BVergG 2006 §123
BVergG 2006 §2 Z8
BVergG 2006 §291
BVergG 2006 §292 Abs1
BVergG 2006 §312 Abs2
BVergG 2006 §320 Abs1
BVergG 2006 §320 Abs2
BVergG 2006 §322 Abs1
BVergG 2006 §328 Abs1
BVergG 2006 §328 Abs2
BVergG 2006 §328 Abs5
BVergG 2006 §329 Abs1
BVergG 2006 §329 Abs3
BVergG 2006 §329 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W187.2163208.1.00
Spruch:
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hubert REISNER über den Antrag der AAAA vertreten durch Dr. Fritz Vierthaler, Rechtsanwalt, Marktplatz 16, 4810 Gmunden, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "KS Vöcklabruck Neu – Trockenbauarbeiten" der Auftraggeberin OÖ Gebietskrankenkasse, Gruberstraße 77, 4021 Linz, vertreten durch die Harrer Schneider Rechtsanwälte GmbH, Jasomirgottstraße 6/5, 1010 Wien, vom 3. Juli 2017 beschlossen:
A)
Das Bundesverwaltungsgericht gibt dem Antrag der AAAA , "das Bundesverwaltungsgericht möge eine einstweilige Verfügung dahingehend erlassen, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin hinsichtlich ihres Bauvorhabens ‚KS Vöcklabruck Neu – Trockenbauarbeiten‘ den Leistungsgegenstand Trockenbauarbeiten an die Trockenbau BBBB zuzuschlagen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den in Punkt I. gestellten Nachprüfungsantrag ausgesetzt werde" statt.
Das Bundesverwaltungsgericht setzt die Zuschlagsentscheidung in dem Vergabeverfahren "KS Vöcklabruck Neu – Trockenbauarbeiten" der Auftraggeberin OÖ Gebietskrankenkasse aus.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
BEGRÜNDUNG
I. Verfahrensgang
1. Am 3. Juli 2017 beantragte die AAAA vertreten durch Dr. Fritz Vierthaler, Rechtsanwalt, Marktplatz 16, 4810 Gmunden, in der Folge Antragstellerin, die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 27. Juni 2017 und den Ersatz der Pauschalgebühr, sowie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung wie im Spruch unter A) wiedergegeben. Die Anträge betreffen das Vergabeverfahren "KS Vöcklabruck Neu – Trockenbauarbeiten" der Auftraggeberin OÖ Gebietskrankenkasse, Gruberstraße 77, 4021 Linz, vertreten durch die Harrer Schneider Rechtsanwälte GmbH, Jasomirgottstraße 6/5, 1010 Wien.
1.1 Die Antragstellerin führt nach Darstellung des Sachverhalts im Wesentlichen aus, dass das Angebot der BBBB , der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin, auszuscheiden sei, weil deren Angebot bei der Angebotsöffnung weder ein ausgefülltes Bieterlückenverzeichnis noch die geforderten K3- und K7-Blätter angeschlossen gewesen seien. Nach der Ausschreibung stelle das einen unbehebbaren Mangel dar. Die Auftraggeberin sei an die Ausschreibung gebunden und müsse daher das Angebot der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin ausscheiden. Die Pflicht zur Vorlage eines Bieterlückenverzeichnisses könne angesichts der Festlegungen in der Ausschreibung auch nicht durch Ausfüllen der Bieterlücken im Langleistungsverzeichnis ersetzt werden.
1.2 Der Antragstellerin müsse daher der Zuschlag erteilt werden. Ihr drohe ein Schaden insofern, als im Fall, dass das Angebot der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin nicht ausgeschieden werde nicht der Antragstellerin der Zuschlag erteilt werde, ihr der kalkulierte Deckungsbeitrag entgehe. Die Antragstellerin werde in ihrem Recht auf richtige Anwendung des BVergG, insbesondere der Bestimmung des § 123 BVergG verletzt.
