BVwG L512 2195292-1

BVwGL512 2195292-112.8.2021

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:L512.2195292.1.00

 

Spruch:

 

L512 2195292-1/22E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Iran, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Peter Michael WOLF, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien Außenstelle Wien, vom XXXX , Zl.: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang:

 

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Iran, brachte nach illegaler Einreise am 24.09.2015 bei der belangten Behörde einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

 

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 25.09.2015 zusammengefasst Folgendes vor:

Er sei verheiratet, Schiit und gehöre der Volksgruppe der Perser an. Er habe 7 Jahre lang die Grundschule besucht und habe zuletzt als XXXX gearbeitet. Den Iran habe er legal verlassen.

Der Bruder des BF sei an den Folgen des Iran-Irak-Krieges gestorben. Trotzdem habe der BF eine Kurdin geheiratet, was seiner Familie ein Dorn im Auge gewesen sei. Seine Familie sei gegen die Eheschließung gewesen. Sie seien bedroht worden und habe die Familie sie töten wollen. Im Falle einer Rückkehr in den Iran habe er Angst um sein Leben [Aktenseite (AS) 7 ff.]

 

I.2. Am 15.03.2018 wurde der BF vor dem BFA einvernommen und brachte zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst Folgendes vor:

Der BF habe seinen Militärdienst bei XXXX absolviert und habe seine Familie gewollt, dass er darüber hinaus bei XXXX bleibe. Der ältere Bruder des BF sei durch chemische Waffen im Krieg verletzt worden. Er sei während des Krieges XXXX sowie sein zweitältester Bruder XXXX gewesen. Seine Familie sei Teil des Systems geworden. Dadurch sei eine Zusammenarbeit der Familie des BF mit XXXX entstanden. Der BF habe immer Sport betrieben und mit dreizehn Jahren erste Titel als Ringer gewonnen. Da er sportlich gut gewesen sei, hätte er Teil der XXXX werden sollen. Als der BF älter geworden sei, habe er gesehen, dass XXXX quälen und grundlos schlagen würden. Später sei er immer wieder angesprochen worden, ob er nicht im Dienst XXXX stehen wolle. Damit sei der BF aber nicht einverstanden gewesen, was seine Familie geärgert habe. Der BF habe oft Streit mit seinen Brüdern gehabt und hätten sie ihn mehr oder weniger verstoßen. Der BF sei geschlagen worden. Der Bruder des BF habe gemeint, der BF würde den Widerstand einmal aufgeben und zu ihnen kommen. Diese Auseinandersetzung habe bis zur Hochzeit des BF angedauert. Die Ehegattin des BF habe bei der Eheschließung keine Geburtsurkunde gehabt, weshalb der BF und letztlich auch seine Familie erst bei der Geburt der ersten Tochter erfahren hätten, dass sie gebürtige Irakerin sei. Der BF habe einen Bruder der im Iran-Irak Krieg durch chemische Substanzen verletzt worden sei und gelitten habe. Deswegen hätten sie immer gestritten. So sei es bis zur Erkrankung seines Vaters weitergegangen, der wegen der besseren Luft nach XXXX gegangen sein. Zu dieser Zeit sei die Ehegattin des BF mit dem zweiten Kind schwanger gewesen. Der BF habe seinen Vater im Spital besucht und habe ihn seine Schwester nach Hause eingeladen. Als die Brüder des BF davon erfahren hätten, seien sie zum BF gekommen und hätten einen Streit provoziert. Es sei zu einer Schlägerei gekommen und hätten die Brüder dafür gesorgt, dass der BF ins Gefängnis gekommen sei. In dieser Zeit sei sein zweites Kind zur Welt gekommen, seinem Vater sei es wieder bessergegangen und der BF auf Kaution freigelassen worden. Sein jüngerer Bruder habe ihn in XXXX angezeigt und sei der BF alleine und machtlos gegen seine Brüder gewesen. Gegen eine Kaution von seiner XXXX sei er vorläufig bis zu seiner Gerichtsverhandlung freigekommen. Kurz davor sei sein Vater verstorben. Ein halbes Jahr später sei XXXX verstorben. Aufgrund dieser Ereignisse sei seine Gerichtsverhandlung immer wieder verschoben worden und habe er währenddessen das Land verlassen können. Seine Familie habe ihm immer in Schwierigkeiten gebracht. Kurz vor seiner Hochzeit XXXX habe sich der BF ein Auto eines Bekannten ausgeborgt. Sein jüngerer Bruder habe sich das Auto ohne Erlaubnis genommen und einen Unfall verursacht. Dafür sei der BF verhaftet worden und habe XXXX in Untersuchungshaft verbracht. Erst später habe er nachweisen können, dass sein Bruder mit dem Auto gefahren sei. Damals sei er mit der Hilfe seines Vaters freigekommen. Die Ehegattin des BF habe damals stressbedingt ein Kind verloren.

In Österreich habe sich der BF wegen familiärer und psychischer Probleme dem Christentum zugewandt und sei durch einen Freund zu der christlichen Gemeinde gekommen, wo er sich taufen habe lassen (AS 65 ff.).

 

I.3. Mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (AS 121 ff.).

 

I.3.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde aus, dass der BF weder seine Ausreisegründe, noch ein maßgebliches Interesse am Christentum glaubhaft darlegen hat können und die dargelegte Konversion nicht von einer inneren Überzeugung getragen sei.

 

I.3.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

 

I.3.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe in Höhe von 14 Tagen, da keine Gründe im Sinne des § 55 Abs 1 a FPG vorliegen würden.

 

I.4. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung für den BF ein günstigerer Bescheid erzielt worden wäre, Beschwerde erhoben (AS 177 ff.).

 

I.5. Für den XXXX lud das erkennende Gericht die Verfahrenspartei zu einer mündlichen Verhandlung.

 

I.6. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde dem BF die Möglichkeit eingeräumt, zur Integration, dem Fluchtvorbringen und der Rückkehrsituation bezüglich seiner Person Stellung zu nehmen. Zuvor wurden dem BF die Länderfeststellungen zum Iran mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelt und ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme bis spätestens in der mündlichen Verhandlung eingeräumt. In der mündlichen Verhandlung wurde eine Stellungnahmefrist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme zu den Länderfeststellungen beantragt.

 

1.7. Mit Schriftsatz vom 03.02.2021 wurde eine Stellungnahme zu den dem BF übermittelten Länderfeststellungen erstattet. Darin wurde im Wesentlichen auf die Diabeteserkrankung des BF verwiesen und angemerkt, dass der BF im Iran einer unsicheren und unsteten gesundheitlichen Versorgung ausgesetzt wäre.

I.8. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

II.1.1. Der Beschwerdeführer

 

Bei dem BF handelt es sich um einen iranischen Staatsbürger und Angehörigen der Volksgruppe der Perser, welcher die Sprache Farsi spricht. Der BF besuchte im Iran sieben Jahre die Grundschule, war von XXXX und arbeitete bis zu seiner Ausreise als XXXX .

 

Der BF hat im Iran im Jahr XXXX geheiratet und entstammen dieser Ehe zwei gemeinsame Töchter, welche XXXX und XXXX im Iran geboren wurden. Die Eheleute trennten sich im XXXX und wurde die Ehe am XXXX geschieden. Die Ehe wurde aus alleinigem Verschulden des BF geschieden, zumal er sowohl gegenüber seiner Ex-Ehegattin, als auch gegenüber seinen Töchtern gewalttätig war und diese geschlagen, gewürgt und beschimpft hat. Mit Beschluss des XXXX vom XXXX wurde eine einstweilige Verfügung gemäß § 382e EO getroffen.

 

Im Iran sind nach wie vor fünf Brüder, sowie zwei Schwestern des BF aufhältig. Die Eltern sowie ein Bruder des BF sind bereits verstorben. Mit dem Sohn eines Bruders steht der BF in Kontakt.

 

Der BF leidet an Diabetes Mellitus Typ II und steht dahingehend in regelmäßiger Behandlung. Der BF war bereits im Iran in ärztlicher Behandlung. Zudem leidet der BF an einer diabetischen Netzhauterkrankung im Anfangsstadium (nicht proliferative diabetische Retinopathie) und bedarf dahingehend einer regelmäßigen ärztlichen Kontrolle. Weiters wurde im XXXX ein Zustand nach einer Zentralvenenthrombose diagnostiziert. XXXX hat sich der BF an der linken Schulter verletzt und sich im XXXX dahingehend in Behandlung begeben. Diagnostiziert wurde ein gelenksseitiger Einriss der Supraspinaturssehne im anterioren Drittel und wurde dem BF zu einer Physiotherapie geraten.

 

Der BF zeigte XXXX Anzeichen von Depressionen mit somatischen Symptomen in den Armen sowie Konzentrationsstörungen und besuchte aufgrund dessen vom XXXX bis XXXX einmal wöchentlich eine Kunsttherapie. Der BF wurde dadurch stabiler und konnte innere Ruhe sowie Ressourcen aufbauen.

Seit XXXX nimmt der BF psychologische Beratung im XXXX in Anspruch.

 

Der BF ist arbeitsfähig.

 

Im XXXX reiste der BF legal aus dem Iran aus und im September 2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Seither hält sich der BF durchgehend im Bundesgebiet auf.

 

In Österreich leben die Ex-Ehegattin des BF sowie seine zwei Töchter. Der Ex-Ehegattin sowie deren Töchtern kommt der Status von Asylberechtigten zu, wobei den beiden Töchtern im Rahmen des Familienverfahrens gemäß § 34 AsylG der Status zuerkannt wurde. Zu diesen besteht seit XXXX kein Kontakt. Die Obsorge kommt der Ex-Ehegattin der Kindesmutter alleine zu.

 

In der Flüchtlingsunterkunft, wo der BF seit XXXX wohnt, ist der BF bisher nie disziplinär aufgefallen.

 

Der BF war ab XXXX mehrere Monate bei XXXX als Renumerant tätig und hat im Rahmen dessen diverse Hilfstätigkeiten (Renovierung von Wohnungen) geleistet.

 

Am XXXX hat der BF am Modul „Sicherheit & Polizei“ teilgenommen.

 

Am XXXX hat der BF den Workshop „Hilfe im Notfall“ besucht.

 

Der BF hat am XXXX die Integrationsprüfung auf Niveau A2 bestanden.

 

Der BF hat in Österreich Deutschqualifizierungsmaßnahmen besucht und spricht auf dem Niveau A2 die deutsche Sprache und hat die Prüfungsvorbereitung für die Deutschprüfung B1+ besucht.

 

Der BF ist in Österreich nicht erwerbstätig und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber.

 

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Von einer Verfolgung wegen §§ 27 (1) Z 1, 27 (2) SMG wurde durch die Staatsanwaltschaft XXXX (Verständigung vom XXXX ) vorläufig zurückgetreten.

 

Im XXXX kam der BF mit XXXX in Kontakt und nimmt seither an Veranstaltungen der XXXX teil. Vom XXXX bis XXXX sowie vom XXXX bis XXXX besuchte der BF den Taufunterricht und wurde am XXXX in der XXXX getauft. Seit der Taufe besucht der BF regelmäßig Gottesdienste sowie Bibel- und Jüngerschaftstreffen und betet täglich.

 

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Iran:

Politische Lage

Letzte Änderung: 19.06.2020

Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (AA 4.3.2020b). Das Staatssystem beruht auf dem Konzept der „velayat-e faqih“, der Stellvertreterschaft des Rechtsgelehrten. Dieses besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen, bis der

12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“ (GIZ 2.2020a; vgl. BTI 2020). Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Er steht noch über dem Präsidenten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt, ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte (AA 4.3.2020a; vgl. FH 4.3.2020, US DOS 11.3.2020) und wesentlich mächtiger als der Präsident. Des Weiteren unterstehen ihm unmittelbar die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC), die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt (AA 26.2.2020).

Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidiales: an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident. Amtsinhaber ist seit 2013 Hassan Rohani, er wurde im Mai 2017 wiedergewählt (ÖB Teheran 10.2019). Der Präsident ist, nach dem Revolutionsführer, der zweithöchste Beamte im Staat (FH 4.3.2020). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 2.2020a). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 10.2019). Hauptaufgabe des Parlaments ist die Ausarbeitung neuer Gesetze, die von der Regierung auf den Weg gebracht werden. Es hat aber auch die Möglichkeit, selbst neue Gesetze zu initiieren. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar 2020 statt (GIZ 2.2020a). Während bei der Parlamentswahl 2016 die Reformer und Moderaten starke Zugewinne erreichen konnten (ÖB Teheran 10.2019), drehte sich dies bei den letzten Parlamentswahlen vom Februar 2020 und die Konservativen gewannen diese Wahlen. Erstmals seit der Islamischen Revolution von 1979 lag die Wahlbeteiligung unter 50%. Zahlreiche Anhänger des moderaten Lagers um Präsident Hassan Rohani hatten angekündigt, der Wahl aus Enttäuschung über die politische Führung fernzubleiben. Tausende moderate Kandidaten waren zudem von der Wahl ausgeschlossen worden (DW 23.2.2020).

Entscheidende Gremien sind des Weiteren der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern, sowie der Wächterrat mit zwölf Mitgliedern (davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte Juristen). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch wesentlich mächtiger. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei allen nationalen Wahlen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. GIZ 2.2020a, FH 4.3.2020, BTI 2020). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 2.2020). Des Weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der „Gesamtinteressen des Systems“ zu achten (AA 4.3.2020a; vgl. GIZ 2.2020a). Er besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Die Interessen des Systems sind unter allen Umständen zu wahren und der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 2.2020a).

Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 2.2020a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 26.2.2020). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahekommen (GIZ 2.2020a; vgl. AA 4.3.2020a). Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und vorsortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH 4.3.2020). Von den 1.499 Männern und

137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Frauen werden bei Präsidentschaftswahlen grundsätzlich als ungeeignet abgelehnt. Die Wahlbeteiligung 2017 betrug 73%. Unabhängige Wahlbeobachter werden nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 26.2.2020).

Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen

„unislamisches“ oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher auch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt Ende 2017 war die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte, was zu einer Halbierung der vollstreckten Todesurteile führte (ÖB Teheran 10.2019).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (4.3.2020a): Politisches Portrait, https://www.auswaertiges- amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/politisches-portrait/202450, Zugriff 7.4.2020

AA – Auswärtiges Amt (4.3.2020b): Steckbrief, https://www.auswaertiges- amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/steckbrief/202394, Zugriff 7.4.2020

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_

%C3%Bcber_die_asyl-

_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020

%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 20.4.2020

BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

DW – Deutsche Welle (23.2.2020): Konservative siegen bei Parlamentswahl im Iran, https://www.dw.com/de/konservative-siegen-bei-parlamentswahl-im-iran/a-52489961 , Zugriff 7.4.2020

FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 7.4.2020

GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (2.2020a): Geschichte und Staat Iran, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/ , Zugriff 7.4.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 7.4.2020

US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 7.4.2020

 

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 19.06.2020

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 4.5.2020).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 4.5.2020; vgl. AA 4.5.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 4.5.2020b).

In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 4.5.2020). In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 4.5.2020b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 4.5.2020b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan, stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 4.5.2020).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 4.5.2020b). Im iranisch- irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften (EDA 4.5.2020). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019).

 

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (4.5.2020b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396 , Zugriff 4.5.2020

EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (4.5.2020): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise - fuerdeniran.html, Zugriff 4.5.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 4.5.2020

 

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 19.06.2020

Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik, in welcher versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 10.2019). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Dieser ist laut Artikel 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz des formalen Verbots, in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption (AA 26.2.2020; vgl. BTI 2020). In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer („Iranian Bar Association“; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt (AA 26.2.2020). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 4.3.2020).

Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 11.3.2020). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 14.1.2020; vgl. AA 26.2.2020, HRC 28.1.2020). Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie z.B. das Recht auf einen Rechtsbeistand (AI 18.2.2020; vgl. HRW 14.1.2020).

Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach dem iranischen Strafgesetzbuch (IStGB) wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).

Wenn sich Gesetze nicht mit einer Situation befassen, dürfen Richter ihrem Wissen und ihrer Auslegung der Scharia Vorrang einräumen. Nach dieser Methode können Richter eine Person aufgrund ihres eigenen „göttlichen Wissens“ für schuldig erklären (US DOS 11.3.2020).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die “Sondergerichte für die Geistlichkeit“ sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015; vgl. BTI 2018).

 

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

 

Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";

Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;

 

Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers; Spionage für fremde Mächte;

 

Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;

 

Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).

 

Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten (AI 22.2.2018).

 

Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020). Im iranischen Strafrecht sind körperliche Strafen wie die Amputation von Fingern, Händen und Füßen vorgesehen. Berichte über erfolgte Amputationen dringen selten an die Öffentlichkeit. Wie hoch die Zahl der durchgeführten Amputationen ist, kann nicht geschätzt werden (AA 26.2.2020). Amputation eines beispielsweise Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen („Qisas“), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Durch Erhalt eines Abstandsgeldes („Diya“) kann der ursprünglich Verletzte jedoch auf die Anwendung einer Blendung verzichten. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen. Auch auf diese kann vom

„Geschädigten“ gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden. Im Jahr 2002 wurde ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, seit 2009 sind keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 10.2019). Zudem sieht das iranische Strafrecht bei bestimmten Vergehen wie zum Beispiel Alkoholgenuss, Missachten des Fastengebots oder außerehelichem Geschlechtsverkehr auch Auspeitschung vor. Regelmäßig besteht aber auch hier die Möglichkeit, diese durch Geldzahlung abzuwenden (AA 26.2.2020).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da sich diese durch Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Bei bestimmten Anklagepunkten – wie z.B. Gefährdung der nationalen Sicherheit – dürfen Angeklagte zudem nur aus einer Liste von zwanzig vom Staat zugelassenen Anwälten auswählen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch, besonders deutlich wird dies bei Verurteilungen wegen Äußerungen in sozialen Medien oder Engagement gegen die Hijab- Pflicht (AA 26.2.2020).

Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon einige Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).

Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen (AA 26.2.2020).

Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter – insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren – nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (AA 26.2.2020).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_

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AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die- asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12- 01-2019.pdf , Zugriff 7.4.2020

AA – Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1115973/4598_1450445204_deutschland-auswaertiges-amt- bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand- november-2015-09-12-2015.pdf , Zugriff 7.4.2020

AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020

AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html , Zugriff 7.4.2020

BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

BTI – Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report — Iran, http://www.bti- project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf, Zugriff 7.4.2020

FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 7.4.2020

HRC – UN Human Rights Council (28.1.2020): Situation of human rights in the Islamic Republic of Iran; Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/43/61], https://undocs.org/en/A/HRC/43/61 , Zugriff 8.4.2020

HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 7.4.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 7.4.2020

US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 7.4.2020

 

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 19.06.2020

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums, die dem Präsidenten berichten, und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC), welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen im ganzen Land, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij-Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten involviert (US DOS 11.3.2020). Organisatorisch sind die Basij den Pasdaran (Revolutionsgarden) unterstellt und ihnen gehören auch Frauen an (AA 26.2.2020). Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen und Universitäten, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (ÖB Teheran 10.2019). Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei, Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über fortschrittlichere Ausrüstung als die reguläre Armee, eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste, die auch mit Inlandsaufgaben betraut sind, sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer (AA 26.2.2020). Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 4.3.2020). Sie betreiben den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügen damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der IRGC Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als 120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Khamenei und den Revolutionsgarden gehören rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitätswerke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018). Längst ist aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden – gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Sehr zum Leidwesen von Hassan Rohani. Der Präsident versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Das gelingt ihm jedoch kaum (Tagesspiegel 8.6.2017; vgl. BTI 2020). Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor nach Belieben – nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen – überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017).

Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela’at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität (Imam Ali Universität). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz (AA 26.2.2020).

Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem „Hohen Rat für den Cyberspace“ beschäftigt sich die iranische Cyberpolizei mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU- Menschenrechtssanktionsliste (AA 26.2.2020).

Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete. Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und für Proteste oder Aufstände. Sie wird von den Revolutionsgarden (IRGC) und den Basij Milizen unterstützt. Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den IRGC. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, ist aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen (BTI 2020).

Der Oberste Führer hat die höchste Autorität über alle Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Fehlverhalten der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter zur Rechenschaft zieht (US DOS 11.3.2020).

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insbesondere westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger, nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierender Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Misshandlung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 10.2019). In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung, ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). Insbesondere die kurdische Region scheint stärker überwacht zu sein, als der Rest des Landes (DIS 7.2.2020).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

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BTI - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

DIS – Danish Immigration Service (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian+Kurds+Feb+2020.pdf , Zugriff 14.5.2020

DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf , Zugriff 7.4.2020

DW – Deutsche Welle (18.2.2016): Die Strippenzieher der iranischen Wirtschaft, http://www.dw.com/de/die-strippenzieher-der-iranischen-wirtschaft/a-19054802 , Zugriff 7.4.2020

FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 7.4.2020

Menawatch (10.1.2018): Die Wirtschaft des Iran ist in den Händen der Revolutionsgarden, https://www.mena-watch.com/die-wirtschaft-des-iran-ist-in-den-haenden-der-revolutionsgarden/ , Zugriff 7.4.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 7.4.2020

Tagesspiegel (8.6.2017): Staat im Staat: Warum Irans Revolutionsgarden so viel Macht haben, https://www.tagesspiegel.de/politik/krise-am-golf-staat-im-staat-warum-irans-revolutionsgarden-so - viel-macht-haben/19907934.html, Zugriff 7.4.2020

US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 7.4.2020

 

Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung: 19.06.2020

Folter ist nach Art. 38 der iranischen Verfassung verboten. Dennoch sind seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung bei Verhören und in Haft, insbesondere in politischen Fällen, durchaus üblich (AA 26.2.2020; vgl. US DOS 11.3.2020, DIS 7.2.2020). Dies betrifft vorrangig nicht registrierte Gefängnisse, aber auch „offizielle“ Gefängnisse, insbesondere den berüchtigten Trakt 209 im Teheraner Evin-Gefängnis, welcher unmittelbar dem Geheimdienstministerium untersteht (AA 26.2.2020; vgl. US DOS 11.3.2020). Die Justizbehörden verhängen und vollstrecken weiterhin grausame und unmenschliche Strafen, die Folter gleichkommen. In einigen Fällen werden die Strafen öffentlich vollstreckt (AI 18.2.2020; vgl. US DOS 13.3.2019, FH 4.3.2020). Zahlreiche Personen wurden wegen Diebstahls oder Überfällen zu Peitschenhieben verurteilt, aber auch wegen Taten, die laut Völkerrecht nicht strafbar sind, wie z. B. Beteiligung an friedlichen Protesten, außereheliche Beziehungen, Alkoholkonsum oder Teilnahme an Feiern, bei denen sowohl Frauen als auch Männer anwesend waren. (AI 18.2.2020).

Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch werden Auspeitschungen zum Teil öffentlich vollstreckt (ÖB Teheran 10.2019). Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, manchmal während die Häftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen – teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser, und die Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 12.2018; vgl. US DOS 11.3.2020).

