AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W170.2241950.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.04.2021, Zl. 1271955207/201222012, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß §§ 28 Abs. 2 VwGVG, 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX (in Folge: Beschwerdeführer) stellte am 05.12.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz, der im Wesentlichen damit begründet war, dass der inzwischen XXXX Beschwerdeführer, der Syrien bereits im Juni bzw. August 2014 verlassen habe, Syrien wegen des Krieges und weil er „nicht im Krieg kämpfen“ wolle - er fürchte, sich der Hisbollah anschließen zu müssen - verlassen habe.
2. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde der gegenständliche Antrag des Beschwerdeführers mit im Spruch bezeichneten Bescheid vom 07.04.2021, erlassen am 09.04.2021, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. Unter einem wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
Begründend wurde - soweit hier relevant - im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Syrien kein Problem mit dem Regime gehabt, das Land nur wegen der Kriegswirren verlassen, aber dort keine asylrelevante Verfolgung zu fürchten habe.
3. Mit am 26.04.2021 bei der Behörde eingebrachtem Schriftsatz wurde gegen Spruchpunkt I. des im Spruch bezeichneten Bescheides Beschwerde erhoben.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dem Beschwerdeführer drohe die Einziehung als Reservist und, weil dieser - was in der Beschwerde das erste Mal vorgebracht wurde - an Demonstrationen teilgenommen habe, eine Verfolgung als Oppositioneller.
4. Die Beschwerde wurde samt den bezugnehmenden Verwaltungsakten am 28.04.2021 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger, XXXX Syrer, der der Volksgruppe der Araber und der Konfession der Sunniten angehört und in Österreich strafrechtlich unbescholten ist.
Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.
1.2. Der Beschwerdeführer stammt aus Damaskus Umgebung, das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers ist in der Hand des syrischen Regimes.
1.3. Der Beschwerdeführer wurde am 05.12.2020 einer polizeilichen Erstbefragung unterzogen, in der er angab, Syrien im August 2014 verlassen zu haben. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er an: „Unser Haus wurde zerstört wegen des Krieges. Ich will nicht im Krieg kämpfen. Ich habe hiermit alle meine Gründe und die dazugehörigen Ereignisse angegeben, warum ich nach Österreich gereist bin! Ich habe keine weiteren Gründe einer Asylantragstellung.“ Auf die Frage, was er befürchte, wenn er nach Syrien zurückkehre, gab der Beschwerdeführer in dieser Erstbefragung an, nicht zu wissen, was mit ihm bei einer Rückkehr in die Heimat passieren könne; er könnte unschuldig eingesperrt werden.
In der Einvernahme vor einem Organ des Bundesamtes am 11.02.2021 gab der Beschwerdeführer, an Syrien im Juni 2014 verlassen zu haben; er habe bis etwa 1994 („vor 27 Jahren“) den Militärdienst bei der Artillerie abgeleistet, wo er Kanonen geputzt und vorbereitet habe. Er habe Syrien illegal verlassen und sei in Syrien weder religiös noch politisch tätig gewesen, er sei in Syrien kein Mitglied einer politischen Partei gewesen. Auch sei er in Syrien weder vorbestraft oder je inhaftiert gewesen und habe auch keine Probleme mit syrischen Behörden. Es werde in Syrien nicht nach ihm gefahndet, er habe weder wegen seiner Religionszugehörigkeit bzw. wegen seiner ethischen Zugehörigkeit noch mit Privatpersonen Probleme und in Syrien weder an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teilgenommen noch Kontakt zu Islamisten gehabt. Sein Bruder sei 2012 von der Hisbollah inhaftiert worden und nach 7 Jahren in der Haft verstorben, wovon die Familie von der Behörde informiert worden sei. Seine Tochter sei einmal auf der Straße unter Beschuss geraten und verletzt worden, die Hisbollah habe „die Häuser im Dorf“ weggenommen und man müsse sich dieser anschließen. Persönlich bedroht oder verfolgt sei der Beschwerdeführer nicht worden, im Fernsehen habe man aber „vor 9 Jahren“ die „Leute ab dem 45. Lebensjahr“ aufgerufen, sich den Volksgruppen anzuschließen, die die Regierung unterstützen würden. Im Falle der Rückkehr habe der Beschwerdeführer Angst, weil er in Syrien kein Haus mehr habe und sich „diesen Gruppen“ nicht angeschlossen habe. Am Ende der Befragung gab der Beschwerdeführer an, dass er alles gesagt habe, was ihm wichtig erscheine, nichts hinzuzufügen habe und ihm ausreichend Zeit zur vollständigen Schilderung seiner Probleme eingeräumt worden sei.
