BVwG W123 1437699-1

BVwGW123 1437699-120.2.2014

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W123.1437699.1.00

 

Spruch:

W123 1437699-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael ETLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Feldbach, Jugendwohlfahrt, diese vertreten durch Mag. Florian IMMERVOLL, Mag. Marie-Luise KROBATH-FUCHS, Jörg KROBATH, Mag. Maria KOLLER, Caritas Graz, Mariengasse 24, 8020 Graz, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.08.2013, FZ. 12 01.183-BAG, zu Recht erkannt:

A)

Der Antrag vom 21.08.2013, der Beschwerde gemäß § 3 AsylG Folge zu geben und der BF Asyl zu gewähren, wird gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin, eine afghanische Staatsangehörige der Volksgruppe der Hazara, reiste am 25.01.2012 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 27.01.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen ihrer Erstbefragung durch ein Organ der Polizeiinspektion Traiskirchen am 27.01.2012 gab die Beschwerdeführerin an, sie sei schlepperunterstützt am 15.11.2011 nach Griechenland eingereist und am 25.01.2012 in Österreich angekommen. Zur Reiseroute bezüglich Ankunft in Wien gab sie zu Protokoll: Dort wo ich ausgestiegen bin, sah ich eine große Stadt mit Gebäuden. Ich sah auch große Geschäfte. Ich glaub es waren Lebensmittelgeschäfte. Ich hatte die Nummer von meinem Großcousin und habe ihn angerufen. Ich zeigte einem Fußgänger die TelNr. Von meinem Großcousin und der hat dann die Nummer angerufen und kam mir dann das Handy. Zu den Fluchtgründen gab die Beschwerdeführerin an, dass ihr Vater sie mit seinem Geschäftspartner zwangsverheiraten habe wollen, der um die 60 Jahre alt gewesen sei. Ihre Mutter sei gegen die Eheschließung gewesen. Ihr Vater habe die Beschwerdeführerin geschlagen und gesagt, dass sie entweder akzeptieren müsse oder sie umgebracht werde. Die Mutter der Beschwerdeführerin habe das nicht gewollt und habe aus diesem Grunde der Beschwerdeführerin geholfen. Der Beschwerdeführerin wurde noch folgende Frage gestellt: Übergeben Sie mir ihr Handy freiwillig und sind Sie mit der Auswertung durch das Landeskriminalamt einverstanden? Antwort: Nein.

3. Dem Einvernahmeprotokoll des Bundesasylamtes vom 09.02.2012 ist folgendes zu entnehmen:

Wir sind vom Iran nach Afghanistan abgeschoben worden. Wir waren ca. seit einem Jahr wieder in Afghanistan. Mein Vater war arbeitslos und hat dann einen alten Freund, namens XXXX, getroffen. Der alte Freund hat meinem Vater zu einer Arbeitsstelle verholfen und sie wurden zu Partnern. Er hat Textilien geholt, sie haben mit Textilien gehandelt. Das größere Kapital hat diesem Mann gehört. Er meinte zu meinen Vater, dass mein Vater auf das Geschäft in Afghanistan aufpassen solle, während er selber nach China fährt, um die Textilien zu besorgen. Uns ging es dann finanziell besser und so verging eine gewisse Zeit. Mein Vater wollte ebenfalls lernen, wie man in China die Geschäfte macht und dorthin reisen. Mein Vater bekam auch die Erlaubnis und meinte zu seinem Geschäftspartner, dass, wenn dieser einmal nicht kann, mein Vater statt ihm fahren kann. Mein Vater war einmal dort, da ist alles gut gegangen und er ist zurückgekommen. Beim zweiten Mal wurden ihm einige Kartons gezeigt, in denen sich echte Medikamente befanden. Als mein Vater mit diesen Medikamenten wieder nach Afghanistan zurückgekehrt ist, wurde er von der Regierung angehalten, wie es sich um Medikamente handelte, die schon abgelaufen waren. Die ganzen Sachen wurden eingezogen. Da dies auch für das Geschäft schädigend war, geriet mein Vater mit seinem Geschäftspartner in Streit und es kam zu einer Versammlung der Ältesten. Dieser Geschäftspartner wollte entweder das Kapital von meinem Vater haben oder er müsste seine Tochter, also mich, mit ihm verheiraten. Mein Vater wollte mich dann mit diesem Mann verheiraten. Da ich das nicht wollte, wurde ich von ihm geschlagen. Meine Mutter was ebenfalls gegen die Hochzeit. Und da meine Mutter nicht wollte, dass mir das gleiche Schicksal wie ihr widerfährt. Weil mein Vater ebenfalls älter ist als meine Mutter und sie ihn unter Zwang heiraten musste, bat sie ihren Bruder mir zu helfen. Zur Frage, ob weitere Fluchtgründe vorliegen, gab die Beschwerdeführerin an, dass sie einerseits zwangsverheiratet werden sollte und andererseits, dass die Beschwerdeführerin etwas lernen habe wollen, aber ihr Vater sie nicht "rausgelassen" habe. Die Beschwerdeführerin habe nur in Begleitung ihrer Mutter oder ihres Vaters "rausgehen" dürfen. Sie habe eine Burka tragen müssen. Sie habe eine Bildung genießen wollen, was sie aber nicht gedurft und auch nicht gekonnt habe.