Folter und andere Misshandlungen passieren häufig in der Ermittlungsphase (HRC 8.2.2019; vgl. DIS 7.2.2020), um Geständnisse zu erzwingen. Dies betrifft vor allem Fälle von ausländischen und Doppelstaatsbürgern, Minderheiten, Menschenrechtsverteidigern und jugendlichen Straftätern (HRC 8.2.2019). Obwohl unter Folter erzwungene Geständnisse vor Gericht laut Verfassung unzulässig sind, legt das Strafgesetzbuch fest, dass ein Geständnis allein dazu verwendet werden kann, eine Verurteilung zu begründen, unabhängig von anderen verfügbaren Beweisen (HRC 8.2.2019; vgl. HRC 28.1.2020). Es besteht eine starke institutionelle Erwartung, Geständnisse zu erzielen. Dies wiederum ist einem fairen Verfahren nicht dienlich (HRC 8.2.2019; vgl. HRW 14.1.2020, HRC 28.1.2020). Frühere Gefangene berichten, dass sie während der Haft geschlagen und gefoltert wurden, bis sie Verbrechen gestanden haben, die von Vernehmungsbeamten diktiert wurden (FH 4.3.2020).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

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AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020

FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 8.4.2020

DIS Danish Immigration Service (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian+Kurds+Feb+2020.pdf , Zugriff 14.5.2020

HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (8.2.2019): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/40/24], https://www.ecoi.net/en/file/local/2005822/a_hrc_40_24_E.pdf , Zugriff 8.4.2020

HRC – UN Human Rights Council (28.1.2020): Situation of human rights in the Islamic Republic of Iran; Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/43/61], https://undocs.org/en/A/HRC/43/61 , Zugriff 8.4.2020

HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 8.4.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 8.4.2020

US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 8.4.2020

 

Korruption

Letzte Änderung: 19.06.2020

Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Bereich vor, aber die Regierung implementiert dieses Gesetz willkürlich. Manchmal werden Korruptionsfälle gegen Beamte rechtmäßig verfolgt, gleichzeitig werden politisch motivierte Anklagen gegen Regimekritiker oder politische Opponenten vorgebracht. Die meisten Beamten betätigen sich weiterhin korrupt und können mit Straffreiheit rechnen. Religiöse Wohltätigkeitsorganisationen, sogenannte „Bonyads“, leisten zwischen einem Viertel und einem Drittel der wirtschaftlichen Leistung des Landes. Bonyads erhalten Begünstigungen durch die Regierung, ihr Finanzgebaren wird jedoch nicht kontrolliert. Oppositionspolitiker und internationale Organisationen bezichtigen diese Bonyads regelmäßig der Korruption. Geleitet werden diese steuerbefreiten Organisationen von Personen, die der Regierung nahe stehen, wie z.B. Angehörige des Militärs oder der Geistlichkeit. Zahlreiche Firmen, die in Verbindung mit den Revolutionsgarden stehen, betätigen sich teils rechtswidrig in Handel und Gewerbe, einschließlich der Bereiche Telekommunikation, Bergbau und Bauwesen. Andere Unternehmen der Revolutionsgarden betätigen sich im Schmuggel von Medikamenten, Drogen und Rohstoffen. Von allen Regierungsmitgliedern (einschließlich Mitglieder des Minister-, Wächter- und Schlichtungsrats und der Expertenversammlung) wird ein jährlicher Bericht über die Vermögenslage verlangt. Es gibt keine Information, ob diese Personen sich an die Gesetze halten (US DOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020).

Auch das Justizwesen ist nicht frei von Korruption (AA 26.2.2020 vgl. US DOS 11.3.2020, BTI 2020). Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit (AA 26.2.2020 vgl. US DOS 11.3.2020). Auch in der Polizei, sozialen Organisationen, im Öffentlichen Dienst und staatlichen Behörden ist Korruption weit verbreitet. Korruption und Gesetzesverstöße sind auch in der politischen Elite weit verbreitet. Menschen werden jedoch selten strafrechtlich verfolgt und wenn sie es werden, ist dies hauptsächlich auf politische Rivalitäten zurückzuführen (BTI 2020).

Transparency International führt Iran in seinem Korruptionsindex von 2019 mit 26 (von 100) Punkten (0=highly corrupt, 100=very clean) auf Platz 146 von 180 untersuchten Ländern (TI 1.2020). Zum Vergleich im Jahr davor, 2018, lag Iran mit 28 (von 100) Punkten auf Platz 138 von 180 untersuchten Ländern (TI 30.1.2019). Es konnte sich in Iran kaum eine eigenständige Wirtschaft entwickeln, dieses Problem wird durch die weit verbreitete Korruption noch verschärft (GIZ 3.2020b).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_

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_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020

%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020

BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 9.4.2020

GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412 , Zugriff 9.4.2020

TI – Transparency International (1.2020): Corruption Perspective Index 2019 – Iran, https://www.transparency.org/cpi2019 , Zugriff 9.4.2020

TI – Transparency International (30.1.2019): Corruption Perspective Index 2018 – Iran, https://www.transparency.org/whatwedo/publication/corruption_perceptions_index_2018 , Zugriff 9.4.2020

US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 9.4.2020

 

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 19.06.2020

Die iranische Verfassung (IRV) vom 15. November 1979 enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Der Generalvorbehalt des Einklangs mit islamischen Prinzipien des Art. 4 IRV lässt jedoch erhebliche Einschränkungen zu. Der im Jahr 2001 geschaffene „Hohe Rat für Menschenrechte“ untersteht unmittelbar der Justiz. Das Gremium erfüllt allerdings nicht die Voraussetzungen der 1993 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten „Pariser Prinzipien“ (AA 26.2.2020).

Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen ratifiziert:

 

Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

 

Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

 

Übereinkommen über die Rechte des Kindes (unter Vorbehalt des Einklangs mit islamischem Recht)

Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie

Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

 

Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes

 

UNESCO Konvention gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen

 

Konvention über die Rechte behinderter Menschen

 

UN-Apartheid-Konvention

 

Internationales Übereinkommen gegen Apartheid im Sport (AA 26.2.2020) Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen nicht ratifiziert:

Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe

 

Fakultativprotokoll zur Antifolterkonvention

 

Zweites Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe

Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau

 

Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen

Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten (AA 26.2.2020).

 

Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer (ÖB Teheran 10.2019). Der iranische Staat verstößt regelmäßig gegen die Menschenrechte nach westlicher Definition (GIZ 2.2020a). Zu den wichtigsten Menschenrechtsfragen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen und ohne einen fairen Prozess, zahlreiche Berichte über rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen, einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen (US DOS 11.3.2020; vgl. AI 18.2.2020, FH 4.3.2020, HRW 14.1.2020). Weiters gibt es unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, erhebliche Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz, insbesondere der Revolutionsgerichte, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Gewalt, Androhung von Gewalt sowie ungerechtfertigter Festnahmen und Strafverfolgung gegen Journalisten, Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschränkungen der Religionsfreiheit, Beschränkungen der politischen Beteiligung durch willkürliche Kandidatenprüfung, weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, Gewalt gegen ethnische Minderheiten, strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen Angehörige sexueller Minderheiten beinhalten, und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften (US DOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020, HRW 14.1.2020). Die Regierung unternahm wenige Schritte, um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet (US DOS 11.3.2020).

Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte, insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 26.2.2020). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (ÖB Teheran 10.2019). Auch Umweltaktivisten müssen mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen (HRW 14.1.2020; vgl. BTI 2020).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_

%C3%Bcber_die_asyl-

_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020

%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020

AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020

BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 1.4.2020

GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020a): Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/#c4398 , Zugriff 14.4.2020

HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 14.4.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 14.4.2020

US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 14.4.2020

 

Meinungs- und Pressefreiheit

Letzte Änderung: 19.06.2020

Die iranische Verfassung garantiert zwar Meinungs- und Pressefreiheit, aber nur insoweit Aussagen nicht „schädlich“ für die grundlegenden Prinzipien des Islams oder die „Rechte der Öffentlichkeit“ sind (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020). In der Praxis sehen sich Meinungs- und Pressefreiheit mit starken Einschränkungen konfrontiert (AA 26.2.2020; vgl. BTI 2020, AI 18.2.2020, US DOS 11.3.2020) und Behörden nutzen das Gesetz, um Personen, die die Regierung direkt kritisieren oder menschenrechtliche Probleme ansprechen, einzuschüchtern und strafrechtlich zu verfolgen (US DOS 11.3.2020). Der staatliche Rundfunk wird streng von Hardlinern kontrolliert und vom Sicherheitsapparat beeinflusst. Nachrichten und Analysen werden stark zensiert (FH 4.3.2020). Die iranischen Justiz- und Sicherheitsbehörden verwenden weiterhin vage definierte Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, um Aktivisten wegen freier Meinungsäußerung zu verhaften und strafrechtlich zu verfolgen (HRW 14.1.2020).

Die iranische Presselandschaft spiegelt eine gewisse Bandbreite unterschiedlicher Positionen innerhalb des politischen Spektrums wider, geprägt wird sie dennoch von einer Vielzahl höchst wandelbarer, da nicht schriftlich fixierter „roter Linien“ des Revolutionsführers, die in erheblichem Maß auch zu Selbstzensur führen. Bei Verstößen gegen ungeschriebene Regeln drohen Verwarnungen, Publikationsverbote, strafrechtliche Sanktionen etwa wegen „Propaganda gegen das System“ bis hin zum Verbot von Medien, sowohl von reformorientierten als auch von konservativen Zeitungen (AA 26.2.2020). „Propaganda gegen den Staat“ ist mit einer einjährigen Freiheitsstrafe sanktioniert, wobei „Propaganda“ nicht definiert ist. Zeitungen und Medien sind daher stets der Gefahr ausgesetzt, bei regierungskritischer oder für hohe Regimevertreter unliebsamer Berichterstattung geschlossen zu werden – dies gilt auch für Regimemedien. Oft werden in diesem Zusammenhang die Zeitungsherausgeber verhaftet (ÖB Teheran 10.2019). Mitarbeiter von ausländischen Presseagenturen (insbesondere kritische farsisprachige Medien wie BBC, DW oder Voice of America) sowie unabhängige Journalisten sind Berichten zufolge oft mit Verzögerungen bei der Gewährung der Presselizenz durch die iranischen Behörden, Verhaftungen, körperlicher Züchtigung sowie Einschüchterung ihrer Familienmitglieder konfrontiert (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020, FH 4.3.2020). Insbesondere im Zusammenhang mit politischen Ereignissen, wie z.B. Wahlen, war in den letzten Jahren immer wieder ein verstärktes Vorgehen gegen Journalisten zu beobachten. Meist werden dabei unverhältnismäßig hohe Strafen wegen ungenau definierter Anschuldigungen wie etwa „regimefeindliche Propaganda“ verhängt (ÖB Teheran 10.2019).

Für Funk- und Fernsehanstalten besteht ein staatliches Monopol. Der Empfang ausländischer Satellitenprogramme ist ohne spezielle Genehmigung untersagt, wenngleich weit verbreitet. Die Behörden versuchen, dies durch den Einsatz von Störsendern (sogenanntes Jamming) zu unterbinden (AA 26.2.2020; vgl. FH 4.3.2020). Die Polizei durchsucht regelmäßig Privathäuser und beschlagnahmt Satellitenschüsseln (FH 4.3.2020). Ebenso werden oppositionelle Webseiten und eine Vielzahl ausländischer Nachrichtenseiten sowie soziale Netzwerke durch iranische Behörden geblockt (AA 26.2.2020; vgl. FH 4.3.2020). Ihr Empfang ist jedoch mithilfe von VPN (Virtual Private Networks) möglich, wird aber „gefiltert“ bzw. mitgelesen und regelmäßig auch gestört. Das Vorgehen der Behörden gegen reformorientierte Medien erstreckt sich auch auf das Internet. Jeder, der sich regimekritisch im Internet äußert, läuft Gefahr, mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, einen „Cyber- Krieg“ gegen das Land führen zu wollen. Die Überwachung persönlicher Daten ist ohne Gerichtsanordnung grundsätzlich verboten. Wenn die nationale Sicherheit bedroht zu sein scheint, wird hiervon jedoch abgesehen (AA 26.2.2020).

Die Behörden gestatten es nicht, das Regierungssystem, den Obersten Führer oder die Staatsreligion öffentlich zu kritisieren. Sicherheitsbehörden bestrafen jene, die diese Einschränkungen verletzen oder den Präsidenten, das Kabinett oder das Parlament öffentlich kritisieren (US DOS 11.3.2020).

Die 1997 unter Khatami gegründete „Association of Iranian Journalists“ wurde 2009 unter Staatspräsident Ahmadinedschad von den Sicherheitskräften geschlossen und hat seitdem trotz pressefreundlicher Wahlkampfversprechen von Rohani ihre Tätigkeit nicht wieder aufgenommen. Im Ausland lebende Journalisten von BBC Farsi berichten von gezielter Verfolgung und Einschüchterungsversuchen. Maßnahmen wie Überwachung, wiederholte Befragungen und das Einfrieren von Konten erstrecken sich dabei auch auf Familien der Betroffenen. Familienangehörige werden unter Druck gesetzt, auf die Beendigung der journalistischen Tätigkeit für BBC Farsi hinzuwirken. Inhaftierte Journalisten sind in Iran – wie alle politischen Gefangenen – besorgniserregenden Haftbedingungen ausgesetzt. Unter politischen Gefangenen und Journalisten kommt es regelmäßig zu Hungerstreiks gegen Haftbedingungen, unter anderem gegen die hygienischen Bedingungen und die mangelhafte medizinische Versorgung (AA 26.2.2020). Auch gegen Personen, die ihre Meinung oder Nachrichten online publizieren (Blogger), wird massiv vorgegangen. Die elektronischen Medien und der Internet-Verkehr sowie Internet-Cafés (obligatorische Personenidentifikation und Überwachungskameras) stehen unter intensiver staatlicher Kontrolle. Millionen Internetseiten sind gesperrt. Regimefeindliche oder

„islamfeindliche“ Äußerungen werden auch geahndet, wenn sie in elektronischen Kommunikationsmedien, etwa auch in sozialen Netzwerken, getätigt werden. Vor allem junge Menschen, welche diese Kommunikationsmittel zum Meinungsaustausch nutzen, laufen Gefahr, wegen ihrer geäußerten regimekritischen Meinung verfolgt zu werden (ÖB Teheran 10.2019).

Ebenso unter Druck stehen Filmemacher und bildende Künstler, vor allem dann, wenn ihre Kunst als „unislamisch“ oder regimekritisch angesehen wird, oder sie ihre Filme an ausländische Filmproduktionsfirmen verkaufen oder auch nur im Ausland aufführen (dazu wurde eine Genehmigungspflicht verhängt). Über zahlreiche Künstler wurden Strafen wegen zumeist

„regimefeindlicher Propaganda“ und anderen Anschuldigungen verhängt. Viele sind regelmäßig in Haft bzw. zu langjährigen Tätigkeits- und Interviewverboten verurteilt (ÖB Teheran 10.2019).

Präsident Rohani hatte in seiner Wahlkampagne eine Lockerung der Zensurpolitik versprochen. Zeitweise wurden einige soziale Netzwerke wieder freigegeben. Rohani bezeichnete den Zugang zum Internet als „Bürgerrecht“ und ist selbst auf Twitter und Facebook aktiv (beide aktuell in Iran gesperrt, wobei dies durch viele Iraner mittels VPN umgangen wird). Trotz seiner vielversprechenden Aussagen und einer (teils heftig geführten) öffentlichen Diskussion insbesondere zum Thema „Cyberspace“ hat sich die Situation aber nicht signifikant verbessert, im Gegenteil: Im ersten Halbjahr 2018 wurde die überaus beliebte Messenger App „Telegram“ gesperrt. Es gibt weiterhin Polizeiaktionen gegen auf Instagram erfolgreichen Frauen, die „unsittliche“ Inhalte (Fotos ohne Kopftuch, Make-up-Videos, Tanzvideos, usw.) teilen (ÖB Teheran 10.2019). Die Messenger App Telegram hatte in Iran mehr als 40 Millionen Nutzer. Auch Facebook und Twitter bleiben blockiert, genauso wie hunderte andere Webseiten (HRW 17.1.2019).

In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen hat sich Iran um sechs Plätze verschlechtert und liegt nun an Position 173 (2019: 170) von 180. Reporter ohne Grenzen bezeichnet Iran als eines der größten Gefängnisse für Journalisten. Verhaftungen von professionellen Journalisten und nicht professionellen Journalisten, vor allem solche, die in sozialen Netzwerken posten, haben sich im Jahr 2018 gesteigert (ROG 2019).

Nahezu jede iranische Familie besitzt eine Satellitenantenne, auch wenn diese offiziell verboten sind. Internet ist weit verbreitet, die Zahl der Internetcafés (Cofee Net) nimmt stetig zu, chatten (und zunehmend auch bloggen) ist eine Art Volkssport unter jungen Iranern. Zudem ist die Zahl an Handys gerade unter jungen Iranern hoch, auch wenn SIM-Karten sehr teuer sind (GIZ 12.2019c).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_

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_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020

%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020

AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020

BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 14.4.2020

GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 14.4.2020

HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 14.4.2020

HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html , Zugriff 14.4.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 14.4.2020

ROG – Reporter ohne Grenzen (2020): Rangliste zur Pressefreiheit 2020, https://www.reporter- ohne- grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ranglisten/Rangliste_2020/Rangliste_der_Pressefreih eit_2020_-_RSF.pdf, Zugriff 14.5.2020

US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 14.4.2020

 

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Letzte Änderung: 19.06.2020

Die Ausübung der verfassungsrechtlich garantierten Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit steht für öffentliche Versammlungen unter einem Genehmigungsvorbehalt. Demonstrationen der Opposition sind seit den Wahlen 2009 nicht mehr genehmigt worden, finden jedoch in kleinem Umfang statt. Demgegenüber stehen Demonstrationen systemnaher Organisationen, zu deren Teilnahme Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung sowie Schüler und Studenten teilweise verpflichtet werden. Ebenfalls ist eine unabhängige gewerkschaftliche Betätigung nicht möglich, denn auch gewerkschaftliche Aktivitäten werden zum Teil mit dem Vorwurf der „Propaganda gegen das Regime“ und „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“ verfolgt. Das Streikrecht hingegen ist prinzipiell gewährleistet (AA 26.2.2020), jedoch können streikende Arbeiter von Entlassung und Verhaftung bedroht sein. Mehrere inhaftierte Arbeiteraktivisten wurden 2019 zu schweren Haftstrafen von 14 Jahren oder mehr verurteilt (FH 4.3.2020). Nach den Ende Dezember 2017 ausgebrochenen Protestdemonstrationen im ganzen Land nahmen Behörden zahlreiche Menschen fest. Berichten zufolge gingen Sicherheitskräfte mit Schusswaffen und anderer exzessiver Gewaltanwendung gegen Protestierende vor und verletzten und töteten unbewaffnete Demonstrierende. Zahlreiche friedliche Regierungskritiker (Oppositionelle, Journalisten, Blogger, Studierende etc.) wurden aufgrund von vage formulierten Anklagen, die sich auf die nationale Sicherheit bezogen, inhaftiert (AA 12.1.2019). Seit diesen Protesten im Dezember 2017 haben die Behörden das Recht auf friedliche Versammlung systematisch verletzt (HRW 17.1.2019). Die Sicherheitskräfte, insbesondere die Geheimdienstorganisation der Revolutionsgarden (IRGC), unterdrücken weiterhin Aktivisten der Zivilgesellschaft und behalten friedliche Versammlungen, besonders arbeitsbedingte Proteste fest im Griff (HRW 14.1.2020).

Vereinigungen auf Arbeitnehmerseite werden misstrauisch beobachtet. Es gibt keine Betätigungsmöglichkeit für unabhängige Gewerkschaften (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020). Erlaubt sind nur „Islamische Arbeitsräte“ unter der Aufsicht des „Haus der Arbeiter“ (keine unabhängige Institution). Mitglieder und Gründer unabhängiger Gewerkschaftsgruppierungen wie etwa die Teheraner Busfahrergewerkschaft, die Zuckerrohrarbeitergewerkschaft oder die Lehrergewerkschaft wurden in den letzten Jahren zunehmend häufig verhaftet, gefoltert und bestraft. Proteste gegen zu geringe oder gar nicht ausbezahlte Löhne mehren sich seit Anfang 2018, auch dabei kommt es immer wieder zu Festnahmen. Es kommt auch vermehrt zu Protesten im Zusammenhang mit zunehmendem Wassermangel in manchen Teilen des Landes. Seit Anfang 2018 sind auch Umweltaktivisten von Verfolgung bedroht. Unter dem Vorwurf der (mitunter

„unbewussten“) Spionage im Umfeld von atomaren Einrichtungen wurden seit Jänner 2018 mehrere Dutzend Personen inhaftiert (ÖB Teheran 10.2019).

Die iranischen Behörden unterdrückten brutal landesweite Proteste, die nach dem Anstieg der Kraftstoffpreise am 25. November 2019 ausbrachen. Videomaterial und Augenzeugenberichte, die nach einer fast vollständigen Schließung des Internets durch die Regierung im Land entstanden waren, zeigen Sicherheitskräfte, die sich direkt gegen Demonstranten richteten. Es sollen über 200 Menschen bei diesen Protesten getötet worden sein und laut Schätzungen ca. 7.000 Personen verhaftet worden sein (HRW 14.1.2020; vgl. DIS 7.2.2020).

In Iran gibt es keine politischen Parteien mit vergleichbaren Strukturen westlich-demokratischer Prägung (ÖB Teheran 10.2019; vgl. GIZ 2.2020a). Auch im Parlament existiert keine, mit europäischen Demokratien vergleichbare, in festen Fraktionen organisierte parlamentarische Opposition. Bei Wahlen (sowohl bei Präsidenten- als auch Parlamentswahlen) nimmt der Wächterrat die Auswahl der Kandidaten vor. Kandidaten werden unter fadenscheinigen Gründen aussortiert – dabei wurden auch schon ehemalige Präsidenten als „nicht geeignet“ ausgeschlossen. Die entscheidende Konfliktlinie im iranischen Parlament liegt oft zwischen den Rohani-Loyalen (Reformern und Moderaten) einerseits und den Anhängern der Revolutionstreuen (Parlamentspräsident Ali Larijani, Oberster Führer Khamenei) andererseits, bisweilen kommen aber auch andere Gegensätze zum Tragen. Der Spielraum für die außerparlamentarische Opposition wird vor allem durch einen Überwachungsstaat eingeschränkt, was die Vernetzung oppositioneller Gruppen extrem riskant macht (Einschränkung des Versammlungsrechts, Telefon- und Internetüberwachung, Spitzelwesen, Omnipräsenz von Basij-Vertretern u.a. in Schulen, Universitäten sowie Basij-Sympathisanten im öffentlichen Raum, etc.) (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020). Viele Anhänger der Oppositionsbewegungen wurden verhaftet, haben Iran verlassen oder sind nicht mehr politisch aktiv. Ohne entsprechende Führung und angesichts umfassender Überwachung der Kommunikationskanäle spielen die verbleibenden Oppositionellen kaum eine Rolle. Das Fehlen oppositioneller Führungspersonen zeigte sich auch bei den Unruhen zum Jahreswechsel 2017/18 und den Protesten im November 2019 (AA 26.2.2020). Die Verfassung lässt die Gründung politischer Parteien, von Berufsverbänden oder religiösen Organisationen so lange zu, als sie nicht gegen islamische Prinzipien, die nationale Einheit oder die Souveränität des Staates verstoßen und nicht den Islam als Grundlage des Regierungssystems in Frage stellen. Hinzu kommen immer wieder verhängte drakonische Strafen aufgrund diffuser Straftatbestände („regimefeindliche Propaganda“, „Beleidigung des Obersten Führers“ etc.). Darüber hinaus werden Angehörige der außerparlamentarischen Opposition immer wieder unter anderen Vorwürfen festgenommen. An sich gäbe es ein breites Spektrum an Ideologien, die die Islamische Republik ablehnen, angefangen von den Nationalisten bis hin zu Monarchisten und Kommunisten. Eine markante Führungspersönlichkeit fehlt bei sämtlichen oppositionellen Gruppierungen (ÖB Teheran 10.2019).

