BVwG W127 2162416-1

BVwGW127 2162416-115.5.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W127.2162416.1.00

 

Spruch:

W127 2162416-1/10E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. FISCHER-SZILAGYI über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter PHILIPP, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2017, Zl. 1091444001-151574199, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.03.2019 zu Recht:

 

A)

 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer ist in die Republik Österreich eingereist und hat am 17.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

 

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 19.10.2015 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, er sei im Iran geboren und aufgewachsen und habe sich noch nie in Afghanistan aufgehalten. Zu seinem Fluchtgrund führte er aus, er habe den Iran verlassen, weil er mit seiner Familie dort illegal und ohne Papiere gelebt habe. Er habe ständig Angst gehabt, ausgewiesen zu werden, und habe keine Ausbildung machen können. Die allgemeinen Bedingungen, insbesondere die finanzielle Lage, seien für seine Familie dort schlecht gewesen. Er wolle in Sicherheit leben und eine Ausbildung machen. Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst vor dem Krieg.

 

2. Der Beschwerdeführer wurde am 11.05.2017 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi sowie einer Vertrauensperson niederschriftlich einvernommen. Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, er habe nur gehört, dass seine Eltern Afghanistan verlassen hätten, weil es dort Krieg gegeben habe. Mehr wisse er dazu nicht. Der Beschwerdeführer verneinte die Frage nach weiteren Bedrohungen seiner Eltern in Afghanistan. Zu einer ihn selbst treffenden Gefährdung in Afghanistan führte der Beschwerdeführer an, dass er Hazara und somit in Gefahr sei. Sonstige Bedrohungen gäbe es nicht. Er sei noch nie in Afghanistan gewesen und kenne sich dort nicht aus.

 

Im Zuge der Einvernahme legte der Beschwerdeführer Schulzeugnisse aus dem Iran sowie ein Konvolut von Zeugnissen und Bestätigungen betreffend seine Integration in Österreich vor.

 

3. Mit Schreiben vom 12.05.2017 wurde ein ärztliches Schreiben betreffend eine Medikamentenverschreibung für den Beschwerdeführer übermittelt.

 

4. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Weiters wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Es wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).

 

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer weder eine individuelle Bedrohung noch eine individuelle Gefahr geltend gemacht habe. Auch ergebe sich aus den Länderfeststellungen keine allgemeine Gefahr. Die Behörde gehe daher davon aus, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat auch keine Gefahren drohen, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden. Selbst wenn er seinen Heimatort nicht erreichen könnte, sei davon auszugehen, dass eine Ansiedlung in Kabul, Mazar-e Sharif, Jalalabad und Herat sogar für Personen ohne Beziehungen möglich sei. Die Sicherheitslage in Kabul sei differenziert zu betrachten und im regionalen Vergleich als zufriedenstellend zu betrachten.

 

4. Hiegegen wurde Beschwerde erhoben und der gesamte Bescheid wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhaltes bekämpft. In der Begründung wurde ausgeführt, es sei dem Beschwerdeführer nicht mehr möglich, in Afghanistan zu leben, dort drohe ihm wegen einer seitens der Taliban unterstellten politischen Gesinnung, seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und wegen seines schiitischen Glaubens asylrelevante Verfolgung. Aufgrund seines mehrjährigen Aufenthaltes im Iran sowie im westlichen Ausland werde dem Beschwerdeführer von regierungsfeindlichen Gruppierungen eine prowestliche und sohin oppositionelle politische Gesinnung unterstellt. Auch würde dem Beschwerdeführer bereits die Asylantragstellung in Österreich von islamischen Extremisten negativ ausgelegt. Dem Beschwerdeführer stehe hinsichtlich der beschriebenen Verfolgung keine innerstaatliche Fluchtalternative offen und stelle sich darüber hinaus die allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage im gesamten afghanischen Staatsgebiet derart prekär dar, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr auch eine Verletzung seiner durch Artikel 2 und 3 EMRK geschützten Rechte drohe. Zur Lage in Afghanistan führte der Beschwerdeführer mehrere Länderberichte aus den Jahren 2016 und 2017 an. Betreffend Spruchteil III. wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei um bestmögliche Integration bemüht, in seiner Gemeinde beliebt und habe Freunde und Unterstützer gefunden. Der Eingriff in das schützenswerte Privatleben des Beschwerdeführers sei als unverhältnismäßig zu beurteilen und daher auf Dauer unzulässig.

 

Der Beschwerde wurden ein Schreiben des Beschwerdeführers - in dem dieser Angaben insbesondere zu seiner Ausreise aus dem Iran, seiner Reise nach Europa und seinem Leben in Österreich macht - und ein mit 04.06.2017 datiertes Empfehlungsschreiben beigeschlossen.

 

5. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 23.06.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

 

6. Mit Schreiben vom 20.11.2017 und 21.02.2018 wurden dem Bundesverwaltungsgericht weitere Unterlagen betreffend die Integration des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere eine Beschäftigungsbewilligung vom 15.11.2017 und ein Lehrvertrag vom Dezember 2017) vorgelegt.

 

7. Am 12.03.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt nicht teilnahm. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seines rechtsfreundlichen Vertreters und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, zu den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten zur Situation in Afghanistan Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführervertreter wies darauf hin, dass aus den UNHCR-Richtlinien hervorgehe, dass Rückkehrer jedenfalls als verwestlich angesehen würden. Der Beschwerdeführer, der überdies den Islam nicht mehr ausüben wolle, wäre daher jedenfalls einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt, zumal Apostasie unter Strafe stehe und ihm gesellschaftliche Ächtung drohe.

 

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer insbesondere vor, er kenne sich in Afghanistan nicht aus und habe dort keine Familie. Außerdem sei er in Österreich vor einem Jahr "religionslos geworden, also Atheist". In Afghanistan sei ihn auch aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit gefährlich.

 

Im Rahmen der Verhandlung brachte der Beschwerdeführer einen Ausdruck einer E-Mail betreffend seinen Austritt aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich sowie ein Konvolut von Unterlagen zum Nachweis seiner Integration in Österreich zur Vorlage.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt und in den Gerichtsakt sowie insbesondere in folgende Länderberichte: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 29.06.2018, aktualisiert mit 01.03.2019; EASO Country Guidance Afghanistan vom Juni 2018; UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018; ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan "Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif" vom 12.10.2018.