In der Beschwerde vom 23.04.2021 wurde vorgebracht, der Beschwerdeführer könne jederzeit als Reservist eingezogen werden. Nach den Länderberichten könnten Männer bis zu einem Alter von 55 Jahren eingezogen werden, die syrische Armee habe einen schweren Mangel an Soldaten. Es wurde auf weitere Länderberichte, allerdings aus dem Jahr 2017 (Beschwerde, S. 5 f) hingewiesen. Auch stamme der Beschwerdeführer aus einer Familie, die sich nie gescheut habe, ihrem Ärger über das syrische Regime öffentlich Luft zu machen und habe im Jahr 2011 mit anderen Familienmitgliedern an Demonstrationen gegen das Assad-Regime teilgenommen, was dem Bruder des Beschwerdeführers zum Verhängnis geworden sei. Auch eine Schwester des Beschwerdeführers sei „eines Tages“ festgenommen und einige Tage verhört worden; diese habe nunmehr in Deutschland Asyl erhalten. Daher drohe dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr aufgrund seiner oppositionellen politischen Gesinnung asylrelevante Verfolgung. Abermals wurde auf Länderberichte aus dem Jahr 2017 und auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, unter anderem aus dem Jahr 2016, hingewiesen. Das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft geblieben, weil der Beschwerdeführer nicht näher zu seiner politischen Einstellung befragt worden sei und von einem rechtsunkundigen Asylwerber nicht verlangt werden könne, dass dieser wisse, dass der Teilnahme an Demonstrationen Asylrelevanz zukomme.
1.4. In den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat zur Rekrutierung durch Armee oder regierungstreue Milizen stellt das Bundesamt unter anderem fest:
„Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst (Letzte Änderung: 11.02.2021)
Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend (ÖB 29.9.2020). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines freiwilligen Militärdienstes. Frauen können ebenfalls freiwillig Militärdienst leisten (CIA 12.8.2020; vgl. FIS 14.12.2018). Palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht, dienen jedoch in der Regel in der Palestinian Liberation Army (PLA) unter palästinensischen Offizieren. Diese ist jedoch de facto ein Teil der syrischen Armee (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018). Nach dem Ausbruch des Konfliktes stellte die syrische Regierung die Abrüstung von Rekruten, welche den verpflichtenden Wehrdienst geleistet hatten, ein (DIS 5.2020; vgl. ÖB 7.2019). 2018 wurde mit der Entlassung der ältesten Rekrutenklassen begonnen, welche seit 2011 im Dienst waren. Zahlreiche Männer leisten ihren Wehrdienst jedoch auch weiterhin über den verpflichtenden Zeitraum hinaus ab (DIS 5.2020). Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden (TIMEP 22.8.2019; vgl. STDOK 8.2017). Es liegen einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden wieder zum aktiven Dienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird (STDOK 8.2017). Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (TIMEP 6.12.2018). Die syrische Regierung hat das syrische Militärdienstgesetz während des Konflikts mehrfach geändert, um die Zahl der Rekruten zu erhöhen (DIS 10.2019). Der Personalbedarf des syrischen Militärs bleibt unverändert hoch, und seit Dezember 2018 haben sich die Rekrutierungsbemühungen aufgrund dessen sogar noch verstärkt (AA 4.12.2020). Während ein Abkommen zwischen den überwiegend kurdischen Syrian Democratic Forces (SDF) und der syrischen Regierung vom November 2019 die Stationierung von Truppen der syrischen Streitkräfte in vormals kurdisch kontrollierten Gebieten vorsieht, hat die syrische Regierung aufgrund von mangelnder Verwaltungskompetenz bislang keinen verpflichtenden Wehrdienst in diesen Gebieten wiedereingeführt (DIS 5.2020) [Anm.: zum Wehrdienst bei Einheiten der SDF siehe Kapitel „Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG/YPJ)“.] Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Männer, die sich beispielsweise im Libanon aufhalten, können mittels Bezahlung von Bestechungsgeldern vor ihrer Rückkehr nach Syrien überprüfen, ob sich ihr Name in der Datenbank befindet (DIS 5.2020). Die Regierung hat in vormals unter der Kontrolle der Oppositionskräfte stehenden Gebieten, wie zum Beispiel Ost-Ghouta, Zweigstellen zur Rekrutierung geschaffen. Wehrdienstverweigerer und Deserteure können sich in diesen Rekrutierungszentren melden, um nicht länger von den Sicherheitskräften gesucht zu werden. In vormaligen Oppositionsgebieten werden Listen mit Namen von Personen, welche zur Rekrutierung gesucht werden, an lokale Behörden und Sicherheitskräfte an Checkpoints verteilt (DIS 5.2020). Ein „Herausfiltern“ von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet (FIS 14.12.2018). So errichtet die Militärpolizei beispielsweise in Homs stichprobenartig und nicht vorhersehbar Straßenkontrollen. Die intensiven Kontrollen erhöhen das Risiko für Militärdienstverweigerer, verhaftet zu werden (EB 3.6.2020). Rekrutierungen finden auch in Ämtern statt, beispielsweise wenn junge Männer Dokumente erneuern wollen, sowie an Universitäten, in Spitälern und an Grenzübergängen, wo die Beamten Zugang zur zentralen Datenbank mit den Namen der für den Wehrdienst gesuchten Männer haben. Nach Angaben einer Quelle fürchten auch Männer im wehrfähigen Alter, welche vom Militärdienst laut Gesetz ausgenommen sind oder von einer zeitweisen Amnestie vom Wehrdienst Gebrauch machen wollen, an der Grenze eingezogen zu werden (DIS 5.2020). Während manche Quellen davon ausgehen, dass insbesondere in vormaligen Oppositionsgebieten (z.B. dem Umland von Damaskus, Aleppo, Dara’a und Homs) immer noch Rekrutierungen mittels Hausdurchsuchungen stattfinden (DIS 5.2020; vgl. EB 3.6.2020), berichten andere Quellen, dass die Regierung nun weitgehend davon absieht, um erneute Aufstände zu vermeiden. Weiters rekrutieren die syrischen Streitkräfte in Lagern für Binnenvertriebene (DIS 5.2020).
Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis zu einem Alter von 27 Jahren ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise angehoben und auch Männer bis zu einem Alter von 55 Jahren eingezogen, bzw. konnten Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen (ÖB 29.9.2020; vgl. FIS 14.12.2018). Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab, als von allgemeinen Einberufungsregelungen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht (FIS 14.12.2018). Manche Quellen berichten, dass ihnen keine Fälle von Rekrutierungen über-42-Jähriger nach 2016 bzw. 2018 bekannt seien. Gemäß anderen Quellen soll es jedoch zu Einberufungen von über-42-jährigen Rückkehrern aus dem Libanon und Jordanien als Reservisten gekommen sein, wobei es sich nicht um Zwangsrekrutierungen handelte (DIS 5.2020). Mitte Oktober 2018 berichteten regierungsnahe Medien, dass etwa 800.000 Männer nicht mehr für den Reservedienst benötigt werden. Eine Reihe Syrer kehrten daraufhin nach Syrien zurück, wobei manche über Beziehungen in der Heimat ihren Wehrdienststatus überprüfen ließen und sich versicherten, dass sie tatsächlich nicht mehr gesucht werden. Zumindest manche der Rückkehrer wurden wenige Wochen später eingezogen, nachdem das Verteidigungsministerium im Dezember 2018 neue Einberufungslisten für den Reservedienst veröffentlichte und so die vorherige Entscheidung aufhob. Die Gründe für diese Verkettung von Ereignissen ist jedoch laut International Crisis Group schwer zu ermitteln (ICG 13.2.2020). Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten haben und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, aber auch nicht aus etwaigen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann basierend auf einem Beschluss des Finanzministers das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vgl. SLJ 10.11.2017, PAR 15.11.2017).
[…]
Nicht-staatliche bewaffnete Gruppierungen (regierungsfreundlich […] Letzte Änderung: 16.12.2020):
Die Rekrutierung durch regierungsfreundliche Milizen geschieht im Allgemeinen auf freiwilliger Basis. Personen schließen sich häufig auch aus finanziellen Gründen den National Defense Forces (NDF) oder anderen regierungstreuen Gruppierungen an (FIS 14.12.2018; vgl. DRC/DIS 8.2017). Der soziale Druck sich diesen Gruppierungen anzuschließen, ist jedoch stark. In vielen Fällen sind bewaffnete regierungstreue Gruppen lokal organisiert, wobei Werte der Gemeinschaft wie Ehre und Verteidigung der Gemeinschaft eine zentrale Bedeutung haben. Dieser soziale Druck basiert häufig auf der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft. Ein weiterer Hauptgrund für das Eintreten in diese Gruppierungen ist, dass damit der Wehrdienst in der Armee umgangen werden kann. Die Mitglieder können so in ihren oder in der Nähe ihrer lokalen Gemeinden ihren Einsatz verrichten und nicht in Gebieten mit direkten Kampfhandlungen. Die syrische Armee hat jedoch begonnen, diese Milizen in die Strukturen der syrischen Armee zu integrieren (FIS 14.12.2018), indem sie Mitglieder der Milizen, welche im wehrfähigen Alter sind, zum Beitritt in die syrische Armee zwingt (MEI 18.7.2019). Dadurch ist es unter Umständen nicht mehr möglich, durch den Dienst in einer lokalen Miliz die Rekrutierung durch die Armee oder den Einsatz an einer weit entfernten Front zu vermeiden (FIS 14.12.2018). Auch aufgrund der deutlich höheren Bezahlung der Milizmitglieder stießen die laufenden Bemühungen, Milizen in die syrische Armee zu integrieren, auf erheblichen Widerstand (MEI 18.7.2019). Regierungstreue Milizen haben sich außerdem an Zwangsrekrutierungen von gesuchten Wehrdienstverweigerern beteiligt (FIS 14.12.2018).