1.3 Die Antragstellerin erklärt ihr Vorbringen zum Nachprüfungsantrag zum Vorbringen zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und bringt im Wesentlichen vor, dass einem Nachprüfungsantrag keine aufschiebende Wirkung zukomme und daher die unmittelbar drohende Schädigung von Interessen der Antragstellerin als tatsächlicher Best(Billigst)bieterin im Vergabeverfahren offenkundig sei, da ihr der kalkulierte Deckungsbeitrag verloren ginge. Die Interessenabwägung müsse zu Gunsten der Antragstellerin ausgehen. Die Antragstellerin habe die Gesetzesverletzung gegenüber der Auftraggeberin aufgezeigt, diese jedoch eine Aufhebung der Zuschlagsentscheidung abgelehnt.
2. Am 7. Juli 2017 erteilte die Auftraggeberin OÖ Gebietskrankenkasse, Gruberstraße 77, 4021 Linz, vertreten durch die Harrer Schneider Rechtsanwälte GmbH, Jasomirgottstraße 6/5, 1010 Wien, allgemeine Auskünfte, nahm zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und zum Nachprüfungsantrag Stellung und legte die Unterlagen des Vergabeverfahrens im Original vor.
2.1 Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung führt sie im Wesentlichen aus, dass die Aussetzung der Zuschlagsentscheidung nicht das geringste Mittel iSd § 329 Abs 3 BVergG darstelle, weil es die Auftraggeberin daran hindere, allenfalls die Zuschlagsentscheidung zurückzunehmen. Vielmehr sei die Untersagung der Zuschlagserteilung das gebotene Mittel.
2.2 Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und der Nachprüfungsantrag seien wegen mangelnder Darstellung des Interesses und des Schadens der Antragstellerin zurückzuweisen. Beides sei weder behauptet noch bescheinigt.
2.3 Das Angebot der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin sei ausschreibungskonform. Die Ausschreibung enthalte echte Bieterlücken, deren Nichtausfüllen nach ständiger Rechtsprechung einen unbehebbaren Mangel darstelle. Die Auftraggeberin habe in der Ausschreibung an zwei Stellen darauf hingewiesen, dass das Nichtausfüllen der Bieterlücken zum Ausscheiden des Angebotes führe. Bei der gegenständlichen Ausschreibung hätten sieben von elf Bietern kein gesondertes Bieterlückenverzeichnis abgegeben. Das zeige, dass die Ausschreibung so verstanden worden sei, dass die Bieterlücken in der Ausschreibung auszufüllen seien. Die Ausschreibung sei entsprechend der Rechtsprechung so auszulegen, dass es ohne Belang sei, ob die Bieterlücken in einem gesonderten Dokument oder bereits im Leistungsverzeichnis ausgefüllt würden.
2.4 Die Auftraggeberin beantragt daher, den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab- in eventu zurückzuweisen und den Nachprüfungsantrag zurück-, in eventu abzuweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
1. Feststellungen (Sachverhalt)
1.1. Die OÖ Gebietskrankenkasse schreibt unter der Bezeichnung "KS Vöcklabruck Neu – Trockenbauarbeiten" einen Bauauftrag über Trockenbauarbeiten mit den CPV-Codes 45324000-4 – Gipskartonarbeiten und 45421146-9 Einbau von abgehängten Decken in einem offenen Verfahren im Unterschwellenbereich nach dem Billigstbieterprinzip aus. Die Auftraggeberin veröffentlichte den Auftrag ua im Amtlichen Lieferungsanzeiger vom 20. März 2017 in der Online Ausgabe und am 22. März 2017 in der Druckausgabe zur Zahl L-619190-7317, beide abgesandt am 17. März 2017. (Auskünfte der Auftraggeberin)
1.2 Die Angebotsöffnung fand am 4. Mai 2017 um 14.15 Uhr statt. Die Angebotspreise ohne USt waren folgende:
* CCCC € 358.581,65
* BBBB € 367.950,69
* AAAA € 369.359,70
* DDDD € 372.273,60
* EEEE € 373.621,25
(Auskünfte der Auftraggeberin; Unterlagen des Vergabeverfahrens)
1.3 Die Auftraggeberin schied das Angebot der CCCC mit Schreiben vom 29. Mai 2017 aus. Das Ausscheiden wurde nicht bekämpft. (Auskünfte der Auftraggeberin)
1.4 Die Auftraggeberin teilte allen Bietern mit Schreiben vom 27. Juni 2017 die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der BBBB mit. (Auskünfte der Auftraggeberin; Unterlagen des Vergabeverfahrens)
1.5 Die Auftraggeberin hat das Vergabeverfahren weder widerrufen noch den Zuschlag erteilt. (Auskünfte der Auftraggeberin)
1.6 Die Antragstellerin bezahlte Pauschalgebühren in der Höhe von €
4.617. (Verfahrensakt)
2. Beweiswürdigung
Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den jeweils in Klammern genannten Quellen. Diese sind Veröffentlichungen und die Unterlagen des Vergabeverfahrens, sowie Auskünfte, die nur die Auftraggeberin erteilen kann. Auskünfte der Antragstellerin betreffen ebenso ausschließlich mit der Auftraggeberin gemeinsame Dokumente. Die herangezogenen Beweismittel sind daher echt. Ihre inhaltliche Richtigkeit steht außer Zweifel. Widersprüche traten nicht auf.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1 Anzuwendendes Recht
3.1.1 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl I 2013/10, idgF lauten:
"Einzelrichter
§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist."