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, der Volksgruppe der Hazara zugehörig und bekannte sich jedenfalls bis zum Jahr 2017 zum schiitisch-muslimischen Glauben. Er ist in das Bundesgebiet eingereist und hat am 17.10.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

 

Der Beschwerdeführer ist im Iran geboren und hat sich dort bis zu seiner Reise nach Österreich bei seiner Familie aufgehalten. Er hat 10 Jahre lang in Teheran die Schule besucht und spricht Dari und Farsi. Die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers leben weiterhin im Iran, der Beschwerdeführer hat telefonischen Kontakt zu seiner Familie.

 

Der Beschwerdeführer praktiziert seine Religion in Österreich derzeit nicht, ist aber nicht zu einer anderen Religion konvertiert.

 

Der Beschwerdeführer ist gesund, volljährig, ledig und hat keine Kinder. Er hat in Österreich keine nahen Familienangehörigen oder sonstige enge Bindungen. Der Beschwerdeführer ist nicht straffällig im Sinne des Asylgesetzes. Er hat in Österreich Deutschkurse sowie den Lehrgang "Übergangsstufe an BMHS" besucht, die Prüfung ÖSD Zertifikat A2 bestanden und macht seit November 2017 eine Elektrotechnik-Lehre. Darüber hinaus ist er in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen und bezog bis Ende des Jahres 2017 Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer betätigt sich ehrenamtlich in einer katholischen Pfarrgemeinde sowie bei verschiedenen Veranstaltungen, betreibt in seiner Freizeit Sport und verfügt über einen Freundes- bzw. Bekanntenkreis. Er ist nicht legal in das Bundesgebiet eingereist und hatte nie ein nicht auf das Asylverfahren gegründetes Aufenthaltsrecht in Österreich.

 

1.2. Zum Fluchtvorbringen:

 

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr in eine afghanische Großstadt keine physische oder psychische Gewalt oder Strafverfolgung aufgrund eines ihm unterstellten Glaubensabfalls bzw. einer ihm unterstellten Konversion zum Christentum. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan aufgrund seines langjährigen Aufenthaltes im Iran bzw. in Österreich Gewalt oder Diskriminierung von erheblicher Intensität droht.

 

Dem Beschwerdeführer droht aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit bzw. aufgrund seiner (bisherigen) Religionszugehörigkeit weder Gewalt noch Diskriminierung von erheblicher Intensität. Weiters haben sich keine Anhaltpunkte ergeben, dass eine Asylantragstellung im Ausland oder eine rechtswidrige Ausreise zu Sanktionen oder Repressionen in Afghanistan führen würde.

 

Der Beschwerdeführer hat bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch keine sonstige konkret gegen seine Person gerichtete Bedrohung durch staatliche Organe oder durch Privatpersonen zu erwarten.

 

1.3. Zur allgemeinen Lage in Afghanistan:

 

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Schätzungen zufolge sind 40 % Paschtunen, rund 30 % Tadschiken, ca. 10 % Hazara, 9 % Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnischen Minderheiten. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen können allerdings weiterhin in Konflikten und Tötungen resultierten.

 

Die schiitische Minderheit der Hazara besiedelt traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert, gesellschaftliche Spannungen bestehen aber fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf. Ungefähr seit dem Jahr 2016 wurden insbesondere von Taliban und dem IS vermehrt terroristische Angriffe auf schiitische kulturelle und religiöse Einrichtungen bzw. Veranstaltungen verübt, bei denen zahlreiche schiitische Muslime - überwiegend ethnische Hazara - verletzt oder getötet wurden.

 

Etwa 99,7 % der Bevölkerung Afghanistans sind Muslime, der Großteil davon sind Sunniten. Schätzungen zufolge sind etwa 10 bis 19 % der Bevölkerung Schiiten. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie beispielsweise Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen etwa 0,3 % der Bevölkerung aus.

 

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Artikel 3 der Verfassung) zu verstehen. Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt. Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber.

 

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen. Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u.a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30 %. Rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, die aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, tagen regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern. Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen. Afghanischen Schiiten ist es möglich ihre Feste öffentlich zu feiern - gelegentlich kommt es dabei aber zu Auseinandersetzungen mit Paschtunen. Ungefähr seit dem Jahr 2016 wurden insbesondere von Taliban und dem IS vermehrt terroristische Angriffe auf schiitische kulturelle und religiöse Einrichtungen bzw. Veranstaltungen verübt, bei denen zahlreiche schiitische Muslime - überwiegend ethnische Hazara - verletzt oder getötet wurden.

 

Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.02.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. In städtischen Gebieten sind Repressionen gegen Konvertiten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften.

 

Eine Person wird in Afghanistan nicht notwendigerweise als nichtgläubig angesehen, wenn sie nicht an religiösen Handlungen im öffentlichen Raum teilnimmt, da es auch viele Muslime gibt, die nicht regelmäßig die Moschee besuchen. Auch für als "verwestlicht" wahrgenommene Männer besteht in Afghanistan generell nur ein geringes Verfolgungsrisiko - insbesondere im urbanen Bereich.

 

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus.

 

Die afghanische Hauptstadt Kabul hat etwa 4,6 Millionen Einwohner und ist über den Flughafen gut zu erreichen. Die Lage in Kabul ist noch als hinreichend sicher und stabil zu bezeichnen, wenngleich es immer wieder zu Anschlägen mit zahlreichen Opfern kommt. Diese Anschläge ereignen sich allerdings oft im Nahbereich von staatlichen bzw. ausländischen Einrichtungen oder NGOs. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2018 wurden von UNAMA 993 zivile Opfer (321 Tote und 672 Verletzte) in der Provinz Kabul dokumentiert.

 

Die nordafghanische Provinz Balkh ist von hoher strategischer Bedeutung und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e Khumri und ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut, es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Mazar-e Sharif verfügt über einen internationalen Flughafen. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans und hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen.

 

Herat ist eine wirtschaftlich relativ gut entwickelte Provinz im Westen des Landes und ist über einen internationalen Flughafen in der Provinzhauptstadt gut erreichbar. Die Sicherheitslage hat sich in den letzten Jahren in abgelegenen Distrikten aufgrund von Aktivitäten der Taliban verschlechtert, insbesondere in der Stadt Herat ist die Lage aber vergleichsweise friedlich.

 

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Rückkehrer nach Afghanistan sind zunächst oft - wie auch große Teile der dort ansässigen Bevölkerung - auf gering qualifizierte Beschäftigungen oder Gelegenheitstätigkeiten angewiesen. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen.