[…]“
Beweiswürdigend wurde vom Bundesamt dazu unter anderem angeführt: „Bezüglich einer möglichen Rekrutierung machten Sie sowohl in Ihrer Erstbefragung am 05.12.2020 als auch in Ihrer Einvernahme beim BFA am 11.02.2021 nur sehr vage und kurz gehaltene Angaben. So gaben Sie nur an, dass man sich der Hisbollah anschließen müsste und diese vom Iran unterstützt würde. Einen konkreten Versuch Sie persönlich für die Hisbollah oder eine andere Gruppierung zu rekrutieren führten Sie jedoch nie an. Sie gaben erst auf Nachfrage durch den Referenten an, dass es einen Aufruf im TV gegeben hätte. Dass Sie persönlich jedoch einen Einberufungsbefehl erhalten hätten oder es Rekrutierungsversuche durch die syrischen Behörden oder andere Gruppierungen gegeben hätte, konnten oder wollten sie nicht angeben. So bestünde zwar die theoretische Möglichkeit, dass man Sie im Falle einer Rückkehr nach Syrien zum syrischen Militär einziehen könnte jedoch besteht hierfür weder ein reales Risiko noch liegt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit vor, dass dies passieren könnte. So zieht das syrische Militär Männer bis zum Alter von 42 Jahren zum Reservemilitärdienst ein, wobei Sie selbst diese Altersgrenze bereits vor ca. 7 Jahren überschritten haben. Weiters hielten Sie sich zumindest bis zum Jahr 2014 in Syrien auf, zu diesem Zeitpunkt erreichten Sie auch das 43. Lebensjahr, ohne dass Sie für diesen Zeitraum einen persönlichen Rekrutierungsversuch durch das syrische Regime geltend gemacht hätten. Da sie auch, laut Ihren eigenen Angaben bei der Einvernahme beim BFA am 11.02.2021, bereits vor 27 Jahren Ihren Pflichtmilitärdienst abgeleistet hätten, Sie hier nur als normaler Rekrut bei der Artillerie tätig gewesen wären und Ihre militärische Betätigung im Putzen von Kanonen bestanden hätte, ist für die Behörde nicht ersichtlich, dass sie über derartige militärische Kenntnisse verfügen würden, dass Sie das syrische Militär noch im Alter von 49 Jahren einziehen würde.“
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich diesen Feststellungen zu Syrien - die dem Länderinformationsblatt entnommen sind - an, ebenso schließt sich das Bundesverwaltungsgericht der Beweiswürdigung zur mangelnden Drohung der Zwangsrekrutierung im Falle einer Rückkehr an.
1.5. Zur Rückkehr nach Syrien stellt das Bundesamt unter anderem (soweit hier relevant) fest:
„Rückkehr
Letzte Änderung: 19.02.2021 […]
Wenn eine Person in ihre Heimat zurückkehren möchte, können viele unterschiedliche Faktoren die Rückkehrmöglichkeiten beeinflussen. Ethno-religiöse, wirtschaftliche und politische Aspekte spielen ebenso eine Rolle, wie Fragen des Wiederaufbaus und die Haltung der Regierung gegenüber Gemeinden, die der Opposition zugeneigt sind (FIS 14.12.2018). Die Sicherheit von Rückkehrern wird nicht in erster Linie durch die Region bestimmt, in welche die Rückkehr erfolgt, sondern entscheidend ist vielmehr, wie Rückkehrer von den im jeweiligen Gebiet präsenten Akteuren wahrgenommen werden (AA 4.12.2020). Eine Studie der Weltbank ergab, dass die Sicherheitslage in Syrien ein wesentlicher Bestimmungsfaktor bei Rückkehrentscheidungen ist. […] Neben der allgemein volatilen Sicherheitslage bleibt mangelnde persönliche Sicherheit verbunden mit der Angst vor staatlicher Repression weiterhin das wichtigste Hindernis für eine Rückkehr (AA 19.5.2020; vgl. SACD 21.7.2020, ICG 13.2.2020). Rückkehrüberlegungen von syrischen Männern werden auch von ihrem Wehrdienststatus beeinflusst (DIS/DRC 2.2019). Über die Zustände, in welche die Flüchtlinge zurückkehren und die Mechanismen des Rückkehrprozesses ist wenig bekannt. Da Präsident Assad die Kontrolle über große Gebiete wiedererlangt, sind immer weniger Informationen verfügbar (EIP 6.2019). UNHCR erhielt vom Regime auch im Jahr 2020 nur stark eingeschränkten Zugang in Syrien und konnte daher weder ein umfassendes Monitoring zur Lage von zurückgekehrten Binnenvertriebenen und Flüchtlingen sicherstellen noch einen Schutz ihrer Rechte gewährleisten. Dennoch bemüht sich UNHCR, Beispiele von Rechtsbrüchen zu sammeln, nachzuverfolgen und gegenüber dem Regime zu kommunizieren. Mittlerweile wurde ein Mechanismus zur Meldung solcher Fälle durch UNHCR beim Regime eingerichtet (AA 4.12.2020). Die Behandlung von Einreisenden ist stark vom Einzelfall abhängig und über den genauen Wissensstand der syrischen Behörden über einzelne Rückkehrer gibt es keine gesicherten Kenntnisse (ÖB 29.9.2020). […] Es liegen widersprüchliche Informationen