Die Oppositionsführer Mehdi Karroubi und Mir Hossein Mussawi sowie dessen Ehefrau Zahra Rahnavard stehen noch immer ohne Anklage oder Gerichtsverfahren unter Hausarrest, der 2011 gegen sie verhängt worden war (AI 18.2.2020; vgl. BTI 2020, ÖB Teheran 10.2019, AA 26.2.2020).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_

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%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020

AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die- asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12- 01-2019.pdf , Zugriff 15.4.2020

AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020

BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

DIS – Danish Immigration Service (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian+Kurds+Feb+2020.pdf , Zugriff 14.5.2020

FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 15.4.2020

GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (2.2020a): Geschichte und Staat Iran,https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/ , Zugriff 15.4.2020

HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 15.4.2020

HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html , Zugriff 15.4.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 15.4.2020

 

Haftbedingungen

Letzte Änderung: 19.06.2020

 

Die Haftbedingungen in iranischen Gefängnissen sind von massiver Überbelegung geprägt. Berichten zufolge kommt es auch vor, dass bei Überbelegung der Zellen Häftlinge im Freien untergebracht werden (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020, FH 4.3.2020), oder sie müssen auf Gängen oder am Boden schlafen. Geschätzt gibt es ca. eine Viertelmillion Häftlinge (US DOS 11.3.2020). Die Haftbedingungen sind sehr oft auch gesundheitsschädigend. Berichtet wird über unzureichende Ernährung und Verweigerung notwendiger medizinischer Behandlung, in Einzelfällen mit tödlichen Folgen. Auch ist von mangelnder Hygiene auszugehen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020, FH 4.3.2020, HRW 14.4.2020).

In den Gefängnissen wird auch von physischer und psychischer Folter berichtet. Dies gilt auch und gerade im Zusammenhang mit Häftlingen, die unter politischem Druck stehen, zu intensive Kontakte mit Ausländern pflegen, etc. Neben Elektroschocks werden u.a. Schläge, Verbrennungen, Vergewaltigungen, Scheinhinrichtungen, Verhaftung der Familie, Einzelhaft und Schlafentzug verwendet. Dazu kommt vielfach der nicht oder nur ganz selten mögliche Kontakt mit der Außenwelt. Oft ist es Angehörigen während mehrerer Wochen oder Monate nicht möglich, Häftlinge zu besuchen. Politische Gefangene oder Minderjährige werden teils mit kriminellen Straftätern zusammengelegt, wodurch Übergriffe nicht selten sind (ÖB Teheran 10.2019). Die Haftbedingungen für politische und sonstige Häftlinge weichen stark voneinander ab. Dies betrifft in erster Linie den Zugang zu medizinischer Versorgung (einschließlich Verweigerung grundlegender Versorgung oder lebenswichtiger Medikamente) sowie hygienische Verhältnisse. Es kommt regelmäßig zu Hungerstreiks gegen Haftbedingungen (AA 26.2.2020). Die Grenzen zwischen Freiheit, Hausarrest und Haft sind in Iran manchmal fließend. Politisch als unzuverlässig geltende Personen werden manchmal in „sichere Häuser“ gebracht, die den iranischen Sicherheitsbehörden unterstehen, wo sie ohne Gerichtsverfahren Monate oder sogar Jahre festgehalten werden. Ein besonders prominentes Beispiel ist Oppositionsführer Mehdi Karroubi, der zusammen mit seiner Frau und zwei anderen Oppositionsführern seit 2011 unter Hausarrest steht (ÖB Teheran 10.2019). Von Hungerstreiks in iranischen Gefängnissen wird des Öfteren berichtet, in der Regel entschließen sich politische Häftlinge dazu (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020).

Es ist nach wie vor üblich, Inhaftierte zu foltern und anderweitig zu misshandeln, z. B. in Form von Einzelhaft über lange Zeiträume hinweg. Die größte Gefahr droht Inhaftierten bei Verhören. Die Behörden gingen Foltervorwürfen grundsätzlich nicht nach und zogen die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft. Folter soll zu mehreren Todesfällen in Gewahrsam geführt oder dazu beigetragen haben (AI 18.2.2020).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_

%C3%Bcber_die_asyl-

_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020

%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020

AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020

FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 15.4.2020

HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 15.4.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 15.4.2020

US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 15.4.2020

 

Todesstrafe

Letzte Änderung: 19.06.2020

Die Todesstrafe steht auf Mord (wobei die Familie des Opfers gegen Zahlung von Blutgeld auf die Hinrichtung verzichten kann), Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel (nur mehr bei besonders schweren Vergehen), schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, „Moharebeh“ („Waffenaufnahme gegen Gott“) und homosexuelle bzw. außereheliche Handlungen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. HRW 14.4.2020, AA 26.2.2020). Des weiteren terroristische Aktivitäten, Waffenbeschaffung, Hoch- und Landesverrat, Veruntreuung und Unterschlagung öffentlicher Gelder, Bandenbildung, Beleidigung oder Entweihung von heiligen Institutionen des Islams oder heiligen Personen (z.B. durch Missionstätigkeit), Vergewaltigung und Geschlechtsverkehr eines Nicht-Muslimen mit einer Muslimin (AA 26.2.2020). Auch der Abfall vom Islam (Apostasie) kann mit der Todesstrafe geahndet werden (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019). In den letzten 20 Jahren ist es jedoch zu keiner Hinrichtung aus diesem Grund gekommen (AA 26.2.2020).

Der größte Anteil der Hinrichtungen entfällt mittlerweile auf Verurteilungen wegen Mord (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020) und Sexualdelikten. Die Hinrichtungen werden regelmäßig durch Erhängen, selten durch Erschießen, z.T. öffentlich durchgeführt (ÖB Teheran 10.2019) und auch (selten) gegen zum Tatzeitpunkt Minderjährige (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020, HRW 14.4.2020, FH 4.3.2020, HRC 28.1.2020, AI 18.2.2020). Das Alter der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Buben liegt bei 15 und für Mädchen bei 9 Jahren (ÖB Teheran 12.2018; vgl. AA 26.2.2020) und kann bei Eintritt der Volljährigkeit vollstreckt werden. 2018 wurden mindestens vier zur Tatzeit minderjährige Täter/innen hingerichtet. Mehreren weiteren zur Tatzeit Minderjährigen droht aktuell die Hinrichtung. 2019 wurden erstmals auch zwei zum Zeitpunkt der Hinrichtung Minderjährige verzeichnet (AA 26.2.2020). In der Vergangenheit konnten einige Hinrichtungen von Jugendlichen aufgrund von großem internationalen Druck (meist in letzter Minute) verhindert werden (ÖB Teheran 10.2019). Hinrichtungen erfolgen weiterhin regelmäßig ohne rechtlich vorgeschriebene vorherige Unterrichtung der Familienangehörigen, die Herausgabe des Leichnams wird teilweise verweigert oder verzögert (AA 26.2.2020). In Bezug auf die Anzahl der jährlichen Hinrichtungen befindet sich Iran nach China weltweit an zweiter Stelle (FH 4.3.2020).

Im Jänner 2018 trat eine Gesetzesänderung zur Todesstrafe bei Drogendelikten in Kraft. Wer Drogenstraftaten aufgrund von Armut oder Arbeitslosigkeit begeht, wird nicht mehr zum Tode verurteilt. Über gewalttätige Drogenstraftäter und solche, die mehr als 100 Kilo Opium oder zwei Kilo industrielle Rauschgifte produzieren oder verbreiten, wird weiterhin die Todesstrafe verhängt (ÖB Teheran 10.2019). Diese Gesetzesänderungen führten zu einer Überprüfung der Todesstrafe für Tausende von Häftlingen (FH 4.3.2020) und die Anzahl der bekannt gewordenen Hinrichtungen sank (AI 10.4.2019; vgl. HRW 14.1.2020, FH 4.3.2020, HRC 8.2.2019). Das neue Gesetz gilt rückwirkend, sodass dadurch etwa 2.000 bis 5.000 bereits zum Tode Verurteilte von der Todesstrafe verschont bleiben könnten (AA 26.2.2020). Nichtsdestotrotz hat Iran im Laufe des Jahres 2019 fast 300 Menschen hingerichtet, darunter mindestens zwei jugendliche Straftäter (FH 4.3.2020). Viele Todesurteile werden nach internationalen Verfahrensstandards widersprechenden Strafverfahren gefällt: Es wird immer wieder von durch Folter erzwungenen Geständnissen oder fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Verteidiger bzw. fehlender freier Wahl eines Verteidigers berichtet, insbesondere bei „politischen“ oder die „nationale Sicherheit“ betreffenden Fällen. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen (auf welche vom

„Geschädigten“ gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden kann). Zwar wurde im Jahr 2002 ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, jedoch wurde dies im Jahr 2009 vom damaligen Justizsprecher für nicht bindend erklärt. Es befinden sich noch mehrere Personen beiderlei Geschlechts auf der „Steinigungsliste“. Seit 2009 sind jedoch keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 10.2019).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_

%C3%Bcber_die_asyl-

_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020

%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020

AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020

AI – Amnesty International (10.4.2019): Todesurteile und Hinrichtungen 2018, https://www.amnesty.at/media/5416/act50-9870-2019_uebersetzung_at.pdf , Zugriff 15.4.2020

FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 15.4.2020

HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (8.2.2019): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/40/24], https://www.ecoi.net/en/file/local/2005822/a_hrc_40_24_E.pdf , Zugriff 15.4.2020

HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (28.1.2020): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/43/61], https://undocs.org/en/A/HRC/43/61 , Zugriff 15.4.2020

HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 15.4.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 15.4.2020

 

Religionsfreiheit

Letzte Änderung: 19.06.2020

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA Analyse 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019).

Anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha‘i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament (ÖB Teheran 10.2019). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA Analyse 23.5.2018; vgl. FH 4.3.2020). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA Analyse 23.5.2018; vgl. FH 4.3.2020) und ihre politische Vertretung bleibt schwach (FH 4.3.2020).

Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 10.2019).

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt (AI 18.2.2020).

Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache Farsi sind verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 26.2.2020).

Schiitische Religionsführer, welche die Regierungspolitik nicht unterstützen, sind weiterhin Einschüchterungen und Verhaftungen ausgesetzt (US DOS 21.6.2019).

Laut der in den USA ansässigen NGO „United for Iran“ waren 2018 mindestens 272 Angehörige religiöser Minderheitengruppen aufgrund des Praktizierens ihrer Religion inhaftiert, 165 Gefangene wegen „Feindschaft gegen Gott“, 34 wegen „Beleidigung des Obersten Führers und Ayatollah Khomeini“ und 20 wegen „Korruption auf Erden“ (US DOS 21.6.2019).

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 18.2.2020). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie jedoch sehr selten (wenn überhaupt noch vorhanden), bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 10.2019).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_

%C3%Bcber_die_asyl-

_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020

%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020

AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020

BFA Analyse (23.5.2018): Iran – Situation armenischer Christen, https://www.ecoi.net/en/file/local/1431384/5818_1525418941_iran-analyse-situation-armenischer- christen-2018-05-03-ke.pdf , Zugriff 17.4.2020

FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 17.4.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 17.4.2020

US DOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom

Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011176.html , Zugriff 17.4.2020

 

Christen

Letzte Änderung: 19.06.2020

Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen – solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten – ihren Glauben relativ frei ausüben. Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben. Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden. Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA Analyse 23.5.2018). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung zuerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA 26.2.2020). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam. Grundrechtlich besteht „Kultusfreiheit“ innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime weder Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, noch Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit. Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten (Proselytismusverbot) und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor, wobei es in den letzten Jahren zu keinem derartigen Urteil kam. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen („Hauskirchen“) oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot (ÖB Teheran 10.2019).

Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (US DOS 21.6.2019).

Im Weltverfolgungsindex 2020 von Christen von Open Doors befindet sich Iran, wie im letzten Jahr, auf dem neunten Platz. Im Beobachtungszeitraum (November 2018 – Oktober 2019) wurden 169 Christen verhaftet, 114 von ihnen in einer einzigen Woche Ende 2018 (Open Doors 2020).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_

%C3%Bcber_die_asyl-

_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020

%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020

BFA Analyse (23.5.2018): Iran – Situation armenischer Christen, https://www.ecoi.net/en/file/local/1431384/5818_1525418941_iran-analyse-situation-armenischer- christen-2018-05-03-ke.pdf , Zugriff 20.4.2020

DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf , Zugriff 20.4.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 20.4.2020

Open Doors (2020): Weltverfolgungsindex 2020 Länderprofil Iran, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran , Zugriff 20.4.2020

US DOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom

Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011176.html , Zugriff 20.4.2020

 

 

Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen

Letzte Änderung: 19.06.2020

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2019). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“ (ÖB Teheran 10.2019; vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2020; vgl. AA 26.2.2020). Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und

„Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (zehn und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019). Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2020).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2019).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2019).

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit

„Konversion“ vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese „Konversion“ ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte“ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan- Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2019).

Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online- Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.3.2020; vgl. AI 18.2.2020). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low- profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 10.2019). Die Regierung nutzt unverhältnismäßig hohe Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2020).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high- profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht- muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 21.6.2019).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die- asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12- 01-2019.pdf , Zugriff 20.4.2020

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_

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AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020

DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf , Zugriff 20.4.2020

FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 20.4.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 20.4.2020

Open Doors (2020): Weltverfolgungsindex 2020 Länderprofil Iran, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran , Zugriff 20.4.2020

US DOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom

Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011176.html , Zugriff 20.4.2020

 

Ethnische Minderheiten

Letzte Änderung: 19.06.2020

Iran gehört mit etwa 80 Millionen Einwohnern zu den 20 bevölkerungsreichsten Ländern der Erde. Das Bevölkerungswachstum beträgt etwa 1,1%. Dabei ist die iranische Gesellschaft weit heterogener als die offizielle Staatsdoktrin glauben machen will. Nur etwa 51% der Iraner sind Perser. Dazu kommt die Volksgruppe der Aseris mit 24% der Gesamtbevölkerung, etwa 8% Gilakis und Mazanderanis, 7% Kurden, 3% Araber und je etwa 2% Turkmenen, Luren und Belutschen. Die diesbezüglich genannten Zahlen variieren teils beträchtlich. Zudem leben viele Flüchtlinge im Land, von denen die afghanischen mit etwa zwei Millionen weiterhin die größte Gruppe stellen, gefolgt von irakischen. Insgesamt ist Iran im Moment das fünftgrößte Aufnahmeland für Flüchtlinge weltweit. Die ethnischen Minderheiten des Iran leben eher in den Grenzregionen des Landes zu seinen Nachbarn, die Kurden etwa im Nordwesten, die Araber in der Region um den Persischen Golf. Dennoch sind Entwicklungen wie etwa im Irak oder Afghanistan im Iran nicht zu erwarten. Abseits eines gern gepflegten Patriotismus zur eigenen Ethnie sind separatistische Bewegungen ethnischer Minderheiten kein vielen Nachbarstaaten vergleichbares Problem. Sie beschränken sich auf einige Gruppierungen in Belutschistan und Kurdistan, wobei gerade hier die Regierung immer wieder gern selbst Separatismus unterstellt, um diesem mit Gewalt zuvorzukommen (GIZ 12.2019c).

Es sind keine Rechtsverletzungen gegen Mitglieder ethnischer Minderheiten aus rein ethnischen Gesichtspunkten bekannt (ÖB Teheran 10.2019). Von Diskriminierungen im Alltag (rechtlich, wirtschaftlich und/oder kulturell, z.B. Zugang zu Wohnraum, Wasser und Bildung) wurde jedoch u.a. gegen Angehörige der arabischen Gemeinschaft der Ahwazi, Aseris, Belutschen, Kurden und Turkmenen berichtet. Der Gebrauch ihrer jeweiligen Muttersprache in Behörden und Schulen ist weiterhin verboten, trotz entsprechender Zusagen von Präsident Rohani während seines Wahlkampfes im Jahr 2013. Menschen, die sich für Minderheitenrechte einsetzen, können bedroht, festgenommen und bestraft werden (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020).

Der Vielvölkerstaat Iran verfolgt gegenüber ethnischen Minderheiten grundsätzlich eine auf Ausgleich bedachte Politik, v.a. die Aseri sind in Staat und Wirtschaft sehr gut integriert (AA 26.2.2020). Die Infrastruktur von Regionen, wo Minderheiten wohnen, sind allerdings zum Teil stark vernachlässigt (BMI 2015; vgl. AA 26.2.2020, FH 4.3.2020, AI 18.2.2020). Angehörigen ethnischer Minderheiten, die die Verletzung ihrer Rechte kritisieren, drohen willkürliche Inhaftierung, Einzelhaft, Folter und andere Misshandlungen, grob unfaire Gerichtsverfahren und Gefängnisstrafen. Geheimdienste und Sicherheitsorgane beschuldigten Aktivisten, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten, sie würden "separatistische Strömungen" unterstützen, die Irans territoriale Integrität bedrohten (AI 18.2.2020).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_

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AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020

BMI – Langanger, Simone (2015): Kurdish political parties in Iran, in: BMI - Bundesministerium für Inneres (Taucher, Wolfgang; Vogl, Mathias; Webinger, Peter [eds.]): regiones et res publicae - The Kurds: History - Religion - Language - Politics,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1447760239_bfa-regiones-et-res-publicae-the-kurds-2015.pdf , Zugriff 4.6.2019

FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 22.4.2020

GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 22.4.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 22.4.2020

 

Kurden

Die Kurden (überwiegend Sunniten) sind hinsichtlich ihrer kulturellen Eigenständigkeit staatlicher Diskriminierung ausgesetzt. Dennoch werden sie in größerer Zahl in hohe Ämter der Provinzverwaltungen und zunehmend auch in der Ministerialbürokratie berufen (so gibt es eine kurdischstämmige Vize-Innenministerin). Der iranische Staatsrundfunk sendet stundenweise kurdischsprachige Sendungen auf dem Regionalsender IRIB Kurdistan. In der Verfassung vorgesehener Schulunterricht sowie Studiengänge in kurdischer Sprache sind seit Erlass von Rohani im Jahr 2016 rechtlich möglich. Es ist jedoch nicht nachprüfbar, in welchem Umfang Unterricht an Schulen und Universitäten tatsächlich angeboten wird, da er nicht aktiv vom iranischen Staat gefördert wird (AA 26.2.2020). Die Regierung schränkt kulturelle und politische Aktivitäten der Kurden ein (HRW 14.1.2020). Problematisch sind vor allem kulturelle Aktivitäten, die politisch werden (DIS/DRC 23.2.2018). Zahlreiche Kurden wurden willkürlich inhaftiert, darunter auch Menschenrechtsaktivisten, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten (AI 18.2.2020).

Die kurdische Region des Iran ist militarisiert und die iranische Regierung überwacht die kurdische Bevölkerung durch regelmäßige Checkpoints ebenso wie durch die Nutzung von Telekommunikation und sozialen Medien. Die iranische Regierung sieht jede Art von politischem oder zivilem Aktivismus als potenzielle Bedrohung an, insofern können sowohl politische als auch zivilgesellschaftliche Aktivisten von Verfolgung bedroht sein (DIS 7.2.2020). Seit dem Unabhängigkeitsreferendum der irakischen Kurden im September 2017 wurde die Präsenz von Militär und Revolutionsgarden deutlich erhöht (AA 26.2.2020; vgl. DIS 7.2.2020) und einige Mitglieder der lokalen Bevölkerung arbeiten als Informanten für die iranischen Behörden (DIS 7.2.2020). Die militärische und geheimdienstliche Präsenz ist nicht immer sichtbar. Die Überwachung in diesem Gebiet ist nicht systematisch, aber strukturiert und auch nicht zufällig, sondern gezielt (DIS/DRC 23.2.2018).

Kurdischen Aktivisten werden in vielen Fällen von der Zentralregierung separatistische Tendenzen vorgeworfen und diese entsprechend geahndet (AA 26.2.2020; vgl. DIS 7.2.2020). Unter den politisch Verfolgten sind daher verhältnismäßig viele Kurden. Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen - insbesondere die Unterstützung der als Terrororganisation geltenden PJAK (partiya jiyana azad a kurdistane, „Partei für ein freies Leben in Kurdistan", Schwesterorganisation der PKK in Iran), der kommunistischen Komala-Par- tei, oder der KDP-Iran - und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß. Derzeit sollen etwa 100 Kurden auf ihre Hinrichtung warten. Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019; vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Im ersten Halbjahr 2019 wurden 651 Personen wegen Drogenschmuggel und -konsum verhaftet (ÖB Teheran 10.2019). KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts

chland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschie

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• AI - Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020

• DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https: //www.ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984Jssues-concerning-persons-of- ethnic-minorities-induding-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf, Zugriff 22.4.2020

• DIS - Danish Immigration Service (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian +Kurds+Feb+2020.pdf, Zugriff 14.5.2020

• HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2022677.html , Zugriff 22.4.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 22.4.2020

 

Frauen

Letzte Änderung: 19.06.2020

Generell genießt die Familie in Iran, ebenso wie in den meisten anderen islamischen Gesellschaften, einen hohen Stellenwert. Der Unterschied zwischen Stadt und Land macht sich aber auch hier bemerkbar, in Bezug auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau sowie auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Auf dem Land hat das traditionelle islamische Rollenmodell weitgehende Gültigkeit, der Tschador, der Ganzkörperschleier, dominiert hier das Straßenbild. In den großen Städten hat sich dieses Rollenverständnis verschoben, wenn auch nicht in allen Stadtteilen. Während des Iran- Irak-Krieges war, allen eventuellen ideologischen Bedenken zum Trotz, die Arbeitskraft der Frauen schlicht unabdingbar. Nach dem Krieg waren Frauen aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken oder gar zu entfernen. Die unterschiedliche und sich verändernde Stellung der Frau zeigt sich auch an den Kinderzahlen: Während in vielen ländlichen, gerade den abgelegeneren Gebieten fünf Kinder der Normalfall sind, sind es in Teheran und Isfahan im Durchschnitt unter zwei. Viele junge Frauen begehren heute gegen die nominell sehr strikten Regeln auf, besonders anhand der Kleidungsvorschriften für Frauen wird heute der Kampf zwischen einer eher säkular orientierten Jugend der Städte und dem System in der Öffentlichkeit ausgefochten. Eine Bewegung, die sich in den letzten Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut, ist der islamische Feminismus. Dieser will die Rechte der Frau mittels einer islamischen Argumentation durchsetzen. Auch wenn die Stellung der Frau in Iran, entgegen aller Vorurteile gegenüber der Islamischen Republik, in der Praxis sehr viel besser ist als in vielen anderen Ländern der Region, sind Frauen auch hier nicht gleichberechtigt (GIZ 12.2019c). Verschiedene gesetzliche Verbote machen es Frauen unmöglich, im gleichen Maße wie Männer am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen (strenge Kleiderordnung, Verbot des Zugangs zu Sportveranstaltungen, Fahrradverbot) (AA 26.2.2020).

In rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind iranische Frauen vielfältigen Diskriminierungen unterworfen, die jedoch zum Teil relativ offen diskutiert werden. Von einigen staatlichen Funktionen (u.a. Richteramt, Staatspräsident) sind Frauen gesetzlich oder aufgrund entsprechender Ernennungspraxis ausgeschlossen. Laut offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosenrate bei Frauen bei 20,8% (1,11 Millionen). Unter Frauen mit höherer Bildung liegt sie noch deutlich höher. Auch nach der Population Situation Analysis der Universität Teheran vom Sommer 2016 besteht im Bereich der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt erhöhter Nachholbedarf. Allerdings ist der Spielraum der Regierung beschränkt, da konservative Vertreter immer wieder die traditionelle Rolle der Frau in der islamischen Familie betonen (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Die stagnierende wirtschaftliche Lage Irans hat ein stetiges Wachstum der Arbeitslosenrate in den vergangenen Jahren zur Folge gehabt. Insbesondere hat die hohe Arbeitslosigkeit im Land auch Einfluss auf die wirtschaftliche Situation von alleinstehenden Frauen genommen; u.a. sieht das Gesetz nicht die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern vor. Außerdem haben selbst gut qualifizierte Frauen Schwierigkeiten, eine Arbeitsstelle zu finden (ÖB Teheran 10.2019). Weiters legt das Gesetz es Frauen nahe, sich für drei Viertel der regulären Arbeitszeit von Männern zu bewerben und Frauen brauchen das Einverständnis ihres Ehemannes, um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Außerdem werden Stellen oft geschlechtsspezifisch ausgeschrieben, sodass es Frauen verwehrt wird, sich – ungeachtet ihrer Qualifikationen – für bestimmte Positionen zu bewerben. Auch von sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz wird berichtet. Die gravierenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit verhindern außerdem den Zusammenschluss erwerbstätiger Frauen in Gewerkschaften, um Frauenrechte effektiver vertreten und einfordern zu können (ÖB Teheran 10.2019). Die Erwerbsquote von Frauen liegt nur bei etwa 12%. Viele Frauen sind im informellen Sektor tätig (BTI 2020).