 

Nahrungsmittel, grundlegende Gesundheitsversorgung und Zugang zu Trinkwasser sind in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif grundsätzlich verfügbar. Die humanitäre Situation in Afghanistan hat sich durch eine schwere Dürre - insbesondere die Regionen im Norden und Westen des Landes - weiter verschärft, die Preise für Weizen und Brot blieben dennoch vergleichsweise stabil. Durch eine verstärkte Landflucht wurde zusätzlich auch die Wohnraumbeschaffung und Arbeitssuche erschwert. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Daneben gibt es eine Kooperation mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Afghanistan im Rahmen des Programms "Assisted Voluntary Return and Reintegration". IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten und bei der Ankunft in Kabul sowie Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Rückkehrer können nach ihrer Ankunft in Kabul für bis zu zwei Wochen von IOM untergebracht werden. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerbern Unterstützung nach der Ankunft im Land. In den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif sind Unterkünfte grundsätzlich verfügbar, aufgrund der hohen Mietkosten für (reguläre) Wohnungen und Häuser - insbesondere in der Stadt Kabul - lebt ein großer Teil der Bevölkerung aber in informellen Siedlungen bzw. gibt es auch die Möglichkeit, nur ein Zimmer zu mieten oder in Teehäusern (chai khana) zu übernachten.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, Schulbildung sowie zu seinen Familienangehörigen beruhen auf seinen diesbezüglich plausiblen und im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens.

 

Die Feststellungen zur aktuellen Religionsausübung des Beschwerdeführers beruhen auf dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung, er sei im Iran zum täglichen Beten gezwungen und nun "religionslos" geworden. Eine Konversion wurde nicht behauptet.

 

Insoweit konnte den Angaben des Beschwerdeführers gefolgt werden, zumal diese auch vor dem Hintergrund seiner ehrenamtlichen Tätigkeit in einer katholischen Pfarrgemeinde nachvollziehbar sind. Auf das über die genannten Feststellungen hinausgehende Vorbringen hinsichtlich einer Apostasie bzw. einer atheistischen Überzeugung des Beschwerdeführers wird im Rahmen der Würdigung des Fluchtvorbringens (unter Pkt. 2.2.) eingegangen.

 

Die Feststellungen zur Einreise, Antragstellung und dem Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes und dem damit in Einklang stehenden Vorbringen des Beschwerdeführers.

 

Hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt angegeben hat, unter Depressionen zu leiden und Medikamente einzunehmen. In der mündlichen Verhandlung am 12.03.2019 gab der Beschwerdeführer allerdings an, es gehe ihm gut, und führte über konkrete Nachfrage aus, er nehme nun keine Medikamente mehr, da es ihm besser gehe.

 

Hinsichtlich der Feststellungen zu dem aktuellen Privat- und Familienleben sowie insbesondere der Integration des Beschwerdeführers in Österreich wurden die Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung sowie die vorgelegten Nachweise und Empfehlungsschreiben den Feststellungen zugrunde gelegt. Der Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung bis zum Jahr 2017 geht aus einem seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem (GVS) hervor. Die Feststellung der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

 

2.2. Zum Fluchtvorbringen:

 

Bei der Erstbefragung hat der Beschwerdeführer seine Antragstellung mit seiner Situation im Iran begründet und hinsichtlich seiner Befürchtungen für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat lediglich angegeben, "Angst vor dem Krieg" zu haben. Auch bei der Einvernahme durch das Bundesamt am 11.05.2017 und in der Rechtsmittelschrift vom 16.06.2017 nannte der Beschwerdeführer insbesondere die schwierige Lebenssituation im Iran und brachte darüber hinaus eine Gefährdung in Afghanistan aufgrund seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit (schiitischer Hazara) und seines Lebens im Iran bzw. aufgrund einer "Verwestlichung" vor. Eine konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgung bzw. Bedrohung wurde nicht substantiiert behauptet.

 

Erst in der mündlichen Verhandlung am 12.03.2019 wurde für den Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine Bedrohung aufgrund von Apostasie bzw. einer atheistischen Überzeugung des Beschwerdeführers ins Treffen geführt.

 

Hiezu ist zunächst festzuhalten, dass den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten keine hinreichenden Anhaltspunkte zu entnehmen sind, dass Personen, die im Iran aufgewachsen sind, bzw. Rückkehrern aus dem "Westen" alleine aufgrund dieses Umstandes Gewalt oder Diskriminierung droht. Der Beschwerdeführer hat auch diesbezüglich kein konkretes Vorbringen zu einer individuell drohenden Verfolgung erstattet. Aus den Länderfeststellungen ergibt sich ferner, dass insbesondere im urbanen Bereich alleine aufgrund mangelnder religiöser Betätigung nicht ohne weiteres mit einer Gefährdung - etwa aufgrund eines unterstellten Glaubensabfalls - zu rechnen ist.

 

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei "Atheist seit einem Jahr", war in der Gesamtbetrachtung die Glaubwürdigkeit zu versagen:

 

Der Beschwerdeführer hat in diesem Zusammenhang in der Beschwerdeverhandlung angegeben, bereits im Iran zum Beten gezwungen worden zu sein. Dahingehendes Vorbringen wurde allerdings weder in der Erstbefragung oder der Einvernahme durch das Bundesamt noch in der vorliegenden Beschwerde erstattet, vielmehr stützte sich der Beschwerdeführer auf eine drohe Verfolgung in Afghanistan aufgrund seiner schiitischen Religionszugehörigkeit.

 

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem derzeitigen Glauben sind überdies äußerst vage und lassen keinerlei Ablehnung des Islam oder einer anderen theistischen Religion aufgrund einer inneren Überzeugung erkennen. Auch der explizite Wunsch des Beschwerdeführers, in der Berufsschule den (römisch-katholischen) Religionsunterricht zu besuchen (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.03.2019), deutet nicht auf eine atheistische Überzeugung hin. Darüber hinaus ist auch der behauptete Austritt des Beschwerdeführers aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich nicht in einem zeitlichen Zusammenhang mit seinem angeblichen Glaubensabfall bzw. -wechsel (ungefähr im März 2018) erfolgt, sondern erst etwa ein Jahr später - wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung. Der diesbezüglich vorgelegten E-Mail ist im Übrigen lediglich zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer den Wunsch habe, mit sofortiger Wirkung aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich auszutreten - eine Bestätigung des tatsächlich erfolgten Austritts wurde nicht vorgelegt.