4. Am 04.10.2012 erfolgte durch die Außenstelle Graz des Bundesasylamts eine weitere Einvernahme. Dem Protokoll ist nachfolgendes zu entnehmen:

F: Aus welchem Grund suchen Sie in Österreich um Asyl an. Schildern Sie möglichst ausführlich und konkret Ihre Flucht und Asylgründe!

A: Der Grund dafür war, dass ich keine andere Wahl hatte. Ich müsste einen Mann der wesentlich älter war als ich heiraten. Ich wollte was lernen. Ich hatte die Möglichkeit aber nicht, weil mein Vater mit nicht erlaubt hat das Haus zu verlassen. Ich hatte keine Freiheit dort. Und ich hatte keine Entscheidungsrechte.

F: Ist es nicht üblich in Afghanistan, dass der Vater den Ehemann aussucht?

A: Ja, es ist normal dort.

F: Was hatten Sie dann für ein Problem?

A: Ich wollte nicht dass man mich zwingt einen älteren Mann zu heiraten.

F: Wer wollte Sie zwingen?

A: Der Geschäftspartner meines Vaters.

F: Der Geschäftspartner Ihres Vaters wollte Sie zwingen? Wie kann ich das verstehen?

A: Mein Vater ging zweimal nach China. Beim ersten Mal hat er Gewand geholt und hatte aber keinerlei Schwierigkeiten. Beim zweiten Mal hat er die Medikamente geholt und als es die Medikamente gebraucht hat, hat es sich herausgestellt dass die Medikamente gefälscht sind. Mein Vater hat sein Geld dann verloren. Er hat sehr viel Schaden dadurch bekommen. Er hat dann deshalb seinem Geschäftspartner sehr viel Geld geschuldet.

F: Wieso sollte er Geld schuldig sein?

A: Weil er gefälschte Medikamente mit dem Geld gekauft hatte. Er gehörte das Hauptgeld auch dem Geschäftspartner.

F: Wie viel Geld war es?

A: Ich weiß nicht. Dann haben sie miteinander gestritten. Der Geschäftspartner wollte das Geld und mein Vater hatte das Geld nicht. Sein Geschäftspartner drohte ihm ins Gefängnis zu bringen. Dieser Streit hörte nicht auf, aber 15 Tage bevor ich ausgereist bin versammelten sich die Ältesten. Sie wollten den Streit schlichten. Dann hat in dieser Versammlung der Geschäftspartner gesagt, entweder das Geld oder seinen Tochter möchte er haben. Deshalb war mein Vater gezwungen. Er hat versucht mich zu überreden diesen Mann zu heiraten. Ich ließ mich aber nicht überreden. Meine Mutter war auch nicht einverstanden damit. Mein Vaterschlug mich und sagte ich solle es akzeptieren, weil er keine andere Wahl hat. Deshalb beschloss meine Mutter mit Hilfe ihres Bruders mich wegzubringen.

F: Woher wissen Sie vom Rat der Ältesten und was dort gesagt wurde? Waren Sie dort anwesend?

A: Nein, ich war dort nicht anwesend. Mein Vater hat es mir gesagt, als er mich überreden wollte und dann geschlagen hat.

F: Wurden Sie aus Gründen Ihrer Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder Ihrer politischen Überzeugung verfolgt?

A: Ich war eingesperrt. Es war für mich zuhause sehr schwierig.

F: Wollen Sie noch weitere Gründe geltend machen?

A: Nein.

Anm: Während der Rückübersetzung besteht die AW darauf, dass eine Seite nochmals rückübersetzt wird. Sie unterstreicht vehement, dass ein "ungefähr" fehlen würde bei der Angabe, dass die Schwierigkeiten 2 Monate vor der Ausreise begonnen hätten.

F: Möchten Sie etwas korrigieren oder ergänzen?

