belastet werden, weshalb ein Sinken der öffentlichen Ausgaben zu erwarten ist (ÖB Teheran 10.2019).

Aufgrund der im Vergleich zu Europa extrem jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr viele Berufseinsteiger auf den Arbeitsmarkt. Um diesen Menschen Arbeit zu geben, wäre die Schaffung von rund einer Million Arbeitsplätzen pro Jahr erforderlich. Neben Arbeitslosigkeit spielt in Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechende Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen aber auch ein gewaltiger „brain drain“, der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigt (ÖB Teheran 10.2019).

Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht zu großen Teilen unter staatlicher Kontrolle (GIZ 3.2020b). Der staatliche Sektor (staatliche und halbstaatliche Unternehmen) macht etwa 80% der iranischen Wirtschaftstätigkeit aus, während der private und kooperative Sektor nur 20% ausmacht (BTI 2020). So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen, auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher eine eigenständige Wirtschaft nur bedingt entwickeln. Eine etablierte Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe (GIZ 3.2020b). Die iranische Regierung ist der größte Monopolist des Landes, gefolgt von den Revolutionsgarden und anderen einflussreichen Institutionen und Menschen. Es gibt ein Gesetz gegen das Monopol, obwohl noch nie ein Unternehmen oder eine Person für monopolistische Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen wurde (BTI 2020). Erst in den letzten eineinhalb Jahrzehnten wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80- 85% der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da zudem etwa 60% dieses Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran nahezu komplett von den Einnahmen aus dem Ölexport abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Lebensstandard vieler Iraner hängt vom Ölpreis ab. Problematisch sind auch die völlig veralteten Förderanlagen und Raffinerien des Landes. Aufgrund der Sanktionen konnten diese nicht modernisiert werden. Hindernisse bei der Modernisierung iranischer Förderanlagen und Raffinerien führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin lange staatlich subventioniert wurde, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11% des BIP. Hebt die Regierung den Benzinpreis an oder begrenzt die ausgegebenen Rationen, führt das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 3.2020b). Die letzten Proteste diesbezüglich entfachten sich im November 2019, als der Treibstoffpreis erhöht wurde. Dies war das jüngste Zeichen einer Wirtschaftskrise, die durch eine Kombination aus von den USA geführten Handelssanktionen und Misswirtschaft durch das Regime ausgelöst wurde. Die Krise bereitet der iranischen Bevölkerung ernsthafte Schwierigkeiten und macht sie anfälliger für Ausbeutung (FH 4.3.2020).

Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads (GIZ 3.2020b; vgl. BTI 2020). Heute gibt es etwa 120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan-e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftung jedoch im (Teil-)Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company. Politisch steht sie den Revolutionswächtern nahe, viele ihrer hohen Beamten kommen aus deren Reihen. Vor allem mit Hilfe dieser Stiftungen, die beide offiziell direkt dem Revolutionsführer unterstehen, setzt der iranische Staat seine Vorstellungen einer islamischen Wirtschaftspolitik um und verteilt großzügig Gelder für politische Gefälligkeiten (GIZ 3.2020b). Diese Institutionen sind weder der Regierung noch der Justiz gegenüber rechenschaftspflichtig. Außerdem genießen die Bonyads viele Privilegien wie Steuerbefreiungen und einen ausschließlichen Zugang zu lukrativen Regierungsverträgen (BTI 2020).

Sozialbeihilfen

Dem Gesundheitsministerium ist auch die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen. Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten „Hohen Versicherungsrat“ (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die „Organisation für Sozialversicherung“ (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in dessen System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen (ÖB Teheran 10.2019). Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Beitragsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch in der Höhe von ca. 20 Euro pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Höhe von 70-80% des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 450.000 IRR (ca. 3 Euro, sog. Yarane) (AA 26.2.2020).

Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 26.2.2020).

Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber und privaten Anbietern oder Organisationen angeboten werden (IOM 2019).

Eine staatliche Arbeitslosenhilfe gibt es nicht, es sei denn der Rückkehrer oder dessen Arbeitgeber haben monatliche Beiträge an eine entsprechende Versicherungsfirma gezahlt. Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Die Sozialversicherung schützt im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Berufsunfällen und auch bei altersbedingtem Ausscheiden. Seit 2003 wurden die zuständigen Institutionen überholt und zusammengelegt, um Ineffektivität und Redundanzen zu vermeiden. Das System deckt alle Angestellten und Freiberuflichen ab, wobei letztere zwischen verschiedenen Stufen wählen können. Freiwillige Abdeckung ist für vorher versicherte Personen bis 55 Jahre verfügbar (mindestens 30 Tage) sowie für die Gruppe der Berufskraftfahrer. Spezielle Systeme gibt es darüber hinaus für Staatsangestellte und Militärangehörige. Solange Rückkehrende für eine iranische Organisation/Firma arbeiten, übernehmen die Arbeitgeber den Großteil der Beiträge. Ansonsten muss (je nach gewähltem Angebot) selbst eingezahlt werden. Für Angestellte müssen 7% des monatlichen Gehalts abgegeben werden, während Selbstständige und Private einen individuell abgestimmten Beitrag in Gänze bezahlen (IOM 2019).

Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die „sadeqe“, die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, dass der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 3.2020b).

Medizinische Versorgung

Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Das Gesundheitswesen ist zwar fast flächendeckend – laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung, die Qualität schwankt jedoch (GIZ 12.2019c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 29.4.2020a). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei bis zu 24 Jahren. Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Khorasan, sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (ÖB Teheran 10.2019).

Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen „Behvarz“ (Gesundheitspersonal, das nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) und für durchschnittlich 1.500 Personen zuständig, wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird, und mehr als 85% der ländlichen Bevölkerung in dieser Weise „nahversorgt“ werden. In Städten übernehmen sogenannte „Gesundheitsposten“ in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser. Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren (ca. 3.000 landesweit) zu finden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an ca. 730 städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind (ÖB Teheran 10.2019). 90% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essenziellen Gesundheitsdienstleistungen (IOM 2019).

Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind und die Staatsausgaben für das Gesundheitswesen erheblich zugenommen haben, müssen durchschnittlich 55% der Gesundheitsausgaben von den versicherten Personen in bar direkt an die Gesundheitsdienstleister entrichtet werden („Out-of-pocket expenditure“ ohne staatliche oder von Versicherungen unterstützte Hilfeleistungen), sei es bei staatlichen oder größtenteils privaten sekundären oder tertiären Einrichtungen (ÖB Teheran 10.2019). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, dass die Versorgung des Kranken mit Gütern des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 12.2019c).