In rechtlicher Hinsicht unterliegen Frauen einer Vielzahl diskriminierender Einschränkungen. Prägend ist dabei die Rolle der (Ehe-)frau als dem (Ehe-)mann untergeordnet, wie sich sowohl in Fragen der Selbstbestimmung, des Sorgerechtes, der Ehescheidung als auch des Erbrechts erkennen lässt (AA 26.2.2020; vgl. HRW 14.1.2020, ÖB Teheran 10.2019, AI 26.2.2019). Beispielsweise darf eine verheiratete Frau ohne die schriftliche Genehmigung ihres Mannes (oder Vaters) keinen Reisepass erhalten oder ins Ausland reisen (HRW 14.1.2020; vgl. FH 4.3.2020). Nach dem Zivilgesetzbuch hat ein Ehemann das Recht, den Wohnort zu wählen, und kann seine Frau daran hindern, bestimmte Berufe auszuüben (HRW 14.1.2020). Im Straf- bzw. Strafprozessrecht sind Frauen bereits mit neun Jahren vollumfänglich strafmündig (Männer mit 15 Jahren), ihre Zeugenaussagen werden hingegen nur zur Hälfte gewichtet (AA 26.2.2020) und die finanzielle Entschädigung, die der Familie eines weiblichen Opfers nach ihrem Tod gewährt wird, ist nur halb so hoch, wie die Entschädigung für ein männliches Opfer (FH 4.3.2020). Weitere diskriminierende Vorschriften finden sich im Staatsangehörigkeitsrecht, internationalen Privatrecht, Arbeitsrecht sowie im Sozialversicherungsrecht (AA 26.2.2020).

Bei Verstößen gegen gesetzliche Verbote müssen Frauen mit Strafen rechnen. So kann etwa eine Frau, die ihre Haare oder die Konturen ihres Körpers nicht verhüllt, mit Freiheitsstrafe (zehn Tage bis zu zwei Monaten) und/oder Geldstrafe bestraft werden. Grundsätzlich ist auch die Verhängung von bis zu 74 Peitschenhieben wegen Verstoßes gegen die öffentliche Moral möglich; dazu kommt es in der Regel nicht, da die Familien von der Möglichkeit des Freikaufs überwiegend Gebrauch machen (AA 26.2.2020). Laut Gesetz darf eine jungfräuliche Frau nicht ohne Einverständnis ihres Vaters, Großvaters oder eines Richters heiraten (US DOS 11.3.2020). Väter und Großväter können bei Gericht eine Erlaubnis einholen, wenn sie das Mädchen früher verheiraten wollen. Das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen liegt bei 13 Jahren (AA 26.2.2020; vgl. AI 22.2.2018), jenes für Jungen bei 15 Jahren. Kinder- und Zwangsehen sind daher weiterhin ein Problem, besonders im sunnitischen und ländlichen Raum sind Kinderehen häufig, weil der „Wert“ der Braut mit dem Alter abnimmt (ÖB Teheran 10.2019).

Im Oktober 2019 genehmigte der Wächterrat eine Änderung des Zivilgesetzbuchs des Landes, die es iranischen Frauen, die mit ausländischen Männern verheiratet sind, ermöglicht, für ihre Kinder die Staatsbürgerschaft zu beantragen (US DOS 11.3.2020; vgl. HRW 14.1.2020, AI 18.2.2020). Frauen müssen diese Übertragung jedoch eigens beantragen, und ihre Kinder müssen sich einer Sicherheitsüberprüfung durch das Geheimdienstministerium unterziehen, während die Staatsbürgerschaft iranischer Männer automatisch an deren Kinder übertragen wird (AI 18.2.2020).

Gesetzliche Regelungen räumen geschiedenen Frauen das Recht auf Alimente ein. Angaben über (finanzielle) Unterstützung vom Staat für alleinerziehende Frauen sind nicht auffindbar. Das Gesetz sieht vor, dass geschiedenen Frauen vorzugsweise das Sorgerecht für ihre Kinder bis zu deren siebentem Lebensjahr gegeben werden soll. Danach soll das Sorgerecht dem Vater übertragen werden, außer dieser ist dazu nicht imstande. Heiraten geschiedene Frauen erneut, verlieren sie das Sorgerecht für Kinder aus einer früheren Ehe (ÖB Teheran 10.2019).

Alleinstehende, nicht geschiedene Frauen haben Schwierigkeiten, selbstständig eine Wohnung zu mieten und alleine zu wohnen, da gesellschaftliche Normen verlangen, dass eine unverheiratete Frau im Schutze ihrer Familie oder eines männlichen Familienmitglieds lebt. Im Gegensatz dazu dürfte es gesellschaftlich akzeptiert sein, dass geschiedene Frauen alleine wohnen. Aufgrund der Schwierigkeit für Frauen, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ist der familiäre Rückhalt für alleinstehende Frauen umso bedeutender. Jedoch erhalten manche Frauen, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm leben (wie zum Beispiel lesbische Frauen oder Prostituierte), keine Unterstützung durch die Familie und können Opfer von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat werden (ÖB Teheran 10.2019).

Häusliche Gewalt ist in Iran sehr weit verbreitet und die Gesetze dagegen sind schwach. Ein Drittel der Frauen gibt an, Opfer physischer Gewalt geworden zu sein, über die Hälfte gibt an, mit psychischer Gewalt konfrontiert worden zu sein. Krisenzentren und Frauenhäuser nach europäischem Modell existieren in Iran nicht. Angeblich sollen staatlich geführte Einrichtungen für alleinstehende Frauen, Prostituierte, Drogenabhängige oder Mädchen, die von Zuhause davon gelaufen sind, vorhanden sein. Informationen über diese Einrichtungen sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Genauere Informationen über mögliche Unterstützungen des Staates für alleinstehende Frauen sind nicht eruierbar (ÖB Teheran 10.2019).

Der Staat ist verpflichtet, Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen. Frauen, die ehelicher oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, können aber nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass effektiver staatlicher Schutz gewährt wird. Fälle von Genitalverstümmelung sind nicht bekannt (AA 26.2.2020). Vergewaltigung ist illegal und unterliegt strengen Strafen, einschließlich der Todesstrafe (US DOS 11.3.2020). Das Gesetz betrachtet Sex innerhalb der Ehe per Definition als einvernehmlich und behandelt daher keine Vergewaltigung in der Ehe, auch nicht in Fällen von Zwangsheirat (US DOS 11.3.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Die meisten Vergewaltigungsopfer melden Verbrechen nicht, weil sie offizielle Vergeltungsmaßnahmen oder Strafen für Vergewaltigungen befürchten, wie zum Beispiel Anklagen wegen Unanständigkeit, unmoralischem Verhalten oder Ehebruch. Ehebruch wiederum ist ebenfalls mit der Todesstrafe bedroht. Auch gesellschaftliche Repressalien oder Ausgrenzung werden von Vergewaltigungsopfern befürchtet (US DOS 11.3.2020).

Der Wächterrat ließ keine der 137 Frauen, die bei der Präsidentschaftswahl 2017 antreten wollten, für eine Kandidatur zu. Aufgrund des gesetzlichen Zwangs, ein Kopftuch (Hidschab) zu tragen, stehen Frauen im Visier von Polizei und paramilitärischen Kräften. Sie können schikaniert und festgenommen werden, wenn Haarsträhnen unter ihrem Kopftuch hervorschauen, wenn sie stark geschminkt sind oder eng anliegende Kleidung tragen (AI 22.2.2018). Frauen, die sich gegen die Kopftuchpflicht einsetzen, können Opfer staatlich unterstützter Verleumdungskampagnen werden (AI 18.2.2020). Nach anderen Berichten will die Polizei Frauen, die sich auf den Straßen "unislamisch" kleiden oder benehmen, nunmehr belehren statt bestrafen. Frauen, die (in der Öffentlichkeit) die islamischen Vorschriften nicht beachten, würden laut Teherans Polizeichef seit einiger Zeit nicht mehr auf die Wache gebracht. Vielmehr würden sie gebeten, an Lehrklassen teilzunehmen, um ihre Sichtweise und ihr Benehmen zu korrigieren. In Iran müssen alle Frauen und Mädchen ab neun Jahren gemäß den islamischen Vorschriften in der Öffentlichkeit ein Kopftuch und einen langen, weiten Mantel tragen, um Haare und Körperkonturen zu verbergen. "Sünderinnen" droht die Festnahme durch die Sittenpolizei, in manchen Fällen auch ein Strafverfahren und eine hohe Geldstrafe. Laut Polizeichef Rahimi gab es 2017 bereits mehr als 120 solcher Aufklärungsklassen, an denen fast 8.000 Frauen teilgenommen haben. Bewirkt haben sie anscheinend aber wenig. Nach der Wiederwahl des moderaten Präsidenten Hassan Rohani und der Ausweitung der gesellschaftlichen Freiheiten werden besonders abends immer mehr Frauen ohne Kopftuch in Autos, Cafés und Restaurants der Hauptstadt gesehen (Standard.at 27.12.2017; vgl. Kurier.at 27.12.2017).

Seit Ende Dezember 2017 fordern immer mehr iranische Frauen eine Abschaffung der Kopftuchpflicht. Als Protest nehmen sie in der Öffentlichkeit ihre Kopftücher ab und hängen sie als Fahne auf. Auch gläubige Musliminnen, die das Kopftuch freiwillig tragen, ältere Frauen, Männer und angeblich auch einige Kleriker haben sich den landesweiten Protestaktionen angeschlossen (Kleine Zeitung 3.2.2018). Die Proteste wurden von den Sicherheitskräften rasch eingedämmt, von der Judikative wurden schwere Strafen (z. T. mehrjährige Haft) verhängt. Dennoch wurde dadurch eine öffentliche Debatte angestoßen. Das Forschungszentrum des Parlaments veröffentlichte etwa eine Studie, welche die geringe Zustimmung zum Kopftuchzwang thematisierte und sogar dessen Abschaffung in Erwägung zog (ÖB Teheran 10.2019). Im Oktober 2018 kam es wieder zu vereinzelten Berichten über Frauen, die ihr Kopftuch abgenommen hatten (ÖB Teheran 10.2019, BTI 2020). Auch 2019 wurden diesbezüglich von Verhaftungen berichtet (ÖB Teheran 10.2019). Auch die Diskussion über den Zugang von Frauen zu Sportveranstaltungen ist immer noch Gange. Im Oktober 2019 durften Frauen auf Druck der FIFA erstmals ein Fußball-Länderspiel im Stadion verfolgen (AA 26.2.2020). Das Thema ist für Frauen nach wie vor wichtig, Anfang September 2019 zündete sich eine Frau an, als ihr eine Haftstrafe drohte (sie hatte sich als Mann verkleidet, um an einem Fußballmatch teilzunehmen) (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_

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%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 23.4.2020

AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020

AI – Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Iran [MDE 13/9900/2019],

https://www.ecoi.net/en/file/local/2003678/MDE1399002019ENGLISH.PDF , Zugriff 23.4.2020

AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html , Zugriff 24.4.2020

BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 23.4.2020

GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 23.4.2020

HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html , Zugriff 23.4.2020

Kleine Zeitung (3.2.2018): Bericht: "Besorgniserregender Widerstand gegen Kopftuch", https://www.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/5365790/Strafen-helfen-im-Iran-nicht - mehr_Besorgniserregender-Widerstand, Zugriff 23.4.2020

Kurier.at (27.12.2017): Belehrung statt Bestrafung für "unislamisch" gekleidete Iranerinnen, https://kurier.at/politik/ausland/belehrung-statt-bestrafung-fuer-unislamisch-gekleidete - iranerinnen/303.910.665, Zugriff 23.4.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 23.4.2020

Standard.at (27.12.2017): Belehrung statt Bestrafung für "unislamisch" gekleidete Iranerinnen, https://derstandard.at/2000071088880/Belehrung-statt-Bestrafung-fuer-unislamisch-gekleidete - Iranerinnen, Zugriff 23.4.2020

US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 23.4.2020

 

Bewegungsfreiheit

Letzte Änderung: 19.06.2020

Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Im Prinzip respektiert die Regierung diese Rechte, es gibt jedoch einige Einschränkungen, besonders für Frauen und Flüchtlinge. Die Regierung verlangt von allen Bürgern für Auslandsreisen Ausreisebewilligungen. Bürger, die auf Staatskosten ausgebildet wurden oder Stipendien erhalten haben, müssen diese entweder zurückzahlen, oder erhalten befristete Ausreisebewilligungen (US DOS 11.3.2020). Die Regierung schränkt auch die Reisefreiheit von einigen religiösen Führern, Mitgliedern von religiösen Minderheiten und Wissenschaftern in sensiblen Bereichen ein. Journalisten, Akademiker, oppositionelle Politiker und Menschen- und Frauenrechtsaktivisten sind von Reiseverboten und Konfiszierung der Reisepässe betroffen. Verheiratete Frauen dürfen nicht ohne die Zustimmung ihrer Männer ins Ausland reisen (US DOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020).

Zur Ausreise aus Iran benötigt ein iranischer Staatsangehöriger einen gültigen Reisepass und einen Nachweis über die Bezahlung der Ausreisegebühr (4.400.000 IRR, ca. 28 bis 45 € je nach Wechselkurs).

Die illegale Ausreise erfolgt zumeist auf dem Landweg unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Türkei (AA 26.2.2020). Soweit Repressionen praktiziert werden, geschieht dies landesweit unterschiedslos. Ausweichmöglichkeiten bestehen somit nicht (AA 26.2.2020).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_

%C3%Bcber_die_asyl-

_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020

%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 24.4.2020

FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 24.4.2020

US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 23.4.2020

 

Grundversorgung

Letzte Änderung: 19.06.2020

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 15,7 Mio. Rial im Monat (ca. 110 Euro). Das durchschnittliche monatliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. Rial (ca. 400 Euro) (AA 26.2.2020).

Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert (ÖB Teheran 10.2019; vgl. BTI 2020). Die Weltbank erwartet in den Jahren 2018-2020 eine anhaltende Rezession, der Internationale Währungsfonds sogar einen Rückgang des BIP. Das Budget wird durch die sinkenden Erdölexporte erheblich belastet werden, weshalb ein Sinken der öffentlichen Ausgaben zu erwarten ist (ÖB Teheran 10.2019).

Aufgrund der im Vergleich zu Europa extrem jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr viele Berufseinsteiger auf den Arbeitsmarkt. Um diesen Menschen Arbeit zu geben, wäre die Schaffung von rund einer Million Arbeitsplätzen pro Jahr erforderlich. Neben Arbeitslosigkeit spielt in Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechende Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen aber auch ein gewaltiger „brain drain“, der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigt (ÖB Teheran 10.2019).

Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht zu großen Teilen unter staatlicher Kontrolle (GIZ 3.2020b). Der staatliche Sektor (staatliche und halbstaatliche Unternehmen) macht etwa 80% der iranischen Wirtschaftstätigkeit aus, während der private und kooperative Sektor nur 20% ausmacht (BTI 2020). So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen, auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher eine eigenständige Wirtschaft nur bedingt entwickeln. Eine etablierte Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe (GIZ 3.2020b). Die iranische Regierung ist der größte Monopolist des Landes, gefolgt von den Revolutionsgarden und anderen einflussreichen Institutionen und Menschen. Es gibt ein Gesetz gegen das Monopol, obwohl noch nie ein Unternehmen oder eine Person für monopolistische Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen wurde (BTI 2020). Erst in den letzten eineinhalb Jahrzehnten wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80- 85% der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da zudem etwa 60% dieses Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran nahezu komplett von den Einnahmen aus dem Ölexport abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Lebensstandard vieler Iraner hängt vom Ölpreis ab. Problematisch sind auch die völlig veralteten Förderanlagen und Raffinerien des Landes. Aufgrund der Sanktionen konnten diese nicht modernisiert werden. Hindernisse bei der Modernisierung iranischer Förderanlagen und Raffinerien führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin lange staatlich subventioniert wurde, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11% des BIP. Hebt die Regierung den Benzinpreis an oder begrenzt die ausgegebenen Rationen, führt das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 3.2020b). Die letzten Proteste diesbezüglich entfachten sich im November 2019, als der Treibstoffpreis erhöht wurde. Dies war das jüngste Zeichen einer Wirtschaftskrise, die durch eine Kombination aus von den USA geführten Handelssanktionen und Misswirtschaft durch das Regime ausgelöst wurde. Die Krise bereitet der iranischen Bevölkerung ernsthafte Schwierigkeiten und macht sie anfälliger für Ausbeutung (FH 4.3.2020).

Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads (GIZ 3.2020b; vgl. BTI 2020). Heute gibt es etwa

120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan-e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftung jedoch im (Teil-)Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company. Politisch steht sie den Revolutionswächtern nahe, viele ihrer hohen Beamten kommen aus deren Reihen. Vor allem mit Hilfe dieser Stiftungen, die beide offiziell direkt dem Revolutionsführer unterstehen, setzt der iranische Staat seine Vorstellungen einer islamischen Wirtschaftspolitik um und verteilt großzügig Gelder für politische Gefälligkeiten (GIZ 3.2020b). Diese Institutionen sind weder der Regierung noch der Justiz gegenüber rechenschaftspflichtig. Außerdem genießen die Bonyads viele Privilegien wie Steuerbefreiungen und einen ausschließlichen Zugang zu lukrativen Regierungsverträgen (BTI 2020).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_

%C3%Bcber_die_asyl-

_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020

%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 24.4.2020

BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html , Zugriff 24.4.2020

GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412 , Zugriff 24.4.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 24.4.2020

 

Sozialbeihilfen

Letzte Änderung: 19.06.2020

Dem Gesundheitsministerium ist auch die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen. Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten „Hohen Versicherungsrat“ (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die „Organisation für Sozialversicherung“ (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in dessen System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen (ÖB Teheran 10.2019). Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Beitragsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch in der Höhe von ca. 20 Euro pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Höhe von 70-80% des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 450.000 IRR (ca. 3 Euro, sog. Yarane) (AA 26.2.2020).

 

Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 26.2.2020).

Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber und privaten Anbietern oder Organisationen angeboten werden (IOM 2019).

Eine staatliche Arbeitslosenhilfe gibt es nicht, es sei denn der Rückkehrer oder dessen Arbeitgeber haben monatliche Beiträge an eine entsprechende Versicherungsfirma gezahlt. Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Die Sozialversicherung schützt im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Berufsunfällen und auch bei altersbedingtem Ausscheiden. Seit 2003 wurden die zuständigen Institutionen überholt und zusammengelegt, um Ineffektivität und Redundanzen zu vermeiden. Das System deckt alle Angestellten und Freiberuflichen ab, wobei letztere zwischen verschiedenen Stufen wählen können. Freiwillige Abdeckung ist für vorher versicherte Personen bis 55 Jahre verfügbar (mindestens 30 Tage) sowie für die Gruppe der Berufskraftfahrer. Spezielle Systeme gibt es darüber hinaus für Staatsangestellte und Militärangehörige. Solange Rückkehrende für eine iranische Organisation/Firma arbeiten, übernehmen die Arbeitgeber den Großteil der Beiträge. Ansonsten muss (je nach gewähltem Angebot) selbst eingezahlt werden. Für Angestellte müssen 7% des monatlichen Gehalts abgegeben werden, während Selbstständige und Private einen individuell abgestimmten Beitrag in Gänze bezahlen (IOM 2019).

Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die „sadeqe“, die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, dass der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 3.2020b).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_

%C3%Bcber_die_asyl-

_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020

%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 28.4.2020

GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412 , Zugriff 28.4.2020

IOM – International Organization for Migration (2019): Länderinformationsblatt Iran, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/772190/18364150/Iran_%2D

_Country_Fact_Sheet_2019%2C_deutsch.pdf?nodeid=21860035&vernum=-2, Zugriff 28.4.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 28.4.2020

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 19.06.2020

Seit der islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert jedem Staatsbürger das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung. Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität. Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors und NGOs. Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird (ÖB Teheran 10.2019; vgl. IOM 2019). Notfallhilfe bei Natur- oder menschlich verursachten Katastrophen wird durch den gut ausgestatteten und flächendeckend organisierten iranischen Roten Halbmond besorgt (ÖB Teheran 10.2019). Der Rote Halbmond ist auch die zentrale Stelle für den Import von speziellen Medikamenten, die für Patienten in speziellen Apotheken erhältlich sind. In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind, Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitscenter kontaktieren und einen Termin vereinbaren (IOM 2019).

Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Das Gesundheitswesen ist zwar fast flächendeckend – laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung, die Qualität schwankt jedoch (GIZ 12.2019c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 29.4.2020a). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei bis zu 24 Jahren. Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Khorasan, sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (ÖB Teheran 10.2019).

Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen „Behvarz“ (Gesundheitspersonal, das nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) und für durchschnittlich 1.500 Personen zuständig, wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird, und mehr als 85% der ländlichen Bevölkerung in dieser Weise „nahversorgt“ werden. In Städten übernehmen sogenannte „Gesundheitsposten“ in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser. Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren (ca. 3.000 landesweit) zu finden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an ca. 730 städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind (ÖB Teheran 10.2019). 90% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essenziellen Gesundheitsdienstleistungen (IOM 2019).

Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind und die Staatsausgaben für das Gesundheitswesen erheblich zugenommen haben, müssen durchschnittlich 55% der Gesundheitsausgaben von den versicherten Personen in bar direkt an die Gesundheitsdienstleister entrichtet werden („Out-of-pocket expenditure“ ohne staatliche oder von Versicherungen unterstützte Hilfeleistungen), sei es bei staatlichen oder größtenteils privaten sekundären oder tertiären Einrichtungen (ÖB Teheran 10.2019). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, dass die Versorgung des Kranken mit Gütern des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 12.2019c).

Die Regierung versucht kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten, insofern gibt es zwei verschiedene Krankenversicherungen: entweder durch die Arbeit oder privat. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI www.tamin.ir/ . Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern abgedeckt (IOM 2019).

Versicherung durch Arbeit: Regierungsangestellte profitieren vom kostenfreien Zugang zur staatlichen Krankenversicherung. Private Firmen decken die Unfallversicherung für ihre eigenen Mitarbeiter (IOM 2019).

Private Versicherung: Mit Ausnahme von Regierungsangestellten müssen sich alle iranischen Bürger selbst privat versichern, wenn deren Arbeitgeber dies nicht bereits erledigen. Um die Versicherung zu erhalten, sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig (IOM 2019).