A: Ich möchte angeben, dass wir alle 6 Monate aber auch alle Jahre gewechselt haben.

F: Wurde alles richtig aufgenommen?

A: Ja, alles ist richtig.

F: Sie haben angegeben dass es zu einer Versammlung der Ältesten gekommen wäre. Wo hat diese Versammlung stattgefunden?

A: Bei uns zuhause.

F. Wo haben Sie sich während dieser Versammlung befunden?

A: Ich war zuhause.

V.: Sie haben mit aber zuvor angegeben, dass Sie nicht anwesend gewesen wären. Wie kann ich dies nun verstehen?

A: Ich war zuhause, aber nicht bei dieser Sitzung anwesend.

F: Haben Sie in einem großen Haus gelebt?

A: Nein. Weder groß noch klein.

V.: Sie führten bei Ihrer Asylantragstellung ein Handy mit, das Sie laut eigenen Angaben in Afghanistan gekauft hätten. Sie verweigerten die Auswertung Ihres Handys. Es ist daher für die entscheidende Behörde glaubhaft, dass Sie etwas verschleiern wollten. Es ist auch nicht plausibel, so wie Sie heute angeben, dass Sie obwohl Sie ein Handy mit sich führten und dann nicht selbst Ihren angeblichen Großcousin angerufen hätten. Möchten Sie dazu etwas angeben?

A: Ich hatte ein Mobil hatte aber keine Sim Karte von hier. Sie haben mich gefragt ob ich mein Handy hergebe. Sie haben mich gefragt ob ich erlaube, dass sie mein Handy behalten und ich habe gesagt nein.

V.: Sie sind am 25.01.2012 in Österreich eingereist. Ihr angeblicher Großcousin erhielt am 26.08.2011 Asyl in Österreich und ist anerkannter Flüchtling. Auf Grund der zeitlichen Nähe zu Ihrer Einreise, ist es für die entscheidende Behörde glaubhaft, dass Sie geplant nach Österreich gereist sind und ein fiktives Vorbringen erstattet haben um ebenfalls diesen Status zu erlangen. Möchten Sie dazu etwas angeben?

A: Nein, ich habe nicht gewusst dass er hier anerkannt ist. Ich bin nur hier weil ich nicht allein sein wollte.

5. Die Beschwerdeführerin erstattete am 10.10.2012 eine ergänzende Stellungnahme. Zur subjektiven Furcht vor Verfolgung führte sie aus, dass die minderjährige Beschwerdeführerin eindeutig eine stark ausgeprägte westliche Orientierung aufweise, da sie lediglich ein loses, modernes Kopftuch trage, eine höherbildende Ausbildung anstrebe und sich ihrem Vater widersetzt habe, indem sie seine Entscheidungen, ihren freien Willen zu beschränken, nicht akzeptiert habe. Zur Situation der alleinstehenden Frau in Afghanistan brachte sie vor, dass Frauen aufgrund der Fortbestehenden Klischees und der herrschenden, sie marginalisierenden Praktiken nach wie vor weit verbreitenden sozialen, politischen und wirtschaftlichen Diskriminierungen ausgesetzt seien. Diese Diskriminierungen seien speziell im ländlichen Gebiet und Dörfern stark. Frauen seien besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen zu werden, wenn ihr Verhalten als nicht mit dem von der Gesellschaft, der Tradition und sogar vom Rechtssystem auferlegten Geschlechterrollen vereinbar angesehen werde.

6. Am 06.06.2013 erfolgte vom Bundesasylamt, Außenstelle Graz, eine ergänzende Einvernahme zum Ergebnis der personenbezogenen Recherche im Herkunftsland. Das Protokoll lautet auszugsweise:

Auf Grund Ihrer Angaben wurde einen personenbezogene Recherche in dem von Ihnen genannten Gebiet in Afghanistan durchgeführt. Die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation wird vollständig mit der AW erörtert.

F: Möchten Sie sich dazu äußern?

A: Alles was ich gesagt habe entsprach der Wahrheit. Ich weiß dass mein Vater mit seinem Geschäftspartner diese Tätigkeit ausgeübt hat. Mehr weiß ich auch nicht.

V.: Die personenbezogene Recherche im Heimatland hat ergeben, dass Ihre Angaben hinsichtlich Ihrer angeblichen Probleme unwahr sind. Weder Ihre Familie noch der angebliche Geschäftspartner Ihres Vaters konnten festgestellt werden. Auch die Angaben zu Ihrer angeblichen Adressen in Mazar e Sharif konnten nicht als Sachverhalt festegestellt werden. Ihr Vorbringen gilt für die entscheidende Behörde als vollkommen wiederlegt. Möchten Sich sich dazu äußern?

