BVwG W187 2175977-1

BVwGW187 2175977-117.11.2017

BVergG 2006 §12 Abs1 Z2
BVergG 2006 §2 Z8
BVergG 2006 §291
BVergG 2006 §292 Abs1
BVergG 2006 §3 Abs1 Z2
BVergG 2006 §312 Abs2
BVergG 2006 §320 Abs1
BVergG 2006 §322 Abs1
BVergG 2006 §328 Abs1
BVergG 2006 §328 Abs2
BVergG 2006 §329 Abs1
BVergG 2006 §329 Abs3
BVergG 2006 §329 Abs4
BVergG 2006 §6
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W187.2175977.1.00

 

Spruch:

W187 2175977-1/3E

 

BESCHLUSS

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hubert REISNER über den Antrag der Bietergemeinschaft 1. AAAA , 2. BBBB ,[HR1] vertreten durch die Heid Schiefer Rechtsanwälte OG, Landstraßer Hauptstraße 88/2-4, 1030 Wien, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "Unterstützungsstruktur für Unternehmensgründung im Bundesland Steiermark (P 275.270)" der Republik Österreich (Bund) vertreten durch das Arbeitsmarktservice, vergebende Stelle Arbeitsmarktservice Steiermark, Babenbergerstraße 33, 8020 Graz, vertreten durch Dr. Christian Fink, Rechtsanwalt, Stiftgasse 21/16, 1070 Wien, vom 9. November 2017 beschlossen:

 

A)

 

Das Bundesverwaltungsgericht gibt dem Antrag der Bietergemeinschaft

1. AAAA , 2. BBBB , das Bundesverwaltungsgericht möge "eine einstweilige Verfügung gemäß § 328 Abs 1 BVergG erlassen, mit der im Vergabeverfahren ‚Unterstützungsstruktur für Unternehmensgründung im Bundesland Steiermark, Projektnummer: P 275.270‘ die Erteilung des Zuschlags für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt wird", gemäß §§ 328 Abs 1, 329 Abs 3 BVergG statt.

 

Das Bundesverwaltungsgericht untersagt der Republik Österreich (Bund) vertreten durch das Arbeitsmarktservice, vergebende Stelle Arbeitsmarktservice Steiermark, für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens, im Vergabeverfahren "Unterstützungsstruktur für Unternehmensgründung im Bundesland Steiermark (P 275.270)" den Zuschlag zu erteilen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

BEGRÜNDUNG

 

I. Verfahrensgang

 

1. Mit Schriftsatz vom 9. November 2017 beantragte die Bietergemeinschaft 1. AAAA , 2. BBBB , vertreten durch die Heid Schiefer Rechtsanwälte OG, Landstraßer Hauptstraße 88/2-4, 1030 Wien, in der Folge Antragstellerin, die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 30. Oktober 2017, Akteneinsicht, Ausnahmen von der Akteneinsicht, die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und den Ersatz der Pauschalgebühr sowie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung wie im Spruch unter A) wiedergegeben. Die Anträge betreffen das Vergabeverfahren "Unterstützungsstruktur für Unternehmensgründung im Bundesland Steiermark (P 275.270)" der Auftraggeberin Republik Österreich (Bund) vertreten durch das Arbeitsmarktservice, vergebende Stelle Arbeitsmarktservice Steiermark, Babenbergerstraße 33, 8020 Graz, vertreten durch Dr. Christian Fink, Rechtsanwalt, Stiftgasse 21/16, 1070 Wien.

 

1.1 Nach Darstellung des Sachverhalts und Ausführungen zur Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags, legt die Antragstellerin ihr Interesse am Vertragsabschluss durch Angebotslegung dar und macht als drohenden Schaden die Kosten von zumindest € 10.000 ohne USt für die Beteiligung am gegenständlichen Vergabeverfahren, den entgangenen Gewinn, die Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung im Nachprüfungsverfahren von zum Zeitpunkt der Antragstellung von rund € 8.000 sowie den Verlust eines wichtigen Referenzprojekts für künftige Vergabeverfahren geltend. Sie sieht sich in ihrem Recht auf rechtskonforme Durchführung eines Vergabeverfahrens, in ihrem Recht auf Zuschlagserteilung als Bestbieter, in ihrem Recht auf Ausscheiden eines ausschreibungswidrigen Angebots, in ihrem Recht auf ausreichend nachvollziehbare Begründung der Zuschlagsentscheidung, in ihrem Recht auf Durchführung einer BVergG-konformen Angebotsbewertung und in ihrem Recht auf transparente, nicht diskriminierende und nachvollziehbare Angebotsbewertung verletzt.

