B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W115.2008244.1.00
Spruch:
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde vonXXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG idgF zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF genannt), Staatsangehöriger von Afghanistan, gelangte unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.1. Im Verlauf der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX gab der BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Pashtu im Wesentlichen zusammengefasst an, dass er der Volksgruppe der Paschtunen und der sunnitischen Glaubensrichtung des Islams angehöre. Er sei im Dorf XXXX, Provinz XXXX, geboren und aufgewachsen. Während des Krieges hätten er und seine Familie manchmal für kurze Zeit in XXXX gelebt. Weiters habe er während seiner Dienstzeit in Kabul und in verschiedenen anderen Provinzen in Afghanistan gelebt. Vor seiner Ausreise habe er allein in Kabul in einem angemieteten Zimmer gewohnt. Seine restliche Familie habe weiter in der Provinz XXXX gelebt. Vor ca. drei Monaten habe er gemeinsam mit seinem Halbbruder XXXX Afghanistan verlassen. Von Kabul aus seien sie schlepperunterstützt über Herat und den Iran bis in die Türkei gebracht worden. Nachdem sie sich ca. 20 Tage in der Türkei aufgehalten hätten, seien sie über ihn unbekannte Länder bis nach Österreich gebracht worden. Befragt zu seinen Familienverhältnissen gab der BF an, dass er traditionell verheiratet sei. Seine Ehefrau und seine vier Kinder würden weiterhin in der Provinz XXXX leben. Seine leibliche Mutter sei verstorben, als der BF noch ein Kind gewesen sei. Sein Vater und seine Stiefmutter würden ebenfalls in der Provinz XXXX leben. Seine Schwester lebe in Kabul. In Österreich würde sich sein Halbbruder, der gemeinsam mit ihm geflüchtet sei, aufhalten. Seine Familie würde in seinem Heimatdorf ein Haus sowie ein landwirtschaftliches Grundstück besitzen. Die finanzielle Situation von ihm und seiner Familie in Afghanistan würde er mit "mittel" beschreiben. In Afghanistan habe er gearbeitet und für seine Familie gesorgt. Zusätzlich hätten sie von der Landwirtschaft gelebt. Befragt zu seiner Schul- und Berufsausbildung gab der BF an, dass er lesen und schreiben könne. Seine Muttersprache sei Pashtu. Weiters beherrsche er auch noch die Sprachen Dari und Urdu. Zwischen seinem siebten und neunzehnten Lebensjahr habe er die Schule in seiner Heimatprovinz besucht. Von XXXX bis XXXX habe er die Universität in XXXX besucht. Darüber hinaus habe er verschiedene Englischkurse absolviert. Befragt zu seinen bisherigen Berufserfahrungen führte der BF unter Angabe des jeweiligen Arbeitgebers und der Beschäftigungsdauer an, dass er seit dem Jahr XXXX für verschiedenste internationale Unternehmen bzw. Organisationen gearbeitet habe. Zuletzt sei er von XXXX bis XXXX XXXX bei XXXX gewesen. Zu den angegebenen Tätigkeiten habe er auch Unterlagen zuhause. Weiters habe er zwischen den zuvor angeführten Tätigkeiten gelegentlich als Taxifahrer in Kabul gearbeitet. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF an, dass aufgrund seiner Tätigkeit für verschiedene ausländische Organisationen sein Leben in Afghanistan wegen den Taliban schwer geworden sei. Seine Probleme hätten im Jahr XXXX begonnen. Aus Angst vor den Taliban habe er seine Familie in seinem Dorf nicht mehr besuchen können. Die Taliban hätten seinen Vater mehrmals bedroht und von ihm verlangt, dass er ihn an sie übergeben solle. Weiters hätten sie von seinem Vater verlangt, dass der zweite Sohn seines Vaters mit ihnen in den Krieg ziehen solle. Aus diesen Gründen habe der BF gemeinsam mit seinem Halbbruder Afghanistan verlassen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan habe er Angst von den Taliban getötet zu werden, da er ihrer Meinung nach für Ungläubige gearbeitet habe.