A: Ich habe keinen Grund zu lügen, es entspricht alles der Wahrheit. Wenn ich so ein Elend nicht mitgemacht hätte, dann hätte meine Mutter mich nicht hergeschickt. Was für einen Grund hätte ich haben sollen um hier her zu kommen.

V.: Sie selbst gaben an, dass auf Grund Ihrer Probleme der Ältestenrat sich versammelt hätte. Es wäre somit wenig plausibel, dass niemand in dem von Ihnen angegebenen Gebiet Ihre Familie oder Ihr Schicksal kennt. Möchten Sie dazu etwas angeben?

A: Mazar e Sharif ist keine kleine Stadt. Elmarab ist auch nicht klein. Ich weiß nicht wie sie recherchiert haben. Woher soll ich wissen wer uns kennt und wer unser Schicksal kennt.

V.: IN Mazar e Sharif gibt es einen Medicine Market. Dort handeln mehr als 300 Personen mit medizinischen Produkten. Der Leiter dieser "Whole Seller Union" gab an, dass es duchaus üblich ist mit China zu handeln. Die Händler sind alle registriert. Weder der Name Ihres Vaters noch der Name des angeblichen Geschäftspartners ist jedoch dort registriert. Auch dies bestätigt Ihre Unglaubwürdigkeit. Möchten Sie dazu etwas angeben?

A: Ich lüge nicht. Es entspricht der Wahrheit. Ich weißt nicht was dort Sachen ist.

F: Da Ihr Vorbringen als unglaubwürdig festgestellt wurde, möchte ich Sie fragen, ob Sie nunmehr Ihr Vorbringen berichtigen wollen?

A: Ich bleibe bei meinen Angaben. Ich lüge nicht.

F: Wie können Sie mir erklären, dass der Ältestenrat in Ihrem Bezirk einberufen wurde und trotzdem niemand etwas davon weiß?

A: Es haben sich nicht alle versammelt. Es waren nur die Dorfältesten, alle in Mazar sind ja nicht verständigt worden.

V.: Wie bereits bei Ihrer vorangegangenen Einvernahme festgestellt wurde, waren Ihre Angaben zu Ihrem angeblichen Alter zweifelhaft. Mächten Sie dahingehend etwas berichtigen?

A: Nein, es stimmt.

F: Können Sie mir Ihr Geburtsdatum nochmals nennen?

A: XXXX.

Dem gesetzlichen Vertreter wird die Möglichkeit eingeräumt Fragen und Anträge zu stellen.

Vertreter: Eine Fragen, keine Anträge.

Vertreter: Ich möchte die Frage stellen, ob die AW gerne in Österreich arbeiten möchte und ob es in Afghanistan möglich wäre, so zu leben wie es hier möglich wäre?

A: Niemals.

F: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint oder wollen Sie noch etwas hinzufügen?

A: Ich möchte hier ganz normal wie jeder Österreicher leben. Ich möchte in Zukunft einen Österreicher heiraten einen Europäer. Ich möchte nur arbeiten und lernen für meine Zukunft.

F: Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden?

A: Ja.

Anm.: Der Vertreter möchte festgehalten wissen, dass die Antwort "Niemals" sich darauf bezieht, dass die AW in Österreich arbeiten möchte und sie in Afghanistan nicht so leben könnte wie hier und nicht darauf dass die nicht arbeiten möchte.

7. Mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid wies das Bundesasylamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 12.8.2014 erteilt (Spruchpunkt III.). In der Beweiswürdigung gelangte das Bundesasylamt zum Schluss, dass das gesamte Vorbringen zum Fluchtgrund nicht verifizierbar gewesen sei. Das Vorbringen zu den Fluchtgründen sei vage, widersprüchlich, nicht plausibel und als nicht glaubhaft zu bezeichnen. Im Bescheid heißt es dazu auszugsweise:

Würde man Ihre Angaben glauben schenken, hätte dieser angebliche Vorfall in jenem Gebiet in Mazar-e Sharif bekannt sein müssen. Insbesondere wenn dieser Konflikt auch so groß gewesen wäre, dass es zu einer Versammlung der Ältesten geführt hätte.

Laut Ihren Angaben würden auch noch Ihre Eltern und Ihr Bruder in der Stadt Mazar-e Sharif leben. Wie die personenbezogene Recherche vor Ort ergab, sind weder Ihre Familie noch der angebliche Geschäftspartner Ihres Vaters bekannt.