 

1.2 Zur Rechtswidrigkeit führt die Antragstellerin im Wesentlichen aus, dass davon auszugehen sei, dass die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin die Eignungserfordernisse von vier Mitarbeitern mit jeweils zumindest zwölf Monaten Berufserfahrung im Bereich Unternehmensberatung nicht erfüllen könne. Da kein Subunternehmer genannt worden sei, sei der Rückgriff auf Dritte unzulässig. Personen insbesondere aufgrund eines freien Dienstvertrags oder Werkvertrags für den Bewerber oder Bieter tätig würden, seien als Subunternehmer zu qualifizieren. Unternehmens- oder Gründungsberater, die erst in Zukunft in die Unternehmen der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin aufgenommen werden sollten, dürften für den Nachweise der Eignung nicht herangezogen werden. Dies ergebe sich aus § 69 Z 1 BVergG. Bei ordnungsgemäßer Prüfung fehle der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin die ausreichende Leistungsfähigkeit und ihr Angebot sei gemäß § 129 Abs 1 Z 2 BVergG auszuscheiden.

 

1.3 Die Zuschlagsentscheidung sei mangelhaft begründet. Die Auftraggeberin habe darin weder die Gründe für die Ablehnung des Angebots der Antragstellerin noch die Vor- und Nachteile der bewerteten Angebote bekannt gegeben. E Zuschlagsentscheidung gebe lediglich die Punkte in den einzelnen Zuschlagskriterien und Subkriterien wieder, ohne die Punktevergabe verbal zu begründen. Dies widerspreche § 131 Abs 1 BVergG. Die Zuschlagsentscheidung enthalte nicht die notwendigen Informationen, um abschätzen zu können, ob die Zuschlagsentscheidung rechtens getroffen worden und ihre Bekämpfung aussichtsreich sei. Die Bewertung sei mangels verbaler Begründung im Subkriterium 2b sowie in den Subkriterien 1a) bis 1g) nicht nachvollziehbar.

 

1.4 Die Auftraggeberin sei bei der Bewertung der Angebote von der bestandsfesten Ausschreibung abgewichen. Dies zeige sich insbesondere in der Bewertung des Zuschlagskriteriums 2 Qualität der eingesetzten MitarbeiterInnen". Die CCCC verfüge nur über drei bis vier vollzeitbeschäftigte Unternehmensberater. Die DDDD führe seit 2016 nur ein kleinvolumiges Projekt im Bereich der Unternehmensberatung. Das führe dazu, dass die Mitarbeiter der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin über wesentlich weniger einschlägige bewertungsrelevante Erfahrung als jene der Antragstellerin verfügten. Unzulässigerweise sei wohl auch Personal bewertet worden, das zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung nicht in die Unternehmen der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin eingegliedert gewesen sei. Dieses wäre als Subunternehmer zu nennen gewesen, weshalb dieses Personal nicht in die Bewertung einfließen könne. Die Auftraggeberin habe die Angebotsprüfung mehr als unzureichend und ungenau durchgeführt. Die Projekte AK:ZENT hätten weder die Unternehmensberatung noch die Gründerberatung zum Gegenstand. Die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin habe keine Subunternehmer genannt. Referenzen dürften nur dann zur Bewertung der Angebote herangezogen werden, wenn die Kapazität der Schlüsselpersonen auf tatsächlich zur Verfügung stünden. Die Zuschlagsentscheidung sei rechtswidrig und aufzuheben.

 

2. Am 15. November 2017 erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte und sprach sich nicht gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus. Die Auftraggeberin bestreitet das Vorbringen der Antragstellerin und beantragt die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung. Eine detaillierte inhaltliche Stellungnahme zum Vorbringen der Antragstellerin stellt sie fristgerecht in einem gesonderten Schriftsatz in Aussicht. Sie teilt mit, dass sie keine Präferenzen für einen bestimmten Bieter hege und das Verfahrensergebnis auf Grundlage der Ausschreibungsunterlagen zutage getreten sei. Die Auftraggeberin könne nicht von ihren bestandsfesten "Verfahrensspielregeln" abweichen.