1.2. Eine EURODAC-Abfrage ergab keinen Treffer.
1.3. Nach Zulassung des Verfahrens durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte wurde der BF am XXXX vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Kurzbezeichnung BFA; in der Folge belangte Behörde genannt) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Im Verlauf dieser Einvernahme brachte der BF ergänzend zusammengefasst vor, dass er am XXXX in dem Dorf XXXX, Provinz XXXX, geboren worden sei. Sein Hauptwohnsitz sei immer in dieser Provinz gewesen. Wegen seines Berufes habe er aber in verschiedenen Provinzen Afghanistans gewohnt. Vor seiner Ausreise habe er in Kabul gelebt. Befragt zu seinen Familienverhältnissen gab der BF an, dass sich in Afghanistan neben seiner Ehefrau und den vier gemeinsamen Kindern noch sein Vater, seine Stiefmutter sowie seine Schwester aufhalten würden. Außer seiner Schwester, die verheiratet sei und in Kabul leben würde, würde sich seine gesamte restliche Familie an dem zuvor angegebenen Ort in der Provinz XXXX aufhalten. Sein Vater habe dort ein Haus mit einer Landwirtschaft. Zu seiner Familie habe er telefonischen Kontakt. In Österreich würde sich sein Halbbruder aufhalten. Befragt zu seiner Schul- und Berufsausbildung gab der BF an, dass er mit sieben Jahren angefangen habe die Schule zu besuchen. Insgesamt habe er 12 Jahre lang die Schule besucht und diese mit Matura abgeschlossen. Danach habe er die Aufnahmeprüfung an der Universität bestanden und von XXXX bis XXXX an der Universität XXXX studiert und das Studium auch abgeschlossen. Befragt zu seinen bisherigen Berufserfahrungen führte der BF unter Angabe des jeweiligen Arbeitgebers und der Beschäftigungsdauer an, dass er seit dem Jahr XXXX für verschiedenste internationale Unternehmen bzw. Organisationen gearbeitet habe. Zuletzt habe er von XXXX bis XXXXfür die XXXX, einer UNO Organisation, gearbeitet. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF zusammengefasst an, dass bis Ende XXXXdie Lage in seiner Heimatprovinz relativ sicher gewesen sei. Wenn er außerhalb seiner Heimatprovinz gearbeitet habe, habe er ab und zu seine Familie besucht und sie bei dieser Gelegenheit finanziell unterstützt. Als dann die Taliban aktiv geworden seien, sei es für ihn immer schwieriger geworden seine Familie zu besuchen. Bei einem Besuch seines Heimatdorfes habe er von Freunden erfahren, dass sich die Taliban über seine berufliche Tätigkeit informiert hätten und nunmehr wissen würden, dass er für ausländische Firmen arbeiten würde. Als er dies gehört habe, sei er sehr vorsichtig geworden. Anstatt seine Familie wie bisher alle eineinhalb Monate zu besuchen, habe er sie nunmehr nur noch alle drei Monate besucht. Bei einem dieser Besuche hätten eines Nachts drei bewaffnete Männer an die Türe geklopft. Bevor sein Vater die Türe geöffnet habe, sei der BF aus dem Haus geflohen und habe anschließend seine Heimatprovinz verlassen. Nachdem er nach Kabul gereist sei, habe er von dort aus seinen Vater angerufen und dieser habe ihm erzählt, dass es sich bei den bewaffneten Männern um die Taliban gehandelt habe. Sein Vater sei von diesen Männern geschlagen und aufgefordert worden, den BF an sie zu übergeben. Die Taliban hätten zu seinem Vater gesagt, dass sie wissen würden, dass er für ausländische Firmen arbeiten würde. Aus diesem Grund sei er ein Verräter und müsse bestraft werden. Weiters hätten die Taliban zu seinem Vater gesagt, dass die ganze Familie bestraft werden würde, sollte er sich nicht bei ihnen melden. Seit diesem Zeitpunkt habe er seine Familie nicht mehr besucht und habe sich in Kabul aufgehalten. Nach weiteren vier bis fünf Monaten seien die Taliban abermals bei seinem Vater aufgetaucht und hätten nach ihm gefragt. Sein Vater habe zu ihnen gesagt, dass, obwohl er alles versucht hätte, er seinen Sohn (Anmerkung: den BF) nicht überzeugen hätte können, wieder nachhause zurückzukommen. Daraufhin hätten die Taliban seinen Vater aufgefordert, dass zumindest sein zweiter Sohn (Anmerkung: der (Halb‑)Bruder des BF) für sie arbeiten solle. Die Taliban hätten zu seinem Vater gesagt, dass sie ihn militärisch ausbilden würden, sodass er in Zukunft als Attentäter für sie arbeiten könne. Ab diesem Zeitpunkt seien die Taliban alle paar Wochen bei seinem Vater aufgetaucht und hätten verlangt, dass sich sein Halbbruder ihnen anschließen solle. Daraufhin habe sein Vater beschlossen, dass der BF gemeinsam mit seinem Halbbruder Afghanistan verlassen solle. Befragt, ob er auch in Kabul Probleme mit den Taliban gehabt habe, antwortete der BF, dass ihn die Taliban dort nicht gefunden hätten, da er extrem vorsichtig gewesen sei und seinen Wohnort alle paar Wochen gewechselt habe. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan sei sein Leben nach wie vor in Gefahr. Die Taliban seien in der Lage ihn überall in Afghanistan zu finden und ihn zu töten. Weiters wurde dem BF seitens der belangten Behörde die Möglichkeit geboten, Einsicht in Länderberichte zur aktuellen Lage in Afghanistan zu nehmen. Dies wurde vom BF mit dem Hinweis, dass er sein Land sehr gut kenne, abgelehnt.