Salamat Versicherung: Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Die Registrierung erfolgt online unter: http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html . Die Registrierung erfordert eine geringe Gebühr (IRR 20.000). Pro Jahr sollten 2,450.000 IRR vom Begünstigten eingezahlt werden. Es gibt Ärzte und private Zentren, die eine öffentliche und/oder SALAMAT-Versicherung akzeptieren, um einen Teil der Ausgaben zu decken. Um zu 90% abgedeckt zu sein, muss man sich auf staatliche bzw. öffentliche Krankenhäuser und Zentren beziehen. TAMIN EJTEMAEI Krankenhäuser decken 100% der versicherten Kunden ab (IOM 2019). Die „Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste“ (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Für anerkannte Flüchtlinge wurde eine eigene Versicherungsorganisation geschaffen. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die „Imam Khomeini Stiftung“, um nicht versicherte Personen, etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge, wobei letztere kaum Chancen auf eine gute Gesundheitsversorgung haben (ÖB Teheran 10.2019).

Alle iranischen Staatsbürger inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt, wie bereits oben beschrieben, zwei verschiedene Arten von Krankenversicherung: Versicherung über den Arbeitsplatz oder private Versicherung. Beide werden von der öffentlichen Versicherung im Iran TAMIN EJTEMAEI verwaltet. Die Anmeldung erfolgt über www.tamin.ir/ . Die Leistungen variieren dabei je nach gewähltem Versicherungsschema. Informationen zu verschiedenen Varianten erhält man bei der Anmeldung.

 

Notwendige Dokumente: Eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto, und ein vollständiges medizinisches Check-up sind notwendig. Weitere Dokumente können noch verlangt werden. Zuschüsse hängen von der gewählten Versicherung des Klienten ab, über die er/sie während der Registrierung ausführlich informiert wird. Jegliche Kosten werden vom Arbeitgeber getragen, sobald die Person eine Arbeit in Iran aufnimmt. Andernfalls müssen die Kosten selber getragen werden (IOM 2019).

Für schutzbedürftige Gruppen im Iran gibt es zwei Arten von Zentren: Öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, älteren Menschen, Behinderten (inklusive psychischer Probleme), ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem psychosoziale Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen, Suchtbehandlungen, etc. Es gibt einige Zentren unter Aufsicht der BEHZISTI Organisation, welche Personen in Not Hilfe gewähren. Solche Leistungen sind kostenfrei. Aufgrund der hohen Nachfrage und einiger Beschränkungen bevorzugen viele zahlungspflichtige private Zentren (IOM 2019).

Im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen den Iran ist es zu gelegentlichen Engpässen beim Import von speziellen Medikamentengruppen gekommen (IOM 2019; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Im Generellen gibt es aber keine ernsten Mängel an Medizin, Fachärzten oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem des Iran. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es für Bürger Privatkrankenhäuser mit Spezialleistungen in größeren Ballungsräumen. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern (IOM 2019).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (29.4.2020a): Reise- und Sicherheitshinweise - Gesundheit, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran - node/iransicherheit/202396#content_5, Zugriff 29.4.2020

GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 29.4.2020

IOM – International Organization for Migration (2019): Länderinformationsblatt Iran, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/772190/18364150/Iran_%2D

_Country_Fact_Sheet_2019%2C_deutsch.pdf?nodeid=21860035&vernum=-2, Zugriff 29.4.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 29.4.2020

 

Rückkehr

Letzte Änderung: 19.06.2020

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. Eine Einreise ist lediglich mit einem gültigen iranischen Reisepass möglich. Die iranischen Auslandsvertretungen sind angewiesen, diesen jedem iranischen Staatsangehörigen auf Antrag auszustellen (AA 26.2.2020).

Zum Thema Rückkehrer gibt es kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 10.2019).

Iranische Flüchtlinge im Nordirak können offiziell nach Iran zurückkehren. Dafür werden iranische Identitätsdokumente benötigt. Wenn Personen diese Dokumente nicht besitzen, können sie diese beantragen. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber durchaus zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein (DIS/DRC 23.2.2018). In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen wird berichtet, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch durchaus üblich, dass Personen die Grenze zwischen Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weit verbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie nach Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind natürlich möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird wohl nichts geschehen (DIS/DRC 23.2.2018).

Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen betroffen sein (AA 26.2.2020). Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online-Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach IStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_

%C3%Bcber_die_asyl-

_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020

%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 29.4.2020

DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-persons-of- ethnic-minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf , Zugriff 29.4.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 29.4.2020

 

Dokumente

Letzte Änderung: 19.06.2020

Gefälschte bzw. mit falschen Angaben erstellte Dokumente sind in Iran einfach erhältlich (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020). Auch echte Dokumente unrichtigen Inhaltes sind einfach zu beschaffen (z.B. ein echtes Stammbuch (Shenasname), in dem Privatpersonen eine nicht existierende Ehefrau eintragen) (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019).

Sowohl die von iranischen Behörden als auch von der afghanischen Botschaft in Iran ausgestellten Dokumente bestätigen unrichtige Angaben. Eine Überprüfung ist seitens der österreichischen Botschaft nicht möglich. Die Überprüfung von Haftbefehlen kann von der Botschaft aufgrund von Datenschutz nicht durchgeführt werden. Die Überprüfung von Dokumenten von Afghanen (Aufenthaltsbestätigungen, Arbeitserlaubnis) ist auch kaum möglich, da deren Erfassung durch die staatlichen Behörden selten erfolgt, viele illegal im Land sind, geduldet werden und sich auch die Wohnorte häufig ändern. Allfällige allgemeine Erhebungen durch den Vertrauensanwalt führen daher zu nicht wirklich belastbaren, da nicht überprüfbaren Aussagen. Die afghanische Botschaft hat laut UNHCR jedenfalls kürzlich begonnen, Identitätsnachweise an afghanische Personen in Iran auszustellen (ÖB Teheran 10.2019).

Die offizielle Registrierungsbehörde nimmt alle iranischen Staatsangehörigen in ihre Datenbank auf. Auslandsvertretungen sind nicht ermächtigt, Auskünfte einzuholen. Ein formales Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren ist nicht bekannt (AA 26.2.2020).

 

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_

%C3%Bcber_die_asyl-

_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020

%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 28.4.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf , Zugriff 28.4.2020

 

Individuell:

Die Islamische Republik Iran hat eine Vielzahl von Maßnahmen zur Eindämmung der Krankheit unternommen.

 

Die iranische Regierung beschloss als Reaktion auf den Ausbruch von COVID 19 keine totale Abriegelung, wie dies in vielen anderen Ländern der Fall war, sondern schloss Bildungseinrichtungen und verbot kulturelle, religiöse und sportliche Versammlungen. Bis heute und bis auf weiteres wurden seitens der iranischen Regierung folgende Maßnahmen ergriffen, um die weitere Ausbreitung von COVID 19 zu verhindern:

- Wie von der Nationalen Task Force zur Bekämpfung des Coronavirus genehmigt, wird das Land aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus in drei Zonen weiß, gelb und rot eingeteilt. Eine Stadt/ein Ort wird als weiße Zone eingestuft, wenn die durchschnittliche Zahl der täglichen Neuerkrankungen in den letzten zwei Wochen <1 beträgt. 60 Städte im ganzen Land, einschließlich der Hauptstädte aller Provinzen, sind bisher als rote Zonen eingestuft, 116 Städte als weiße Zone und etwa 400 Städte als gelbe Zonen.

- Ansässige Personen jeder Stadt dürfen nur in diese Stadt einreisen, die Einreise von Nichtansässigen ist verboten. Den Nichtansässigen steht es frei, in ihre Wohnstadt zurückzukehren. Sie dürfen keine Städte auf ihrem Weg betreten, sondern diese passieren.

- Schulen und Universitäten bleiben geschlossen. Parks, Freizeit- und Erholungszentren, Schwimmbäder und ähnliche Orte, an denen sich Menschenmassen aufhalten, bleiben bis auf weiteres geschlossen. Restaurants haben begrenzte Öffnungszeiten.

- Soziale Distanzierung und das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit wurden von der iranischen Regierung vorgeschrieben.

- Regierungsbüros sind seit dem 11. April 2020 wieder geöffnet, jedoch mit neuen Regelungen.

- Bis auf weiteres ist es verboten, offizielle, nicht-offizielle und religiöse Versammlungen sowie Zeremonien und Rituale abzuhalten. Auch während des heiligen Monats Ramadan sind religiöse Versammlungen verboten, Moscheen bleiben geschlossen.

- Der Verkehr von Krankenwagen, Sanitätsfahrzeugen, Polizei, Lastwagen mit Waren und Gütern des täglichen Bedarfs sowie von Treibstoff unterliegt nicht den Verboten dieses Plans. Der Verkehr von Angestellten und Arbeitern, deren Wohn- und Arbeitsort sich an zwei verschiedenen Orten befinden (z.B. in benachbarten Städten), wird gegen Vorlage gültiger Ausweispapiere gestattet.

- Verkehr von Studenten der medizinischen Wissenschaften und Personen mit anderen erforderlichen Fachkenntnissen, wie Fernmeldetechniker usw., wird in Abstimmung mit den zuständigen Behörden, soweit erforderlich, und durch Vorlage gültiger Ausweisdokumente gestattet.

 

Die Regierungs-Webseite der Islamischen Republik Iran berichtet aus einem Interview zu den jüngsten Entscheidungen des zur Bekämpfung des Coronavirus-Ausbruchs eingerichteten nationalen Ausschusses zusammengefasst, dass es laut Gesundheitsminister Saeid Namaki von Anfang an einer der Pläne war, Reisen und Versammlungen, die zur Ausbreitung der Krankheit beitrugen, einzuschränken. „Zu diesen Maßnahmen gehörten die Schließung von Schulen, Universitäten und Turnhallen, die Absage von Spielen, die Schließung von Kinos und Theaterräumen, die Streichung der Freitagsgebete der Gemeinden und die Schließung religiöser Zentren", sagte der Minister. Er merkte an, dass die meisten öffentlichen Zentren in Zusammenarbeit mit den Behörden geschlossen wurden, aber die anhaltende Besorgnis galt den nicht unbedingt notwendigen Reisen der Menschen. Der Minister stellte fest, dass nun ein neues Maßnahmenpaket eingeführt worden sei, um einer möglichen zweiten Welle der Ausbreitung des Virus entgegenzuwirken. So sei zum Beispiel entschieden worden, welche Betriebe geschlossen werden sollen und welche offenbleiben können, um Dienstleistungen für die Öffentlichkeit anzubieten. "Supermärkte und Geschäfte, die die Grundbedürfnisse der Menschen verkaufen, werden rund um die Uhr geöffnet sein, und die Menschen sollten sich darüber keine Sorgen machen", sagte der Minister. Auf der Grundlage der neuen Maßnahmen werde der Reiseverkehr innerhalb und zwischen Städten und Provinzen weiter eingeschränkt werden. "Natürlich haben wir einen Zeitraum für die Rückkehr der Reisenden festgelegt, und wir werden es ihnen ermöglichen, während dieser Zeit in ihre Heimat zurückzukehren", sagte er. Der Gesundheitsminister unterstrich, dass es im Land genügend Krankenhausbetten für jeden Patienten gibt.

 

Die Regierungs-Webseite der Islamischen Republik Iran berichtet, dass im Rahmen des Plans zur Bekämpfung des Coronavirus-Ausbruchs sich nur Einwohner einer Stadt in dieser aufhalten dürfen. Das bedeutet, dass Reisen verboten sind. Außerdem müssen diejenigen, die auf Reisen sind, so schnell wie möglich nach Hause zurückkehren. Auch diejenigen, die sich in ihrer Heimatstadt aufhalten, sollten nicht auf Reisen gehen, da es nicht erlaubt ist, in andere Städte einzureisen. Die ersten beiden Ziffern des Nationalcodes, des Kennzeichens, der Versicherungsnummer usw. zeigen an, ob sie in einer bestimmten Stadt wohnen oder nicht. Personen, die in einer Stadt leben und an einem anderen Ort arbeiten, dürfen pendeln, müssen aber ihren Ausweis mit sich führen. Wenn sich Reisende in andere Städte als ihre Heimatstadt begeben, dürfen sie laut Plan nicht einreisen. Wenn sie illegal in die Stadt einreisen, werden ihre Autos für einen Monat beschlagnahmt und sie müssen eine Strafe zahlen. Ebenfalls im Rahmen der Initiative werden Universitäten, Schulen, Parks und Fitnessstudios geschlossen bleiben. Beschränkungen für Bahn-, Flug- und Landreisen bleiben bestehen. Unternehmen, die die Grundbedürfnisse der Menschen decken, bleiben offen, und einige Unternehmen bleiben geschlossen, solange der Sozialplan in Kraft ist. Unternehmen, die gegen das Gesetz verstoßen, werden für einen Monat geschlossen. Nach dem Plan ist es verboten, Zeremonien abzuhalten, die zu Versammlungen führen und das Risiko der Verbreitung der Krankheit erhöhen würden. Auf der Grundlage der Direktive des Präsidialamtes werden Regierungsabteilungen und -institutionen ihre Arbeit so weit wie möglich durch Telearbeit erledigen, wobei die physische Anwesenheit der Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz auf ein Minimum beschränkt wird. Gegenwärtig befinden sich rund 2 Millionen Menschen, die in Schulen und Bildungszentren arbeiten, auf Urlaub, aber auch Mitarbeiter des Gesundheitswesens und medizinisches Personal sowie Polizei und Strafverfolgungsbehörden sind im Dienst.

 

Die Regierungs-Webseite der Islamischen Republik Iran berichtet, dass der Iran von Katar etwa 8,5 Tonnen Sanitär- und Medizinbedarf, darunter 1.173.000 Operationsmasken sowie Hygieneartikel und Desinfektionsmittel erhalten hat. Die Lieferungen sollen dem iranischen Ministerium für Gesundheit und medizinische Bildung und dem Hauptquartier übergeben werden, das die Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus-Ausbruchs durchführt. Die beiden werden die Gegenstände dementsprechend an Krankenhäuser und medizinische Zentren im ganzen Land verteilen. Katar hatte bereits am 14. März 2020 eine weitere Sendung mit 5,5 Tonnen hygienischer und medizinischer Hilfsgüter geschickt.

 

Die Regierungs-Webseite der Islamischen Republik Iran berichtet zusammengefasst, dass laut Saeed Namaki bis zum heutigen Tag [14.3.2020] über 6,5 Millionen Haushalte kontrolliert wurden und die Verdachtsfälle in Zentren gebracht wurden.

 

Die Regierungs-Webseite der Islamischen Republik Iran berichtet zusammengefasst, dass die Regierung folgende Maßnahmen zur Prävention und Eindämmung des Virus in Zusammenarbeit mit allen verwandten Institutionen und unter Aufsicht des Gesundheitsministeriums ergriffen hat. Kurz nach dem Ausbruch in Wuhan stoppte der Iran Flüge von und nach China. Die in Wuhan lebenden iranischen Studenten wurden evakuiert und dann im Iran unter Quarantäne gestellt. Diagnostik-Kits wurden ins Land eingeführt, und bei Verdachtsfällen werden unverzüglich Coronatests durchgeführt. Darüber hinaus wurden landesweit 6.000 Aufsichtsbeamte in der Prävention und Kontrolle des Coronavirus geschult, und Schulen wurden angewiesen, die Krankheit zu bekämpfen. Ferner wurden Konzerte, Filme und Sportveranstaltungen bis zum Wochenende abgesagt. Museen, Schulen und Universitäten in den meisten Provinzen sind geschlossen. Die Verteilung kostenloser Masken steht ebenfalls auf der Tagesordnung. Das Bildungsministerium sollte an einem nationalen Plan arbeiten, um Ausbildungs- und präventive Gesundheitskurse für die Studenten und Mitarbeiter anzubieten. Alle Kongresse, Versammlungen, Lager und Wettbewerbe wurden bis auf weiteres verboten. Die Schulen waren außerdem verpflichtet, Flüssigseife, mit Müllbeuteln ausgestattete Mülltonnen und Desinfektionsmittel zu verwenden. Die Verteilung von gekochtem Essen und handgemachten Sandwiches wurde verboten. Der Minister für Industrie, Bergbau und Handel wies alle Hersteller von Masken und Desinfektionsmitteln an, die zur Bekämpfung des Coronavirus erforderlichen Utensilien in Massenproduktion herzustellen. Gesundheitsminister Saeed Namaki sagt, man habe versucht, die Patienten in den Einweisungszentren zu sammeln, um einen weiteren Ausbruch zu verhindern. "Die Gesundheitszentren im ganzen Land sind in Alarmbereitschaft, insbesondere in Gebieten, in denen es Krankheitsfälle gibt. In der Nähe dieser Zentren gibt es auch spezielle Krankenwagen, die Patienten in Notfällen transportieren", fügte Namaki hinzu. Es ist geplant, Busse und U-Bahn-Stationen zweimal täglich zu desinfizieren. Wir verwenden auch Desinfektionsmittel am Eingang der U-Bahn und stellen den Menschen kostenlos Masken zur Verfügung".

 

Die medizinische ist Versorgung gewährleistet.

Die medizinische Versorgung im Iran ist trotz aller Knappheit gewährleistet ist. Für diejenigen, die eine staatliche Krankenversicherung besitzen, ist die Behandlung von COVID-19 kostenlos. Wie in anderen Ländern ist das öffentliche Gesundheitssystem im Iran stark überlastet, kann aber dennoch Gesundheitsleistungen in einem akzeptablen Umfang erbringen.

 

Die Regierungs-Webseite der Islamischen Republik Iran zitiert Sorena Sattari, Vizepräsident für Wissenschaft und Technologie, welcher zusammenfassend angab, dass der Iran hervorragende Entwicklungen bei der Produktion von zuverlässigen medizinischen Geräten wie Beatmungsgeräten und verschiedenen Apparaten sieht. Diese Unternehmen haben jetzt die erforderlichen Lizenzen erhalten. Auch bei der Herstellung von Masken und Desinfektionsmittel gibt es keine Probleme. Er unterstrich, dass Tausende von klinischen Tests sowie Hunderte von Forschungsstudien durchgeführt wurden, um die Diagnose der Krankheit und die Behandlung von Coronavirus-Patienten zu unterstützen.

 

Eine Grundversorgung ist derzeit vorhanden.

Zusätzlich zu den gegen den Iran verhängten internationalen Sanktionen, hat die Deflation der Landeswährung (Iranian Rial), und auch COVID19, schwere Auswirkungen auf die Wirtschaft. Die Mehrheit der iranischen Bevölkerung kämpft täglich ums Überleben. Eine Grundversorgung z.B. mit Nahrungsmitteln, national hergestellten Medikamenten, Wasser usw. ist jedoch bisher vorhanden, ein besonderer Mangel wurde bisher nicht gemeldet. Medikamente, die nicht lokal hergestellt werden und importiert werden müssen, können knapp werden. Die Preise für importierte Vermittlung sind sehr hoch.

 

Alle Passagiere die den Iran verlassen, sollten im Besitz eines Gesundheitszeugnisses sein, das auf den internationalen iranischen Flughäfen ausgestellt wird. Seit dem 24.4.2020 und bis auf weiteres, müssen gemäß Verordnung des iranischen Gesundheitsministeriums während des COVID19-Ausbruchs alle Fluggesellschaften, die mit Direktflügen ankommen, das iranische Gesundheitsministerium vor dem Abflug über die Einzelheiten des Fluges informieren. Fluggäste, die irgendwelche Anzeichen und Symptome aufweisen, dürfen nicht mitfliegen, alle anderen Reisenden müssen ein Gesundheitsformular unterschreiben, in dem sie erklären, dass sie sich an die im Iran geltenden Regeln und Vorschriften halten werden.

Alle Fluggäste, die mit Anschlussflügen aus Ländern mit einer höheren Anzahl von COVID19-Fällen (USA, Deutschland, Spanien, Italien, Frankreich und Großbritannien) ankommen, müssen sich Tests unterziehen und 14 Tage lang zu Hause unter Quarantäne gestellt werden um sie im Falle eines positiven Testergebnisses informieren zu können.

 

Die Regierungs-Webseite der Islamischen Republik Iran berichtet, dass im Rahmen des Plans zur Bekämpfung des Coronavirus-Ausbruchs sich nur Einwohner einer Stadt in dieser aufhalten dürfen. Das bedeutet, dass Reisen verboten sind. Außerdem müssen diejenigen, die auf Reisen sind, so schnell wie möglich nach Hause zurückkehren. Auch diejenigen, die sich in ihrer Heimatstadt aufhalten, sollten nicht auf Reisen gehen, da es nicht erlaubt ist, in andere Städte einzureisen. Die ersten beiden Ziffern des Nationalcodes, des Kennzeichens, der Versicherungsnummer usw. zeigen an, ob sie in einer bestimmten Stadt wohnen oder nicht. Personen, die in einer Stadt leben und an einem anderen Ort arbeiten, dürfen pendeln, müssen aber ihren Ausweis mit sich führen. Wenn sich Reisende in andere Städte als ihre Heimatstadt begeben, dürfen sie laut Plan nicht einreisen. Wenn sie illegal in die Stadt einreisen, werden ihre Autos für einen Monat beschlagnahmt und sie müssen eine Strafe zahlen. Ebenfalls im Rahmen der Initiative werden Universitäten, Schulen, Parks und Fitnessstudios geschlossen bleiben. Beschränkungen für Bahn-, Flug- und Landreisen bleiben bestehen.

Quelle: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Iran, Corona Situation, 07.05.2020

 

XXXX

Die angefragte Wirkstoffkombination aus Alogliptin + Metformin, bzw. das Medikament Vipdomet sind in Iran verfügbar.

Quelle: Anfragebeantwortzung der Staatendokumentation des BFA vom 09.12.2020, Iran, Diabetes Mellitus Typ II

 

 

II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat

 

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF tatsächlich überzeugter Christ geworden ist.

Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Iran aufgrund seiner religiösen Gesinnung oder familiären Problemen, seitens staatlicher Organe oder Privatpersonen Verfolgungshandlungen ausgesetzt war bzw. bei seiner Rückkehr sein wird.

 

2. Beweiswürdigung:

 

II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt.

 

Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes, des Ergebnisses des ergänzenden Ermittlungsverfahrens sowie der Beschwerdeverhandlung ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

 

II.2.2. Die Feststellungen zur Person des BF (Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, familiäre und private Verhältnisse im Heimatland des BF) ergeben sich – vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben des BF, aus seinen Sprach- und Ortskenntnissen sowie der Einsicht in das zentrale Melderegister.

 

Aufgrund der Vorlage unbedenklicher nationaler Identitätsdokumente konnte die Identität des BF festgestellt werden (iranische Geburtsurkunde und iranscher Nationalausweis, AS 111 und 113).

 

Die Feststellung zur Eheschließung, der einstweiligen Verfügung sowie die Ehescheidung gehen aus dem Scheidungsurteil des XXXX vom XXXX hervor. Dass die Ex-Ehegattin des BF die alleinige Obsorge für die gemeinsamen Töchter hat und seit XXXX kein Kontakt mehr besteht, geht aus der Obsorgevereinbarung des XXXX vom XXXX , dem Scheidungsurteil des XXXX vom XXXX sowie den dahingehend konstanten Angaben des BF hervor.

 

Der Gesundheitszustand des BF ergibt sich zweifelsfrei aus den vorgelegten ärztlichen Bestätigungen und Befunden. Den medizinischen Unterlagen ist eine Arbeitsunfähigkeit des BF nicht zu entnehmen und tätigte der BF auch keine dahingehenden Angaben.

Die psychischen Probleme des BF sowie die diesbezüglichen Diagnosen, Therapien und psychologischen Beratungen gehen aus dem Schreiben der XXXX (Klinische und Gesundheitspsychologin) vom XXXX , den Bestätigungen von XXXX vom XXXX sowie aus der Bestätigung des XXXX vom XXXX hervor.

 

Die legale Ausreise sowie illegale Einreise nach Österreich sowie die Dauer des Aufenthaltes in Österreich des BF ergibt sich aus den Unterlagen zur Asylantragstellung des BF, Einsicht in das zentrale Melderegister und den dahingehend übereinstimmenden Angaben des BF.