 

3. Am 15. November 2017 legte die Auftraggeberin die Unterlagen des Vergabeverfahrens vor.

 

4. Am 17. November 2017 erhob die Bietergemeinschaft 1. DDDD , 2. CCCC , vertreten durch Dr. Roland Katary, Rechtsanwalt, Neubaugasse 64-66/1/12, 1070 Wien, begründete Einwendungen. Darin führt sie im Wesentlichen aus, dass bei ihr die Antragsvoraussetzungen gemäß § 320 Abs 1 BVergG vorlägen. Sie sei daher Partei des Verfahrens für die gesamte Dauer.

 

4.1 Die Auftraggeberin habe ein eigenes Regime für die Nennung und die erforderlichen Nachweise der MitarbeiterInnen bestandsfest festgelegt. Es seien Bestätigungen auf vorgegebenen Formblättern auszufüllen gewesen. Die Mitarbeiter der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin hätten diese ausgefüllt und unterschrieben. Dienstverhältnisse müssten nicht bereits im Zeitpunkt der Angebotsabgabe begründet sein. Es sei nur gefragt, ob die Mitarbeiter bei der Ausführung des Auftrags zur Verfügung stünden. Bei den Referenzen gehe es um die persönlichen Erfahrungen der nominierten MitarbeiterInnen, sodass die Situation der beiden Mitglieder der Bietergemeinschaft insofern nicht weiter relevant sei. Das Angebot der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin sei nicht auszuscheiden.

 

4.2 Die Gründe für die erreichten Punkte könnten durch eine entsprechende Zuordnung nachvollzogen werden. Die ersten zwölf Monate seien wegen einer Festlegung der Ausschreibung bei der Bewertung der Gründungsberatung abgezogen worden. Die Form der Nachweise sei in der Ausschreibung festgelegt. Diese habe die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin erbracht. Die Angebotsprüfung und -bewertung sei korrekt erfolgt, Der Nachprüfungsantrag sei abzuweisen.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

 

1. Feststellungen (Sachverhalt)

 

1.1 Die Republik Österreich (Bund) vertreten durch das Arbeitsmarktservice, vergebende Stelle Arbeitsmarktservice Steiermark, schreibt unter der Bezeichnung "Unterstützungsstruktur für Unternehmensgründung im Bundesland Steiermark (P 275.270)" einen Dienstleistungsauftrag mit dem CPV-Code 79000000-4 – Dienstleistungen für Unternehmen: Recht, Marketing, Consulting, Einstellungen, Druck und Sicherheit in einem offenen Verfahren im Oberschwellenbereich nach dem Bestangebotsprinzip aus. Der geschätzte Auftragswert beträgt € 1.134.000 ohne USt. Die Auftraggeberin veröffentlichte den Auftrag ua im Supplement zum Amtsblatt der EU vom 16. Juni 2017, 2017/S 114-229715, und im Amtlichen Lieferungsanzeiger, beide abgesandt am 16. Juni 2017. (Unterlagen des Vergabeverfahrens)

 

1.2 Bei der Angebotsöffnung am 21. August 2017 in Anwesenheit von Vertretern aller Bieter öffnete die Auftraggeberin die Angebote der Antragstellerin mit einem Angebotspreis von € 1.028.120 ohne USt und der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin mit einem Angebotspreis von € 1.060.660 ohne USt. (Unterlagen des Vergabeverfahrens)

 

1.3 Die Auftraggeberin gab am 30. Oktober 2017 die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin allen Bietern bekannt. (Unterlagen des Vergabeverfahrens)

 

1.4 Die Auftraggeberin hat weder das Vergabeverfahren widerrufen noch eine Zuschlagsentscheidung bekannt gegeben oder den Zuschlag erteilt. (Auskünfte der Auftraggeberin)

 

1.5 Die Antragstellerin bezahlte Pauschalgebühren in der Höhe von €

3.078. (Verfahrensakt)

 