 

Im Ergebnis ist es dem Beschwerdeführer aufgrund von Widersprüchen und Ungereimtheiten in seinen Angaben daher nicht gelungen, eine atheistische Überzeugung bzw. eine Ablehnung des Islam glaubhaft zu machen, und hat sich der Eindruck ergeben, dass der Beschwerdeführer lediglich eine konstruierte Geschichte wiedergegeben hat. Vor diesem Hintergrund waren auch für einen Glaubensabfall des Beschwerdeführers, der über ein bloßes Unterbleiben religiöser Handlungen hinausgeht, keine hinreichenden Anhaltspunkte zu erkennen.

 

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan eine Konversion zum Christentum bzw. Apostasie unterstellt würde, da er eigenen Angaben zufolge nicht einmal seinen Eltern im Iran von seinen Aktivitäten in Bezug auf die katholische Kirche erzählt hat. Trotz des - für eine Person mit behaupteter atheistischer Überzeugung wohl untypischen - Naheverhältnisses des Beschwerdeführers zur katholischen Kirche (freiwilliger Besuch des Religionsunterrichtes in der Berufsschule, ehrenamtliche Mitarbeit in der christlichen Pfarrgemeinde) haben sich keine substantiierten Hinweise für eine geplante Konversion zum Christentum ergeben, zumal der Beschwerdeführer selbst vorgebracht hat, die Kirche nicht aus religiösen Gründen zu besuchen, sondern nur, um dort zu helfen. Auch dem undatierten, in der Beschwerdeverhandlung vorgelegten Empfehlungsschreiben einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin der Caritas ist zu entnehmen, dass sich der Beschwerdeführer "bisher nicht entschließen [konnte], unsere Religion anzunehmen."

 

Da der Beschwerdeführer sohin einen auf innerer Überzeugung beruhenden Glaubenswechsel nicht nachvollziehbar darzulegen vermochte, ist insbesondere bei einer Rückkehr in eine afghanische Großstadt auch im Falle des (weitgehenden) Unterbleibens religiöser Betätigung nicht von drohenden Übergriffen auszugehen.

 

Die Feststellungen hinsichtlich einer nicht bestehenden Gefährdung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Asylantragstellung sowie seiner rechtswidrigen Ausreise beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten bzw. wurde auch kein Vorbringen zu bereits erfolgten oder konkret drohenden Diskriminierungen oder Übergriffen erstattet. Konkrete Anhaltpunkte für eine individuelle Bedrohung des Beschwerdeführers sind daher nicht hervorgekommen.

 

2.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

 

Die Länderfeststellungen beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten, insbesondere dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - das basierend auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen einen in den Kernaussagen schlüssigen Überblick über die aktuelle Lage in Afghanistan gewährleistet - und dem EASO-Bericht "Country Guidance:

Afghanistan" vom Juni 2018.

 

Angesichts der Seriosität der genannten Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Die Situation in Afghanistan stellt sich seit Jahren diesbezüglich im Wesentlichen unverändert dar, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage (u.a. durch Einschau in aktuelle Berichte bzw. Folgeberichte des deutschen Auswärtigen Amtes, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, des U.S. Department of State sowie von UNHCR, UNAMA, EASO und ACCORD; vgl. etwa ecoi.net-Themendossier "Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und Chronologie für Kabul" vom 30.04.2019) versichert hat.

 

Der Beschwerdeführer bzw. sein Vertreter ist den im Rahmen der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebrachten Länderberichten nicht entgegengetreten und hat insbesondere auf die - vom Bundesverwaltungsgericht ohnehin herangezogenen - "UNHCR-Richtlinien" hingewiesen. Auch unter Berücksichtigung der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender in der Fassung vom 30.08.2018 ergibt sich allerdings keine andere Beurteilung der aktuellen Lage. Zu den Ausführungen des Beschwerdeführervertreters, Rückkehrer würden jedenfalls als verwestlicht angesehen werden, ist festzuhalten, dass laut UNHCR - hinsichtlich der Beurteilung allfälliger Folgen einer "Verwestlichung" - auf die jeweiligen Umstände des Falls abzustellen ist.

 

Auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des UNHCR in den Richtlinien vom 30.08.2018 betreffend eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul ("UNHCR ist der Auffassung, dass angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative in der Stadt grundsätzlich nicht verfügbar ist.") ist im Ergebnis nicht davon auszugehen, dass Rückkehrern bei einer Neuansiedlung in der Stadt Kabul jedenfalls ernsthafter Schaden droht. Wenngleich den Richtlinien des UNHCR besondere Beachtung zu schenken ist ("Indizwirkung"; vgl. etwa VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103-0106, und 22.09.2017, Ra 2017/18/0166, jeweils mit weiteren Nachweisen), folgt das erkennende Gericht diesbezüglich der etwas differenzierteren Beurteilung des EASO in dem Bericht "Country Guidance: Afghanistan" vom Juni 2018, in dem für Kabul hinsichtlich einer möglichen ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne von

Artikel 15 lit. c der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 (Statusrichtlinie) ausdrücklich auf das Vorliegen besonderer persönlicher Umstände abgestellt und darüber hinaus hinsichtlich alleinstehender leistungsfähiger erwachsener Männer ("single able-bodied adult men") von einer grundsätzlichen Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul ausgegangen wird.