 

Dass die Ex-Frau sowie die gemeinsamen Töchter in Österreich leben bzw. deren Aufenthaltstitel für Österreich ergeben sich anhand der Einsichtnahme in die beim BVwG aufliegenden Gerichtsakten ( XXXX ) und den in den Verfahren getroffenen Entscheidungen sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister.

 

Dass der BF in der Flüchtlingsunterkunft, wo er seit XXXX wohnt, bisher nie disziplinär aufgefallen ist, geht aus dem Schreiben der XXXX vom XXXX hervor.

 

Die gemeinnützigen Tätigkeiten des BF geht aus den Schreiben der XXXX vom XXXX und XXXX hervor.

 

Die Teilnahme an diversen Integrationsmaßnahmen geht aus der Teilnahmebestätigungen hervor.

 

Der Besuch von Deutschqualifizierungsmaßnahmen sowie die Deutschkenntnisse des BF sind den vorgelegten Kursbesuchs- sowie Prüfungsbestätigungen zu entnehmen und entsprechen der persönlichen Wahrnehmung der erkennenden Richterin in der mündlichen Verhandlung.

 

Dass der BF Leistungen aus Grundversorgung für Asylwerber bezieht, ergibt sich aus der Einsicht in das Betreuungsinformationssystem.

 

Dass der BF in Österreich strafrechtlich unbescholten ist, geht aus dem Strafregister der Republik Österreich hervor. Das vorläufige Zurücktreten der Staatsanwaltschaft XXXX von der Verfolgung wegen §§ 27 (1) Z 1, 27 (2) SMG ist der Verständigung der Staatsanwaltschaft XXXX vom XXXX zu entnehmen.

 

Die kirchlichen Aktivitäten des BF, der Besuch von Taufvorbereitungskursen sowie dessen Taufe ist dem Taufzeugnis der XXXX vom XXXX sowie den Schreiben der XXXX vom XXXX und XXXX zu entnehmen.

 

 

 

 

 

II.2.3 Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen - sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges - handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten – von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen – diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten - immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse - der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen – allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werden - aufzuzeigen (vgl. Erk. des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010).

 

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu (zu den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle im Asylverfahren vgl. etwa Erk. d. VwGH v. 4.4.2001, Gz. 2000/01/0348).

 

Der BF trat den Quellen und deren Kernaussagen auch nicht konkret und substantiiert entgegen.

Anzumerken ist in diesem Kontext zweifelslos, dass aus der Berichtslage ableitbar ist, dass es im Iran nur eine in eingeschränktem Maße bestehende Religions- und Glaubensfreiheit gibt. So ist bspw. Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) im Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Stark eingeschränkt sind das Recht, eine Religion zu wählen oder zu wechseln, sowie das Recht, für einen Glauben oder eine Religion frei zu werben. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2019). Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein.

 

Zu den größten menschenrechtlichen Problemen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen, unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Gewalt, Androhung von Gewalt sowie ungerechtfertigter Festnahmen und Strafverfolgung gegen Journalisten, Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit). Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt.

Zwar ist die Menschenrechtslage im Iran äußerst prekär, anhand der Auskunftslage kann nicht festgestellt werden, dass auch für jeden Bürger im Iran dadurch eine Gefährdungssituation im Sinne des Art. 3 EMRK vorliegt, vielmehr muss eine aktuelle Gefahr eigener und persönlicher Betroffenheit bestehen.

 

Vollständigkeitshalber wird noch darauf hingewiesen, dass die dem BF zur Kenntnis gebrachten länderspezifischen Feststellungen zum Herkunftsstaat Iran zwar nicht den Anspruch absoluter Vollständigkeit erheben (können), jedoch als so umfassend und aktuell qualifiziert werden, dass der Sachverhalt bezüglich der individuellen Situation des BF in Verbindung mit der Beleuchtung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat als geklärt angesehen werden kann. Es ist - bei einem Land wie dem Iran mit einer sehr hohen Berichtsdichte, in dem praktisch ständig neue Erkenntnisquellen entstehen - de facto unmöglich, sämtliches existierendes Berichtsmaterial zu berücksichtigen, weshalb die belangte Behörde bzw. das erkennende Gericht ihrer Obliegenheit zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran nachkommt, wenn sie bzw. es sich zur Entscheidungsfindung eines repräsentativen Querschnitts des bestehenden Quellenmaterials bedient.

 

II.2.4. Das Vorbringen des BF, er würde im Iran von seinen Brüdern als XXXX aufgrund seiner Weigerung, Dienst bei XXXX zu leisten, und aufgrund der Eheschließung mit einer Irakerin bedroht werden sowie bei einer Rückkehr in den Iran aufgrund der Konversion zum Christentum von staatlichen Stellen verfolgt oder ermordet werden, wird als nicht der Wahrheit entsprechend angesehen.

 

Das erkennende Gericht hat anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten – z.B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z.B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z.B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht. Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).

 

Weiters ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § 7 AsylG [numehr: § 3 AsylG] bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen diese Annahme sprechen (vgl zum Bericht der Glaubhaftmachung: Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts [1991] 137 f; s.a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191; Rohrböck AsylG 1997, Rz 314, 524).

 

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

 

Der BF wurden im Rahmen des Asylverfahrens darauf hingewiesen, dass seine Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren darstellen. Der BF wurde zudem aufgefordert, durch wahre und vollständige Angaben an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken und er wurde darauf aufmerksam gemacht, dass unwahre Angaben nachteilige Folgen haben.

 

II.2.4.1. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, wenn diese anführt, dass erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens der BF bestehen.

 

Der BF brachte im Zuge der Erstbefragung vor, dass ein Bruder von ihm an den Folgen des Iran-Irak Krieges gestorben sei und er trotzdem eine Kurdin geheiratet habe, was seiner Familie ein Dorn im Auge gewesen sei. Deshalb sei er von seiner Familie bedroht worden und hätten Familienmitglieder ihn töten wollen.

 

Im Zuge der Einvernahme vor dem BFA vermeinte der BF, dass seine Brüder beim XXXX seien. Mit Hilfe eines Bruders habe er auch den Militärdienst bei XXXX absolviert. Die Familie des BF habe aber gewollt, dass er über den Militärdienst hinaus bei XXXX werde, was er abgelehnt habe, weil er gesehen habe, dass sie Leute quälen und grundlos schlagen. Der BF sei von seiner Familie immer wieder darauf angesprochen worden und deshalb oft mit seinen Brüdern in Streit geraten, weshalb diese ihn schließlich verstoßen hätten. Bei den Auseinandersetzungen sei der BF auch geschlagen worden und sei die Situation eskalierte, als der BF seinen erkrankten Vater in XXXX besucht habe. Es sei zu einer Schlägerei mit den Brüdern gekommen, welche einen Streit provoziert hätten. Die Brüder des BF hätten dann dafür gesorgt, dass der BF in XXXX XXXX ins Gefängnis gekommen sei. Nach der Hinterlegung einer Kaution habe der BF zu seiner Familie zurückkehren können. In XXXX habe ihn aber sein jüngster Bruder angezeigt und sei der BF wieder festgenommen worden. Die XXXX habe aber eine Kaution hinterlegt, weshalb er bis zur Gerichtsverhandlung freigekommen sei. Kurz vorher sei jedoch sein Vater und ca. XXXX später sein Bruder XXXX verstorben, weshalb sich die Gerichtsverhandlung immer wieder verschoben habe und er währenddessen den Iran verlassen habe können. Hinsichtlich der Abstammung seiner Ex-Ehegattin erklärte der BF, dass es deshalb immer wieder Streitigkeiten gegeben habe, zumal ein Bruder des BF im Iran-Irak-Krieg durch chemische Waffen verletzt worden sei und gelitten habe.

 

Der BF erklärte vor dem BFA somit völlig konträr zum bisherigen Vorbringen, dass er mit seiner Familie aufgrund der Weigerung weiterhin XXXX anzugehören, gestritten habe und die Abstammung seiner Ex-Ehegattin diesen Streit nur verstärkt habe, was einen gänzlich neuen Aspekt seiner Ausreisegründe darstellt. Die Abstammung seiner Ex-Ehegattin schilderte der NF nicht mehr als Ausreisegrund, sondern nur als Nebenaspekt.

 

Dazu ist festzuhalten, dass sich die Angaben von Asylwerbern zu den Ausreisegründen im Rahmen einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Gegensatz zu ihrer ausführlichen Einvernahme vor dem BFA auf wenige Sätze zu beschränken haben. Sofern daher kein völliger Austausch der Ausreisegründe zwischen Erstbefragung und Einvernahme oder ein späteres Hinzufügen von gravierenden Verfolgungselementen in der Einvernahme im Sinne einer nicht plausiblen Vorbringenssteigerung gegenüber der Erstbefragung erfolgt, kommt geringfügigen Abweichungen in der Regel nicht jenes Gewicht zu, das für sich schon die Feststellung der fehlenden Glaubwürdigkeit des Asylwerbers in seinen Ausreisegründen zu tragen vermag.

 

Angesichts dessen kommt der Divergenz zwischen der Aussage des BF in der Erstbefragung (Streit wegen der Abstammung der damaligen Ehegattin) und der späteren Version in der Einvernahme vor dem BFA (Streit wegen der Weigerung XXXX anzugehören) eine entscheidende Relevanz zu, zumal sich diese beiden Versionen substantiell von einander unterscheiden.

 

In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG wurde der BF zu den von ihm vorgebrachten Inhaftierungen befragt und erklärte er hinsichtlich seiner ersten Inhaftierung, dass diese mit der Abstammung seiner damaligen Ehegattin zusammenhänge. Vorweg ist dazu anzumerken, das der BF vor dem BFA neben seinen Inhaftierungen wegen den Auseinandersetzungen mit seinen Brüdern auch erwähnte, dass er erstmals kurz nach seiner Hochzeit im Jahr XXXX in Schwierigkeiten geraten sei. Damals habe er sich das Auto eines Bekannten geliehen. Dieses Auto habe sein jüngster Bruder ohne Erlaubnis genommen und habe einen Unfall verursacht. Der BF sei deshalb XXXX inhaftiert worden und habe er erst später nachweisen können, dass sein Bruder mit dem Auto gefahren sei. Mit der Hilfe seines Vaters sei der BF dann wieder freigekommen. In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht versuchte der BF –wie oben dargelegt – eine Verbindung zwischen dem Unfall kurz nach der Hochzeit und der Abstammung seiner damaligen Ehegattin herzustellen, zumal er ausführte, dass seine Familie gegen die Heirat gewesen sei, er diese aber trotzdem geheiratet habe und sein jüngster Bruder das geliehene Auto absichtlich gegen eine Mauer gefahren habe. Die Abstammung der Ex-Ehegattin des BF wurde im Laufe des Asylverfahrens sohin mehrmals differenziert dargestellt, zumal diese zunächst als Ausreisegrund, später als einer von mehreren Streitpunkten und letztlich als Ursache für die Beschädigung eines Autos, welche zu einer Inhaftierung des BF geführt habe, geschildert wurde.

 

Aus den Angaben des BF geht auch nicht klar hervor, wie oft konkret der BF in Haft war, zumal seine Angaben dahingehend zwischen zwei und drei Haftaufenthalten divergieren. Vor dem BFA erklärte der BF auf die konkrete Frage nach der Anzahl der Haftaufenthalte, dass er insgesamt zweimal in Haft gewesen sei. Einmal wegen dem Autounfall seines Bruders und einmal in XXXX wegen der Anzeige in XXXX (AS 73). Aus den näheren Angaben zu seinen Haftaufenthalten in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG, aber auch vor dem BFA gehen jedoch mehrere Inhaftierungen hervor. Vor dem BFA erklärte der BF, dass seine Brüder bei einem Streit dafür gesorgt hätten, dass er in XXXX ins Gefängnis gekommen sei. Er sei dann auf Kaution freigekommen, von seinem Bruder aber in XXXX angezeigt worden, weshalb er auch in XXXX festgenommen worden sei und nach der Bezahlung einer Kaution seiner XXXX vorläufig wieder freigekommen sei (AS 72). Zählt man den Haftaufenthalt wegen dem Autounfall dazu, ergeben sich aus diesen Angaben insgesamt drei und nicht zwei Haftaufenthalte.

 

Widersprüche ergeben sich aber auch zu den konkreten Übergriffen durch die Brüder des BF. Der BF schilderte vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG im Wesentlichen verbale Auseinandersetzungen, Drohungen und dass er geschlagen sowie verstoßen worden sei. Einmal sei es aber zu einem Angriff mit einem Messer gekommen und der BF von seinem jüngsten Bruder in die Schulter gestochen worden. Vor dem BFA erklärte der BF, dass sich dies kurz nach seiner Hochzeit im Jahr XXXX ereignet habe (AS 74). In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vermeinte der BF hingegen, dass er im Zuge des Streits mit seinen Brüdern im XXXX von seinem jüngsten Bruder mit einem Messer an der linken Schulter verletzt worden sei, was eine Differenz von ca. sieben Jahren darstellt und ebenfalls auf ein konstruiertes Vorbringen schließen lässt.

 

Weitere zeitliche Ungereimtheiten fallen aber auch zu sonstigen wichtigen sowie einschneidenden Erlebnissen auf und gelang es dem BF nicht, alle Ereignisse richtig einzuordnen. Der BF bezog sich zeitlich unter anderem auf seine Hochzeit ( XXXX ) oder die Geburten seiner Töchter ( XXXX ), indem er zB ausführte, dass während seinem Haftaufenthalt seine zweite Tochter zur Welt gekommen sei (AS 74). Demnach müsste er XXXX in Haft gewesen sein, was aber mit seinen weiteren Ausführungen vor dem BFA, dass er von XXXX in Haft gewesen sei, nicht in Einklang zu bringen ist.

 

Dass die damalige Ehegattin aus dem Irak stamme, habe der BF seien Angaben vor dem BFA folgend erfahren, als diese im Zuge der Geburt der ersten Tochter ( XXXX ) ca. im XXXX eine iranische Geburtsurkunde erhalten habe (AS 75). Bei der Erstbefragung und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG erklärte der BF jedoch, dass seine Familie wegen der Abstammung seiner Ehegattin bereits gegen die Eheschließung gewesen sei. Nachdem die Eheschließung XXXX erfolgte, ergibt sich auch hier eine zeitliche Differenz von ca. drei Jahren.

 

Vor dem BFA führte der BF auch aus, dass sein Vater XXXX verstorben sei (AS 73) und ca. ein halbes Jahr später sein Bruder XXXX , was bedeutet, dass dieser ca. Mitte XXXX verstorben sei (AS 72). In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG erklärte der BF jedoch, dass sein Bruder ihn im XXXX mit dem Messer verletzt habe und erst XXXX danach – somit ca. XXXX - sein Bruder verstorben sei. Auch hier ergibt sich eine nicht unwesentliche Differenz von ca. einem halben Jahr, die ebenfalls für ein konstruiertes Vorbringen spricht.

 

Zum Nachweis seines Vorbringens legte der BF zwei Dokumente vor. Dabei handelt es sich um eine Ankündigung der iranischen Justiz vom XXXX . Die Überschrift lautet XXXX , wobei sich aus dem Text ergibt, dass es sich um eine Ladung für XXXX handelt und die Frist „3 Tage ab dem Datum der Benachrichtigung“ sei. Beim Grund der Art der Ladung wird die Anwendung von §§ XXXX des islamischen Strafgesetzbuches sowie die Zahlung von Geldbußen und Vergeltung angegeben. Als Datum für die Übernahme durch den zuständigen Beamten wird der XXXX angeführt. Der Formularvordruck „Unterschrift oder Fingerabdruck des Empfängers“ sowie „Bestätigung des Zustellers“ ist nicht ausgefüllt.

 

Daraus ergeben sich mehrere Ungereimtheiten, zumal die Überschrift „ XXXX “ darauf schließen lässt, dass es bereits zu einer Verurteilung gekommen ist, der BF aber immer erklärte, dass es nie zu einer Verhandlung gekommen sei, zumal diese immer wieder verschoben worden und er dann ausgereist sei. Die weiteren Ausführungen deuten eher auf eine Vorladung hin, wobei der Grund für die Ladung offengelassen wurde und nur allgemein auf die §§ XXXX des islamischen Gesetzbuches hingewiesen wird. Dabei handelt es sich um die Abschnitte XXXX des Strafgesetzes der Islamischen Republik Iran, welche XXXX festlegen (vgl. https://www.igfm.de/auszuege-aus-den-strafgesetzen-der-islamischen-republik-iran ). Die Überschrift weist außerdem darauf hin, dass die Justizbehörden in XXXX im Auftrag der Justizbehörden in XXXX tätig werden sollten.

 

Die zweite vorgelegte Ankündigung ist datiert mit XXXX und trägt die Überschrift „ XXXX “. Bei den Personalien ist der Name des BF, der Name seines Vaters, die Adresse sowie die Nummer des Personalausweises angeführt, sowie eine Frist von 20 Tagen und der XXXX . Als Grund für die Ladung wird die Art der Beschwerde des Herrn XXXX (Familienstreit) angeführt. Zur Zustellung ist dem Schriftstück zu entnehmen, dass dieses am XXXX vom zuständigen Beamten übernommen und am XXXX zugestellt worden sei. Als Adresse wird „ XXXX “ angeführt.

Hier fällt auf, dass nicht – wie behauptet - der Name eines Bruders des Beschwerdeführers, sondern die Beschwerde eines im Verfahren nie erwähnten Mannes als Grund der Ladung genannt wird und das Datum auch weit nach den dargelegten Streitigkeiten im Jahr XXXX liegt. Das Schriftstück enthält auch keine rechtlichen Grundlagen, was für eine gerichtliche Ladung ebenfalls ungewöhnlich erscheint.

 

Der BF hat zudem die Stellung seiner Familie als Teil des iranischen Systems gänzlich unschlüssig bzw. teilweise tatsachenwidrig dargestellt. Der BF erklärte vor dem BVwG, ein Bruder von ihm sei als das iranische Regime im Jahr 1979 an die Macht kam, eine wichtige Person gewesen. Er sei XXXX . Anhand der Berichtslage wird unzweifelhaft festgestellt, dass die XXXX . Wäre der Bruder des BF tatsächlich eine bedeutende Persönlichkeit gewesen, dann hätte der BF sein Engagement, die vom ihm entfalteten Aktivitäten für das iranische Regime, die Bedeutung für seine Familie dadurch umfassend und lebensnah geschildert. Ebenso hat der BF nicht darlegen können, dass Familienangehörige von ihm eine bedeutende Funktion im iranischen System innehaben. So gab der BF an, dass jener Bruder, der XXXX war, nicht mehr für die iranische Regierung arbeite. Ein weiterer Bruder sei bei der XXXX gewesen, sei aber dort auch nicht mehr beschäftigt. Lediglich ein Bruder vom BF sei noch in Syrien für das iranische Regime tätig.

Insgesamt ergibt sich aufgrund der Schilderung des BF der Eindruck, dass zwar Familienangehörige staatliche Stellen innehatten, jedoch diese Stellen als nicht als exponiert betrachtet werden können. Folglich ist das Gericht davon überzeugt, dass die beruflichen Tätigkeiten der Familienangehörigen und deren Stellung vom BF überzeichnet wurden, um daraus eine behauptete Gefährdung seiner Person durch seine Familie glaubwürdig erscheinen zu lassen.

 

In einer Gesamtwürdigung geht das Bundesverwaltungsgericht – insbesondere angesichts der teils nicht nachvollziehbaren Inhalte der Schriftstücke sowie der Differenzen zum Vorbringen des BF - davon aus, dass es bei den vorgelegten gerichtlichen Schriftstücken um keine authentischen Urkunden handelt, weshalb diesen kein maßgeblicher Beweiswert zukommt.

 

Dem Beschwerdeführer ist es somit nicht gelungen, die Ausreisegründe aus dem Iran widerspruchsfrei und konstant darzulegen und ist dahingehend von einem konstruierten Vorbringen auszugehen. Ergänzend darf angemerkt werden, dass sich aus den Länderberichten ergibt, dass gefälschte bzw. mit falschen Angaben erstellte Dokumente in Iran einfach erhältlich sind (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020). Auch echte Dokumente unrichtigen Inhaltes sind einfach zu beschaffen (z.B. ein echtes Stammbuch (Shenasname), in dem Privatpersonen eine nicht existierende Ehefrau eintragen) (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Eine Überprüfung ist seitens der österreichischen Botschaft nicht möglich. Folglich waren weitere Ermittlungen nicht notwendig. Im gegenständlichen Fall war es nicht erforderlich, weitere Erhebungen zur Echtheit der Dokumente durchzuführen, zumal der Sachverhalt bezüglich der entscheidungsrelevanten Fragen auf Grund der obigen Ausführungen als geklärt anzusehen war, weshalb nicht von einer weiteren Ermittlungspflicht, die das Verfahren und damit gleichzeitig auch die ungewisse Situation des Beschwerdeführers unverhältnismäßig und grundlos prolongieren würde, ausgegangen werden kann (dazu auch Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, RZ 65 zu § 52 AVG).

 

Der BF brachte vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG weiters vor, dass er aufgrund seiner familiären Probleme sowie der Trennung von seiner Frau im XXXX in keiner guten psychischen Verfassung gewesen sei und in diese Zeit einen Iraner kennengelernt habe. Durch diesen Freund sei er zum Christentum gekommen, zumal dieser ihn in die Kirche mitgenommen habe. Dort habe es im gefallen, es sei friedlich gewesen und auf Farsi gepredigt worden, weshalb er die Kirche regelmäßig besucht habe.

 

Entsprechend dem Schreiben der XXXX vom XXXX hat der BF ab XXXX an Veranstaltungen der Glaubensgemeinschaft teilgenommen und sich dann dazu entschlossen, einen Taufvorbereitungskurs zu besuchen, welcher bereits am XXXX begonnen hat. Die ersten drei Lektionen konnte der BF sohin nicht besuchen, diese aber beim nächsten Taufvorbereitungskurs nachholen.

 

Es fällt auf, dass sich der BF quasi zeitgleich mit dem Beginn der Besuche von christlichen Veranstaltungen dazu entschlossen hat, eine Taufvorbereitung zu besuchen, was angesichts dessen, dass der BF sich zuvor weder kritisch mit dem Islam noch konkret mit dem Christentum auseinandergesetzt hat, verwundert. Der BF befand sich in einer schwierigen Lebensphase und besuchte auf Anraten eines Freundes die Glaubensgemeinschaft. Ein besonders persönliches religiöses Interesse schilderte der BF nicht. Der BF erklärte vor dem BFA in diesem Konnex, dass er aufgrund seiner Frau seine Unterkunft wechseln musste. In der neuen Unterkunft habe er eine Person kennengelernt, mit der er gemeinsam ins Fitnessstudio ging. Durch diese Person sei er zum Christentum gekommen. Welche Aspekte, welche Gespräche, welche Ereignisse im BF ein Interesse am Christentum hervorriefen, schilderte der BF nicht. Dies ist deshalb kaum verständlich, da ein Religionswechsel meist auch einen Wandel einer ganzen Weltsicht mit sich bringt. Auf die Frage vor dem BFA, was der BF am Islam gut finde, erklärte der BF „nichts“ und auf die Frage, was er am Christentum kritisch sehe, vermeinte er ebenfalls „nichts“ (AS 77). Dass jemand, der seinen alten Glauben ablegen und einen neuen annehmen will, nicht umfassend wiedergeben kann, was das Christentum für ihn persönlich ausmache und was das Sinnstiftende am christlichen Glauben sei, warum es zu einem Glaubenswechsel kam, ist jedenfalls nicht nachvollziehbar. Vor allem auch deshalb, da der BF in Österreich die Wahl hatte, sich auszusuchen, welcher Religionsgemeinschaft er angehören möchte. Der Religionswechsel schafft zudem meist neue Probleme, stellt Anforderungen, an die man vorher nicht gedacht hat und erscheint die Aussage des BF, es würde keine negativen Umstände im Christentum geben, als unreflektiert.