2. Beweiswürdigung

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den jeweils in Klammern genannten Quellen. Diese sind Veröffentlichungen und die Unterlagen des Vergabeverfahrens, sowie Auskünfte, die nur die Auftraggeberin erteilen kann. Auskünfte der Antragstellerin betreffen ebenso ausschließlich mit der Auftraggeberin gemeinsame Dokumente. Die Echtheit und Richtigkeit von in den Schriftsätzen herangezogenen Unterlagen hat keine der Verfahrensparteien bestritten. Die herangezogenen Beweismittel sind daher echt. Ihre inhaltliche Richtigkeit steht außer Zweifel. Widersprüche traten nicht auf.

 

3. Rechtliche Beurteilung

 

3.1 Anzuwendendes Recht

 

3.1.1 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl I 2013/10, idgF lauten:

 

"Einzelrichter

 

§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist."

 

3.1.2 Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl I 2013/33 idgF, lauten:

 

"Anwendungsbereich

 

§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

 

Erkenntnisse

 

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

(2) Beschlüsse

 

§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

 

(2) An seine Beschlüsse ist das Verwaltungsgericht insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.

 

(3) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

 

Inkrafttreten

 

§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.

 

(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt.

 

(3) ..."

 

3.1.3 Zu Bestimmungen gemäß § 58 Abs 2 VwGVG zählt der 4. Teil des BVergG, der die Bestimmungen über den Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht enthält und daher als lex specialis den Bestimmungen des BVergG vorgeht. Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2006 – BVergG 2006), BGBl I 2006/17 idF BGBl I 2016/7 lauten:

 

"4. Teil

 

Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht

 

1. Hauptstück

 

Zuständigkeit, fachkundige Laienrichter, Ausschluss und Ablehnung

 

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes

 

§ 291. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.

 

Senatszuständigkeit und -zusammensetzung

 

§ 292. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 291, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz gemäß § 319 Abs. 3 oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungsantrages handelt, in Senaten.

 

(2) 2. Hauptstück

 

Besondere Bestimmungen über das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichtes in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens

 

1. Abschnitt

 

Allgemeine Bestimmungen

 

Anzuwendendes Verfahrensrecht

 

§ 311. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.

 

Zuständigkeit

 

§ 312. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.

 

(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig

 

1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie

 

2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

(3) 2. Abschnitt

 

Nachprüfungsverfahren

 

Einleitung des Verfahrens

 

§ 320. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern

 

1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und

 

2. ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

 

(2) 3. Abschnitt

 

Einstweilige Verfügungen

 

Antragstellung

 

§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 320 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

 

(2) Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:

 

1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie des Auftraggebers und des Antragstellers einschließlich deren Faxnummer oder elektronischer Adresse,

 

2. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 320 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,

 

3. die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,

 

4. die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,

 

5. die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und

 

6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

 

(3) Erlassung der einstweiligen Verfügung

 

§ 329. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

 

(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.

 

(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

 

(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

 

(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar."

 

3.2 Zu Spruchpunkt A) – Abweisung des Antrags auf Erlassung einer einstweilige Verfügung

 

3.2.1 Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrages

 

3.2.1.1 Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 8 BVergG ist die Republik Österreich (Bund) vertreten durch das Arbeitsmarktservice. Sie ist öffentliche Auftraggeberin gemäß § 3 Abs 1 Z 2 BVergG (st Rspr zB BVwG 19. 1. 2015, W123 2015052-2/19E). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag gemäß § 6 BVergG. Der geschätzte Auftragswert des Gesamtvorhabens liegt jedenfalls über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 Z 2 BVergG, sodass gemäß § 12 Abs 1 BVergG ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich vorliegt.

 

3.2.1.2 Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich und damit im Vollanwendungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 312 Abs 2 BVergG iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit c B-VG ist sohin gegeben.

 

3.2.1.3 Da darüber hinaus laut Stellungnahme des Auftraggebers das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 312 Abs 2 BVergG zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.

 

3.2.1.4 Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 320 Abs 1 BVergG nicht offensichtlich fehlen. Der Nachprüfungsantrag wurde rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 322 Abs 1 BVergG geforderten Inhalte.