Im Zuge der Recherche vor Ort wurde auch der Leiter der Vereinigung aller Händler befragt. Dieser gab an, dass es nicht möglich wäre, dass eine Person, die Handel mit China betreiben würde, nicht in seinem Büro registriert wäre. Jedoch weder der Name Ihres Vaters noch der Name XXXX ist in seinem Büro registriert. Es wäre auch wenig lebensnah, dass gerade ein solcher Vorfall, laut Ihren Angaben wären die Medikamente gefälscht oder abgelaufen gewesen und von der Regierung eingezogen worden, dem dafür zuständigen Organ nicht bekannt wären. Es wäre auch wenig glaubhaft, dass eine Versammlung der Ältesten, die zum Ergebnis Ihrer angeblichen Zwangsheirat geführt hätte, niemanden in diesem Gebiet bekannt war.

8. Am 21.08.2013 brachte die Beschwerdeführerin - rechtzeitig - Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes infolge wesentlicher Verfahrensmängel und unrichtiger rechtlicher Beurteilung ein. Sie wies darauf hin, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um einen unbegleiteten Minderjährigen handle. Daher würden der Behörde im Rahmen der Einvernahme besondere Manuduktions - bzw. Sorgfaltspflichten erwachsen. Die Behörde hätte somit auch bei der Entscheidungsfindung die Minderjährigkeit der Beschwerdeführerin berücksichtigen müssen. Die Beschwerdeführerin wies auf die KRK hin, wonach Kinder Anspruch auf eine ganze Reihe von in der KRK festgeschriebenen kinderspezifischen Rechten hätten, die ihrem jungen Alter und ihrer Abhängigkeit Rechnung tragen würden und die Grundvoraussetzung für Ihren Schutz, ihre Entwicklung und ihr Überleben bilden würden.

9. In Ergänzung der Beschwerde führte die Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom 23.09.2013 aus, dass sich im angefochtenen Bescheid keine Ausführungen betreffend die personenbezogene Recherche wiederfinden würden. Die Beschwerdeführerin wies auf die Entscheidung des Asylgerichtshofes hin, wonach Frauen besonders gefährdet seien, Opfer von Misshandlungen zu werden, wenn ihr Verhalten als nicht mit den von der Gesellschaft, der Traditionen und sogar vom Rechtssystem auferlegten Geschlechterrollen vereinbar angesehen werde. Die Beschwerdeführerin würde einerseits das unveränderliche Merkmal der Frau aufweisen, sowie aufgrund ihrer erkennbaren westlichen Orientierung, welche als politische Gesinnung im weiteren Sinne auszulegen sei, ein dazu tretendes individuelles Merkmal aufweisen. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass die asylrelevante Verfolgungsgefahr infolge der Zugehörigkeit zu sozialen Gruppe der Frauen im Zusammenhang mit der westlichen Orientierung als politische Gesinnung im weiteren Sinne gemäß Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK geprüft werden müsse. Als sachlich nicht rechtfertigbare Repression werde im gegenständlichen Fall die drohende Zwangsverheiratung subsumiert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Die Beschwerdeführerin ist afghanische Staatsangehörige. Sie gehört zur Volksgruppe der Hazara an.

1.2. Die Beschwerdeführerin gab an, dass ihr Vater sie mit einem Geschäftspartner zwangsverheiraten wollte. Bei einer Rückkehr in ihre Heimat befürchtet die Beschwerdeführerin, dass sie gezwungen werde, in diese Ehe einzuwilligen, obwohl die Beschwerdeführerin das nicht wolle. Als weiteren Fluchtgrund gab sie an, dass die Beschwerdeführerin etwas lernen habe wollen, ihr Vater aber dagegen gewesen sei.

1.3. Das Bundesasylamt stellte am 26.02.2013 folgende Anfragen an die Staatendokumentation:

1. Ist die Familie der AW an der Adresse in Mazar bekannt? (Dort leben die Eltern, 1 Bruder)

2. Ist etwas über das Schicksal der Tochter bekannt? Warum ist die Tochter ausgereist? Hat sie tatsächlich quasi ihr Leben im Iran verbracht und wäre erst 1 Jahr in Mazar gewesen?