Weiters wurden vom BF im Rahmen der Einvernahme eine Tazkira sowie ein Konvolut an Unterlagen in afghanischer und englischer Sprache vorgelegt. Der BF gab zu dem vorgelegten Konvolut an Unterlagen an, dass sich darunter ein Universitätsdiplom, ein Arbeitsvertrag, Arbeitsunterlagen und diverse Kursbestätigungen bzw. Zertifikate aus Afghanistan befinden würden. Weiters wurde vom BF vorgebracht, dass diese Unterlagen seine Tätigkeit für internationale Unternehmen bzw. Organisationen bestätigen würden.
Eine Übersetzung bzw. Überprüfung dieser Unterlagen wurde von der belangten Behörde nicht veranlasst.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der gegenständliche Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.); der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.); ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9
BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG 2005 nach Afghanistan zulässig ist. Weiters wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF zwei Wochen [Anmerkung: richtig 14 Tage] ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt III.).
Nach Darlegung des Verfahrensganges, Wiedergabe der Einvernahmeprotokolle und Feststellungen zur Lage in Afghanistan führte die belangte Behörde begründend zusammengefasst aus, dass der BF afghanischer Staatsangehöriger sei sowie der Volksgruppe der Paschtunen und der sunnitischen Glaubensrichtung des Islams angehöre. Mangels Vorlage eines unbedenklichen Personaldokumentes habe die Identität des BF nicht festgestellt werden können. Weiters sei nicht erwiesen, ob es sich bei jenem Mann, der gemeinsam mit dem BF einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, um seinen (Halb‑)Bruder handle.
Hinsichtlich Spruchpunkt I. wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der BF nicht in der Lage gewesen sei, eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) genannten Gründen glaubhaft zu machen. Seinem diesbezüglichen Vorbringen, dass er aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit für ausländische Organisationen von den Taliban bedroht worden sei, sei jegliche Glaubwürdigkeit abzusprechen. Vor allem würden sich die Schilderungen des BF und die seines angeblichen (Halb‑)Bruders in wesentlichen Punkten widersprechen. Auch die Tatsache, dass der Vater des BF, obwohl dieser ebenso von den Taliban bedroht worden sei, weiterhin in der Heimatprovinz leben würde, würde gegen die Glaubwürdigkeit des BF sprechen. Ergänzend wurde von der belangten Behörde ausgeführt, dass es sich unabhängig vom Wahrheitsgehalt des Vorbringens des BF bei der geschilderten Bedrohung um eine Verfolgung durch Private handeln würde, welche nicht zur Asylgewährung führen könne. Dass der afghanische Staat nicht gewillt gewesen wäre dem BF Schutz vor privaten Verfolgern zu gewähren, könne aufgrund der vorliegenden Länderfeststellungen nicht angenommen werden. Eine asylrelevante Verfolgung liege somit nicht vor.
Hinsichtlich Spruchpunkt II. wurde von der belangten Behörde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass dem BF im Fall einer Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Afghanistan weder eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention noch eine ernsthafte Gefahr für das Leben oder die Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes als Zivilperson drohe. Es habe nicht festgestellt werden können, dass dem BF in Afghanistan die Lebensgrundlage gänzlich entzogen sei oder dass er bei einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage gedrängt werde. Der BF verfüge in seinem Heimatland über ausreichend familiäre und soziale Anknüpfungspunkte. Seine Angehörigen und Verwandten würden nach wie vor ohne relevante Probleme in Afghanistan leben. Von einer existenzgefährdenden Lebenssituation seiner Familienangehörigen habe der BF nicht berichtet und sei auch amtswegig nicht bekannt geworden. Zudem habe der BF bis zu seiner Ausreise selbstständig für seinen Lebensunterhalt gesorgt. Es sei kein Grund zu erkennen, dass er dies bei einer Rückkehr nicht wieder tun könne, zumal es sich beim BF um einen erwachsenen arbeitsfähigen Mann handle. Weiters sei davon auszugehen, dass er sich in einem anderen Teil seines Heimatlandes niederlassen können würde und er auch in der Lage sei, dort selbstständig seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Zudem würde die Schwester des BF mit ihrem Ehemann in Kabul in einem eigenen Haus leben. Es sei somit nicht davon auszugehen, dass dem BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan die notwendigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten sei daher nicht zuzuerkennen.