 

3.2.1.5 Im Ergebnis ist daher vorläufig davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 328 Abs 1 BVergG zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 328 Abs 2 BVergG vorliegen. Die Pauschalgebühr wurde bezahlt.

 

3.2.2 Inhaltliche Beurteilung des Antrages

 

3.2.2.1 Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 329 Abs 1 BVergG sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten der Auftraggeberin die Öffnung der Angebote, die Angebotsprüfung, die Auswahl eines Angebots für den Zuschlag und die Zuschlagserteilung beabsichtigt sind. Es kann aus der Sicht des Provisorialverfahrens nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin relevierten Rechtswidrigkeiten zutreffen und sie daher an einem sodann rechtmäßigen Verfahren erfolgreich teilnehmen wird können, wodurch ihr auf Grund der behaupteten Rechtswidrigkeiten der Entgang des Auftrages mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht. Mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung müssen daher – bei Nichtüberwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 329 Abs 1 BVergG – Maßnahmen getroffen werden, die eine spätere den Grundprinzipien des Vergaberechts entsprechende Teilnahme am Vergabeverfahren über die ausgeschriebenen Leistungen und eine Zuschlagserteilung ermöglicht. Zur wirksamen Sicherung dieser möglicherweise bestehenden Ansprüche muss daher das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesvergabeamt in einem Stand gehalten werden, der eine allfällige spätere Angebotslegung und Zuschlagserteilung an die Antragstellerin ermöglicht (BVwG 29. 1. 2015, W187 2017416-1/3E).

 

3.2.2.2 Die Interessen der Antragstellerin bestehen im Wesentlichen in der Abwendung des drohenden Schadens und im Erhalt des Auftrags.

 

3.3.2.3 Die Auftraggeberin brachte keine grundsätzlich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung sprechenden eigenen und öffentlichen Interessen vor.

 

3.2.2.4 Bei der Interessenabwägung ist schließlich auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (siehe zB BVwG 22. 8. 2014, W187 2010665-1/11E; 11. 7. 2017, W187 2163208-1/3E), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 1. 8. 2002, B 1194/02) und schließlich dass gemäß § 329 Abs 1 BVergG von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVwG 2. 3. 2015, W187 2101270-1/6E; 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E).

 

3.2.2.5 Öffentliche Interessen, die eine sofortige Vergabe des Auftrags erforderlich machen würden, sind nicht ersichtlich.

 

3.2.2.6 Stellt man daher im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den Interessen des Auftraggebers gegenüber, ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und einer Auftragserteilung an die allenfalls obsiegende Antragstellerin ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten.

 

3.2.2.7 Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es demnach, die dem Antragsteller bei Zutreffen seines Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 329 Abs 3 BVergG die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.

 

3.2.2.8 Bei der bevorstehenden Angebotsabgabe ist das nötige und gelindeste Mittel gemäß § 329 Abs 3 BVergG die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung (zB BVwG 19. 1 .2017, W187 2144680-1/2E). Es soll somit (lediglich) der Rechtsgestaltungsanspruch dahingehend gesichert werden, dass durch die einstweilige Verfügung verhindert werde, dass eine nachfolgende im Hauptverfahren erfolgte Nichtigerklärung unmöglich oder sonst absolut sinnlos wird (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 7. 8. 2017, W187 2165912-1/2E).

 

3.2.2.9 Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens.

§ 329 Abs 4 BVergG verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit, legt im Gegensatz zu den Vorgängergesetzen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Der Auftraggeber ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichts davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum fest gesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 4. 5. 2015, W187 2106525-1/2E; siehe auch VwGH 10. 12. 2007, AW 2007/04/0054).

 

3.2.2.11 Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr wird gesondert entschieden werden.

 

3.3 Zu Spruchpunkt B) – Nichtzulassung der Revision

 

3.3.1 Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

3.3.2 Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 6. 11. 2002, 2002/04/0138;

30. 6. 2004, 2004/04/0028; 1. 2. 2005, 2005/04/0004; 29. 6. 2005, 2005/04/0024; 1. 3. 2007, 2005/04/0239; 27. 6. 2007, 2005/04/0254;

29. 2. 2008, 2008/04/0019; 14. 1. 2009, 2008/04/0143; 14. 4. 2011, 2008/04/0065; 29. 9. 2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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