Die Regierung versucht kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten, insofern gibt es zwei verschiedene Krankenversicherungen: entweder durch die Arbeit oder privat. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI www.tamin.ir/ . Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern abgedeckt (IOM 2019).

Versicherung durch Arbeit: Regierungsangestellte profitieren vom kostenfreien Zugang zur staatlichen Krankenversicherung. Private Firmen decken die Unfallversicherung für ihre eigenen Mitarbeiter (IOM 2019).

Private Versicherung: Mit Ausnahme von Regierungsangestellten müssen sich alle iranischen Bürger selbst privat versichern, wenn deren Arbeitgeber dies nicht bereits erledigen. Um die Versicherung zu erhalten, sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig (IOM 2019).

Salamat Versicherung: Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Die Registrierung erfolgt online unter: http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html. Die Registrierung erfordert eine geringe Geb ühr (IRR 20.000). Pro Jahr sollten 2,450.000 IRR vom Begünstigten eingezahlt werden. Es gibt Ärzte und private Zentren, die eine öffentliche und/oder SALAMAT-Versicherung akzeptieren, um einen Teil der Ausgaben zu decken. Um zu 90% abgedeckt zu sein, muss man sich auf staatliche bzw. öffentliche Krankenhäuser und Zentren beziehen. TAMIN EJTEMAEI Krankenhäuser decken 100% der versicherten Kunden ab (IOM 2019). Die „Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste“ (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Für anerkannte Flüchtlinge wurde eine eigene Versicherungsorganisation geschaffen. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die „Imam Khomeini Stiftung“, um nicht versicherte Personen, etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge, wobei letztere kaum Chancen auf eine gute Gesundheitsversorgung haben (ÖB Teheran 10.2019).

Alle iranischen Staatsbürger inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt, wie bereits oben beschrieben, zwei verschiedene Arten von Krankenversicherung: Versicherung über den Arbeitsplatz oder private Versicherung. Beide werden von der öffentlichen Versicherung im Iran TAMIN EJTEMAEI verwaltet. Die Anmeldung erfolgt über www.tamin.ir/ . Die Leistungen variieren dabei je nach gewähltem Versicherungsschema. Informationen zu verschiedenen Varianten erhält man bei der Anmeldung.

Notwendige Dokumente: Eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto, und ein vollständiges medizinisches Check-up sind notwendig. Weitere Dokumente können noch verlangt werden. Zuschüsse hängen von der gewählten Versicherung des Klienten ab, über die er/sie während der Registrierung ausführlich informiert wird. Jegliche Kosten werden vom Arbeitgeber getragen, sobald die Person eine Arbeit in Iran aufnimmt. Andernfalls müssen die Kosten selber getragen werden (IOM 2019).

Für schutzbedürftige Gruppen im Iran gibt es zwei Arten von Zentren: Öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, älteren Menschen, Behinderten (inklusive psychischer Probleme), ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem psychosoziale Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen, Suchtbehandlungen, etc. Es gibt einige Zentren unter Aufsicht der BEHZISTI Organisation, welche Personen in Not Hilfe gewähren. Solche Leistungen sind kostenfrei. Aufgrund der hohen Nachfrage und einiger Beschränkungen bevorzugen viele zahlungspflichtige private Zentren (IOM 2019).

Im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen den Iran ist es zu gelegentlichen Engpässen beim Import von speziellen Medikamentengruppen gekommen (IOM 2019; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Im Generellen gibt es aber keine ernsten Mängel an Medizin, Fachärzten oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem des Iran. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es für Bürger Privatkrankenhäuser mit Spezialleistungen in größeren Ballungsräumen. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern (IOM 2019).

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Im Prinzip respektiert die Regierung diese Rechte, es gibt jedoch einige Einschränkungen, besonders für Frauen und Flüchtlinge. Die Regierung verlangt von allen Bürgern für Auslandsreisen Ausreisebewilligungen. Bürger, die auf Staatskosten ausgebildet wurden oder Stipendien erhalten haben, müssen diese entweder zurückzahlen, oder erhalten befristete Ausreisebewilligungen (US DOS 11.3.2020). Die Regierung schränkt auch die Reisefreiheit von einigen religiösen Führern, Mitgliedern von religiösen Minderheiten und Wissenschaftern in sensiblen Bereichen ein. Journalisten, Akademiker, oppositionelle Politiker und Menschen- und Frauenrechtsaktivisten sind von Reiseverboten und Konfiszierung der Reisepässe betroffen. Verheiratete Frauen dürfen nicht ohne die Zustimmung ihrer Männer ins Ausland reisen (US DOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020).

Zur Ausreise aus Iran benötigt ein iranischer Staatsangehöriger einen gültigen Reisepass und einen Nachweis über die Bezahlung der Ausreisegebühr (4.400.000 IRR, ca. 28 bis 45 € je nach Wechselkurs).

Die illegale Ausreise erfolgt zumeist auf dem Landweg unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Türkei (AA 26.2.2020). Soweit Repressionen praktiziert werden, geschieht dies landesweit unterschiedslos. Ausweichmöglichkeiten bestehen somit nicht (AA 26.2.2020).

Rückkehr

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. Eine Einreise ist lediglich mit einem gültigen iranischen Reisepass möglich. Die iranischen Auslandsvertretungen sind angewiesen, diesen jedem iranischen Staatsangehörigen auf Antrag auszustellen (AA 26.2.2020).

Zum Thema Rückkehrer gibt es kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 10.2019).

Iranische Flüchtlinge im Nordirak können offiziell nach Iran zurückkehren. Dafür werden iranische Identitätsdokumente benötigt. Wenn Personen diese Dokumente nicht besitzen, können sie diese beantragen. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber durchaus zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein (DIS/DRC 23.2.2018).

In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen wird berichtet, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch durchaus üblich, dass Personen die Grenze zwischen Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weit verbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie nach Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind natürlich möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird wohl nichts geschehen (DIS/DRC 23.2.2018).

Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen betroffen sein (AA 26.2.2020). Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online-Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach IStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020). Im Iran gibt es einen internationalen Flughafen Imam-e Khomeini (AA 12.1.2019).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor dem BFA, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verwaltungs- und dem Gerichtsakt.