vor, ob Personen, die nach Syrien zurückkehren möchten, eine Sicherheitsüberprüfung durchlaufen müssen, oder nicht. Laut deutschem Auswärtigen Amt müssen syrische Flüchtlinge, unabhängig von politischer Ausrichtung, vor ihrer Rückkehr weiterhin eine Überprüfung durch die syrischen Sicherheitsdienste durchlaufen (AA 19.5.2020). Auch laut International Crisis Group (ICG) stellt unabhängig davon, welchen administrativen Weg ein rückkehrwilliger Flüchtling wählt, die Sicherheitsfreigabe durch den zentralen Geheimdienstapparat in Damaskus (oder die Verweigerung einer solchen) das endgültige Urteil dar, ob es einem Flüchtling möglich ist sicher nach Hause zurückzukehren (ICG 13.2.2020). Im Gegensatz dazu berichtet der Danish Immigration Service (DIS) auf Basis von Interviews, dass Syrer, die außerhalb Syriens wohnen und nicht von der syrischen Regierung gesucht werden, keine Sicherheitsfreigabe benötigen, um nach Syrien zurückzukehren. Weiters berichtete Syria Direct gegenüber DIS, dass lediglich Syrer im Libanon, die über „organisierte Gruppenrückkehr“ nach Syrien zurückkehren möchten, eine Sicherheitsfreigabe benötigen (DIS 12.2020). Ein Punkt, der nach wie vor schwer zu ermitteln ist, ist der Anteil der Antragsteller, denen die Rückkehr nicht genehmigt wurde (ICG 13.2.2020). Er wird von den verschiedenen Quellen mit 5% (SD 16.1.2019), 10% (Reuters 25.9.2018), bis hin zu 30% (ABC 6.10.2018) angegeben. In vielen Fällen wird auch Binnenvertriebenen die Rückkehr in ihre Heimatgebiete nicht erlaubt (USDOS 11.3.2020). Gründe für eine Ablehnung können (wahrgenommene) politische Aktivitäten gegen die Regierung bzw. Verbindungen zur Opposition oder die Nicht-Erfüllung der Wehrpflicht sein (Reuters 25.9.2018; vgl. ABC 6.10.2018, SD 16.1.2019). Einige Beobachter und humanitäre Helfer behaupten, dass die Bewilligungsrate für Antragsteller aus Gebieten, die als regimefeindliche Hochburgen identifiziert wurden, nahezu Null ist (ICG 13.2.2020). Kriterien und Anforderungen, um ein positives Ergebnis zu erhalten, sind nicht bekannt. Es gibt Berichte, denen zufolge Rückkehrer trotz positiver Sicherheitsüberprüfung Opfer willkürlicher Verhaftung, Folter oder Verschwindenlassens geworden und vereinzelt in Haft ums Leben gekommen sein sollen (AA 19.5.2020). Personen, die von der syrischen Regierung gesucht werden, und darum die Genehmigung zur Rückkehr nicht erhalten, sind aufgefordert ihren „Status zu klären“, bevor sie zurückkehren können (Reuters 25.9.2018; vgl. SD 16.1.2019). Einem syrischen General zufolge müssen Personen, die aus dem Ausland zurückkehren möchten, in der entsprechenden syrischen Auslandsvertretung „Versöhnung“ beantragen und unter anderem angeben, wie und warum sie das Land verlassen haben und Angaben über Tätigkeiten in der Zeit des Auslandsaufenthaltes etc. machen. Diese Informationen werden an das syrische Außenministerium weitergeleitet, wo eine Sicherheitsüberprüfung durchgeführt wird. Syrer, die über die Landgrenzen einreisen, müssen dem General zufolge dort ein „Versöhnungsformular“ ausfüllen (DIS 6.2019). Um im Falle der Rückkehr einer Verhaftung zu entgehen, versuchen Syrer, Informationen über ihre Sicherheitsakte zu erhalten und diese, wenn möglich, zu bereinigen. Persönliche Kontakte und Bestechungsgelder sind die gängigsten Mittel und Wege zu diesem Zweck, doch aufgrund ihrer Informalität und der Undurchsichtigkeit des syrischen Sicherheitssektors sind solche Informationen und Sicherheitsfreigaben nicht immer zuverlässig, und nicht jeder kann sie erhalten (ICG 13.2.2020). […] Gesetz Nr. 18 von 2014 sieht eine Strafverfolgung für illegale Ausreise in der Form von Bußgeldern oder Haftstrafen vor. Entsprechend einem Rundschreiben wurde die Bestrafung für illegale Ausreise jedoch aufgehoben und Grenzbeamte sind angehalten, Personen, die illegal ausgereist sind, „bei der Einreise gut zu behandeln“ (DIS 6.2019). […] Sowohl Menschenrechtsorganisationen als auch die Vereinten Nationen prangern umstrittene Wohn- und Eigentumsgesetze des Regimes an, die, wie beispielsweise das Dekret Nr. 42/2018 oder das Gesetz Nr. 10, zur Enteignung von Binnenvertriebenen und Flüchtlingen führen können. […] Es ist schwierig, Informationen über die Lage von Rückkehrern in Syrien zu erhalten. Regierungsfreundliche Medien berichten über die Freude der Rückkehrer (TN 10.12.2018), oppositionelle Medien berichten über Inhaftierungen und willkürliche Tötungen von Rückkehrern (TN 10.12.2018; vgl. TWP 2.6.2019, FP 