3.1.2 Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl I 2013/33 idgF, lauten:
"Anwendungsbereich
§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Beschlüsse
§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.
(2) An seine Beschlüsse ist das Verwaltungsgericht insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.
(3) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
Inkrafttreten
§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.
(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt.
(3) ..."
3.1.3 Zu Bestimmungen gemäß § 58 Abs 2 VwGVG zählt der 4. Teil des BVergG, der die Bestimmungen über den Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht enthält und daher als lex specialis den Bestimmungen des BVergG vorgeht. Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2006 – BVergG 2006), BGBl I 2006/17 idgF, lauten:
"4. Teil
Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht
1. Hauptstück
Zuständigkeit, fachkundige Laienrichter, Ausschluss und Ablehnung
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes
§ 291. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.
Senatszuständigkeit und -zusammensetzung
§ 292. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 291, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz gemäß § 319 Abs. 3 oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungsantrages handelt, in Senaten.
(2) 2. Hauptstück
Besondere Bestimmungen über das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichtes in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens
1. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
Anzuwendendes Verfahrensrecht
§ 311. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.
Zuständigkeit
§ 312. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.
(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig
1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie
2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.
(3) 2. Abschnitt
Nachprüfungsverfahren
Einleitung des Verfahrens
§ 320. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern
1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und
2. ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
(2) 3. Abschnitt
Einstweilige Verfügungen
Antragstellung
§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 320 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.
(2) Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:
1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie des Auftraggebers und des Antragstellers einschließlich deren Faxnummer oder elektronischer Adresse,
2. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 320 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,
3. die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,
4. die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,
5. die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und
6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.
(3) (7) Ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist unzulässig, wenn trotz Aufforderung zur Verbesserung der Antrag nicht ordnungsgemäß vergebührt wurde.
Erlassung der einstweiligen Verfügung
§ 329. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.
(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.
(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.
(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.
(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar."
3.2 Zu Spruchpunkt A) – Einstweilige Verfügung
3.2.1 Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrages
3.2.1.1 Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 8 BVergG ist die OÖ Gebietskrankenkasse. Sie ist öffentliche Auftraggeberin (st Rspr zB BVA 20. 3. 2006, N/0003-BVA/03/2006-18; 29. 10. 2013, N/0103-BVA/10/2013-EV11). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich um einen Bauauftrag. Der geschätzte Auftragswert des Gesamtvorhabens liegt jedenfalls unter dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 Z 3 BVergG, sodass gemäß § 12 Abs 1 BVergG ein Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich vorliegt.
3.2.1.2 Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich und damit im Vollanwendungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 312 Abs 2 BVergG iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit d B-VG ist sohin gegeben.
3.2.1.3 Da darüber hinaus laut Stellungnahme des Auftraggebers das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 312 Abs 2 BVergG zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.