Die Feststellungen zur persönlichen und familiären Situation des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in seinen Einvernahmen im Rahmen seines Erstverfahrens vor der belangten Behörde, seiner schriftlichen Stellungnahme vom 05.07.2018, seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und der Einsicht in die aktuellen Auszüge des Melderegisters betreffend den Beschwerdeführer.

Es liegen im gegenständlichen Fall keine Hinweise auf medizinische Indikationen für die Zuordnung zur COVID-19-Risikogruppe iSd Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Definition der allgemeinen COVID-19-Risikogruppe (COVID-19-Risikogruppe-Verordnung), BGBl. II Nr. 203/2020, vor. Der Beschwerdeführer brachte keine entsprechenden Vorerkrankungen vor und er nimmt zudem keine Medikamente ein (Seite 3 des Verhandlungsprotokolls). Somit fällt der Beschwerdeführer nicht unter die Covid 19-Risikogruppe.

Dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Iran aufgrund seiner religiösen Einstellung psychische und/oder physische Gewalt durch die iranische Regierung oder Dritte droht, resultiert aus seinem diesbezüglichen nachvollziehbaren Angaben während der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, welche mit seinem übrigen Vorbringen in Einklang gebracht werden kann. So gab der Beschwerdeführer glaubhaft an, dass er gerade keine Religion habe. Aus seiner Sicht sei die islamische Religion nicht richtig (Seite 17 f des Verhandlungsprotokolls). Zudem gab der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren an, dass er sich bereits im Iran vom Islam distanziert habe, und wurde ihm aufgrund seiner religiösen Einstellung bzw. Konversion der Status eines Asylberechtigten zuerkannt (vgl. Aktenvermerk der belangten Behörde vom 15.07.2011). In diesem Zusammenhang ist auch auf die Länderfeststellungen zu verweisen, wonach Personen, die sich zum Atheismus bekennen, willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden können und Gefahr laufen, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden. Insgesamt ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer seine religiöse Einstellung – die öffentliche Abwendung vom islamischen Glauben - weiterhin als innere Überzeugung und identitätsstiftendes Merkmal versteht, die er auch im Falle einer Rückkehr in seinem Herkunftsstaat leben wird. Aus diesen Gründen war die entsprechende Feststellung zu treffen.

2.2. Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten und zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Dem BFA ist in seiner Begründung zuzustimmen, dass der Beschwerdeführer mit seinem gesetzwidrigen Verhalten einen Aberkennungstatbestand verwirklicht hat. Die Feststellungen zur Verurteilung des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Einsicht der im Verwaltungsakt aufliegenden strafgerichtlichen Entscheidung und dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Strafregisterauszug des Beschwerdeführers.

Dass der Beschwerdeführer seit März 2011 in Österreich aufhältig ist und sich vom 02.11.2017 bis zum 02.09.2018 in Strafhaft befand, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und konnte durch Einsicht in das Zentrale Melderegister verifiziert werden. Die Feststellungen zur Beziehung des Beschwerdeführers mit XXXX zu seiner Lebenssituation nach der Strafhaft und seinen freundschaftlichen Beziehungen in Österreich beruhen auf seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung, welche auch durch die Zeugin bestätigt wurden. Dass der Beschwerdeführer erfolgreich eine ambulante Suchttherapie absolvierte, ist dem vorgelegten Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 22.11.2019 zu entnehmen (OZ 16). Des Weiteren beruhen die Feststellungen zur Beschäftigung des Beschwerdeführers, seiner Selbsterhaltungsfähigkeit und die Mitwirkung im Rahmen der Bewährungshilfe auf die diesbezüglich vorgelegten Unterlagen (OZ 16) und den damit übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und der Zeugin in der mündlichen Verhandlung. Ein besonderes Abhängigkeits- oder Naheverhältnis konnte der Beschwerdeführer in Österreich jedoch nicht darstellen. Insbesondere durch den Umstand, dass der Beschwerdeführer nicht durchgehend mit seiner Lebensgefährtin in einer Beziehung war und erst seit seiner Haftentlassung in einem gemeinsamen Haushalt lebt, konnte er eine besondere Abhängigkeit nicht nachvollziehbar darstellen. Dass der gemeinsame Haushalt erst nach der Haftentlassung des Beschwerdeführers begründet wurde, ergibt sich aus der Einsicht in die aktuellen ZMR- Auszüge. Dass der Beschwerdeführer während der mündlichen Verhandlung die meisten der an ihn gestellten Fragen in sehr gutem Deutsch beantworten konnte, ergibt sich aus dem entsprechenden Verhandlungsprotokoll (Seite 6 ff und 10 ff des Verhandlungsprotokolls). Es waren somit die entsprechenden Feststellungen zu treffen

2.3. Zu den Länderfeststellungen:

Die diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Iran ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde gelegt wurden, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung von anderen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichten aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht maßgeblich geändert haben.

Die festgestellten Länderberichte zu Pkt. 1.4.1. stellen im Wesentlichen die Lage im Iran näher dar.

Die den Länderfeststellungen zugrundeliegenden Länderberichte wurden dem Beschwerdeführer am 30.07.2020 mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung bekannt gegeben und dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eröffnet dazu, eine diesbezügliche Stellungnahme abzugeben. In der mündlichen Verhandlung am 24.08.2020 trat der Beschwerdeführer den Länderberichten nicht substantiiert entgegen (Seite 20 des Verhandlungsprotokolls).

Dass sich seit der Übermittlung der Länderinformationen für den gegenständlichen Fall eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, kann im vorliegenden Fall verneint werden. Die Lage stellt sich diesbezüglich im Wesentlichen unverändert dar.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Aberkennung des Status eines Asylberechtigten und zur Feststellung, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid der Status eines Asylberechtigten abzuerkennen, wenn- ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;- einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder- der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und Z 2 AsylG 2005 mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen.

Gemäß dem - im gegenständlichen Fall in Betracht kommenden - § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 - welcher auch vom BFA bei der Erlassung des gegenständlichen Bescheides zur Anwendung gebracht wurde - ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 vorliegt.

Gemäß dem hier zu prüfenden § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft darstellt.

Für den hier vorliegenden Fall der Entscheidung gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 müssen wegen der wörtlich gleichen Voraussetzungen die gleichen Maßstäbe gelten, auf die sich die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in den bisherigen Vorerkenntnissen (VwGH 06.10.1999, 99/01/0288; 24.11.1999, 99/01/0314; 12.09.2002, 99/20/0532) zu § 13 Abs. 2 zweiter Fall AsylG 1997 bezogen haben (vgl. VwGH 03.12.2002, 99/01/0449).

