BVwG W123 2161157-1

BVwGW123 2161157-119.6.2017

BVergG 2006 §12 Abs1 Z3
BVergG 2006 §2 Z8
BVergG 2006 §291
BVergG 2006 §292 Abs1
BVergG 2006 §3 Abs1 Z2
BVergG 2006 §312 Abs2
BVergG 2006 §320 Abs1
BVergG 2006 §328 Abs1
BVergG 2006 §328 Abs2
BVergG 2006 §329 Abs1
BVergG 2006 §329 Abs3
BVergG 2006 §329 Abs4
BVergG 2006 §4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W123.2161157.1.00

 

Spruch:

W123 2161157-1/2E

 

BESCHLUSS

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael ETLINGER als Einzelrichter über den Antrag der XXXX, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft, Währinger Straße 2-4, 1090 Wien, betreffend das Vergabeverfahren "Elektroinstallation – Umbau AMS Wien, Prandaugasse 58" (Referenznummer: AMS/BGS/INF/1311/4770-2016)" des Auftraggebers Arbeitsmarktservice Österreich Bundesgeschäftsstelle, Treustraße 35-43, 1200 Wien, vertreten durch Breitenfeld Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Marc-Aurel-Straße 6, 1010 Wien, vom 12.06.2017, beschlossen:

 

A)

 

Dem Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge eine einstweilige Verfügung erlassen, mit welcher dem Auftraggeber für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt wird, im gegenständlichen Vergabeverfahren "Elektroinstallation – Umbau AMS Wien, Prandaugasse 58" den Zuschlag zu erteilen, wird stattgegeben.

 

Dem Auftraggeber wird gemäß §§ 328 Abs. 1, 329 Abs. 1, 3 und 4 BVergG für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt, den Zuschlag zu erteilen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

BEGRÜNDUNG:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Mit Schriftsatz vom 12.06.2017 stellte die Antragstellerin das im Spruch ersichtliche Begehren in Verbindung mit einem Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung des Auftraggebers vom 02.06.2017 zu Gunsten der XXXX

 

Zur Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung wurden folgende Punkte aufgezählt:

 

* Nicht zuschlagsfähiges Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wegen unbehebbarer Unvollständigkeit des Angebotes

 

* Nicht zuschlagsfähiges Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wegen Auspreisung von Positionen mit "Nullpositionen"

 

* Nicht zuschlagsfähiges Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wegen unzulässigem Abänderungsangebot

 

* Falsche Bewertung des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin

 

* Verstoß gegen die gesetzlichen Bestimmungen betreffend die Angebotsöffnung

 

2. Am 14.06.2017 erteilte der Auftraggeber allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren und wies darauf hin, dass er sich nicht gegen die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung ausspreche.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A)

 

1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und Zulässigkeit des Antrages

 

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 292 Abs. 1 BVergG ist im Anwendungsbereich des BVergG grundsätzlich die Entscheidung durch Senate vorgesehen. Insbesondere sind einstweilige Verfügungen davon ausgenommen. Die Entscheidung ist daher durch einen Einzelrichter zu treffen.

 

Auftraggeber iSd § 2 Z 8 BVergG ist das Arbeitsmarktservice Österreich. Dieses ist öffentlicher Auftraggeber gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 BVergG. Beim gegenständlichen Auftrag handelt es sich um einen Bauauftrag gemäß § 4 BVergG. Nach den Angaben des Auftraggebers beträgt der geschätzte Gesamtauftragswert EUR 6.023.200,--, sodass es sich gemäß § 12 Abs. 1 Z 3 BVergG um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt.

 

Da darüber hinaus laut Stellungnahme des Auftraggebers das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 312 Abs. 2 BVergG zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.

 

Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 320 BVergG nicht offensichtlich fehlen.

 

Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 328 Abs. 1 BVergG zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 328 Abs. 2 BVergG vorliegen. Die Pauschalgebühr wurde bezahlt.

 

2. Inhaltliche Beurteilung des Antrages

 

Gemäß § 328 Abs. 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 320 Abs. 1 BVergG nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 329 Abs. 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

 

Gemäß § 329 Abs. 3 BVergG können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

 

Gemäß § 329 Abs. 4 BVergG ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

 

Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 329 Abs. 1 BVergG sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten des Auftraggebers beabsichtigt ist, den Zuschlag an die XXXX zu erteilen, dieser Umstand jedoch bei Zutreffen der Behauptungen der Antragstellerin rechtswidrig wäre. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Antragstellerin selbst für den Zuschlag in Betracht kommen würden, wodurch ihr auf Grund der behaupteten Rechtswidrigkeiten der Entgang des Auftrages mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht. Diese Nachteile können aber nur durch vorläufiges Untersagen der Zuschlagserteilung abgewendet werden, da der möglicherweise bestehende Anspruch auf Zuschlagserteilung nur wirksam gesichert werden kann, wenn das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesverwaltungsgericht in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige spätere Zuschlagserteilung an die Antragstellerin ermöglicht (z.B. BVA 18.01.2012, N/0004-BVA/10/2012-EV19).

 

Bei der Interessenabwägung ist schließlich auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (siehe zB BVA 14.05.2010, N/0038-BVA/10/2010-EV19), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 01.08.2002, B 1194/02) und schließlich dass gemäß § 329 Abs. 1 BVergG von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVA 05.02.2010, N/0007-BVA/10/2010-EV12). Ein solches ist für das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht zu erkennen, zumal der Auftraggeber kein besonderes öffentliches Interesse an einer unverzüglichen Zuschlagserteilung vorgebracht hat.

 

Stellt man daher im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den Interessen des Auftraggebers gegenüber, ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und einer Auftragserteilung an die allenfalls obsiegende Antragstellerin ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu VwGH 06.11.2002, 2002/04/0138;

30.06.2004, 2004/04/0028; 01.02.2005, 2005/04/0004; 29.06.2005, 2005/04/0024; 01.03.2007, 2005/04/0239; 27.06.2007, 2005/04/0254;

29.02.2008, 2008/04/0019; 14.01.2009, 2008/04/0143; 14.04.2011, 2008/04/0065; 29.09.2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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