3. Ist etwas über das Geschäft des Vaters bekannt und dessen Geschäftspartner? (im Hinblick auch auf China Import?)

4. Wie lebt die Familie der AW in Mazar?

5. Ist die AW afghanische Staatsangehörige?

6. Ist das Alter der AW feststellbar?

7. Wie sind die wirtschaftlichen Verhältnisse der Angehörigen der AW in Afghanistan?

Der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 30.04.2013 ist folgendes zu entnehmen:

Zusammenfassung: Quellenlage/Quellenbewertung:

Die österreichischen Vertretungsbehörden können zur Erfüllung und ihrer Aufgaben speziell Vertrauensanwälte, Gutachter oder Sachverständige einsetzen. Durch ihre fachliche Qualifikation, ihre Sprachkenntnisse und ihrem weitreichenden Netzwerkpool können sie dem Anforderungsprofil der Vertretungsbehörde entsprechend Ihr Fachwissen bzw. die jeweils angefragte Information an die jeweilige Vertretungsbehörde (oder auch den Verbindungsbeamten) weiterleiten und können daher als äußerst zuverlässige Quelle bezeichnet werden.

Dem Ermittlungsbericht des Vertrauensanwaltes der OB Islamabad ist zu entnehmen, dass die Angaben der Antragstellerin nicht verifiziert werden konnten.

Einzelquellen:

Nachfolgend finden Sie eine kurze Zusammenfassung des Ermittlungsberichtes des VA auf Deutsch - nähere Details entnehmen sie bitte beigefügtem Originalbericht!

Die von der Antragstellerin genannte Adresse konnte nicht ausfindig gemacht werden, die Angaben waren zu unpräzise. Es handelt sich dabei um drei verschiedene Orte. Die Antragstellerin und ihre Familie sind an diesen Orten jedenfalls nicht bekannt. Es konnten daher auch keine weiteren Informationen über die Antragstellerin und ihre Familie recherchiert werden. Der Vater, bzw. sein Geschäftspartner sind nicht als Händler von Medikamenten bekannt und auch nicht registriert.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung des Bundesasylamtes, wonach das gesamte Vorbringen der Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen verifizierbar gewesen sei, da es vage, widersprüchlich, nicht plausibel und als nicht glaubhaft zu bezeichnen ist, trifft im Ergebnis zu.

Das Bundesasylamt ist seiner Ermittlungsplicht in umfassender Weise nachgekommen und hat die Behauptungen der Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen einer eingehenden Prüfung, insbesondere durch eine Anfragebeantwortung an die Staatendokumentation untersucht. Am 06.06.2013 konfrontierte das Bundesasylamt die Beschwerdeführerin mit den Ergebnissen der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation. Zum Vorhalt, wonach die Angaben der Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer angeblichen Probleme unwahr seien, da weder ihre Familie noch der angebliche Geschäftspartner ihres Vaters bzw. auch die Angaben ihrer angeblichen Adresse in Mazar e Sharif nicht als Sachverhalt festgestellt werden hätte können, erklärte die Beschwerdeführerin lediglich, dass sie nicht lüge und ihre Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Zum Vorhalt, dass es wenig plausibel sei, dass niemand in dem von der Beschwerdeführerin angegebenen Gebiet ihre Familie oder ihr Schicksal kenne, gab die Beschwerdeführerin an, dass Mazar e Sharif eine kleine Stadt sei; ebenso Elmarab. Konfrontiert mit den Aussagen des Leiters der "Whole Seller Union", wonach es durchaus üblich sei, mit China zu handeln und die Händler alle registriert seien, jedoch weder der Name ihres Vaters noch der Name des angeblichen Geschäftspartners dort registriert sei, führte die Beschwerdeführerin wiederum aus, dass sie nicht lüge und ihre Angaben der Wahrheit entsprechen würden.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin in den Einvernahmeprotokollen steht somit im eklatanten Widerspruch zu den eingeholten Auskünften der Staatendokumentation. Die Beschwerdeführerin konnte diese Vorhalte auch nicht substantiiert (mit entsprechenden Beweismitteln) widerlegen. Das Bundesasylamt hat in seiner Beweiswürdigung - neben den Aussagen der Beschwerdeführerin in den drei Einvernahmen - diese Rechercheergebnisse zugrunde gelegt. Die Beschwerdeführerin hatte gemäß § 45 Abs 3 AVG auch Gelegenheit, zu diesen Ergebnissen Stellung zu nehmen. Das Bundesasylamt hat somit gemäß § 45 Abs 2 AVG sorgfältig ermittelt, um zu beurteilen, ob die Aussagen der Beschwerdeführerin als erwiesen anzunehmen sind oder nicht. Aufgrund der vom Bundesasylamt aufgezeigten widersprüchlichen Aussagen der Beschwerdeführerin in den Einvernahmen in Verbindung mit den Auskünften der Staatendokumentation gelangte das Bundesasylamt - für das Bundesverwaltungsgericht schlüssig und nachvollziehbar - zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführerin die Glaubwürdigkeit abzusprechen war.