Gemäß Art. 33 Abs. 1 der GFK darf kein vertragsschließender Staat einen Flüchtling in irgendeiner Form in ein Gebiet ausweisen oder zurückweisen, wo sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre. Nach Art. 33 Z 2 GFK kann sich ein Flüchtling aber nicht auf diese Begünstigung beziehen, wenn er aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Aufenthaltslandes anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof führte erstmalig in seinem Erkenntnis vom 06.10.1999, 99/01/0288 aus, dass nach "internationaler Literatur und Judikatur" kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein müssen, dass ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Heimat- oder Herkunftsstaat verbracht - bzw. ihm der Status eines Asylberechtigten aberkannt - werden darf. Er muss:- ein besonders schweres Verbrechen verübt haben,- dafür rechtskräftig verurteilt worden,- sowie gemeingefährlich sein und- es müssen die öffentlichen Interessen an der Rückschiebung die Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (Güterabwägung).

Unter den Begriff des schweren Verbrechens iSd Art. 1 Abschn. F lit. b GFK fallen nach herrschender Lehre nur Straftaten, die in objektiver und subjektiver Hinsicht besonders verwerflich sind und deren Verwerflichkeit in einer Güterabwägung gegenüber den Schutzinteressen der betroffenen Person diese eindeutig überwiegt. Dieser Standpunkt - Berücksichtigung subjektiver Faktoren, wie Milderungsgründe, Schuldausschließungsgründe oder Rechtfertigungsgründe - wird auch in der Rechtsprechung des VwGH vertreten (zB VwGH 06.10.1999, 99/01/0288). Es genügt nicht, dass der Beschwerdeführer ein abstrakt als schwer einzustufendes Delikt verübt hat. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. Um ein schweres Verbrechen, das zum Ausschluss von der Anerkennung als Asylberechtigter - und im vorliegenden Fall somit zur Aberkennung des Status eines Asylberechtigten - führen kann, handelt es sich typischerweise bei Vergewaltigung, Tötung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffnetem Raub und schließlich auch Menschenhandel bzw. Schlepperei (vgl. Putzer, Asylrecht. Leitfaden zum Asylgesetz 2005, 2. Auflage, 2011, Rz 125).

In der Regierungsvorlage zum AsylG 2005, RV 952 BlgNR 22. GP , wird zu § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG, auf welchen § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG u.a. verweist, erläuternd - wenngleich nur demonstrativ - Folgendes ausgeführt:

"Die Z 3 und 4 des Abs. 1 entsprechen inhaltlich dem bisherigen § 13 Abs. 2 AsylG. Unter den Begriff, besonders schweres Verbrechen' fallen nach Kälin, Grundriss des Asylverfahrens (1990), S 182 und 228 (ua. Mit Hinweis auf den UNHCR) und Rohrböck, (Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asylg (1999) Rz 455, mit weiteren Hinweisen auf die internationale Lehre), sowie nach herrschender Lehre des Völkerrechts nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. VwGH 10.06.1999, 99/01/0288). Zu denken wäre aber auch - auf Grund der Gefährlichkeit und Verwerflichkeit - an besondere Formen der Schlepperei, bei der es zu einer erheblichen Gefährdung, nicht unbedeutenden Verletzung oder gar Tötung oder während der es zu erheblichen, mit Folter vergleichbaren Eingriffen in die Rechte der Geschleppten kommt. Die aktuelle Judikatur in Österreich, wie in anderen Mitgliedstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention, verdeutlicht, dass der aus dem Jahre 1951 stammende Begriff des ‚besonders schweren Verbrechens' des Art. 33 Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention einer Anpassung an sich ändernde gesellschaftliche Normenvorstellungen zugänglich ist."

Bei der Beurteilung, ob ein "besonders schweres Verbrechen" vorliegt, ist eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen. Im Erkenntnis vom 03.12.2002, 99/01/0449, führte der VwGH unter Verweis auf das Erkenntnis vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0288, aus, Drogenhandel sei "typischerweise" ein "besonders schweres Verbrechen". Dieser vom VwGH vertretenen Wertung schloss sich der Bundesgesetzgeber im Bereich des AsylG 2005 an, wie die Erläuterungen (Hinweis RV 952 BlgNR XXII. GP , 36) zu § 6 AsylG 2005, die auf das Erkenntnis vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0288, verweisen, zeigen. Allerdings genüge es nicht, so der VwGH weiter, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden sei. Die Tat müsse sich im konkreten Einzelfall sich als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen, sodass unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen sei.

Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer unter anderem wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall SMG rechtskräftig verurteilt. Der Beschwerdeführer hat vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b StGB) übersteigenden Menge weitergegeben und zwar seit Frühjahr des Jahres 2017 bis zu den Festnahmen zwischen 16.10. und 20.11.2017 in XXXX und andernorts, von zumindest 1.000 g Cannabiskraut (80g reines THC- 4 Grenzmenden) sowie eine unbekannte Menge Cannabiskraut erworben und besessen. Dabei hat er durch die Weitergabe von 1.000g Cannabiskraut mehr als € 6.000,- eingenommen. Damit hat der Beschwerdeführer das Verbrechen des Suchgifthandels nach § 28a Abs. 1 5.Fall SMG, das Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall SMG begangen. Hierfür wurde der Beschwerdeführer am XXXX vom Landesgericht XXXX zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten verurteilt. Nach 10 Monaten wurde er bedingt aus der Strafhaft entlassen unter Setzung einer Probezeit im Ausmaß von 3 Jahren und der Anordnung der Bewährungshilfe.

Als mildernd wurde das Geständnis, die Unbescholtenheit und die Gewöhnung an Suchtgift gewertet. Dem gegenüber wurden als erschwerend das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen und die Tatbegehung mit Komplizen angeführt.

Im vorliegenden Fall kommt die schwere des Verbrechens insbesondere auch dadurch zum Ausdruck, dass der Beschwerdeführer während eines längeren Zeitraums ein wiederholtes Fehlverhalten gesetzt hat (zumindest mehrere Monate), was eine erhebliche Gefährdung des gewichtigen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität darstellt, bei der es sich um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handelt und bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist (Hinweis E 17. Jänner 2006, 2006/18/0001). Im vorliegenden Fall liegt eine qualifizierte Suchtgiftdelinquenz vor, die im § 28a SMG unter Strafe gestellt wurde. An der Verhinderung des Suchtgifthandels besteht ein besonderes öffentliches Interesse (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0155).