 

Die Beurteilung des EASO ist mit dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation und auch mit den Ausführungen in den UNHCR-Richtlinien betreffend einen UNAMA-Bericht vom Juli 2018 in Einklang zu bringen, in dem 993 zivile Opfer (321 Tote und 672 Verletzte) in der Provinz Kabul in den ersten sechs Monaten des Jahres 2018 genannt werden (eine Steigerung von 5 % im Vergleich zum Vorjahr), zumal diese Zahlen im Verhältnis zu der Gesamtbevölkerung der Provinz Kabul von rund 4,6 Millionen Einwohnern zu betrachten sind, wobei von einer erhöhten Gefährdung für Staatsbedienstete und Ausländer auszugehen ist. Hinsichtlich der Würdigung der EASO-Leitlinien ist ferner darauf hinzuweisen, dass in Artikel 8 Abs. 2 der Statusrichtlinie hinsichtlich der für die Prüfung der Situation im Herkunftsstaat des Antragstellers einzuholenden Informationen aus relevanten Quellen gleichermaßen auf Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) wie auch des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) verwiesen wird. Den Berichten mit Herkunftsländerinformationen (Country of Origin Information - COI) des EASO, die nach den Grundsätzen der Neutralität und Objektivität erstellt werden und darüber hinaus qualitätssichernden Verfahren unterliegen (vgl. EASO, Methodik für das Erstellen von COI-Berichten des EASO, Juli 2012, S. 6; vgl. auch Artikel 4 lit. a und b der Verordnung (EU) Nr. 439/2010 vom 19.05.2010), wird daher seitens des erkennenden Gerichts ein ebenso hoher Beweiswert wie den Richtlinien des UNHCR beigemessen. Auch UNHCR hat in den Richtlinien vom 30.08.2018 den EASO-Bericht vom Juni 2018 herangezogen; soweit UNHCR darauf hingewiesen hat, dass EASO zu der Einschätzung gekommen sei, dass "in der Provinz Kabul, einschließlich der Hauptstadt, willkürliche Gewalt herrscht" (S. 127 der deutschen Fassung, Fn. 688), ist festzuhalten, dass EASO in unmittelbarem Zusammenhang mit der von UNHCR zitierten Aussage zur Sicherheitslage in Kabul näher ausführt, dass eine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne von Artikel 15 lit. c der Statusrichtlinie bestehen kann, wenn der Antragsteller aufgrund seiner persönlichen Umstände konkret betroffen ist. Im Übrigen ist festzuhalten, dass es sich bei der Frage der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative um eine rechtliche Beurteilung handelt und darüber hinaus auch in den UNHCR-Richtlinien nicht davon ausgegangen wird, dass eine interne Schutzalternative in Kabul keinesfalls bestehe, sondern dass diese "grundsätzlich" nicht verfügbar sei.

 

Auch hinsichtlich der Städte Herat und Mazar-e Sharif stützen sich die getroffenen Feststellungen neben dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation insbesondere auf die EASO-Leitlinien vom Juni 2018, denen etwa bezüglich der Stadt Herat Folgendes zu entnehmen ist (vgl. auch die im Wesentlichen gleichlautenden Ausführungen betreffend die Provinz Balkh - einschließlich der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif - auf Seite 79 des Berichtes): "For Herat city, it can be concluded that indiscriminate violence is taking place at such a low level, that in general there is no real risk for a civilian to be personally affected by reason of indiscriminate violence."

 

Für die Städte Herat und Mazar-e Sharif geht EASO hinsichtlich "single able-bodied adult men" ebenfalls von einer grundsätzlichen Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative aus.

 

Im Hinblick auf die Auswirkungen der aktuell auch die Provinzen Herat und Balkh betreffenden Dürre auf die dortige Versorgungslage (vgl. UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, S. 125 f) ist den vorliegenden Länderberichten nicht zu entnehmen, dass die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in den Provinzhauptstädten Mazar-e Sharif und Herat nicht als zumindest grundlegend gesichert anzusehen wäre, zumal die von der Dürre betroffenen Menschen von nationaler und internationaler Seite insbesondere mit Nahrungsmitteln und sauberem Trinkwasser unterstützt werden bzw. die Nahrungsmittelpreise - insbesondere die Preise für Getreide und Brot - relativ stabil geblieben sind (vgl. ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan "Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif" vom 12.10.2018 sowie die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund anhaltender Dürre vom 13.09.2018).

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Zur Zuständigkeit und Kognitionsbefugnis:

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

 

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG).

 

Zu A)

 

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Artikel 9 der Statusrichtlinie verweist).

 

Flüchtling im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

 

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

 

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. hiezu VwGH 21.01.1999, 98/18/0394; 19.10.2000, 98/20/0233 mwH). Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH 17.06.1993, 92/01/1081; 14.03.1995, 94/20/0798).

 

Wie oben ausgeführt ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine begründete Furcht vor Verfolgung darzutun. Eine konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohung wurde nicht dargetan und auch hinsichtlich der ins Treffen geführten Nachfluchtgründe - eine "Verwestlichung" des Beschwerdeführers sowie ein unterstellter Glaubensabfall - ist unter Berücksichtigung der Länderfeststellungen nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer diesbezüglich drohenden Verfolgung auszugehen:

 

Den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten sind keine hinreichenden Anhaltspunkte zu entnehmen, dass "verwestlichten" Rückkehrern alleine aufgrund dieses Umstandes Gewalt oder Diskriminierung von erheblicher Intensität droht (vgl. EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018, S. 19 u. S. 57). Auch in den in diesem Zusammenhang von der beschwerdeführenden Partei zitierten UNHCR-Richtlinien wird darauf hingewiesen, dass je nach den Umständen des Einzelfalls Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz bestehen kann (vgl. hiezu auch Gutachten Dr. Rasuly vom 15.02.2017, W119 2142462-1). Dies gilt umso mehr bei einer Rückkehr in eine afghanische Großstadt. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer auch Dari - eine der Amtssprachen Afghanistans - spricht und im Iran im Kreis seiner afghanischen Familie seine grundsätzliche Sozialisierung erfahren hat.

 

Im Zusammenhang mit der vorgebrachten Befürchtung des Beschwerdeführers, aufgrund einer - allenfalls unterstellten - Apostasie Verfolgung ausgesetzt zu sein, ist an dieser Stelle festzuhalten, dass der Beschwerdeführer jedenfalls bis zum Jahr 2017 bekennender Muslim war, eine auf innerer Überzeugung basierende Ablehnung des muslimischen Glaubens auch aktuell nicht festgestellt werden konnte und er bei einer Rückkehr allenfalls wieder nach den grundlegenden Sitten und Regeln seiner Religionsgemeinschaft leben kann, zumal bei besonderen Anlässen sogar Moscheebesuche eher traditionellen als religiösen Charakter haben können (vgl. ACOORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage von zum Christentum konvertierten Personen insbesondere in Kabul und Masar-e-Scharif [a-10681-1] vom 07.08.2018). Regelmäßige Moscheebesuche sind zufolge der Länderfeststellungen im urbanen Bereich nicht erforderlich, zumal oft auch viele gläubige Muslime nicht regelmäßig in der Moschee beten.