Zu Spruchpunkt III. wurde von der belangten Behörde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass sich der angebliche minderjährige (Halb‑)Bruder mit dem BF als Asylwerber in Österreich aufhalten würde. Sein Antrag auf internationalen Schutz sei in gleicher Weise abgewiesen worden wie der Antrag des BF. Darüber hinaus besitze der BF in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte, sodass ein Eingriff in das Familienleben nicht vorliegen würde. Hinsichtlich eines möglichen Eingriffes in das Privatleben des BF führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass der BF illegal nach Österreich eingereist sei, seinen Lebensunterhalt von der Grundversorgung bestreite und auch keine relevante Integration vorliegen würde. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet sei alleine aufgrund der Betreibung eines Asylverfahrens und somit lediglich für die Dauer dieses Verfahrens legalisiert. Sonstige private Bindungen in Österreich habe er nicht. Im Rahmen der vorgenommenen Interessensabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass in der Gesamtbetrachtung nach Abwägung aller Interessen festzustellen sei, dass im vorliegenden Fall den öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen besondere Bedeutung zukomme, und das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung das private Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiege. Eine Rückkehrentscheidung sei daher gerechtfertigt. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 sei mangels Privat-und Familienlebens nicht in Betracht gekommen. Auch erfülle der BF nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005. Weiters wurde von der belangten Behörde ausgeführt, dass unter den Spruchpunkten I. und II. ausführlich geprüft und schließlich festgestellt worden sei, dass dem BF eine Gefahr iSd § 50 Abs. 1 und 2 FPG 2005 nicht drohe und eine Empfehlung nach Abs. 3 leg.cit. nicht existiere. Eine Abschiebung nach Afghanistan sei daher zulässig. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus
§ 55 FPG 2005, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.
2.1. Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom XXXX wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig eine Rechtsberatung zur Seite gestellt.
2.2. Gegen den im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Vertreter fristgerecht Beschwerde, mit der der Bescheid vollinhaltlich angefochten wurde. Die diesbezügliche Vollmacht wurde als Beilage der Beschwerde beigelegt.
Der bevollmächtigte Vertreter des BF beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge:
1. den angefochtenen Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt I. beheben und dem BF den Status des Asylberechtigten zuerkennen, in eventu
2. den angefochtenen Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt II. beheben und dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen, in eventu
3. feststellen, dass die Abschiebung nach Afghanistan auf Dauer unzulässig sei sowie die erlassene Rückkehrentscheidung ersatzlos beheben, in eventu
4. den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverweisen.
In der Beschwerdebegründung brachte der bevollmächtigte Vertreter des BF im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, ein ordentliches Ermittlungsverfahren zu führen. Hätte sie ein solches geführt, hätte sie feststellen müssen, dass dem BF in seiner Heimat eine asylrelevante Verfolgung drohe. So wäre es für die belangte Behörde ein Leichtes gewesen, die Angaben des BF betreffend die Bedrohung durch die Taliban mittels eines Vertrauensanwaltes im Heimatdorf des BF zu überprüfen. Zudem gehe aus den vorliegenden Länderfeststellungen hervor, dass MitarbeiterInnen von internationalen Organisationen, der afghanischen Regierung oder NGOs Ziele von Drohungen oder in einigen Fällen auch Mord von militanten Gruppen seien. Der BF habe seine mehrjährige Tätigkeit für ausländische Organisationen und NGOs durch die vorgelegten Beweismittel belegen können. Im angefochtenen Bescheid finden sich diesbezüglich aber keine Feststellungen. Die belangte Behörde verkenne weiters, dass man sobald man einmal für eine ausländische Firma oder Organisation tätig gewesen sei, für die Taliban als ungläubig gelten würde, auch wenn man die Tätigkeit danach wieder eingestellt habe. Die belangte Behörde habe es im angefochtenen Bescheid dabei belassen, dem BF in Bezug auf seine Angaben zur Verfolgung seitens der Taliban gänzlich die Glaubwürdigkeit abzusprechen. Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid angeführten Punkte, welche nach ihrer Ansicht der Glaubwürdigkeit des BF widersprechen würden, würden jedoch nicht vorliegen. So habe der BF im gesamten Verfahren stets ein gleichbleibendes Vorbringen erstattet. Die im angefochtenen Bescheid aufgezeigten Widersprüche zu den Aussagen des Halbbruders des BF würden zum einen vor allem nicht maßgebliche Detailaspekte betreffen, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht geeignet seien, den übereinstimmenden Kern einer gemeinsamen Aussage zu erschüttern. Zum anderen würden die im angefochtenen Bescheid dargelegten Widersprüche nicht vorliegen. Auch sei nicht nachvollziehbar, weshalb die belangte Behörde zu dem Schluss gelangt sei, dass es zweifelhaft sei, dass der BF und der minderjährige XXXX Halbbrüder seien. Eine Begründung für diese Annahme würde sich nicht finden. Wenn die belangte Behörde das Verwandtschaftsverhältnis ernsthaft in Zweifel ziehen würde, hätte sie im Rahmen der Ermittlungspflicht die Durchführung einer DNA-Analyse in Auftrag geben müssen. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der BF aufgrund der nach wie vor prekären Sicherheitslage in ganz Afghanistan bei einer Rückkehr der Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Die belangte Behörde habe sich aber im angefochtenen Bescheid überhaupt nicht mit der konkreten Situation in der Provinz XXXX, der Heimatprovinz des BF, auseinandergesetzt. Zudem gehe aus aktuellen Länderberichten hervor, dass die Sicherheitslage auch in Kabul sehr schlecht sei. Darüber hinaus seien die Taliban auch in Kabul aktiv und es sei ihnen möglich, den BF auch dort aufzuspüren.
3. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt langte der Aktenlage nach am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein.
3.1. Mit Schriftsatz vom XXXX wurde vom bevollmächtigten Vertreter des BF mitgeteilt, dass der BF der Halbbruder des zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen XXXX sei. Dem Schriftsatz war ein Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX, Zl. XXXX, angeschlossen, mit dem die Obsorge des zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen XXXX bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens auf den BF vorläufig übertragen wurde. Begründend wurde von der zuständigen Richterin zusammengefasst ausgeführt, dass es sich beim BF um den Halbbruder des XXXX handle. Da die Eltern des XXXX nach bisherigem Erkenntnisstand immer noch in Afghanistan leben würden, müsse ihnen die Obsorge vorläufig entzogen und auf den sich in Österreich befindlichen Halbbruder übertragen werden.
3.2. Unter Berufung auf die erteilte Vollmacht wurde mit Schriftsatz vom XXXX mitgeteilt, dass der BF nunmehr durch Rechtsanwalt XXXX vertreten werde.
Darüber hinaus wurde mit dem vorhin angeführten Schriftsatz ein Fristsetzungsantrag eingebracht.
3.3. Mit verfahrensleitender Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes vom XXXX, Zl. XXXX, wurde der Fristsetzungsantrag dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 38 Abs. 4 VwGG mit der Aufforderung zugestellt, binnen drei Monaten die Entscheidung (Erkenntnis/Beschluss) zu erlassen und eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie derselben sowie eine Kopie des Nachweises über die Zustellung der Entscheidung (Erkenntnis/Beschluss) an die antragstellende Partei dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.
3.4. Gegenständliche verfahrensleitende Anordnung ist der Aktenlage nach am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Gemäß § 29 Abs. 1 2. Satz VwGVG sind die Erkenntnisse zu begründen. Für Beschlüsse ergibt sich aus § 31 Abs. 3 VwGVG eine sinngemäße Anwendung.
2. Zu Spruchpunkt A):
2.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,
1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
2.2. Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm. 11.).
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 2. Satz ausgeführt hat, ist vom prinzipiellen Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auszugehen. Nach der Bestimmung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG kommt bereits nach ihrem Wortlaut die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht (vgl. auch Art. 130 Abs. 4 Z 1 B-VG). Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
Ist die Voraussetzung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG erfüllt, hat das Verwaltungsgericht (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist) "in der Sache selbst" zu entscheiden. Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im oben angeführten Erkenntnis ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).
2.3. Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt zunächst aus folgendem Grund als mangelhaft:
2.3.1. Zunächst ist festzuhalten, dass aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes die von der belangten Behörde aufgezeigten Unglaubhaftigkeitselemente alleine nicht ausreichend bzw. derart schwerwiegend sind, um in diesem individuellen Fall die Unglaubwürdigkeit des BF abschließend anzunehmen, zumal sich der BF im Laufe seines Asylverfahrens im Kern gleichlautend darauf berufen hat, dass er aufgrund seiner beruflichen Tätigkeiten für internationale Unternehmen bzw. Organisationen einer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt gewesen sei. Vom BF wurden in diesem Zusammenhang auch eine Vielzahl an Unterlagen bzw. Dokumente in Vorlage gebracht (siehe dazu die Ausführungen unter Punkt I.1.3.).