Ergänzend zu den bereits vom Bundeasylamt in seiner Beweiswürdigung aufgezeigten Umständen, wonach das Vorbringen der Beschwerdeführerin als nicht glaubhaft zu qualifizieren war, sind weitere Widersprüchlichkeiten bzw. Ungereimtheiten aufgetreten:

Im Rahmen der ersten Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 09.02.2012 gab die Beschwerdeführerin an, dass ein weiterer Asylgrund die Hinderung ihres Vaters an ihrer schulischen Fortbildung gewesen sei. Demgegenüber gab die Beschwerdeführerin in der Einvernahme des Bundesasylamts vom 04.10.2012 zu Protokoll, dass sie insgesamt 8 Jahre (von 2001-2009) zwei Schulen, nämlich in XXXX und in XXXX besucht habe. Ferner gab die Beschwerdeführerin im Rahmen der Erstbefragung am 27.01.2012 sowie am 04.10.2012 vor dem Bundesasylamt an, nie einen Reisepass besessen zu haben. Demselben Protokoll (04.10.2012) ist jedoch zu entnehmen, dass sich die Beschwerdeführerin im Zuge der Kontrolle bei der Ausreise aus Mazar mit einem Reisepass ausgewiesen hätte. Wortlaut im Protokoll: F: Wie und wo sind Sie aus Ihrem Heimatland ausgereist? A: Ich bin mit einem Flugzeug aus Mazar ausgereist. F: Wurden Sie beim Einchecken in das Flugzeug nicht kontrolliert? A: Ich hatte keine Schwierigkeiten bei der Kontrolle. F: Womit haben Sie sich ausgewiesen? A: Ich hatte einen Reisepass. F: Sie hatten also einen Reisepass? A: "Ja.... es war nicht meiner." F: Wie kann man sich mit einem fremden Reisepass ausweisen? A: Er hat mein Foto hineingeklebt. Abgesehen von den aufgezeigten Widersprüchen in den Protokollen, erscheint es auch nicht besonders glaubwürdig, dass die Sicherheitskontrollorgane von einer derartigen simplen Fälschung ("Hineinkleben" des eigenen Fotos in einen fremden Pass) keinen Zweifel hegen würden. Ferner erscheint es unglaubwürdig, dass die Beschwerdeführerin - nachdem sie offenbar in Wien angekommen und ausgestiegen ist - einem "fremden Mann" gesehen habe wollte und diesem ihre Telefonnummer gegeben hätte. Abgesehen davon, widersprechen diese (sehr kurz) gehaltenen Angaben jenen auf den Seiten 5 und 6 des Protokolls vom 04.10.2012. Denen zufolge hätte die Beschwerdeführerin bei der Ankunft in Wien ihren Cousin angerufen (die Nummer hätte sie von ihrem Onkel gehabt, der die Reise bezahlt und organisiert hätte), der sie dann (nachdem der Cousin die Information von ihrem Onkel erhalten hätte) zum Anwalt gebracht hätte. In der Folge hätte der Anwalt wiederum die Beschwerdeführerin zur Polizei gebracht. Diese in sich widersprüchlichen Aussagen bezüglich des Geschehens bei der Ankunft in Wien sind ein weiteres Indiz für die Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens der Beschwerdeführerin. Schließlich konnte die Beschwerdeführerin auch nicht plausibel und nachvollziehbar erklären, warum sie das Übergeben ihres Handys verweigert hatte und auch nicht mit der Auswertung durch das Landeskriminalamt einverstanden war (siehe Protokoll Erstbefragung am 27.01.2012).

Wortlaut der Einvernahme vom 04.10.2012: V.: Sie führten bei Ihrer Asylantragstellung ein Handy mit, das Sie laut eigenen Angaben in Afghanistan gekauft hätten. Sie verweigerten die Auswertung Ihres Handys. Es ist daher für die entscheidende Behörde glaubhaft, dass Sie etwas verschleiern wollten. Es ist auch nicht plausibel, so wie Sie heute angeben, dass Sie obwohl Sie ein Handy mit sich führten und dann nicht selbst Ihren angeblichen Großcousin angerufen hätten. Möchten Sie dazu etwas angeben? A: Ich hatte ein Mobil hatte aber keine Sim Karte von hier. Sie haben mich gefragt ob ich mein Handy hergebe. Sie haben mich gefragt ob ich erlaube, dass sie mein Handy behalten und ich habe gesagt nein.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 idF BGBl. I 144/2013 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 01.01.2014 vom Bundesverwaltungsgericht zu Ende zu führen. Das gegenständliche Verfahren war mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängig, somit ist das Bundesverwaltungsgericht nunmehr für die Erledigung der vorliegenden Beschwerde zuständig.