 

Es ist auch davon auszugehen, dass vor der Entscheidung, einen Taufvorbereitungskurs zu besuchen, eine Phase mit verschiedenen Überlegungen zum aktuellen sowie zum angestrebten Glauben liegt, was beim BF eindeutig nicht der Fall war, zumal er mit Beginn der Besuche der Glaubensgemeinschaft auch die Taufvorbereitung startete, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits drei Termine verpasst hatte und erst bei der vierten Lektion einstieg. Bereits ca. neun Monate nach dem Beginn der Besuche der christlichen Veranstaltungen bzw. der Taufvorbereitung wurde der BF getauft. Dabei ist besonders hervorzuheben, dass sich die Schilderungen des BF was ihm von seiner Taufe besonders in Erinnerung geblieben ist, als äußerst knapp und oberflächlich. So erklärte er in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG lediglich: „Nach der Taufe hatte ich das Gefühl, dass ich neu geboren wurde. Nach meiner Taufe hat sich mein Leben verändert.

 

Diese Schilderungen können nicht von der geforderten inneren Konversion überzeugen, zumal speziell im Falle einer Konversion die Taufe ein tiefgreifendes Ereignis im Leben eines gläubigen Menschen darstellt. Es ist davon auszugehen, dass ein Beschwerdeführer gewisse Aspekte, Umstände mit Emotionalität und Genauigkeit schildert. Die Taufe an sich ist besiegelt meist die Eingliederung in die christliche Gemeinschaft und ist auch ein schöner Anlass eines Festes im Kreise der anwesenden Personen. Gewisse Worte, Taten bleiben stets in Erinnerung und ganz besonders wenn es sich bei einer Taufe eines Erwachsenen handelt. Der BF vermittelte nicht ansatzweise subjektiven Empfindungen oder persönliche Details.

 

Diese „rasche Taufe“ verstärkt auch den Verdacht, dass es sich hier um eine zweckorientierte Zuführung zur „Konversion“ zum Christentum mit dem Ziel der Erlangung eines Vorteils im Asylverfahren handelt und ein gewisser Findungs- und Orientierungsprozess über einen längeren Zeitraum auch vor der Taufe nicht möglich war.

 

Der BF legte zwar eine Taufbescheinigung vor, dies allein ist allerdings nicht ausreichend, um einen tatsächlichen von innerer Überzeugung getragenen Übertritt zum Christentum zu belegen. Am XXXX wurde der BF in der XXXX getauft. Nach den Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sei es dazu gekommen, weil er einen Taufkurs besucht und sich vorbereitet habe. Danach sei er getauft worden. Ihn habe niemand dazu gezwungen und sei dies sein eigener freier Wunsch gewesen. In seiner Kirche werde man gefragt, ob man so weit sei und sich taufen lassen wolle.

 

Wie oben bereits dargelegt, brachte der BF zur Bedeutung der Taufe für sein persönliches Leben nur oberflächlich vor, dass er sich neu geboren gefühlt und sich sein Leben verändert habe.

 

Mit diesen Äußerungen brachte der BF aber keine innere Überzeugung und keinen persönlichen tiefgründigen Zugang zum Christentum zum Ausdruck. Die Ausführung zur Bedeutung der Taufe sind eine verkürzte Wiedergabe von einfachstem Wissens über die Bedeutung der Taufe im Allgemeinen (neu geboren fühlen, Leben verändert) und keine Darlegung der individuellen Bedeutung. Auch die Ausführungen, wie es zur Taufe kam, erweckten den Eindruck, dass der BF lediglich einem vorgegebenen Ablauf folgte.

 

Der BF ist im Verfahren schlussendlich eine schlüssige Darstellung schuldig geblieben, inwiefern er sich nunmehr in Österreich vom Islam abgewandt und dem Christentum zugewandt hat. Sein entsprechender Vortrag hat jegliche innere Gefühlsregung oder konkret fassbare Umstände vermissen lassen. So trag der BF vor dem BVwG vor, er habe in Österreich ein Mal eine Moschee besucht. Es habe ihm dort nicht gefallen. Warum er nicht mehr die Moschee besuchte, was ihm konkret missfiel, etc. schilderte der BF nicht. Hätte der BF damals tatsächlich seinen moslemischen Glauben in Frage gestellt und keinen weiteren Besuch einer Moschee beabsichtigt, hätte er im Zuge seiner Aussagen seine eigene religiöse Überzeugung und deren Veränderung im Laufe der Zeit vermitteln können. Hat der BF doch auch schon bereits vor dem BFA nicht schlüssig darlegen können, inwiefern er sich in Österreich mit dem Islam auseinandergesetzt hat. Auf die Frage: „Wie beurteilen Sie den Islam in Österreich“ gab der BF an: „Islam ist eine anerkannte Religion in Österreich. Es gibt auch die Imam Ali-Moschee. In Österreich gibt es Religionsfreiheit. Im Iran war ich eingeschränkt, ich hatte keine Bibel. Man wird hingerichtet, wenn man mit dem heiligen Buch erwischt wird.“ Dadurch hat der BF keinen tiefempfundenen Auseinandersetzung mit dem Islam auch in Österreich geschildert.

 

In den Angaben des BF ist auch keine bewusste Entscheidung für die protestantische Kirche erkennbar und beruht die Entscheidung eine solche zu besuchen vielmehr auf Zufälligkeiten. Vor dem BFA erklärte der BF, dass er sich für die XXXX entschieden habe, weil sein Freund ihn mitgenommen habe und dort Farsi gepredigt werde. Erst im Taufvorbereitungskurs habe er gesehen, dass die protestantische Kirche etwas offener sei als die katholische Kirche. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG erklärte der BF ebenfalls, dass ein Freund ihm diese Kirche empfohlen habe. Folglich beruht seine Entscheidung, eine protestantische Kirche zu besuchen, zunächst auf einer Empfehlung eines Freundes sowie darauf, dass die Predigt in der Muttersprache des BF abgehalten wurde.

 

Dass sich der Beschwerdeführer, welcher sich als Protestant bezeichnet, nicht mit dem christlichen Glauben evangelischer Konfession identifiziert, offenbarte sich aber auch in seiner Antwort auf die Frage vor dem BFA nach Martin Luther. Dem BF war nicht möglich detaillierte Angaben zu Martin Luther zu tätigen und beschränkte sich auf die Tätigkeit als Priester vor 500 Jahren, welcher die protestantische Bewegung ins Leben gerufen und 95 Thesen geschrieben habe. Diese Angaben stellen jedoch allgemein bekannte Eckpunkte der Reformationsbewegung dar und kein tiefgründiges Wissen zu den Thesen und Beweggründen von Martin Luther sowie zu den Folgen der durch ihn geübten Kritik an der katholischen Kirche (Abspaltung der evangelischen Kirche von der katholischen Kirche).

 

Auch auf die Frage, wie der BF Weihnachten gefeiert hat, wurde vom BF nur dargelegt, dass es in der Kirche ein Programm gegeben, ein Freund sich als Weihnachtsmann verkleidet und er selbst Geschenke an Gemeindemitglieder verteilt habe. Dass es sich dabei um das Fest der Geburt Jesu Christi handelt und Weihnachten im Christentum zu den wichtigsten Feiertagen im Jahr gehört, blieb völlig außer Acht. Ebenso schilderte der BF keine innere Gefühlsregung bei diesem Festtag. Dem Gericht drängt sich der Eindruck auf, dass der BF nicht bewusst den christlichen Glauben in seinem Alltag praktiziert, sondern sich seine Glaubensausübung auf den Besuch von Gottesdiensten, Bibel- und Jüngerschaftstreffen in seiner Gemeinde beschränkt, jedoch im alltäglichen Leben der Gesinnungswandel sich nicht widerspiegelt.

 

Dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA am 15.03.2018 lediglich über oberflächliche Kenntnisse des Christentums verfügt, verwundert umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass sich der BF bereits seit XXXX mit dem Christentum beschäftigt und bereits am XXXX , folglich ca. sieben Monate vor der Einvernahme, getauft wurde.

In Bezug auf die dem BF in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG gestellten Fragen zum Christentum und zu der vom BF gewählten Glaubensrichtung verlangt das Bundesverwaltungsgericht bewusst keine tiefgehenden, theologisch-wissenschaftlichen Kenntnisse und soll diesem Aspekt kein überzogenes Gewicht beigemessen werden. Von einer Person, welche sich im Erwachsenenalter und unter Kenntnis der grundsätzlichen Gefahrenlage, die eine Konversion für sie und ihre Familie mit sich bringen kann, bewusst für einen neuen Glauben entscheidet, kann aber verlangt werden, dass sie sich mit den Wesensmerkmalen dieses Glaubens auseinandergesetzt hat und über ein entsprechendes Grundwissen zum Christentum sowie der gewählten Glaubensrichtung verfügt. Schließlich handelt es sich bei einer Konversion um den Beitritt zu einer anderen Glaubensgemeinschaft, welche auf einer religiösen Lehre mit spezifischen Geboten bzw. Verboten und Praktiken basiert, und nicht lediglich um einen Lebenswandel hin zu einem "besseren" Lebensgefühl, welches auch unabhängig vom Beitritt zu einer Religionsgemeinschaft erreicht werden kann. Folglich sollte ein Konvertit nachvollziehbar sowohl die persönlich individuelle Ebene des Konversionsprozesses beschreiben, als auch die Charakteristika der neuen Religion in objektiver Hinsicht anführen können.

 

Obwohl sich der BF zu diesem Zeitpunkt bereits ca. vier Jahre mit dem Christentum befasst hat, war er nicht in der Lage, Fragen zum Christentum eingehend zu beantworten. Der BF begnügte sich mit oberflächlichen Angaben, welche in ihrer Allgemeinheit nicht geeignet sind, das Christentum zu beschreiben. Von einem Konvertiten kann aber verlangt werden, dass er zumindest (und auch bloß mit eigenen Worten) die grundsätzlichen Lehren und nicht nur die Eckpfeiler seiner neuen Religion beschreiben kann, andernfalls nicht nachvollziehbar ist, woran er nun glaubt. Der Beschwerdeführer nannte auf die Frage nach dem „Heiligen Geist“ zunächst nur, dass es sich dabei um einen der drei Namen von Gott handle. Man würde „Dreifaltigkeit“ sagen, was der Geist Gottes sei. Im Weiteren legte der BF dar, dass Gott drei Charakteren habe (Vater, Sohn, Heiliger Geist) und die Christen dazu „Dreifaltigkeit“ sagen würden. An Pfingsten sei der „Heilige Geist“ gesendet und die Jünger von Jesus seien vom „Heiligen Geist“ erfüllt worden. Es folgten dann Ausführungen dazu, dass nach diesem Tag Petrus und andere Jünger in verschiedenen Sprachen sprechen hätten können und an dem Tag 3000 Menschen gläubige Christen geworden seien. Der „Heilige Geist“ beschütze jeden Gläubigen wie ein Schild. Als Johannes der Täufer Jesus getauft habe, sei der „Heilige Geist“ in der Gestalt einer weißen Taube erschienen und auf der Schulter von Jesus gesessen. Nach der Taufe von Jesus durch Johann den Täufer habe Gott gesprochen und gesagt: „Das ist mein Sohn, ich bin glücklich, dass es mein Sohn ist.“

 

Zur Geburt von Jesus erklärte der BF, dass diese „700 vor seiner Geburt“ prophezeit worden sei und von den Christen am 25. Dezember gefeiert werde. Es sei noch nicht bewiesen, ob es wirklich der 25. Dezember sei. Die katholische Kirche feiere die Geburt am 7. Jänner. Zu Weihnachten selbst äußerte sich der BF im Wesentlich wie bereist vor dem BFA, indem er anmerkte, dass heuer das Fest kleiner war, als das Jahr davor, sie einen Weihnachtsbaum gehabt hätten, sein Freund als Weihnachtsmann verkleidet gewesen sei und er ihm geholfen habe Schokolade zu verteilen.

 

Zum letzten Abendmahl führte der BF aus, dass dies der letzte Abend von Gott mit seinen Jüngern gewesen sei und sie zu Abend gegessen hätten. Danach habe er Brot an seine Jünger verteilt und gesagt: „Ihr sollt euch erinnern, das Brot ist mein Leib.“ Dann habe er Wein an die Jünger verteilt, aus dem Kelch getrunken und gesagt, dass sie sich daran erinnre sollten, dass der Wein sein Blut sei. Dies sei eine Erinnerung, ein Ritual, damit man wisse, warum sich Gott für uns geopfert habe. Immer wenn dieses Ritual stattfinde (Wein und Brot), bedeutet es, dass wir Menschen und Christen an Gott denken und uns daran erinnern, warum er sich geopfert habe.

 

Angesichts dieser Angaben ist zwar nicht in Abrede zu stellen, dass der BF Grundkenntnisse der protestantischen Glaubensrichtung hat. Es fällt jedoch auf, dass der BF mehrfach sein Wissen ohne Bezug zur gestellten Frage darlegt, er abschweift und dann wahllos verschiedene Themenbereiche streift, aber auch inkorrekte Aussagen tätigt. So zählt der BF befragt nach dem „Heiligen Geist“ beispielhaft ihm bekannten Ereignisse auf. Auch wenn der „Heilige Geist“ in vielen Stellen in der Bibel dargestellt wird, und sich in der Bibel Passagen finden, die vom „Heiligen Geist“ in einer sichtbaren Form erzählen, handelt es sich dabei aber nur um Symbole oder äußere Erscheinungen seines Wirkens. Welche Rolle der „Heiligen Geist“ im Leben des BF einnimmt, wird von ihm jedoch nicht dargelegt. Zur Geburt von Jesus beschränkt er sich auf Ausführungen zum Datum, wobei er fälschlicherweise angibt, dass die katholische Kirche am 07.01. die Geburt von Jesus feiert, obwohl orthodoxe Christen an diesem Tag feiern.

 

Angesichts dessen, dass die Geschehnisse um die Geburt Christi umfassend in der Bibel dargestellt werden und im Mittelpunkt des Weihnachtsfestes der Glaube steht, dass Gott Mensch geworden ist, um die Menschen zu erlösen und das Weihnachtsfest auch von christlichen Bräuchen geprägt ist, vermochte der BF nur rudimentäre zeitliche Angaben zu tätigen, weshalb der BF nicht von einem ernsthaften Begehen des Weihnachtsfestes als gläubiger Christ zu überzeugen vermochte.

 

In den Ausführungen zum letzten Abendmahl bezieht sich der BF im Übrigen auf Gott und nicht auf Jesus und wiederholt nur grob die biblische Darstellung.

 

Dies legt den Verdacht nahe, dass es sich hierbei bloß um die Wiedergabe von auswendig gelerntem Wissen handeln und dem BF der persönliche Bezug zu den gelernten Inhalten fehlen. Tatsächlich konnte der BF nur sehr oberflächliche Kenntnisse vorweisen und zeugten die Antworten des BF von einem mangelnden persönlichen Interesse am Christentum.

 

Von einer eingehenden Auseinandersetzung mit dem Christentum, wie sie von jemandem, der aus Überzeugung dazu konvertiert, zu erwarten wäre, kann angesichts obiger Ausführungen jedenfalls nicht die Rede sein, zumal in den Ausführungen zum Wissen über das Christentum weder ein profundes Wissen, noch eine christliche Überzeugung zum Ausdruck kommt.

 

Dass die Konversion des BF lediglich zum Schein erfolgte, wird auch dadurch evident, dass er seinen von ihm behaupteten neuen Glauben auch nicht in seinem Leben in einer Art und Weise praktiziert, wie dies gläubige Christen tun. Dem Schreiben der XXXX vom XXXX ist zu entnehmen, dass der BF regelmäßig an Gottesdiensten sowie an Bibel- und Jüngerschaftstreffen teilnimmt und sich am Gemeindeleben beteiligt. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG erklärte der BF, dass er regelmäßig die Kirche besuche, jeden Tage bete und viel über den christlichen Glauben lese oder höre.

Aufgrund seiner Gewalttätigkeit gegenüber seiner Ex-Ehegattin ist er als gewaltbereite Person einzustufen und musste dahingehend therapiert werden. Dass sich der BF im Rahmen seines neuen Glaubens mit diesem Verhalten auseinandergesetzt hat, bspw. in Form von Gesprächen mit Gläubigen, im Rahmen der Seelsorge, etc. hat der BF nicht vorgebracht. Vielmehr werden die Angaben des BF zu Gewaltvorfällen vom BF als nicht korrekt angesehen (siehe VHS 8). Dies zeigt, dass sein Verhalten bei Weitem nicht von christlichen Glaubensinhalten und Werten geleitet wird.

 

Wenn der BF in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG ausführt, er habe eine Person missioniert, indem er diese in die Kirche mitgenommen habe, kann auch nicht von einer missionarischen Tätigkeit gesprochen werden. Das dargelegte Ermutigen, in die Kirche zu gehen, stellt noch keine missionarische Tätigkeit dar, welche die Weitergabe von Glaubenslehre, die Verkündung des Glaubens und die Bekehrung zu dem betreffenden Glauben beinhaltet und erweist sich eine missionarische Tätigkeit ohnehin angesichts der oberflächlichen Kenntnisse über den christlichen Glauben des BF als denkunmöglich. Auch dem vorgelegten Unterstützungsschreiben dieser Person ist lediglich zu entnehmen, das der BF diese nur ermutigt habe, zu den Messen mitzukommen. Es kann daher aufgrund des umschriebenen Verhaltens des BF und der festgestellten fehlenden Kenntnisse zum Christentum nicht davon ausgegangen werden, dass er missionierend tätig ist oder tätig sein wird, zumal eine solche Aktivität ein fundiertes Wissen über das Christentum, aber auch ein proaktives Verhalten voraussetzt, den Glauben anderen Personen näherbringen zu wollen.

 

Die nach außen hin gesetzten sichtbaren Aktivitäten des BF, wie die erfolgte "Taufe" bzw. der Besuch von Gottesdiensten, Bibelstunden oder Hauskreisen, vermögen nach Ansicht der erkennenden Richterin nicht die dargelegten Mängel, welche gegen einen tatsächlichen Glaubens- bzw. Gesinnungswandel des BF sprechen, zu kompensieren. Das Bundesverwaltungsgericht geht hierbei von reinen Scheinaktivitäten des BF aus.

 

Dass sich der BF lediglich hat taufen lassen, um im Asylverfahren eine Konversion anführen zu können und um eine günstigere Ausgangsposition im Asylverfahren zu erlangen, gilt aufgrund der obigen Ausführungen daher als wahrscheinlich. Unter Berücksichtigung der raschen Taufe, des oberflächlichen Wissens in Bezug auf den christlichen Glauben, dem fehlenden Engagement in der Kirche, dem wenig ausgeprägten Ausüben des Glaubens sowie der nicht nachvollziehbar dargelegten Intention für den Religionswechsel, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der BF seinen Glauben gewechselt hat. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass sich der BF pro forma taufen ließ, zumal der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen hat, dass es für die Beurteilung der Frage, ob eine Konversion vorliegt, nicht auf den Formalakt der Taufe, sondern auf die religiöse Einstellung des Asylwerbers ankommt (vgl. zuletzt VwGH vom 21.12.2006, 2005/20/0624).

 

Was die beantragte Einvernahme des Pastors der iranischen christlichen Gemeinde als Zeuge zum Glauben des BF angeht, so ist anzumerken, dass gegenständliches Beweisverfahren zu einem unzweifelhaften Ergebnis geführt hat und somit nach Ansicht der erkennenden Richterin keine diesbezügliche Notwendigkeit besteht. Die vom Pastor und Leiter der XXXX vorgelegten schriftlichen Stellungnahmen wurden in die beweiswürdigenden Erwägungen mit einbezogen und ist im Übrigen auch darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht nach dem geltenden Recht nicht an die Erwägungen Dritter gebunden ist; und zwar auch nicht an die Erwägungen von Pfarrern, Pastoren, Geistlichen und sonstigen kirchlichen oder religiösen Repräsentanten, die im Rahmen ihrer Funktion darüber befinden, ob jemand die Voraussetzungen dafür aufweise, das Sakrament der Taufe zu empfangen; vgl. VwGH 11.12.2019, Ra 2019/20/0538; 21.06.2018, Ra 2017/01/0381. Der BF hat auch nicht dargelegt, was der beantragte Zeuge im Rahmen seiner schriftlichen Stellungnahme im Gegensatz zu einer zeugenschaftlichen Aussage nicht darlegen hat können.

 

II.2.4.3. Zusammenfassend kommt das erkennende Gericht daher zu der Überzeugung, dass in den Angaben des BF glaubwürdige Anknüpfungspunkte oder Hinweise für eine individuelle Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention nicht erkennbar waren.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zu A)

II.3.2. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

 

II.3.2.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:

 

„§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) …

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§6) gesetzt hat.

..“

 

Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag des BF inhaltlich zu prüfen ist.

 

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194)

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

II.3.2.2. Wie im gegenständlichen Fall bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war dem Vorbringen des BF zum behaupteten Ausreisegrund bzw. zur Konversion insgesamt die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung [nunmehr „Status eines Asylberechtigten“] einnimmt (vgl. VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).

 

Im gegenständlichen Fall erachtet das erkennende Gericht in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang die Angaben als unwahr, sodass die vom BF behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohl begründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ist im Falle des BF eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem der in der GFK genannten Gründe daher nicht gegeben.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 30.06.2005, Zahl: 2003/20/0544) ist zur Frage der Verfolgungsgefahr bei Iranern, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, maßgeblich, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, aus diesem Grunde mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (so schon im Erkenntnis des VwGH vom 24.10.2001, Z1. 99/20/0550, ebenfalls VwGH vom 17.10.2002, Zahl: 2000/20/0102). In gleichem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 31.05.2001, Zl. 2001/20/0054, im Zusammenhang mit einer noch nicht erfolgten, aber beabsichtigten Konversion zum Ausdruck gebracht, dass für die Beurteilung des Asylanspruches maßgeblich sei, ob der Asylwerber in seinem Heimatstaat in der Lage war, eine von ihm gewählte Religion frei auszuüben, oder ob er bei Ausführung seines inneren Entschlusses, vom Islam abzufallen und zum Christentum überzutreten, mit asylrelevanter Verfolgung rechnen müsse.

 

Nach islamischem Verständnis bedeutet der Abfall vom Islam einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem und ist nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr in den Iran dort Verfolgungshandlungen bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt ist.

 

Nachdem alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union bindenden normativen Vorgaben des Artikel 10 Abs. 1 b RL 2004/83/EG , kann einem Flüchtling nicht mehr angesonnen werden, sich bei der Religionsausübung auf das sogenannte „forum internum" zu beschränken.

 

Asylbegehren, die auf Verfolgung mit religiösem Hintergrund gestützt werden, müssen so hin unter Berücksichtigung der unmittelbar anwendbaren Vorgaben des Artikel 10 Abs. 1 b RL 2004/83/EG geprüft werden. Gemäß dieser Richtlinie muss so hin die öffentliche Ausübung (forum externum) des christlichen Glaubens in Lehre, Gottesdienst und Sakramentsverwaltung möglich sein.

 

Um von einer Asylrelevanz überhaupt ausgehen zu können, kommt es auf die Art der Ausübung des christlichen Glaubens im Iran an, sowie darauf, ob der Asylwerber bei der Ausübung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit asylrelevanter Gefährdung zu rechnen hat.

Im Lichte der in das Verfahren integrierten Länderinformationen sowie der hg. beweiswürdigenden Erwägungen und auch der zitierten Judikatur ist der Schluss zu ziehen, dass aus der formalen bzw. zum Schein erfolgten Konversion zum christlichen Glauben - wie sie in casu vorliegt - ohne dem Vorliegen einer exponierten Tätigkeit wie etwa missionarischer Aktivitäten, keine asylrechtlich relevante Gefährdung resultiert.