Wenngleich es die Aufgabe des BF ist, begründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen, wäre die belangte Behörde - auch unter Berücksichtigung der Vielzahl vom BF vorgelegten Unterlagen hinsichtlich seiner beruflichen Tätigkeit, die sein Fluchtvorbringen zu bestätigen scheinen - gehalten gewesen, den maßgeblichen Sachverhalt durch entsprechendes Nachfragen aufzuklären und dem BF die Möglichkeit einzuräumen, zu allfälligen Ungereimtheiten Stellung zu nehmen. So hat es die belangte Behörde unter anderem unterlassen, dem BF eine Möglichkeit zur Stellungnahme zu den Aussagen seines (Halb‑)Bruders zu geben. Dies wiegt umso schwerer, als sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid im Rahmen der Beweiswürdigung auch maßgeblich auf diese Aussagen gestützt hat. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass es für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar ist, aus welchen Gründen die belangte Behörde Zweifel daran hegt, dass es sich bei
XXXX
(XXXX), der gemeinsam mit dem BF einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und in Erledigung dessen Beschwerde der diesbezügliche Bescheid ebenfalls mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tage (GZ. XXXX) gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückgewiesen worden ist, um den
(Halb‑)Bruder des BF handelt. Der angefochtene Bescheid lässt dazu jegliche Begründung vermissen. Bei Vorliegen begründeter Zweifel hinsichtlich des Bestehens eines Verwandtschaftsverhältnisses wäre es angezeigt gewesen, das Ermittlungsverfahren dahingehend zu erweitern, den BF aufzufordern, das Verwandtschaftsverhältnis durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen bzw. mangels Vorliegen solcher Beweismittel - unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 13 Abs. 4 BFA-VG - eine DNA-Analyse zu veranlassen. In diesem Zusammenhang ist auch auf den unter Punkt I.3.1. angeführten Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX, Zl. XXXX zu verweisen.
Die belangte Behörde hat es somit unterlassen sich ausreichend mit dem Fluchtvorbringen des BF auseinanderzusetzen. Den aufgezeigten Unplausibilitäten und angeführten Widersprüchen kommt im gegenständlichen Fall keine solche Gewichtung zu, dass dem Fluchtvorbringen insgesamt alleine deshalb die Glaubwürdigkeit abzusprechen ist. Der BF hat wie bereits oben ausgeführt in seinen Einvernahmen im Kern gleichlautend vorgebracht, dass er aufgrund seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit für internationale Unternehmen bzw. Organisationen einer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt sei. Dieses Vorbringen wurde vom BF durchaus detailliert, unter Vorlage von Beweismitteln und Anführung von Zeit- und Ortsangaben geschildert, sodass eine Überprüfung dieses Vorbringens durch Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens bzw. durch eine Anfrage an die Staatendokumentation angezeigt gewesen wäre.
Die vom BF vorgelegten fremdsprachigen Dokumente haben jedoch im erstinstanzlichen Verfahren keinerlei Berücksichtigung gefunden. Zur umfassenden Ermittlung des Sachverhaltes wäre es angezeigt gewesen, eine Übersetzung der vorgelegten Schriftstücke zu veranlassen und darüber hinaus eine entsprechende urkundentechnische bzw. länderkundliche Untersuchung hinsichtlich der vom BF vorgelegten Unterlagen betreffend seiner vorgebrachten Tätigkeiten für internationale Unternehmen bzw. Organisationen vorzunehmen. Das Unterlassen der Ermittlungstätigkeit in diesem Zusammenhang erscheint umso gravierender, als in den Länderfeststellungen, welche dem erstinstanzlichen Bescheid zugrunde gelegt worden sind (vgl. Seite 28ff des angefochtenen Bescheides), ausdrücklich auf die besondere Gefährdungslage von Personen, die für internationale Organisationen, die afghanische Regierung oder NGOs arbeiten, Bezug genommen wird.
Eine sachgerechte Auseinandersetzung mit den vorgelegten Beweismitteln fand somit nicht statt.
Ohne derartige Ermittlungsergebnisse ist eine sachgerechte Beurteilung des Antrages des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und der damit verbundenen Beschwerde ausgeschlossen.