Zudem hat der Beschwerdeführer jedenfalls eine die Grenzmenge überschreitende Menge an Cannabiskraut an zahlreiche Suchtgiftabnehmer weitergegeben. Entsprechend der höchstgerichtlichen Judikatur stellt die Suchtgiftdelinquenz, wenn sie sich auf eine Grenzmenge übersteigende Menge bezieht, ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, an dessen Verhinderung auch ein großes öffentliches Interesse besteht (VwGH 22.11.2012, 2011/23/0556, mwN.). Auch wenn in der Strafbemessung mildernd sein Geständnis, seine Unbescholtenheit und die Gewöhnung an Suchtgift berücksichtigt wurden, kam erschwerend das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen und die Tatbegehung mit Komplizen hinzu. Es ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, sich an die geltende Rechtsordnung zu halten und durch sein Verhalten darlegte, dass er mit den rechtlichen Werten in Österreich absolut nicht verbunden war bzw. ist. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass er an zahlreiche Suchtgiftmittelabnehmer Drogen weitergegeben hat. Darüber hinaus ist dem Beschwerdeführer sein Unrecht an dieser Tat nicht bewusst und versuchte er in der mündlichen Verhandlung seine Straftat anders darzustellen. So bestritt er den Umstand, dass er Drogen verkauft habe und führte aus, dass er nur die Information weitergegeben habe. Ausdrücklich gab er an, dass ihm jemand etwas gesagt habe, dass er etwas haben wolle und er habe dann das an jemanden weitergegeben. Er habe nur die Information weitergegeben. Zudem führte er aus, dass er nur zwei Kunden gehabt habe und deren Information habe er dann weitergegeben, obwohl dem gegenständlichen Strafurteil ausdrücklich zu entnehmen ist, dass er neben zwei namentliche genannten Personen noch insgesamt 589g Cannabiskraut an Unbekannte weitergegeben hat und insgesamt € 6.000,- durch die Weitergabe eingenommen hat (Seite 14 des Verhandlungsprotokolls). Die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung widersprechen somit den Feststellungen im maßgeblichen Strafurteil und vermittelte der Beschwerdeführer durch dieses Aussageverhalten in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck, dass er sich der Schwere des begangenen Delikts bewusst ist.

Somit lässt sich aus der Schwere der Verurteilung und seinem diesbezüglichen Aussageverhalten keine positive Prognose ableiten. Auch die Ausführungen des Beschwerdeführers, dass er einen Fehler gemacht habe und in dieser Zeit nicht daran gedacht habe und es nicht ernst genommen habe und er nur Informationen weitergegeben habe, kann nicht erklären, weshalb er über einen Zeitraum von mehreren Monaten Drogen an mehrere Personen weitergegeben hat (Seite 14 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer schreckte somit nicht davor zurück, eine Straftat zu begehen und trotz rechtskräftiger Verurteilung diese weiterhin durch sein Aussageverhalten abzuschwächen. In diesem Zusammenhang führte er auch selbst aus, dass wenn er ehrlich sei 15 Monate zu viel seien. Normal hätte er nur die Halbstrafe erhalten sollen. Auch der Haftrichter habe gemeint, was er hier mache und warum er im Gefängnis sei. Die Staatsanwaltschaft habe sich aber dagegen ausgesprochen. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer einerseits vor dem Strafgericht ein Geständnis abgelegt hat, welches der Strafbemessung als mildernd zugrunde gelegt wurde, und andererseits in der mündlichen Verhandlung die festgestellte Straftat anders darstellte, vermittelte den Eindruck, dass der Beschwerdeführer über ein mangelndes Unrechtsbewusstsein verfügt. Zusammengefasst kann daher gesagt werden, dass der Beschwerdeführer das Ausmaß seiner verwirklichten Straftat nicht einsieht und somit weiterhin von einer hochgradigen Gefährlichkeit des Beschwerdeführers auszugehen ist.

Unter Berücksichtigung der ausgeführten Rahmenumstände erweist sich das Verbrechen des Beschwerdeführers sowohl objektiv als auch subjektiv als besonders schwerwiegend. Darüber hinaus wurde auch aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers für diese Taten und den dort getroffenen Feststellungen zur subjektiven Tatseite dem vom Asylgesetz verlangten Beweismaßstab (VwGH 21.04.2015, Ra 2014/01/0154) ebenso Rechnung getragen.

Dass die Verurteilung des Beschwerdeführers rechtskräftig ist, ergibt sich aus dem im Verfahren festgestellten Urteil des Landesgericht XXXX .

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt darauf hingewiesen, dass bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände besondere Bedeutung zukommt (vgl. VwGH 26.1.2017, Ra 2016/21/0233, mwN). Dabei ist bei der Beurteilung der Gemeingefährlichkeit eine entsprechende Zukunftsprognose zu erstellen, wobei es auf das gesamte Verhalten des Asylwerbers ankommt (VwGH 06.10.1999, 99/01/0288).

Die Gemeingefährlichkeit des Beschwerdeführers drückt sich zunächst in seiner gravierenden Straffälligkeit aus: Er zeigte über einen längeren Zeitraum hindurch ein strafrechtswidriges Verhalten und verwirklichte mehrmals die Überlassung von Suchtmitteln im erheblichen Ausmaß (in einem das die Grenzmenge jedenfalls übersteigenden Ausmaß) an Dritte. Im vorliegenden Fall hat sich der Beschwerdeführer nicht bloß auf den Erwerb und Besitz von Suchtmitteln beschränkt, sondern hat diese auch weitergegeben. Dabei agierte er nicht alleine, sondern arbeitete mit Komplizen zusammen. Darin manifestiert sich auch ein nicht unbeträchtliches kriminelles Potential des Beschwerdeführers (vgl. VwGH 24.04.2012, 2011/23/0670). Weiters ist zu beachten, dass der Beschwerdeführer durch sein Aussageverhalten in der mündlichen Verhandlung die Schwere seiner Straftat nicht einsieht, sondern die Meinung vertritt, dass er nur Informationen weitergegeben habe, nur zwei Kunden gehabt habe und er lediglich eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von 7 Monaten verdient habe. Insgesamt ist ein positiver Wandel des Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers daher nicht erkennbar. In diesem Zusammenhang wurde auch berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer eine Suchttherapie absolviert hat und die Bewährungshilfe regelmäßig in Anspruch nimmt. Aufgrund des persönlichen Eindrucks im Zusammenhang mit seinen Aussagen zu seiner Straftat besteht jedoch insgesamt im Hinblick auf das verübte Verbrechen und die Vergehen des Beschwerdeführers kein Zweifel, dass die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen.