 

In Verbindung mit dem Vorbringen zu einer "Verwestlichung" des Beschwerdeführers ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass auch Thomas Ruttig in einem Expertengespräch im Mai 2016 (ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan vom 01.06.2017, S. 23 f) davon ausgegangen ist, dass Rückkehrer aus dem Westen genauer "unter die Lupe genommen" werden und dies zu Verdachtsmomenten führen könne, die Auslöser für Anschuldigungen aber wahrscheinlich doch etwas konkreter seien (etwa bestimmte Aussagen oder religiöse Handlungen). Auch in der Gesamtbetrachtung ist daher nicht davon auszugehen, dass dem aus dem "Westen" zurückkehrenden Beschwerdeführer, der seinen islamischen Glauben aktuell nicht ausübt und sich in Österreich offenbar für den christlichen Glauben interessiert hat, in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht.

 

Soweit eine Gefährdung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara bzw. zur Religionsgemeinschaft der Schiiten behauptet wurde, ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass sich die Situation der Hazara seit dem Ende der Talibanherrschaft verbessert hat, wenngleich es in den letzten Jahren vermehrt zu Anschlägen auf schiitische Einrichtungen und Veranstaltungen gekommen ist. Aus den herangezogenen Länderberichten geht nicht hervor, dass Angehörige dieser Volksgruppe im gesamten Staatsgebiet Afghanistans - ohne Hinzutreten weiterer, gefahrenerhöhender Umstände - mit systematischer Diskriminierung von erheblicher Intensität rechnen müssen (vgl. EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018, S. 61). Auch in der aktuellen Rechtsprechung der Höchstgerichte und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wird keine Gruppenverfolgung der den Hazara zugehörigen Schiiten in Afghanistan judiziert (vgl. etwa VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0277, mwN; EGMR 05.07.2016, Zl. 29094/09, A.M. gg. die Niederlande).

 

Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer asylrelevante Verfolgung in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

 

Da sich weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch aus internationalen Länderberichten hinreichende Anhaltspunkte für eine Verfolgung des Beschwerdeführers ergeben haben, ist kein unter

Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention zu subsumierender Sachverhalt ableitbar.

 

Der Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde daher zu Recht abgewiesen.

 

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

 

Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 AsylG 2005 zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht.

 

Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

 

Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 AsylG 2005).

 

Gemäß Artikel 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Artikel 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention beinhalten die Abschaffung der Todesstrafe.

 

§ 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003, verwies auf § 57 Fremdengesetz, BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 (im Folgenden: FrG) wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG - welche in wesentlichen Teilen auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 übertragen werden kann - ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, dass eine konkrete, den Berufungswerber (Beschwerdeführer) betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliegt. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (VwGH 30.06.2005, 2002/20/0205, mwN). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Artikel 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Artikel 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 18.10.2005, 2005/01/0461).

 

Gemäß dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, ist § 8 Abs. 1 AsylG unionsrechtskonform und damit einschränkend auszulegen. Maßstab sind die Artikel 3, 6 und 15 der Statusrichtlinie, wonach subsidiärer Schutz nur dann zu gewähren ist, wenn der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren, definiert in Artikel 6 der Statusrichtlinie) verursacht wird oder von einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt ausgeht. Es widerspricht demnach der Statusrichtlinie, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen (VwGH 21.11.2018, Ra 2017/01/0461), etwa aufgrund der allgemeinen Versorgungslage.

 

Die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 halten zum subsidiären Schutz fest, dass afghanische Asylsuchende im Einzelfall subsidiären Schutzes nach Artikel 15 lit. b der Statusrichtlinie bedürfen, "wenn sie der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne des Artikel 15 (Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) durch den Staat oder seine Vertreter oder durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) ausgesetzt sind".

 

Zur Frage des Akteurs wird in der Entscheidung vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, unter anderem auf die Schlussanträge des Generalanwaltes in der Rechtssache C-353/16 (Schlussanträge 24.10.2017, C-353/16 , MP, Rn. 29, 30 und 32) verwiesen. Demnach muss "nachgewiesen werden, dass diese Gefahr auf Faktoren beruht, die den Behörden dieses Landes direkt oder indirekt anzulasten und ihnen stets bewusst sind, und zwar entweder, weil die Behörde des Staates, dem der Betroffene angehört, ihn persönlich bedrohen oder diese Bedrohung tolerieren, oder weil diese Bedrohung auf unabhängige Gruppen zurückgeht, vor denen die Behörden ihre Staatsangehörigen nicht wirksam schützen können". Aus den zitierten Schlussanträgen ergibt sich als Fazit, dass im Fall, dass dies nicht vorliegt, "eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes sachlich nicht erfüllt wird, nämlich die direkte oder indirekte Verantwortung der Behörden des Herkunftslands für die Zufügung eines ernsthaften Schadens, wogegen Schutz geboten ist."

 

Auch unter diesen Voraussetzungen ist aber bei der Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Artikel 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063; 21.02.2017, Ra 2016/18/0137). Es obliegt auch in den nunmehr gegenständlichen Fällen - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Artikel 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos darzulegen, dass ihr im Fall der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Artikel 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis EGMR, 05.09.2013, I gegen Schweden, Nr. 61204/09).

 

Es müssen besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Artikel 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko ("a sufficiently real risk") der Verletzung von Artikel 2 oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH 01.03.2018, Ra 2017/19/0425 u.a.).

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Artikel 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt jedenfalls nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 21.02.2016, Ra 2016/18/0137 mit Ausführungen zu den "special distinguishing features"; 27.02.2001, Zl. 98/21/0427). Das Prüfungskalkül des Artikels 3 EMRK fordert somit für die Verletzung dieser Norm das Vorhandensein "einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen" (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).

 

Im Fall des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Feststellungen zu seiner persönlichen Situation vor dem Hintergrund der spezifischen Länderfeststellungen keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Hindernisses bei der Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat Afghanistan. Nach den Ergebnissen des Verfahrens ist - wie oben bereits dargestellt - davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer weder aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Asylgründe sein Land verlassen hat noch, dass er im Falle seiner Rückkehr einer realen Gefahr im Sinne von Artikel 2 oder Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre, die eine Zuerkennung subsidiären Schutzes notwendig machen würde. Denn auch unabhängig vom individuellen Vorbringen des Beschwerdeführers sind keine außergewöhnlichen, exzeptionellen Umstände hervorgekommen, die ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan drohen könnten und die ein Abschiebungshindernis im Sinne von Artikel 3 EMRK iVm § 8 AsylG 2005 darstellen könnten, wie etwa eine dramatische Versorgungslage (z.B. Hungersnöte), eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid gg. das Vereinigte Königreich und Henao gg. die Niederlande, Unzulässigkeitsentscheidung vom 24.06.2003, Beschwerde Nr. 133699/03).