2.3.2. Darüber hinaus erweist sich der angefochtene Bescheid auch in anderen Punkten hinsichtlich des zu ermittelnden Sachverhalts zur Überprüfung des Vorliegens/Nichtvorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten als mangelhaft:
Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist für die zur Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes erforderliche Gefahrenprognose bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt (vgl. § 8 Abs. 1 AsylG 2005) auf den tatsächlichen Zielort des Asylwerbers bei einer Rückkehr abzustellen. Der Umstand, dass die Sicherheitslage in Afghanistan von Provinz zu Provinz bzw. innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt variiert (vgl. VfGH 06.06.2013, Zl. U 241/2013-12, VfGH 07.06.2013, Zl. U 565/2012-12, VfGH 07.06.2013, Zl. U 2436/2012-13 mwN), erfordert eine Auseinandersetzung mit der Sicherheitslage in der jeweiligen Heimatprovinz bzw. im jeweiligen Heimatdistrikt (vgl. VfGH 13.09.2013, Zl. U 1097/2012-10, VfGH 27.11.2013, Zl. U 825/2012-13). Hierbei kommt auch der Frage Bedeutung zu, ob der Asylwerber seine Heimatprovinz sicher erreichen kann (vgl. VfGH 07.06.2013, Zl. U 565/2012-12). Kommt die Herkunftsregion des Asylwerbers als Zielort wegen der ihm dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht gestützt auf die Afghanistan-Richtlinien des UNHCR davon aus, dass die Übersiedlung in einen anderen Teil Afghanistans zumutbar sei, wenn Schutz durch die eigene Großfamilie, Gemeinschaft oder Stamm am Zielort verfügbar sei; alleinstehenden Männern und Kleinfamilien sei es unter bestimmten Umständen auch möglich, ohne Unterstützung durch Familie und Gemeinschaft in städtischen oder halbstädtischen Gebieten mit existenter Infrastruktur und unter effektiver staatlicher Kontrolle zu überleben. Wegen des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Zusammenhalts in Afghanistan, der durch jahrzehntelange Kriege, massive Flüchtlingsströme und Landflucht verursacht worden sei, sei aber eine Prüfung jedes einzelnen Falles notwendig (VfGH 13.09.2013, Zl. U 370/2012-17 mit Verweis auf EGMR, 13.10.2011, Fall Husseini, App. 10.611/09, Z 96; 9.4.2013, Fall H. und B., Appl. 70.073/10 und 44.539/11, Z 45 und 114). Bei einer Einzelfallprüfung hinsichtlich der Zumutbarkeit einer Übersiedlung nach Kabul kommt den Fragestellungen, ob der Asylwerber bereits vor seiner Flucht in Kabul gelebt hat, ob er dort über soziale oder familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, die es ihm ermöglichen, seinen Lebensunterhalt zu sichern, oder ob er auch ohne solche Anknüpfungspunkte seinen Lebensunterhalt derart sichern kann, dass er nicht in eine Art. 3 EMRK widersprechende, aussichtslose Lage gelangt, sohin maßgebliches Gewicht zu (vgl. dazu VfGH 13.03.2013, Zl. U 2185/12-15; VfGH 13.03.2013, Zl. U 1416/12-12; VfGH 06.06.2013, Zl. U 241/2013-12; VfGH 07.06.2013, Zl. U 2436/2012-13, VfGH 12.06.2013, Zl. U 2087/2012-17; VfGH 13.09.2013, Zl. U 370/2012-17, VfGH 11.12.2013, Zl. U 2643/2012-10).
Die belangte Behörde hat es in diesem Zusammenhang verabsäumt, sich ausreichend mit der Sicherheitssituation in der Heimatprovinz bzw. im Heimatdistrikt des BF auseinanderzusetzen. Hiezu ist zu bemerken, dass aus dem angefochtenen Bescheid nicht eindeutig hervorgeht, welche Provinz die belangte Behörde als Heimatprovinz des BF ansieht. Es wurde lediglich festgestellt, dass der BF in den vergangenen Jahren in Kabul gelebt habe. Aufgrund der getroffenen Feststellungen zur Sicherheitslage in der Provinz XXXX ist aber davon auszugehen, dass bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorliegen, vonXXXX als Heimatprovinz des BF ausgegangen worden ist.