Angesichts der dargestellten Verurteilung und auch auf Grund der Persönlichkeitsstruktur des Beschwerdeführers ist weiterhin davon auszugehen, dass von diesem eine große Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, zumal mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sein wird, dass der Beschwerdeführer angesichts der in der Vergangenheit gezeigten Bereitschaft, sich durch kriminelle Handlungen ein Einkommen zu verschaffen sowie der fehlenden Reumütigkeit und der massiven Abschwächung seiner verwirklichten Strafhandlung, die sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung ergibt, weiterhin solche vergleichbare Straftaten begehen wird. Die Berücksichtigung des noch jungen Lebensalters des Beschwerdeführers sowie die erfolgreiche Absolvierung einer Suchttherapie, die aufrechte Bewährungshilfe und der Umstand, dass er derzeit einer Beschäftigung nachgeht, vermag angesichts der unter Beweis gestellten kriminellen Energie zu keiner günstigeren Prognose führen. Dabei wird auch nicht außer Acht gelassen, dass sich der Beschwerdeführe in einer Lebensgemeinschaft befindet, jedoch ist die dargestellte Haltung des Beschwerdeführers zu seiner rechtskräftigen Verurteilung in der mündlichen Verhandlung derart schwerwiegend, dass auch die dargelegten Änderungen in seinem Privatleben (Berufstätigkeit, Lebensgemeinschaft), nicht zu einer anderen Bewertung führen können.

Selbst wenn das Landesgericht XXXX in Bezug auf den Verstoß gegen das Suchtmittelgesetz zu dem Schluss kam, dass der Vollzug eines Teils der Strafe in Verbindung mit der Anordnung einer Bewährungshilfe und Erteilung der Weisung zur Durchführung einer ambulanten Suchttherapie genüge, um ihn von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten, kann aufgrund des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers die Begehung strafbarer Handlungen in Zukunft nicht ausgeschlossen werden. Auch wenn der Beschwerdeführer die Termine zur Bewährungshilfe einhält und erfolgreich eine ambulante Suchttherapie absolvierte, ist darauf zu verweisen, dass die seit der Tatbegehung im Jahr 2017 bzw. seit der Verurteilung im April 2018 und seiner anschließenden Haftentlassung im September 2018 verstrichene Zeit jedenfalls zu kurz ist, um ein nachhaltiges Wohlverhalten seit der letzten Tatbegehung festzustellen und auf einen Wegfall oder eine erhebliche Minderung der von der Beschwerdeführerin ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit schließen zu können. An dieser Gefährdungsprognose vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführerin „nur“ zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt wurde. Erst ein längeres Wohlverhalten, welches nicht auf die Unterstützung durch die Bewährungshilfe zurückzuführen ist, könnte zu einer (maßgeblichen) Minderung bzw. zu einem Wegfall der Gefährdung führen.

Im Ergebnis war die Beschwerde sohin hinsichtlich Spruchpunkt I. als unbegründet abzuweisen, da der Beschwerdeführer durch die Schwere der Tat ein besonders schweres Verbrechen verwirklicht hat und als eine aktuelle Gefahr für die Gesellschaft und als Gefahr für die Allgemeinheit angesehen werden muss. Zusammengefasst sind die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten beim Beschwerdeführer somit gegeben.

Zu den Abwägungen zwischen den Interessen des Beschwerdeführers zum Verbleib im Bundesgebiet und den entgegenstehenden öffentlichen Interessen siehe die Erwägungen zur Rückkehrentscheidung (Pkt. 3.4.). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer in sein Heimatland derzeit nicht ab- oder zurückgeschoben werden darf (Pkt. 3.5.) und daher im Folgenden auf die aktuellen Länderfeststellungen, die dem Beschwerdeführer mit der Ladung vom 30.07.2020 zukamen, nicht näher einzugehen ist.

3.2. Zur Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird und wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht.

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH jeweils vom 31.03.2005, 2002/20/0582, 2005/20/0095).

Die belangte Behörde hat festgestellt, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde, sodass der Status des subsidiären Schutzstatus schon mangels Erfüllung der Voraussetzungen gemäß Art. 8 Abs. 1 AsylG nicht zuzuerkennen war.

Den diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde ist jedoch nicht zu folgen, da diese es unterlassen hat, sich mit der religiösen Einstellung des Beschwerdeführers und dem Umstand, dass dem Beschwerdeführer aufgrund der damals vorgebrachten Konversion zum Christentum Asyl gewährt wurde, auseinanderzusetzen. Aufgrund der nachvollziehbaren und glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers, dass er sich vom islamischen Glauben abgewandt hat und seine religiöse Einstellung offen lebt, war festzustellen, dass ihm im Falle seiner Rückkehr in den Iran aufgrund seiner religiösen Einstellung weiterhin psychische und/oder physische Gewalt durch die iranische Regierung oder Dritte droht.

Gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 hat, wenn ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen ist, eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Das ist dann der Fall, wenn

1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist (§ 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005). Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, inwieweit der Tatbestand in § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 erfüllt ist und ein besonders schweres Verbrechen vorliegt.

Allerdings hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 13.9.2018, Rs C-369/17 , Ahmed, ausgesprochen, dass Art. 17 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, dahin auszulegen ist, dass er einer Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der ausschließlich anhand des Strafmaßes, das für eine bestimmte Straftat nach dem Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehen ist, davon ausgegangen wird, dass die Person, die einen Antrag auf subsidiären Schutz gestellt hat, "eine schwere Straftat" im Sinne dieser Bestimmung begangen hat, derentwegen sie von der Gewährung subsidiären Schutzes ausgeschlossen werden kann. Es ist Sache der zuständigen nationalen Behörde bzw. des zuständigen nationalen Gerichts, die oder das über den Antrag auf subsidiären Schutz entscheidet, die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen, wobei eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen ist.

Daher reicht es nicht hin, festzustellen, dass der Beschwerdeführer wegen eines Verbrechens verurteilt worden ist; im gegenständlichen Fall wurde aber bereits unter Pkt. 3.1. ausgeführt, dass nicht nur ein schweres Verbrechen, sondern sogar ein besonders schweres Verbrechen vorliegt und keine positive Zukunftsprognose möglich ist. Daher liegen die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten jedenfalls vor.

Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass auch der Tatbestand des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 erfüllt ist. Ob der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, erfordert ebenfalls eine Gefährdungsprognose, wobei das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, der Fremde stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Strafgerichtliche Verurteilungen des Fremden sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit sich daraus nach der Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und der Tatumstände der Schluss auf die Gefährlichkeit des Fremden für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich ziehen lässt (vgl. VwGH 30.8.2017, Ra 2017/18/0155). Im konkreten Fall ist der Tatbestand der Z 2 erfüllt, weil der Beschwerdeführer - wie oben unter Pkt. 3.1. erläutert wurde - als Gefahr für die Gesellschaft und damit als gemeingefährlich einzustufen war. Der Beschwerdeführer stellt damit eine Gefahr für die Allgemeinheit dar.

Da die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten schon Mangels der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht zuzuerkennen sei, war der Spruchpunkt II. dahingehend zu ändern, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 nicht zuzuerkennen ist.

3.3. Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn

(1.) der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in Folge: FPG), seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

(2.) zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

(3.) der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e Exekutionsordnung, BGBl. Nr. 79/1896 in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2018, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Wie von der belangten Behörde ausgeführt wurde, sind die in § 57 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen nicht erfüllt. Für die Anwendbarkeit der Z 2 und 3 finden sich keinerlei Hinweise, die Z 1 ist schon aus dem Grund nicht anwendbar, da der Beschwerdeführer von einem Gericht wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde (und überdies auch noch eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt). Daher war die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen rechtmäßig.

 

3.4. Zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG ist eine Entscheidung nach dem AsylG mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird. Allerdings wäre - schon aus verfassungsrechtlichen Gründen - eine Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu unterlassen, wenn diese gegen Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention, BGBl. Nr. 210/1958 in der Fassung BGBl. III Nr. 139/2018, verstoßen würde.

Gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Da dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten aberkannt wurde, der Status des subsidiär Schutzberechtigten jedoch nicht zuerkannt wurde, kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt wurde und ihm auch nach anderen Bundesgesetzen als dem FPG kein Aufenthaltsrecht zukam, war mit dem angefochtenen Bescheid unter einem eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

Gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 und § 52 Abs. 9 FPG erster Satz FPG ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist.

Im gegenständlichen Fall war eine Rückkehrentscheidung zu erlassen und zugleich festzustellen, dass (derzeit) eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (siehe dazu die Ausführungen zu Pkt. 3.2. und 3.5.).

Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens iS des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, indem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung jedenfalls begründet, insbesondere darauf, ob diese auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.

Die belangte Behörde führte zutreffend aus, dass dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 15.07.2011 internationaler Schutz zuerkannt wurde. Der Beschwerdeführer beging jedoch in Österreich das oben angeführte schwere Verbrechen des Suchtgifthandels.

Selbst wenn man davon ausginge, dass im Bundesgebiet ein "Familien- oder Privatleben" gegeben sei, wäre ein Eingriff in das Privat- und Familienleben unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Es ist zu prüfen, ob der Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK, verfolgt.

Es wird nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer sich schon seit März 2011 in Österreich befindet und hier auch Freunde und seit 2012 eine Lebensgefährtin hat, mit der er seit seiner Entlassung (September 2018) im gemeinsamen Haushalt lebt. Sie haben jedoch keine gemeinsamen Kinder, sind nicht verheiratet und befanden sich seit dem Jahr 2012 auch nicht durchgehend in einer Beziehung. Zwar möchte der Beschwerdeführer seine Freundin heiraten, jedoch konnte kein konkreter Heiratstermin festgestellt werden. Ein besonders schützenswertes Abhängigkeitsverhältnis konnte nicht dargelegt werden. Seine Freizeit verbringt er im gemeinsamen Freundeskreis und geht unter anderem Radfahren. Davon abgesehen konnte auch kein besonderes schützenswerten Abhängigkeits- oder Naheverhältnis zu Dritten in Österreich festgestellt werden. Es leben keine nahen Familienangehörigen des Beschwerdeführers in Österreich. Auch wenn der Beschwerdeführer seit seiner Haftentlassung (September 2018) nunmehr einer regelmäßigen Beschäftigung nachgeht, ist zu beachten, dass er sich jedoch seit dem Jahr 2011 in Österreich befindet. Somit handelt es sich hier um einen relativ kurzen Zeitraum, in dem er nun einer regelmäßigen Beschäftigung nachgeht. Die dargestellten Freundschaften und die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterstützungsschreiben und Kursteilnahmebestätigungen vermögen keine maßgeblichen Integrationsschritte oder bedeutsame Freundschaften des Beschwerdeführers darzulegen.

Dem Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich ist jedoch entgegenzuhalten, dass er mit Suchtgift gehandelt hat, indem er zumindest 1.000 g Cannabiskraut weitergegeben hat und außerdem Cannabiskraut erworben und besessen hat. Er verbüßte die Strafe in der Justizanstalt XXXX und wurde bedingt entlassen. Dies kann insbesondere in Zusammenschau mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht versuchte seine festgestellte Straftat abzuschwächen obwohl er vor dem Strafgericht noch geständig war, nicht zu einer positiven Gefährdungsprognose beitragen. Wie bereits unter Pkt. 3.1. ausgeführt wurde, kann somit keine positive Zukunftsprognose gestellt werden. Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene Beschwerdeführer den größten Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen. Der Beschwerdeführer beherrscht auch eine Sprache des Herkunftsstaates als Muttersprache.

Bei einer Gesamtabwägung des Interesses des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung ist von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen, insbesondere des Interesses an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, auszugehen. Daher ist die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG zulässig. Eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 hat zu unterbleiben, da die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig ist (§ 58 Abs. 2 AsylG 2005).

3.5. Zur Feststellung der Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Iran (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):

Im Fall der Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzes aus diesem Grund ist die Abweisung gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Der Spruchpunkt V. wurde daher mit der Maßgabe geändert, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran unzulässig ist.

3.6. Zur Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Gemäß § 52 Abs. 1a FPG besteht eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

Gemäß Abs. 2 beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Gemäß Abs. 4 hat das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde. Eine solche Aberkennung der aufschiebenden Wirkung hat nicht stattgefunden.

Es ist daher gemäß § 53 Abs. 2 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft des Erkenntnisses zu setzen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte keine besonderen Umstände feststellen, die eine längere Frist rechtfertigen könnten.