 

Auch ist die allgemeine Situation in Afghanistan nicht dergestalt, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers eine ernsthafte Bedrohung für die durch Artikel 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095; EGMR Husseini gg. Schweden vom 13.10.2011, Beschwerdenummer 10611/09, Ziffer 84, sowie das Erkenntnis des EGMR, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert ist, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Artikel 3 EMRK verstoße würde: EGMR A.G.R. gg. die Niederlande, 12.01.2016, 13.442/08 - dazu Bezug habend VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134; sowie jüngst - seine bisherige Rechtsprechung fortsetzend - EGMR 11.7.2017, E.P. und A.R. gg. Niederlande, Nr. 43538/11 und 63104/11; so etwa auch in inhaltlicher Auseinandersetzung mit dem Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018 der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 11. Senat, 11.04.2018, A 11 S 1729/17).

 

Hinsichtlich der Prüfung der Erreichbarkeit, Sicherheitslage und insbesondere der konkreten Rückkehrsituation des Beschwerdeführers in seiner Herkunftsregion ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer im Iran geboren ist und sich noch nie in Afghanistan aufgehalten hat. Ein Nahebezug zu einer bestimmten Heimatregion im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers (iSv § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005) kann im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden. Eine mögliche Neuansiedlung des Beschwerdeführers in einem ausreichend sicheren Gebiet seines Herkunftsstaates ist daher gegenständlich ohne Festlegung einer Heimatregion zu prüfen - unter den gleichen Voraussetzungen, die für einen Asylwerber gelten, der im Herkunftsstaat binnenvertrieben wurde (vgl. Nedwed in Filzwieser/Taucher [Hrsg.], Asyl- und Fremdenrecht - Jahrbuch 2018, 2018, S. 287 ff [296 f]).

 

Die Zumutbarkeit des Aufenthaltes in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebiet ist von der Frage der Schutzgewährung in diesem Gebiet zu trennen. Im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung ist das Kriterium der "Zumutbarkeit" nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 gleichbedeutend mit dem Erfordernis nach Artikel 8 Abs. 1 Statusrichtlinie, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001). Dabei ist wiederum eine Einzelfallprüfung durchzuführen, denn ein Antragsteller kann nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden (VfGH 13.09.2013, U 370/2012; 12.03.2013, U 1674/12; 12.06.2013, U 2087/2012).

 

Aus den Länderberichten ergibt sich, dass Kabul, Herat und Mazar-e Sharif für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, hinreichend sichere und über den jeweiligen Flughafen gut erreichbare Städte sind. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über diese Städte auch der Zugang zu Unterkunft und grundlegender Versorgung sowie zu Erwerbsmöglichkeiten ist jeweils in ausreichendem Umfang gewährleistet.

 

Der Beschwerdeführer ist im erwerbsfähigen Alter, leidet an keinen schweren Erkrankungen und verfügt über Berufserfahrung durch seine Arbeit im Rahmen seiner im November 2017 begonnen Elektrotechnik-Lehre. Er hat sich zwar noch die in Afghanistan aufgehalten, spricht aber Dari und ist im Iran bei seiner afghanischen Familie aufgewachsen. Darüber hinaus spricht der Beschwerdeführer auch Farsi und etwas Deutsch und hat 10 Jahre lang in Teheran die staatliche Schule besucht sowie in Österreich an einer Berufsschule die erste und zweite Fachklasse für den Lehrberuf Elektrotechnik erfolgreich abgeschlossen. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan allenfalls - zunächst - als Fremder wahrgenommen werden könnte, ist im Ergebnis davon auszugehen, dass er bei einer Neuansiedlung in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif im Stande ist, selbständig allenfalls auch durch Gelegenheitsarbeiten für ein ausreichendes Leben zu sorgen, zumal er auch keine Ehefrau und keine Kinder hat, die er mitzuversorgen hätte. Der Beschwerdeführer gehört darüber hinaus keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung. Er kann zudem allenfalls Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen, wodurch er Unterstützung für die Existenzgründung bei einer Rückkehr erlangen kann. Dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, gibt es keine hinreichenden Hinweise. Insgesamt bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre.

 

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Situation von Rückkehrern nicht, dass sich insbesondere die Arbeitssuche und die Wohnraumbeschaffung in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif zunehmend schwierig gestalten. Rückkehrer nach Afghanistan sind zunächst oft - wie auch große Teile der dort ansässigen Bevölkerung - auf gering qualifizierte Beschäftigungen oder Gelegenheitstätigkeiten angewiesen (vgl. hiezu auch EASO COI Report "Afghanistan Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City" vom August 2017, u.a. Pkt. 2.2.2. bzw. 2.3.3.). Wie aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation bzw. auch aus dem IOM-Informationsblatt "RESTART II - Reintegrationsunterstützung für Freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und Iran" hervorgeht, können Rückkehrer finanzielle Unterstützung, temporäre Unterkunft und Unterstützung bei Aus- und Weiterbildung sowie bei Gründung von bzw. Beteiligung an einem Unternehmen erhalten.

 

Vor dem Hintergrund der in Teilen Afghanistans herrschenden Dürre wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes berücksichtigt, dass die Folgen dieser Dürre in der Provinz Herat, aber auch in der Provinz Balkh und die damit verbundene "Landflucht" der betroffenen Bevölkerung negative Auswirkungen auf die Versorgungslage in den Städten Mazar-e Sharif und Herat nach sich ziehen. In einer Gesamtbetrachtung ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in diesen Städten nicht als zumindest grundlegend gesichert anzusehen wäre, zumal in den Länderberichten zwar prekäre Lebensbedingungen beschrieben werden, auf der anderen Seite aber auch von umfangreichen internationalen Hilfsprogrammen für die vor Dürre geflohene Bevölkerung berichtet wird (vgl. hiezu die Anfragebeantwortungen von ACCORD vom 12.10.2018 sowie auch der Staatendokumentation vom 13.09.2018).