6.2.2019). Zudem wollen viele Flüchtlinge aus Angst vor Repressionen der Regierung nicht mehr mit Journalisten (TN 10.12.2018) oder sogar mit Verwandten sprechen, nachdem sie nach Syrien zurückgekehrt sind (SD 16.1.2019; vgl. TN 10.12.2018). Zur Situation von rückkehrenden Flüchtlingen aus Europa gibt es, wohl auch aufgrund deren geringen Zahl, keine Angaben (ÖB 29.9.2020). Die syrische Regierung führt Listen mit Namen von Personen, die als in irgendeiner Form regierungsfeindlich angesehen werden. Die Aufnahme in diese Listen kann aus sehr unterschiedlichen Gründen erfolgen und sogar vollkommen willkürlich sein. Zum Beispiel kann die Behandlung einer Person an einer Kontrollstelle, wie einem Checkpoint, von unterschiedlichen Faktoren abhängen, darunter die Willkür des Personals am Kontrollpunkt oder praktische Probleme, wie die Namensgleichheit mit einer von der Regierung gesuchten Person. Personen, die als regierungsfeindlich angesehen werden, können unterschiedliche Konsequenzen von Regierungsseite zu gewärtigen haben, wie Festnahme und im Zuge dessen auch Folter. Zu als oppositionell oder regierungsfeindlich angesehenen Personen gehören einigen Quellen zufolge unter anderem medizinisches Personal, insbesondere wenn die Person in einem von der Regierung belagerten oppositionellen Gebiet gearbeitet hat, Aktivisten und Journalisten, die sich mit ihrer Arbeit gegen die Regierung engagieren und diese offen kritisieren, oder Informationen oder Fotos von Geschehnissen in Syrien, wie Angriffe der Regierung, verbreitet haben sowie allgemein Personen, die offene Kritik an der Regierung üben. Einer Quelle zufolge kann es sein, dass die Regierung eine Person, deren Vergehen als nicht so schwerwiegend gesehen wird, nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Zeit festnimmt (FIS 14.12.2018). Jeder Geheimdienst führt eigene Fahndungslisten und es findet keine Abstimmung und Zentralisierung statt. Daher kann es trotz positiver Sicherheitsüberprüfung eines Dienstes jederzeit zur Verhaftung durch einen anderen kommen (AA 4.12.2020). Ein weiterer Faktor, der die Behandlung an einem Checkpoint beeinflussen kann, ist das Herkunftsgebiet oder der Wohnort einer Person. In einem Ort, der von der Opposition kontrolliert wird oder wurde, zu wohnen oder von dort zu stammen kann den Verdacht des Kontrollpersonals wecken (FIS 14.12.2018). Laut ICG ist nicht immer klar, wen die syrische Regierung als Gegner ansieht, bzw. kann sich dies im Laufe der Zeit auch ändern. Demnach gibt es keine Gewissheit darüber, wer vor einer Verhaftung sicher ist. Viele Flüchtlinge, mit denen ICG Gespräche führte, berichteten, dass der Verzicht auf regimefeindliche Aktivitäten keine sichere Rückkehr garantiert (ICG 13.2.2020). Es wurde regelmäßig von Verhaftungen von und Anklagen gegen Rückkehrer gemäß der Anti-Terror-Gesetzgebung berichtet, wenn diesen Regimegegnerschaft unterstellt wird. Diese Berichte erscheinen laut deutschem Auswärtigem Amt glaubwürdig, konnten im Einzelfall aber nicht verifiziert werden (AA 13.11.2018). Es muss davon ausgegangen werden, dass syrische Sicherheitsdienste in der Lage sind, exil-politische Tätigkeiten auszuspähen und darüber zu berichten (ÖB 29.9.2020; vgl. TWP 2.6.2019). […] Eine Gefährdung eines Rückkehrers im Falle von exil-politischer Aktivität hängt jedoch von den Aktivitäten selbst, dem Profil der Person und von zahlreichen anderen Faktoren, wie dem familiären Hintergrund und den Ressourcen ab, die der Regierung zur Verfügung stehen (STDOK 8.2017). Der Sicherheitssektor nützt den Rückkehr- und Versöhnungsprozess, um, wie in der Vergangenheit, lokale Informanten zur Informationsgewinnung und Kontrolle der Bevölkerung zu institutionalisieren. Die Regierung weitet ihre Informationssammlung über alle Personen, die nach Syrien zurückkehren oder die dort verblieben sind, aus. Historisch wurden Informationen dieser Art benutzt, um Personen, die aus jedwedem Grund als Bedrohung für die Regierung gesehen werden, zu erpressen oder zu verhaften (EIP 6.2019). Das Schreiben eines „taqrir“ (Bericht), d.h. die Meldung von Personen an die Sicherheitsbehörden, ist seit Jahrzehnten Teil des Lebens im ba’athistischen Syrien, der laut ICG auch unter den Flüchtlingen im Libanon fortbesteht. Motive sind dabei persönliche Bereicherung, Begleichen von Rechnungen oder Vermeidung selbst zur Zielscheibe zu werden. Sogar Regimebeamte geben zu, dass Verhaftungen aufgrund unbegründeter Denunziationen erfolgen (ICG 13.2.2020). Es gibt