Die belangte Behörde hat es in diesem Zusammenhang jedoch verabsäumt, sich ausreichend mit der Sicherheitssituation in dieser Provinz auseinanderzusetzen. So beschränken sich die diesbezüglichen Feststellungen auf sehr allgemein gehaltene Textblöcke. Auf die Sicherheitslage in den einzelnen Distrikten der Provinz XXXX wird gar nicht eingegangen. Dies wiegt umso schwerer, als selbst in den sehr knapp gehaltenen Länderfeststellungen zur Sicherheitslage davon berichtet wird, dass die Provinz XXXX als eine Hochburg der Taliban nahe Kabul angesehen werde. Auch sind Ermittlungen bzw. Feststellungen zur aktuellen Erreichbarkeit der Heimatprovinz des BF von der belangten Behörde gänzlich unterlassen worden. Auch die sonstigen von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getätigten Feststellungen zur allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan und in Kabul beschränken sich überwiegend auf allgemein gehaltene Textblöcke. Dies entspricht aber nicht der vom Verfassungsgerichtshof geforderten Auseinandersetzung mit der Sicherheitslage in der festgestellten Heimatprovinz des BF (insbesondere die aktuelle Erreichbarkeit), zumal diese von Provinz zu Provinz variiert (siehe dazu die zuvor zitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes).
Die belangte Behörde hat es somit gegenständlich verabsäumt, hinreichende Ermittlungen zur Sicherheitslage in der Heimatprovinz des BF durchzuführen. Ohne derartige Ermittlungsergebnisse erscheint aber eine sachgerechte Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes ausgeschlossen.
Zur Frage des allfälligen Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative - etwa in Kabul - hat die belangte Behörde angenommen, dass der BF in anderen Landesteilen Afghanistans Fuß fassen könne, da er gesund, jung und arbeitsfähig sei und auch bisher selbständig für seinen Lebensunterhalt gesorgt habe. Auch sei davon auszugehen, dass der BF von seinen sich nach wie vor in Afghanistan befindlichen Familienangehörigen, darunter seine Schwester, welche mit ihrer Familie in einem eigenen Haus in Kabul lebe, unterstützt werde.
Die belangte Behörde hat sich allerdings nicht ausreichend mit dem - wie der Verwaltungsgerichtshof u.a. in seiner Entscheidung vom 29.04.2015, Zl. Ra 2014/20/0151, ausgeführt hat - der innerstaatlichen Fluchtalternative innewohnenden Zumutbarkeitskalkül beschäftigt, welches nähere Feststellungen zur Situation in dem in Frage kommenden Gebiet und über die dort zu erwartende konkrete Lage des BF erfordert hätte. So beschränken sich die diesbezüglichen Feststellungen auf allgemein gehaltene Textblöcke zur Wirtschafts- und Versorgungslage in Afghanistan. Konkrete Feststellungen zur Wirtschafts- und Versorgungslage in den größeren Städten Afghanistans, wie z.B. Kabul, sind von der belangten Behörde unterlassen worden.
Die belangte Behörde hat es somit gegenständlich verabsäumt, auch hinreichende Ermittlungen zum Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative durchzuführen.
2.4. Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde die dargestellten Mängel des Ermittlungsverfahrens zu beheben und in Wahrung des Grundsatzes des Parteiengehörs die Ermittlungsergebnisse mit dem BF zu erörtern haben.
2.5. Die belangte Behörde hat somit im konkreten Fall gegen die in § 18 Abs. 1 AsylG 2005 determinierten Ermittlungspflichten verstoßen. Mit § 18 Abs. 1 AsylG 2005 (wie auch schon mit der nahezu wortgleichen Vorgängerbestimmung des § 28 AsylG 1997) wurde die aus § 37 iVm § 39 Abs. 2 AVG hervorgehende Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, speziell für das Asylverfahren weiter konkretisiert (vgl. dazu VwGH 08.04.2003, Zl. 2002/01/0522). So verpflichtet § 18 Abs. 1 AsylG 2005 idgF das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt oder überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen (zum Umfang der Ermittlungspflichten vgl. VwGH 14.12.2000, Zl. 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, Zl. 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0222; VwGH vom 21.09.2000, Zl. 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0599).
2.6. Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat und sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzung für die (Nicht‑)Zuerkennung des Status des Asylberechtigten bzw. subsidiär Schutzberechtigten im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Ro 2014/03/0063 vom 26.06.2014), als bloß ansatzweise ermittelt erweist, sodass weitere geeignete Ermittlungen und darauf aufbauende konkretere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich erscheinen.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall des BF noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
3. Zu Spruchpunkt B):
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A) wurde ausführlich unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, ausgeführt, dass im verwaltungsbehördlichen Verfahren notwendige Ermittlungen unterlassen wurden und daher die Zurückverweisung der gegenständlichen Rechtssache an die Verwaltungsbehörde geboten war.
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