 

Für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan reicht es auch nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen, sondern es müssen vom Betroffenen auch individuelle Umstände glaubhaft gemacht werden, die im Fall der Rückkehr nach Afghanistan eine reale Gefahr der Verletzung des Artikels 3 EMRK für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen. Solche Umstände konnte der Beschwerdeführer im Verfahren jedoch nicht glaubhaft machen.

 

Im Ergebnis bestätigte auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12.12.2017, Zl. E 2068/2017, mit dem die Beschwerde eines afghanischen Staatsangehörigen abgewiesen wurde, der nicht in Afghanistan geboren wurde, nie dort gelebt hat und auch über keine Angehörigen in Afghanistan verfügt, die jüngere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095), wonach mit dem Hinweis auf die schwierige Lebenssituation bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht keine reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und damit keine Verletzung von Artikel 3 EMRK dargetan wird.

 

Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt daher im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif offensteht, die ihm auch zumutbar ist, zumal sich aus den Länderfeststellungen ergibt, dass der Beschwerdeführer in diesen Städten nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten führen kann, wie es auch andere Landsleute führen können (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001 mwN).

 

Die Rückverbringung des Beschwerdeführers nach Afghanistan steht daher nicht im Widerspruch zu § 8 Abs. 1 AsylG 2005, weshalb dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuzuerkennen ist.

 

3.3. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

 

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird (§ 58 Abs. 2 AsylG 2005).

 

Gemäß § 46 Abs. 1 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

 

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

 

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

 

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

 

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

 

Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

 

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

 

Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Gemäß § 55 Abs. 3 FPG kann die Frist bei Überwiegen besonderer Umstände für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben.

 

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

"Schutz des Privat- und Familienlebens

 

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

 

Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 jeweils nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist und der Beschwerdeführer auch nicht Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG substantiiert behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

 

Gemäß Artikel 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne von Artikel 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

 

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Artikel 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern beispielsweise auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben im Sinne des Artikels 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Artikel 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

 

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner langjährigen Rechtsprechung zu Ausweisungen Fremder wiederholt ausgesprochen, dass die EMRK Fremden nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Land garantiert und die Konventionsstaaten im Allgemeinen nicht verpflichtet sind, die Wahl des Aufenthaltslandes durch Einwanderer zu respektieren und auf ihrem Territorium die Familienzusammenführung zu gestatten. Dennoch könne in einem Fall, der sowohl die Achtung des Familienlebens, als auch Fragen der Einwanderung betrifft, der Umfang der staatlichen Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat ansässigen Personen Aufenthalt zu gewähren, - je nach der Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse - variieren (vgl. z.B. EGMR 05.09.2000, 44328/98, Solomon v. Niederlande; 09.10.2003, 48321/99, Slivenko v. Lettland; 22.04.2004, 42703/98, Radovanovic v. Österreich;

31.01.2006, 50435/99, da Silva und Hoogkamer v. Niederlande;

31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie ua v. Norwegen).

 

Bei Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen ist auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal etwa das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist. Dem öffentlichen Interesse, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern, kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216; zum hohen Stellenwert der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften siehe etwa: VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; VwGH 16.01.2007, 2006/18/0453; vgl. auch EGMR 08.04.2008, Fall Nnyanzi, Appl. 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen).

 

Gegenständlich haben sich keine Anhaltspunkte für ein Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich ergeben und wurden auch nicht vorgebracht. Auch betreffend das Privatleben in Österreich ist aufgrund der gemäß Artikel 8 Abs. 2 EMRK gebotenen Abwägung nicht zu erkennen, dass eine aufenthaltsbeendende Maßnahme einen unzulässigen Eingriff in die Rechte des Beschwerdeführers darstellen würde:

 

Der Beschwerdeführer gelangte unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet, stellte am 17.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens. Er war sich von Anfang an seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst. Auch übersteigt die Dauer dieses Asylverfahrens noch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtsschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013).

 

Im Laufe seines Aufenthaltes in Österreich hat der Beschwerdeführer Deutschkurse besucht und erfolgreich abgeschlossen, spricht bereits Deutsch und macht seit November 2017 eine Elektrotechnik-Lehre. Er hat darüber hinaus unter anderem den Lehrgang "Übergangsstufe an BMHS" besucht, hat auch österreichische Freunde und verfügt insbesondere in seinem beruflichen Umfeld über zahlreiche Bekannte. Der Beschwerdeführer betätigte sich ehrenamtlich in einer katholischen Pfarrgemeinde sowie bei verschiedenen Veranstaltungen, darüber hinaus ist er in Österreich bis November 2017 keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen und hat Leistungen aus der Grundversorgung bezogen. Vor dem Hintergrund der Aufenthaltsdauer von etwa dreieinhalb Jahren im Bundesgebiet kann auch unter Berücksichtigung der vorgelegten Bestätigungen und Empfehlungsschreiben sowie insbesondere der im November 2017 begonnen Elektrotechnik-Lehre (vgl. hinsichtlich einer Berücksichtigung der Absolvierung einer Lehre VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/0003; VwGH 18.03.2019, Ra 2019/01/0068) von einer verfestigten und gelungenen Eingliederung des Beschwerdeführers in die österreichische Gesellschaft noch nicht ausgegangen werden. Hingegen hat der Beschwerdeführer den Großteil seines bisherigen Lebens bei seiner afghanischen Familie im Iran verbracht, ist dort aufgewachsen und wurde dort sozialisiert. Er spricht eine der Landessprachen Afghanistans als Muttersprache und hat weiterhin regelmäßig telefonischen Kontakt zu seiner Familie. Im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan würde er sich bei der (Wieder‑)Eingliederung in die afghanische Gesellschaft keinen unüberwindbaren Hürden gegenübersehen.

 

Dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (z.B. VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 19.04.2012, 2011/18/0253).

 

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

 

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Artikel 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 kommt daher ebenfalls nicht in Betracht.

 

Aus den tragenden Gründen des vorliegenden Erkenntnisses betreffend die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten ergibt sich ferner, dass gegenständlich auch keine Gründe für eine Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 50 Abs. 1 und 2 FPG vorliegen. Einer Abschiebung nach Afghanistan steht auch keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegen (§ 50 Abs. 3 FPG).

 

Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan ist daher zulässig.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Da derartige besondere Umstände vom Beschwerdeführer nicht behauptet wurden und auch im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen sind, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen bzw. "2 Wochen" festgelegt worden.

 

Die Beschwerde ist sohin auch hinsichtlich der Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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