3.7. Zur Erteilung eines Einreiseverbotes (Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann vom Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten einzureisen, um sich dort aufzuhalten.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet erlassen werden, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsachen, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant sind, hat gem. § 53 Abs. 3 Z 1 leg. cit. insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingten nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlung rechtkräftig verurteilt worden ist. Die Voraussetzungen für die Verhängung eines entsprechenden Einreiseverbotes sind im gegenständlichen Fall gegeben.

Bei der Entscheidung, ob und wie ein befristetes Einreiseverbot gegen einen Fremden verhängt wird, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Dem Verwaltungsgericht kommt die Kontrolle einer behördlichen Ermessensentscheidung nicht zu, wenn der Behörde vom Gesetz Ermessen eingeräumt wurde und sie dieses im Sinne des Gesetzes geübt hat; dies gilt nicht für Verwaltungsstrafsachen und in der Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichts, hier ist jeweils volle Ermessenskontrolle zu üben. Allerdings ist es Aufgabe des Verwaltungsgerichts zu kontrollieren, ob sich die Entscheidung der Behörde als Ermessensübung im Sinne des Gesetzes erweist, und zwar vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehenden Sach- und Rechtslage. Ist dem so, ist die Beschwerde abzuweisen. Erfolgte die behördliche Ermessensübung nicht im Sinne des Gesetzes, ist das Verwaltungsgericht befugt - soweit die Voraussetzungen für eine Entscheidung in der Sache selbst vorliegen - eigenes Ermessen zu üben (zu alledem VwGH 15.12.2016, Ra 2015/11/0059). Weiters ist darauf hinzuweisen, dass das Gesetz außerhalb des Verwaltungsstrafverfahrens kein Verbot der "reformatio in peius" kennt (VwGH 9.9.2014, Ra 2014/11/0044).

Der räumliche Geltungsbereich eines Einreiseverbotes erstreckt sich auf das Gebiet der Mitgliedsstaaten, für die die Rückführungsrichtlinie gilt. Dieses Gebiet ist nicht deckungsgleich mit den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, ausgenommen ist Irland, hinzugekommen sind allerdings Island, Norwegen, Schweiz und Liechtenstein (Filzwieser/Frank/Kloibmühler/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht [2016], K3 zu § 53 FPG).

Der Verhängung eines Einreiseverbotes sowie in weiterer Folge der Bemessung einer Dauer immanent ist die zum Entscheidungszeitpunkt durchzuführende individuelle Gefährdungsprognose. Bei der Beurteilung des durch den Fremden potentiell zu erwarteten Gefährdungspotentials kommt sowohl für die Frage, ob ein Einreiseverbot überhaupt zu verhängen ist, als auch hinsichtlich der Bemessung seiner Dauer zentrale Bedeutung zu (Filzwieser/Frank/Kloibmühler/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, K10 zu § 53).

Bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (ErläutRV, 1078 BlGNR 24. GP 29 ff. und Art. 11 Abs. 2 Rückführungsrichtlinie). Dabei hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der weitere Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in den Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. In Bezug auf strafgerichtliche Verurteilungen ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern immer auf das zugrundeliegende Verhalten abzustellen. Maßgeblich sind Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und das sich daraus ergebene Persönlichkeitsbild (VwGH 15.12.2011, Zl. 2011/21/0237). Bei der Festlegung der Dauer eines Einreiseverbotes ist eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose erforderlich (VwGH 24.05.2013, Zl. Ra 2015/21/0187). Im gegenständlichen Fall wurde - wie oben ausgeführt - eine Gefährdungsprognose durchgeführt und war aus den genannte Gründen die Abgabe einer positiven Zukunftsprognose nicht möglich.

Vor dem Hintergrund der im gegenständlichen Fall herangezogenen Erwägungen (vgl. Pkt. 3.1. und 3.4.) war der belangten Behörde dahingehend beizupflichten, dass im gegenständlichen Fall der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 1 erfüllt ist. Hingegen war der belangten Behörde im Rahmen ihrer im bekämpften Bescheid verhängten Dauer des Einreiseverbotes nicht zu folgen und war die Begründung lediglich auf allgemeine Darstellungen gestützt.

Das dargestellte Verhalten des Beschwerdeführers ist unbestritten den Grundinteressen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit massiv zuwidergelaufen. Es ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Erlassung eines Einreiseverbots in der Dauer von zehn Jahren im gegenständlichen Fall in jenen Fällen kaum noch Spielraum lassen würde, in denen eine Person eine noch größere Anzahl von Delikten begeht, es sich um zu schützende Rechtsgüter noch höheren Ranges handelt oder in Fällen organisierter Kriminalität. Es wird vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer erstmals strafgerichtlich verurteilt wurde und sich bei früheren Aufenthalten in Österreich nichts zu Schulden kommen ließ. Zudem wurde ein Drittel der Strafzeit bedingt nachgesehen.

Die gegenständliche Zukunftsprognose kann derzeit jedoch noch nicht positiv ausfallen und es können weitere strafbare Handlungen in Hinkunft nicht ausgeschlossen werden.

Betrachtet man andererseits die vom Beschwerdeführer begangene Straftat, für die er verurteilt wurde, so sehen die dafür maßgeblichen Strafbestimmungen einen Strafrahmen bis zu fünf Jahre vor. Das Strafgericht hat mit dem ausgesprochenen Strafmaß in der Höhe von 15 Monaten ein Viertel des Strafrahmens ausgenützt und bewegt sich, damit noch im unteren Bereich des zulässigen Höchstausmaßes. Daher steht die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Einreiseverbotes im Ausmaß von zehn Jahren im Vergleich zu der im gegenständlichen Fall tatsächlich verhängten Freiheitsstrafe und dem konkreten Unrechtsgehalt der begangenen Straftaten außer Relation.

Unter diesen Prämissen ist die vom Bundesamt verhängte Dauer des Einreiseverbotes im Ausmaß von 10 Jahren zu hoch angesetzt. Daher war in einer Gesamtbetrachtung die Dauer des Einreiseverbots um die Hälfte zu reduzieren.

Eine Herabsetzung des Einreiseverbotes auf weniger als fünf Jahre erweist sich im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers als nicht angemessen.

Der Spruchpunkt VII. des bekämpften Bescheides war daher nur dem Grunde und nicht hinsichtlich der Dauer zu bestätigen.

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

3.8. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A wiedergegeben. Die unter Spruchpunkt A angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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