Nach § 75 Abs. 1 erster Satz AsylG 2005 ist das AsylG 2005 auf alle Verfahren anzuwenden, die - wie im vorliegenden Fall - am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren. Die Einzelrichterzuständigkeit ergibt sich aus § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I 10/2013, wonach das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter entscheidet, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einfachgesetzlicher materienspezifischer Sonderregelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, sind, soweit nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG insbesondere die Bestimmungen des AVG (mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles) und jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in jenem Verfahren, das dem Verwaltungsgericht vorangegangen ist, angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (siehe insbesondere § 1 BFA-VG, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 144/2013).

Zu A):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 Statusrichtlinie [RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates] verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Hinsichtlich des Vorwurfes in der Beschwerde, das Bundesasylamt sei seiner amtswegigen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist auf die Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführerin zu verweisen. Der VwGH hat in ständiger Judikatur erkannt, dass es für die Glaubhaftmachung der Angaben erforderlich ist, dass die Beschwerdeführerin die für die ihr drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert und dass diese Gründe objektivierbar sind, wobei zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des "Glaubhaft-Seins" der Aussage des Asylwerbers selbst wesentliche Bedeutung zukommt. Damit ist die Pflicht der Antragstellerin verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der Voraussetzungen und für eine Asylgewährung spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen liefern. Insoweit trifft die Antragstellerin eine erhöhte Mitwirkungspflicht (AsylGH 5.5.2009, C14 404992-1/2009 unter Hinweis auf VwGH 11.11.1991, 91/12/0143, 13.04.1988, 86/01/0268). Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus (AsylGH 22.10.2008, E2 221979-0/2008 unter Verweis auf VwGH 24.02.1993, Zahl 92/03/0011; VwGH 01.10.1997, 96/09/0007; VwGH 25.06.2003, 2000/04/0092).

Mangels Glaubwürdigkeit der Fluchtgründe ist es im vorliegenden Fall der Beschwerdeführerin nicht gelungen, objektive Furcht vor aktueller und landesweiter Verfolgung in gewisser Intensität glaubhaft zu machen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung von internationalem Schutz, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe, liegen daher nicht vor.

Soweit die Beschwerdeführerin auf ihren Status einer "unbegleiteten Minderjährigen" verweist, ist festzuhalten, dass bei sämtlichen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt Vertrauenspersonen bzw. Vertreter der Beschwerdeführerin anwesend waren. Die Bestimmung des § 19 Abs 5 AsylG, wonach minderjährige Asylwerber nur in Gegenwart eines gesetzlichen Vertreters einvernommen werden dürfen, wurde somit eingehalten. Abgesehen von den lediglich allgemeinen Hinweisen auf die Regelungen in der KRK, konnte die Beschwerdeführerin auch nicht darlegen, worin der konkrete Verstoß des Bundesasylamts im Zusammenhang mit ihrem Status als Minderjährige bestanden haben soll. Die Manuduktionspflicht wurde jedenfalls eingehalten (siehe Einvernahmeprotokolle vom 09.02.2012, 04.10.2012 sowie 06.06.2013). Auch aus der allgemeinen Lage in Afghanistan lässt sich für die Beschwerdeführerin eine Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten nicht herleiten: Soweit die Beschwerdeführerin auf die allgemeine Lage der "Frauen" in Afghanistan hinweist, ist festzuhalten, dass bloß die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin eine afghanische Frau ist, für sich alleine genommen jedenfalls nicht ausreicht, um mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer asylrelevanten Verfolgung der Beschwerdeführerin ausschließlich auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auszugehen (AsylGH 13.11.2009, C9 317335-1/2008). Abgesehen davon wurde der Beschwerdeführerin im konkreten Fall der Status einer subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 AsylG zuerkannt, da sie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer "extremen und allgemeinen Gefahrenlage" ausgesetzt wäre (siehe dazu die Begründung zu Spruchpunkt II. im angefochtenen Bescheid).

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Diese Voraussetzungen treffen im vorliegenden Fall zu: Dem Asylakt waren sämtliche entscheidungsrelevanten Grundlagen zu entnehmen (Einvernahmeprotokolle und Ergebnisse der Staatendokumentation). Das Parteiengehör gemäß § 45 Abs 3 AVG wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens vor dem Bundesasylamt gewahrt. Von einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht konnte somit abgesehen werden.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

? Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die unter A) zitierte Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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