Berichte über Menschenrechtsverletzungen gegenüber Personen, die nach Syrien zurückgekehrt waren (IT 17.3.2018). Hunderte syrische Flüchtlinge wurden nach ihrer Rückkehr verhaftet und verhört – inklusive Geflüchteten, die aus dem Ausland nach Syrien zurückkehrten, IDPs aus von der Opposition kontrollierten Gebieten, und Personen, die in durch die Regierung wiedereroberten Gebieten ein Versöhnungsabkommen mit der Regierung unterschrieben haben. Sie wurden gezwungen, Aussagen über Familienmitglieder zu machen und in manchen Fällen wurden sie gefoltert (TWP 2.6.2019; vgl. EIP 6.2019). Daten der Vereinten Nationen weisen darauf hin, dass 14% von mehr als 17.000 befragten IDP- und Flüchtlingshaushalten, die im Jahr 2018 zurückgekehrt sind, während ihrer Rückkehr angehalten oder verhaftet wurden, 4% davon für über 24 Stunden. In der Gruppe der (ins Ausland) Geflüchteten wurden 19% verhaftet. Diese Zahlen beziehen sich spezifisch auf den Heimweg und nicht auf die Zeit nach der Rückkehr (EIP 6.2019). Syrische Flüchtlinge benötigen für die Heimreise üblicherweise die Zustimmung der Regierung und die Bereitschaft, vollständige Angaben über ihr Verhältnis zur Opposition zu machen. In vielen Fällen hält die Regierung die im Rahmen der „Versöhnungsabkommen“ vereinbarten Garantien nicht ein, und Rückkehrer sind Schikanen oder Erpressungen durch die Sicherheitsbehörden oder auch Inhaftierung und Folter ausgesetzt, mit dem Ziel Informationen über die Aktivitäten der Flüchtlinge im Ausland zu erhalten (TWP 2.6.2019). Nach Einschätzung des Hochkommissariats für Flüchtlinge der Vereinten Nationen (UNHCR), der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und des Internationalen Komitees vom roten Kreuz (IKRK) sind die Bedingungen für eine umfassende Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien in Sicherheit und Würde aufgrund weiter bestehender signifikanter Sicherheitsrisiken für die Zivilbevölkerung in ganz Syrien weiterhin nicht gegeben (AA 4.12.2020).“
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zu 1.1. entsprechen den Feststellungen des Bundesamtes (Bescheid, S. 12), die sich auf ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren, in dessen Rahmen auch syrische Ausweise vorgelegt und übersetzt wurden, stützen kann und denen in der Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.
2.2. Die Feststellungen zu 1.2. ergeben sich aus den Ausführungen des Beschwerdeführers, von denen einerseits das Bundesamt ausgegangen ist und denen der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht nur nicht entgegengetreten ist, sondern die er ausdrücklich bestätigt hat (Beschwerde, S. 2)
2.3. Die Feststellungen zu 1.3. ergeben sich aus der Aktenlage.
2.4. Die Feststellungen ergeben sich hinsichtlich des Inhalts der Feststellungen zu Syrien und der Beweiswürdigung des Bundesamtes zur Frage der drohenden Zwangsrekrutierung aus der Aktenlage.
Der Beschwerdeführer ist den Länderfeststellungen des Bundesamtes, die aktuell sind und aus dem Dezember 2020 bzw. dem Jahr 2021 stammen, nur durch Quellen aus dem Jahr 2017 entgegengetreten, die im Lichte der relativ schnellen Änderung der Lage in Syrien nicht geeignet sind, diese zu entkräften.
Die Beweiswürdigung des Bundesamtes zur Frage der drohenden Zwangsrekrutierung wird vom Bundesverwaltungsgericht geteilt; das Bundesamt hat richtig erkannt, dass eine Rekrutierung von Personen im Alter des Beschwerdeführers besondere militärische Erfahrung oder Ausbildung voraussetzt, die beim Beschwerdeführer nicht einmal im Ansatz vorliegen. Dem ist in der Beschwerde nur durch Zitate aus veralteten Länderberichten entgegengetreten worden. Selbiges gilt im Wesentlichen für die Rekrutierung zu regierungstreuen Milizen, die im Wesentlichen - wenn möglicherweise unter sozialem Druck - doch freiwillig erfolgt. Der Beschwerdeführer hat im Verfahren oder in der Beschwerde auch keinerlei Beweisangebote zur drohenden Zwangsrekrutierung durch die Hisbollah gemacht, nicht einmal einen Rekrutierungsversuch geschildert. Es ist daher sowohl hinsichtlich der syrischen Armee als auch der Hisbollah von der (theoretischen) Möglichkeit, nicht aber der hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Zwangsrekrutierung auszugehen.
2.5. Die Feststellungen ergeben sich hinsichtlich des Inhalts der Feststellungen zur Rückkehr nach Syrien aus der Aktenlage.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Gemäß § 3 AsylG 2005 ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.
Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG ist unter Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder – im Falle der Staatenlosigkeit – der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu verstehen. Dies ist im vorliegenden Fall zweifellos Syrien, da der Beschwerdeführer syrischer Staatsangehöriger ist.
Es ist daher zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer in Syrien vor dessen Ausreise Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK gedroht hat oder im Falle einer Rückkehr drohen würde, wobei auf Grund der rechtskräftigen Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten davon auszugehen ist, dass dem Beschwerdeführer mangels hinreichender Sachverhaltsänderung eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zur Verfügung steht (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).
2. Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Es ist auszuführen, dass § 3 Abs. 1 AsylG auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK verweist. Danach ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199). Weiters setzt die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht voraus, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung bereits erlitten haben müsste oder ihm zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre; eine derartige Befürchtung ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers dergestalt sind, dass die Angst vor der vorgebrachten, drohenden Verfolgung objektiv nachvollziehbar ist (siehe VwGH 25.01.1996, 95/19/0008, wenn auch zum AsylG 1991, jedoch unter Bezugnahme auf den Flüchtlingsbegriff der GFK).
Nicht glaubhaft gemacht worden bzw. nicht mit der Situation in Syrien in Einklang zu bringen ist das vorgebrachte Risiko, von der syrischen Armee oder einer regierungsfreundlichen Miliz - andere Akteure haben im Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers keinen Zugriff auf diesen - zwangsrekrutiert zu werden.
Der Beschwerdeführer hat erstmals in der Beschwerde behauptet, dass seine Familie sich nie gescheut habe, ihren Ärger über das syrische Regime kundzumachen und dass er an Demonstrationen teilgenommen habe. Dieses Vorbringen ist aber nicht im Verfahren vor dem Bundesamt vorgebracht worden, obwohl hiefür durch die offene Frage zu den Verfolgungsgründen und den offenen Fragen am Ende der Einvernahme hinreichend Gelegenheit bestanden hat. Daher ist dieses Vorbringen unbeachtlich (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017). Alleine die Behauptung, der Bruder sei 2012 festgenommen worden, lässt im Lichte dessen, dass sich der Beschwerdeführer bis 2014 in Syrien aufgehalten und bis zu seiner Ausreise gearbeitet hat (Einvernahme, S. 6), keinen Rückschluss auf eine für den Beschwerdeführer bestehende Verfolgungsgefahr zu, zumal eine solche auch (vor der Beschwerde) nicht behauptet wurde.
Daher und mangels einer erkennbaren politischen Relevanz des Beschwerdeführers droht dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Syrien - wie jedem anderen illegal ausgereisten Syrer - eine Geld- oder Haftstrafe für die illegale Ausreise, aber keine Verfolgung auf Grund seiner politischen Gesinnung oder weil er sich dem Militärdienst entzogen hat, was eben nicht der Fall ist.
3. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG - der diesbezüglich § 24 Abs. 4 VwGVG vorgeht (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017) - kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig und in ordnungsgemäßem Ermittlungsverfahren erhoben wurde, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes immer noch aktuell und vollständig ist und das Verwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilt, wenn in der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet wird, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG 2014 festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
Dies ist hier der Fall, die Behörde hat der Entscheidung eine ordnungsgemäße Einvernahme, in der der Beschwerdeführer durch offene und geschlossene Fragen angeleitet wurde, den relevanten Sachverhalt anzugeben, vorangestellt und teilt das Bundesverwaltungsgericht die Feststellungen und die Beweiswürdigung der Behörde. Dem tritt der Beschwerdeführer nur unsubstantiiert bzw. mit einem unter das Neuerungsverbot fallenden Vorbringen entgegen. Dass es dem Beschwerdeführer nicht klar gewesen sein will, dass Demonstrationen nicht zur politischen Betätigung gehören sollen, ist - gerade für einen Syrer - nicht nachvollziehbar. Wenn die (vorbringliche) Teilnahme an solchen Demonstrationen aber irgendwie zu einer Verfolgungsgefahr hätte führen sollen, so hätte er dies bei den offenen Fragen andeuten müssen. Selbiges gilt auch für die (vorbringliche) Festnahme des Bruders; diese wurde zwar schon vor dem Bundesamt angegeben, liegt aber neun Jahre zurück und hat sich der Beschwerdeführer nach dieser Festnahme noch ohne jede Verfolgung zwei Jahre in Syrien aufgehalten. Außerdem wurde die Festnahme des Bruders vom Beschwerdeführer in der Einvernahme – entgegen seinen Angaben in der Beschwerde, die auf „das öffentliche Kundtun seiner regimekritischen Meinung“ verweisen – mit der Machtübernahme der Hisbollah in Zusammenhang gebracht. Daher ist auch dieser Zusammenhang erst in der Beschwerde hergestellt worden und verstößt gegen das Neuerungsverbot.
Es konnte daher die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung unterbleiben.
4. Somit ist im Ergebnis die Beschwerde abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die für die Lösung des Falles relevante Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter A) dargestellt und ist dieser gefolgt; es ist daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu erkennen.
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