3.2.1.4 Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 320 Abs 1 BVergG nicht offensichtlich fehlen. Wenn die Auftraggeberin vorbringt, dass das Interesse am Vertragsabschluss und der drohende oder eingetretene Schaden iSd § 320 Abs 2 BVergG nicht entsprechend ausgeführt sind, ist dazu anzumerken, dass sie sich im Nachprüfungsantrag lediglich erahnen lassen. Das Interesse am Vertragsabschluss ist jedoch zumindest daran erkennbar, dass sich die Antragstellerin durch die Beteiligung am Vergabeverfahren, indem sie ein Angebot gelegt hat, und durch das Einbringen eines Nachprüfungsantrags (siehe zur Relevanz von Nachprüfungsanträgen bei der Beurteilung eines Interesses EuGH 6. 10. 2016, C-318/15 , Tecnoedi Costruzioni, Rn 20) um den Auftrag bemüht. Dennoch handelt es sich dabei um einen verbesserbaren Mangel, sodass auch die Erkennbarkeit gerade noch ausreicht. Der Schaden muss nicht bewiesen, sondern nur bescheinigt werden. Er muss auch nicht mit einer Summe angegeben werden. Die Beeinträchtigung der Teilnahme an einem gesetzmäßig geführten Vergabeverfahren genügt dazu (VwGH 24. 2. 2010, 2008/04/0239, VwSlg 17.842 A/2010; 24. 2. 2010, 2009/04/0209, VwSlg 17844 A/2010; 22. 6. 2011, 2009/04/0128, VwSlg 18.158 A/2011; 21. 1. 2014, 2011/04/0003). Der Nachprüfungsantrag wurde rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 322 Abs 1 BVergG geforderten Inhalte.
3.2.1.5 Im Ergebnis ist daher vorläufig davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 328 Abs 1 BVergG zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 328 Abs 2 BVergG vorliegen. Die Pauschalgebühr wurde bezahlt.
3.2.2 Inhaltliche Beurteilung des Antrages
3.2.2.1 Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 329 Abs 1 BVergG sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten des Auftraggebers die Erteilung des Zuschlags an die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin beabsichtigt ist. Es kann aus der Sicht des Provisorialverfahrens nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin relevierten Rechtswidrigkeiten zutreffen und das Angebot der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin auszuscheiden ist, wodurch ihr auf Grund der behaupteten Rechtswidrigkeiten der Entgang der Zuschlagserteilung mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht. Mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung müssen daher – bei Nichtüberwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 329 Abs 1 BVergG – Maßnahmen getroffen werden, die den Abschluss des Vertrags mit der Antragstellerin ermöglicht. Zur wirksamen Sicherung dieser möglicherweise bestehenden Ansprüche muss daher das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesvergabeamt in einem Stand gehalten werden, der einen allfälligen späteren Zuschlag zugunsten der Antragstellerin und den Abschluss des Vertrags mit der Antragstellerin ermöglicht.
3.2.2.2 Die Interessen der Antragstellerin bestehen im Wesentlichen in der Abwendung des im Nachprüfungsantrag näher bezeichneten drohenden Schadens und damit im Erhalt der Möglichkeit, den Zuschlag zu erhalten.
3.2.2.3 Die Auftraggeberin wendet sich lediglich gegen das Begehren und die Antragslegitimation, bringt jedoch keine bei der Interessenabwägung zur berücksichtigenden Interessen vor.
3.2.2.4 Bei der Interessenabwägung ist schließlich auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (siehe zB BVwG 22. 8. 2014, W187 2010665-1/11E; BVA 14. 5. 2010, N/0038-BVA/10/2010-EV19), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 1. 8. 2002, B 1194/02) und schließlich dass gemäß § 329 Abs 1 BVergG von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVwG 2. 3. 2015, W187 2101270-1/6E; BVA 5. 2. 2010, N/0007-BVA/10/2010-EV12).
3.2.2.5 Andere Öffentliche Interessen, die eine sofortige Vergabe des Auftrags erforderlich machen würden, sind nicht ersichtlich.
3.2.2.6 Stellt man daher im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den Interessen des Auftraggebers gegenüber, ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und der Zuschlagserteilung an die allenfalls obsiegende Antragstellerin, ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten. Insbesondere ist auch das öffentliche Interesse an der Zuschlagserteilung an das tatsächliche Bestangebot zu berücksichtigen. Insgesamt überwiegen daher die Interessen an der Sicherung eines effektiven Vergabekontrollverfahrens jene am Unterbleiben der einstweiligen Verfügung.
3.2.2.7 Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es demnach, die dem Antragsteller bei Zutreffen seines Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Zuschlagserteilung an die Antragstellerin ermöglicht. Bei beabsichtigter Zuschlagserteilung an die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin ist dies die Untersagung des der Zuschlagserteilung. Es soll somit (lediglich) der Rechtsgestaltungsanspruch dahingehend gesichert werden, dass durch die einstweilige Verfügung verhindert werde, dass eine nachfolgende im Hauptverfahren erfolgte Nichtigerklärung unmöglich oder sonst absolut sinnlos wird (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 22. 8. 2014, W187 2010665-1/11E).
3.2.2.8 Die Antragstellerin beantragt, die Zuschlagsentscheidung auszusetzen. Die Auftraggeberin wendet dagegen ein, dass sie dadurch gehindert ist, allenfalls die Zuschlagsentscheidung von sich aus zurückzunehmen, und das Begehren daher überschießend ist. Der Auftraggeberin ist beizupflichten, dass das BVergG vorsieht, dass das geeignete Mittel die Untersagung der Zuschlagserteilung ist, da dies gemäß § 328 Abs 5 Z 1 BVergG die einzige Maßnahme in der gegebenen Situation ist, die bereits bei Zustellung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung die Auftraggeberin wirksam daran hindert, das Vergabeverfahren zu beenden. Insofern ist die Antragstellung verfehlt. Dennoch ist das BVwG gemäß § 329 Abs 3 BVergG ermächtigt, "sonstige geeignete Maßnahmen" anzuordnen. Damit kann es jede nur irgendwie zur Abwendung einer vorläufigen Schädigung geeignete Maßnahme im Rahmen einer einstweiligen Verfügung anordnen. Die Schranke dafür ist, dass diese Maßnahme die gelindeste noch zum Ziel führende sein muss. Die Auftraggeberin sieht sich in ihrer Möglichkeit über den Bestand der Zuschlagsentscheidung disponieren zu können beeinträchtigt. Dem ist entgegenzuhalten, dass das Aussetzen der Zuschlagsentscheidung anders als das Aussetzen des gesamten Verfahrens zu beurteilen ist. Das Aussetzen der Zuschlagsentscheidung nimmt ihr die Wirkung mit dem Effekt, dass die Auftraggeberin auf ihrer Grundlage nicht den Zuschlag erteilen darf. Die Zuschlagsentscheidung ist in ihrer Existenz jedoch nicht der Disposition der Auftraggeberin entzogen. Die Auftraggeberin kann daher auch eine – vorübergehend – wirkungslose Zuschlagsentscheidung zurücknehmen und damit gänzlich beseitigen. Die Maßnahme des Aussetzens der Zuschlagsentscheidung ist daher nicht überschießend. Sie schützt nur in dem Zeitraum zwischen Ende der Stillhaltefrist und Entscheidung über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung die Antragstellerin nicht vor der Beendigung des Vergabeverfahrens.
3.2.2.9 Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens.
§ 329 Abs 4 BVergG verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit, legt im Gegensatz zu den Vorgängergesetzen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Der Auftraggeber ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichts davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum fest gesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 4. 5. 2015, W187 2106525-1/2E; siehe auch VwGH 10. 12. 2007, AW 2007/04/0054).
3.2.2.10 Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr wird gesondert entschieden werden.
3.3 Zu Spruchpunkt B) – Unzulässigkeit der Revision
3.3.1 Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.3.2 Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu VwGH 6. 11. 2002, 2002/04/0138;
30. 6. 2004, 2004/04/0028; 1. 2. 2005, 2005/04/0004; 29. 6. 2005, 2005/04/0024; 1. 3. 2007, 2005/04/0239; 27. 6. 2007, 2005/04/0254;
29. 2. 2008, 2008/04/0019; 14. 1. 2009, 2008/04/0143; 14. 4. 2011, 2008/04/0065; 29. 9. 2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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