 

Gemäß § 3 Abs 2 AsylG kann Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, welche nach dem Verlassen des Herkunftsstaates liegen (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten, die der Fremde seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat und insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

 

Dass der BF in Österreich zum Christentum konvertiert ist, kam im Verfahren nicht hervor, sondern waren die diesbezüglichen Angaben des BF aus den in der Beweiswürdigung dargelegten Gründen als unglaubwürdig zu qualifizieren. Auch ist im Lichte der Scheinkonversion des BF nicht davon auszugehen, dass der BF das Bedürfnis hat, im Rückkehrfall die christliche Religion zu praktizieren, nach außen zu tragen oder gar missionarisch tätig zu sein.

 

Der BF hat in Österreich wie viele andere iranische Konvertiten zwar an kirchlichen Veranstaltungen, wie etwa Gottesdienste und Bibelrunden, teilgenommen, sich jedoch nicht in leitender Funktion exponiert und kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass er missionierend tätig ist.

 

Dass dies dem BF im Rückkehrfall in asylrelevanter Weise zum Nachteil gereicht, kann aufgrund dessen, dass der BF aufgrund der festgestellten Scheinkonversion für die iranischen Behörden in keiner Weise von Interesse ist bzw. unter Beobachtung steht und es somit keinen ersichtlichen Grund gibt, wie die Aktivitäten der BF den iranischen Behörden oder Privatpersonen bekannt werden sollte, nicht festgestellt werden.

 

Entsprechend den in das Verfahren aufgenommenen Länderfeststellungen betreffen Repressionen vor allem missionierende Christen und sehen sich christliche Konvertiten aufgrund der Ausübung ihres Glaubens willkürlichen Festnahmen und Verhaftungen ausgesetzt. Dass der BF, welcher zum Schein konvertiert ist, den christlichen Glauben ausübt, ist naturgemäß auszuschließen und kann auch umso weniger davon ausgegangen werden, dass es dem BF ein Anliegen ist, missionierend tätig zu sein bzw. ist zu verneinen, dass der BF aufgrund seines rudimentären und unsubstantiiert vorhandenen Wissens hinsichtlich christlicher Glaubensinhalte dazu in der Lage wären.

 

Den Feststellungen ist auch zu entnehmen, dass Geistliche, welche im Ausland zum Christentum konvertiert waren, im Iran in der Vergangenheit verfolgt oder ermordet wurden. Beim BF handelt es sich jedoch um keinen Geistlichen, sondern um eine Person, welche formal und lediglich zum Schein konvertiert ist, sodass daraus keine asylrelevante Gefährdung des BF abzuleiten ist.

 

Aus den Länderfeststellungen ist letztlich zu schließen, dass nur iranische Staatsangehörige, die sich als Folge ihrer missionarischen Betätigung für das Regime deutlich von der breiten Masse abheben (Kirchenführer, in der Öffentlichkeit besonders aktive Personen), Gefahr laufen, dass sich die iranischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen.

 

Im Hinblick darauf, dass der iranische Staat nicht jegliche Tätigkeit seiner Staatsbürger verfolgen kann, muss sich sein Interesse auf Personen beschränken, die aufgrund ihrer exponierten Stellung, ihres Einflusses auf andere iranische Staatsbürger und eines herausragenden Engagements eine potentielle Gefahr für den ausschließlichen Machtanspruch des Regimes im Iran darstellen könnten. Das Verhalten des BF, erweist sich aber nicht als derart markant, dass es geeignet erscheint, einen erhöhten Ermittlungsaufwand bei den iranischen Behörden auszulösen. Ein asylrelevantes Verfolgungsrisiko ist nach Ansicht der erkennenden Richterin daher nicht gegeben.

 

Nach den getroffenen Feststellungen gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass iranische Staatsangehörige, die aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren, nunmehr asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt wären.

 

II.3.2.3. Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, war in der Folge davon auszugehen, dass eine asylrelevante Verfolgung im gegebenen Fall nicht existent ist.

 

II.3.2.4. In einer Gesamtschau sämtlicher Umstände und mangels Vorliegens einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund waren die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides abzuweisen. Vollständigkeitshalber ist darauf zu verweisen, dass zu den Töchtern des BF ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG vorliegt. Den beiden Kindern wurde der Status der Asylberechtigten im Familienverfahren zuerkannt. In einem solchen Fall schließt § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 eine nach den Bestimmungen des Familienverfahrens erfolgte Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an den Vater aus.

 

II.3.3. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat

 

II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten auszugsweise:

 

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht. […]

 

Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den „Herkunftsstaat“ des Asylwerbers. Dies war dahingehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.

 

Art. 2 EMRK lautet:

„(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.

(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:

a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;

b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;

c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken.“

Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.

 

Art. 3 EMRK lautet:

„Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“

 

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).

 

Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).

 

Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).

Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.

 

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die betroffene Person im Falle ihrer Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

 

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der Beschwredeführer zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein „ausreichend reales Risiko“ für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes („high threshold“) dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex „Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in „Dublin-Verfahren““, derselbe in Migralex: „Abschiebeschutz von Traumatisieren“; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

 

Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl zB Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Gemäß der Judikatur des EGMR muss der Beschwerdeführer die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller „Beweise“ zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

 

Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

 

Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (zB VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; VwGH vom 14.10.1998, Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.

 

II.3.3.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:

 

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.

 

Da sich der Herkunftsstaat des BF nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den BF als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

 

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des BF in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.

 

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.

 

Zur individuellen Versorgungssituation des BF wird zudem festgestellt, dass dieser im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt. Bei dem BF handelt es sich um einen mobilen, jungen, arbeitsfähigen Erwachsenen, bei welchem die Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der BF verfügt über eine mehrjährige Schulbildung hat Berufserfahrung als XXXX . Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der BF im Herkunftsstaat grundsätzlich in der Lage sein wird, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Hinzu kommt, dass der BF aus einem Staat stammt, auf dessen Territorium einerseits die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist. Andererseits gehört der BF keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt, als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass dem BF im Fall seiner Rückkehr auch im Rahmen seines Familienverbandes eine ausreichende wirtschaftliche und soziale Unterstützung zuteilwird. So gab der BF selbst an, dass fünf Brüder und zwei Schwestern nach wie vor im Iran leben und spricht nichts dagegen, dass diese den BF bei einer Rückkehr – zumindest bei etwaigen Anfangsschwierigkeiten – finanziell unterstützen. Die vom BF dargelegten Verfolgungshandlugen durch seine Brüder konnte er – wie oben dargelegt – nicht glaubhaft darstellten und ist von einem unbelasteten Verhältnis zu seinen Geschwistern auszugehen. Es steht dem BF auch frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das – wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige - Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus ist es dem BF unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.

 

Zum Gesundheitszustand des BF:

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in einer Reihe von Erkenntnissen den gemäß Art. 3 EMRK bei medizinischen Rückkehrhindernissen relevanten Maßstab dargelegt. Nach der Rechtsprechung des EGMR ist die Schwelle, die überschritten sein muss, damit im Falle von Erkrankungen von einer Verletzung des Art. 3 EMRK ausgegangen werden kann, in der Tat hoch: Das einzige Urteil, in dem eine Abschiebung (nach St. Kitts) aus medizinischen Gründen für unzulässig erklärt wurde, ist D. v United Kingdom Urteil vom 02.05.1997, Reports 1997-III, § 49. In diesem Fall litt der Antragsteller an AIDS im Endstadium und war eine adäquate Behandlung nicht garantiert. Bei körperlichen Erkrankungen sind im Allgemeinen (sofern grundsätzliche Behandlungsmöglichkeiten bestehen; bejaht zB für AIDS in Tansania sowie Togo AMEGNIGAN v Niederlande, 25.11.2004, Rs 25629/04, NDANGOYA v Schweden, 22.06.2004, Rs 17868/03 und für Down-Syndrom in Bosnien-Herzegowina HUKIC v Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05) nur Krankheiten im lebensbedrohlichen Zustand relevant (vgl. auch OVDIENKO v Finnland, 31.05.2005, Rs 1383/04 ). Nach EGMR (vgl. auch VwGH 28.06.2005, 2005/01/0080) hat sich die Prüfung auf die allgemeine Situation im Zielland als auch auf die persönlichen Umstände des Antragstellers zu erstrecken. Für die Prüfung der allgemeinen Situation wurden Berichte anerkannter Organisationen (z.B. der WHO), aus denen jedenfalls eine medizinische erreichbare Grundversorgung, wenn auch nicht kostenfrei, hervorgeht, als ausreichend angesehen. Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter sind als im Aufenthaltsland und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nach der Judikatur des EGMR nicht ausschlaggebend. In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung geht auch der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass eine Abschiebung nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände zur Verletzung von Art. 3 EMRK führt (VfGH 06.03.2008, B 2400/07 mwH).

 

Der BF leidet an Diabetes Mellitus Typ II und stand dahingehend bereits im Iran in Behandlung. Zudem leidet der BF an einer diabetischen Netzhauterkrankung im Anfangsstadium (nicht proliferative diabetische Retinopathie) und bedarf dahingehend einer regelmäßigen ärztlichen Kontrolle. XXXX hat sich der BF an der linken Schulter verletzt und sich im XXXX dahingehend in Behandlung begeben. Diagnostiziert wurde ein gelenksseitiger Einriss der Supraspinaturssehne im anterioren Drittel und wurde dem BF zu einer Physiotherapie geraten. Der BF brachte dahingehend aktuell keine Beschwerden vor, weshalb von einer vollständigen Genesung der Schulter auszugehen ist. Der BF zeigte XXXX Anzeichen von Depressionen mit somatischen Symptomen in den Armen sowie Konzentrationsstörungen und besuchte aufgrund dessen vom XXXX einmal wöchentlich eine Kunsttherapie. Der BF wurde dadurch stabiler und konnte innere Ruhe sowie Ressourcen aufbauen. Seit XXXX nimmt der BF psychologische Beratung im XXXX in Anspruch.

 

Bei den physischen und psychischen Erkrankungen handelt es sich um keine akut lebensbedrohliche Erkrankungen und erklärte der BF in der mündlichen Behandlung vor dem BVwG, dass er aufgrund seiner Diabetes bereits im Iran behandelt worden sei. Dafür, dass ihm diese Behandlung bei Ihrer Rückkehr nicht mehr zur Verfügung stehe, gibt es keine Hinweise. Aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation (Iran – Diabetes Mellitus Typ II) vom 09.12.2020 geht im Übrigen hervor, dass die für die Behandlung von Diabetes Mellitus Medikamente im Iran erhältlich sind. Entsprechend der Länderberichte verfügt der Iran generell über eine hohe Dichte an medizinischen Behandlungsmöglichkeiten bzw. sind die in Europa gebräuchlichen Medikamente erhältlich, weshalb auch notwendige Behandlungen bzw. Therapien im Hinblick auf die psychischen Erkrankungen des BF im Iran verfügbar sind.

 

Dass die Behandlung im Iran den gleichen Standard wie in Österreich aufweist oder unter Umständen auch kostenintensiver ist, ist nicht relevant. Selbst wenn der BF aufgrund einer allfälligen Behandlung durch die Ausgestaltung des Gesundheitswesens im Iran mit erheblichen finanziellen Belastungen zu rechnen hätte, kann unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK kein wesentlicher Aspekt erblickt werden.

 

Darüber hinaus steht dem BF im Falle seiner Rückkehr die Möglichkeit offen, sich bei der iranischen Krankenversicherung zu registrieren, um Behandlungsmöglichkeiten zu erhalten.

 

Aus den medizinischen Unterlagen und den Angaben des BF geht auch nicht hervor, dass der BF nicht reisefähig ist und würde im Falle der Überstellung der BF in den Iran auch keine signifikante Verschlechterung des Gesundheitszustandes des BF eintreten bzw. ist kein lebensbedrohlicher Zustand in diesem Zusammenhang zu befürchten. Abgesehen davon ist davon auszugehen, dass Österreich in der Lage ist, im Rahmen aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausreichende medizinische Begleitmaßnahmen zu setzen (VwGH 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723, VfGH v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10).

 

Der BF verfügt zudem über Verwandte in seiner Heimat, die ihn finanziell unterstützen könnten. Die bei der BF festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen stellen daher keine derartige Beeinträchtigung dar, welche die Rückverbringung des BF in den Iran im Lichte des Art. 3 EMRK unzulässig machen würde. Folglich konnte keines in der Person des BF begründete entscheidungsrelevantes Rückkehrhindernis in Bezug auf ihren Gesundheitszustand bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen festgestellt werden.

 

Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

 

Die derzeitige COVID-19 Pandemie führt zu keiner Änderung der oben angeführten Erläuterungen zum Iran. Im Hinblick auf die Gefahr, dass sich der BF im Iran mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert bzw. dass der BF dort wegen der aufgrund der Krise herrschenden Einschränkungen des Wirtschaftslebens und daraus resultierenden Versorgungslage betroffen ist, kann ein Rückkehrhindernis nur dann vorliegen, wenn der BF aufgrund der Bedingungen mit maßgeblichen Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG 2005 subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein. Bei der Beurteilung, ob dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückführung die reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung drohe, sind die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien (vgl. VwGH 14.8.2019, Ra 2019/20/0347, mwN) zu beachten.

 

Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen.

 

Eine derartige Extremgefahr kann für den BF im Falle seiner Rückkehr in den Iran nicht angenommen werden. Es ist zum einen nicht ersichtlich, dass der BF auch mit den bestehenden Erkrankungen im Iran dem Tod oder schwersten Gesundheitsschäden ausgeliefert wäre. Selbst bei Zugrundlegen des derzeit im Iran bestehenden Infizierten und der vom iranischen Staat getroffenen Maßnahmen zur medizinischen Versorgung besteht keine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Verlaufs der Erkrankung für die Personengruppe, welche die BF angehört.

 

Des Weiteren ist die Versorgungslage für die Bevölkerung im Iran auch unter Berücksichtigung gewisser Einschränkungen nicht derart desolat, dass auch nur annähernd von einer allgemeinen Gefahrenlage gesprochen werden könnte.

Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

 

Aufgrund der oa. Ausführungen ist daher im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und er nicht in eine - allfällige, Anfangsschwierigkeiten überschreitende - dauerhaft aussichtslose Lage gerät.

 

II.3.4. Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung

II.3.4.1. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 58 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 57 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Der gegenständliche, nach nicht rechtmäßiger Einreise in Österreich gestellte Antrag auf internationalen Schutz des BF wurden bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt (ein sonstiger Aufenthaltstitel der drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet) im Bundesgebiet mehr vor und fällt der BF nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

Der Aufenthalt des BF ist nicht geduldet. Der BF ist nicht Zeugen oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch keine Opfer von Gewalt im obigen Sinn.

 

Es liegen folglich keine Umstände vor, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts Konkretes dargetan.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

II.3.4.2. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG ist gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Gemäß § 52 Abs 3 FPG ist unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

 

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen. Die Erlassung der Entscheidung ist zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 9 Abs 3 AsylG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.

 

II.3.4.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie hier der Rückkehrentscheidung, kann folglich ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

Vom Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. dazu EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.3.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK- Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH vom 26.1.2006, 2002/20/0423, vgl. auch VwGH vom 8.6.2006, Zl. 2003/01/0600-14, oder VwGH vom 26.1.2006, Zl.2002/20/0235-9, wo der VwGH im letztgenannten Erkenntnis feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Sowohl eheliche als auch uneheliche Kinder aus einer Familienbeziehung, die unter Art 8 EMRK fallen, werden von ihrer Geburt an ipso iure Teil der Familie (Peter Chvosta: „Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK“, ÖJZ 2007/74; VfSlg 16.777/2003; ferner Gül gg Schweiz, ÖJZ 1996, 593; 5. 2 2004, 60457/00, Kosmopoulou gg Griechenland; 18. 1. 2007, 73819/01, Estrikh gg Litauen). Umgekehrt werden Kinder erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie. Zu noch ungeborenen Kindern liegt somit bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK vor (vgl. zB VfGH 24.02.2003, B 1670/01; EGMR 19.02.1996, GÜL vs Switzerland).

 

Der Begriff des Familienlebens ist darüber hinaus nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua). Bei dem Begriff „Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK“ handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

 

Artikel 8 EMRK schützt das Privatleben umfassend und sichert dem Einzelnen einen Bereich,

innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten kann.

 

II.3.4.4. Der BF reiste im September 2015 illegal in das Bundesgebiet ein und hält sich seither ununterbrochen in Österreich auf. Der BF war in Österreich nie legal erwerbstätig und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber. Der BF verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 und hat keine ausgeprägten sozialen Kontakte. Der BF hat in Österreich Integrationsmaßnahmen besucht, war ehrenamtlich tätig und ist strafrechtlich unbescholten. Die Ex-Ehegattin sowie zwei Töchter des BF leben in Österreich. Mit diesen besteht weder ein gemeinsamer Wohnsitz, noch sonstiger Kontakt.

 

Was das Familienleben angeht, so sei darauf hingewiesen, dass spätestens seit der Trennung im XXXX und der daraufhin folgenden Ehescheidung kein Familienleben mehr mit der Ex-Ehegattin besteht. Die Ehe war bereits zuvor seit mehreren Jahren zerrüttet und wurde die Ehe durch die Scheidung und Trennung auf Dauer aufgelöst.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR entsteht ein von Art 8 Abs 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt (vgl. EGMR 21.6.1988, Fall Berrehab, Appl. 10730/84 [Z21]; 26.5.1994, Fall Keegan, Appl. 16969/90 [Z44]). Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (vgl. EGMR 19.2.1996, Fall Gül, Appl. 23218/94 [Z32]). Das Auflösen einer Hausgemeinschaft von Eltern und Kindern alleine führt jedenfalls nicht zur Beendigung des Familienlebens iSd Art8 Abs1 EMRK, solange nicht jegliche Bindung gelöst ist (vgl. EGMR 24.4.1996, Fall Boughanemi, Appl. 22070/93 [Z33 und 35]).

 

Der BF hat mit seinen Kindern im Iran und eine Zeit lang in Österreich zusammengelebt. Mit den Kindern existiert seit XXXX aufgrund der Gewalttätigkeit des Beschwerdeführers kein Kontakt mehr. Aufgrund der Gewaltausübung seitens des BF innerhalb der Familie hat die Ex-Ehegattin den Antrag auf alleinige Obsorge für die zwei Kinder gestellt und wurde ihr diese auch zugesprochen. Infolge der Gewalttätigkeiten innerhalb der Familie ist eine Kontaktaufnahme seitens der Ex-Ehegattin und der Töchter auch nicht gewünscht. Dem Protokoll der Obsorgevereinbarung des XXXX vom XXXX ist im Übrigen zu entnehmen, dass die Töchter des BF mehrfach in therapeutischer Behandlung bei Psychiatern und Psychologen standen und im Rahmen dessen von einem unmittelbaren Kontakt mit dem BF abgeraten worden sei, zumal ein direkter Kontakt mit dem BF negative Folgen hätte. Zudem gab der BF in der Obsorgeverhandlung selbst an, dass ihm seine Ex-Ehegattin bis vor einem Jahr (ca. XXXX ) noch entgegengekommen sei und ihm Fotos und Videoaufnahmen der Kinder geschickt habe. Diese Art von Kontakt sei ihm jedoch aufgrund einer einstweiligen gerichtlichen Verfügung versagt worden. Seitdem sei es ihm verboten, Kontakt zu seinen Kindern aufzunehmen, obwohl dieser – folgt man seinen Ausführungen auch im gegenständlichen Verfahren – dies möchte.

 

Die Beziehung zu den zwei Töchtern hat aufgrund der Gewalttätigkeit sohin eine erhebliche Einschränkung bzw. Minderung erfahren und ist im Rahmen einer Abwägung der relevanten Aspekte des Familienlebens des BF in Österreich daher von keiner besonders nachhaltigen Beziehung zu den in Österreich aufhältigen Töchtern des BF auszugehen.

 

Die Rückkehrentscheidung betreffend den BF stellt somit einen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar, jedoch einen solchen in das Recht auf Privatleben.

 

II.3.4.5. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.

 

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens des BF im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 Abs. 2 EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.

 

II.3.4.6. Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der soeben zitierten Judikatur Folgendes:

 

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

 

Der BF hält sich seit September 2015 durchgehend in Österreich aufhältig. Er reiste rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und konnte seinen Aufenthalt lediglich durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisieren. Hätte er diesen unbegründeten Asylantrag nicht gestellt, wäre er rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig bzw. wäre davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und er sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würde.

 

Der BF begründete sein Privatleben zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisiert wurde. Auch war der Aufenthalt des BF zum Zeitpunkt der Begründung der Anknüpfungspunkte im Rahmen des Privatlebens ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt. Soweit der BF über private Bindungen in Österreich verfügt, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass diese zwar durch eine Rückkehr in den Iran gelockert werden, es deutet jedoch nichts darauf hin, dass der BF hierdurch gezwungen wird, den Kontakt zu jenen Personen, die ihm in Österreich nahestehen, gänzlich abzubrechen. Auch hier steht es ihm frei, die Kontakte anderweitig (telefonisch, elektronisch, brieflich, durch kurzfristige Urlaubsaufenthalte) aufrecht zu erhalten.

 

Der BF hat hierorts keine Anknüpfungspunkte in Form einer legalen Erwerbstätigkeit oder anderweitiger maßgeblicher wirtschaftlicher Interessen. Er war bis dato nie legal erwerbstätig. Auch der Umstand, dass der BF gemeinnützige Tätigkeiten ausführte, fällt bei der gegenständlichen Abwägungsentscheidung nicht besonders stark ins Gewicht, zumal hierdurch eine nachhaltige Integration des BF im Arbeitsmarkt, welche auch künftig auf seine Selbsterhaltungsfähigkeit schließen ließe, aktuell nicht erkannt werden kann.

 

Der BF verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2. Dahingehend ist jedoch auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (VwGH 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

 

Vom Bundesverwaltungsgericht wird auch nicht verkannt, dass der BF Integrationsmaßnahmen besucht hat, dieses Engagement wiegt jedoch nicht dermaßen schwer, dass die Abwägungsentscheidung zu Gunsten des BF auszugehen hätte.

 

Der BF verbrachte demgegenüber den überwiegenden Teil seines Lebens im Iran, wurde dort sozialisiert und spricht die dortige Mehrheitssprache auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso ist davon auszugehen, dass im Iran Bezugspersonen etwa im Sinne eines gewissen Freundes- und/oder Bekanntenkreises des BF existieren, da nichts darauf hindeutet, dass er vor seiner Ausreise in den Herkunftsstaat in völliger sozialer Isolation gelebt hätte. Zudem leben die Geschwister des BF nach wie vor im Iran. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es dem BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

 

Die Feststellung, wonach der BF strafrechtlich unbescholten ist, stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.

 

Es ist im Rahmen einer Gesamtschau zwar festzuhalten, dass eine raschere Erledigung des Asylverfahrens denkbar ist, dennoch ist im gegenständlichen Fall aufgrund des Vorbringens des BF sowie seinem Verhalten im Verfahren davon auszugehen, dass kein Sachverhalt vorliegt, welcher die zeitliche Komponente im Lichte der Erkenntnisse des VfGH B 950-954/10-08 bzw. B1565/10, in den Vordergrund treten ließe, dass aufgrund der Verfahrensdauer im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK von einem Überwiegen der privaten Interessen des BF auszugehen wäre (in Bezug auf ein gewisses Behördenverschulden in Bezug auf die Verfahrensdauer vgl. auch bei Vorliegen weitaus engeren Bindungen im Sinne des Art. 8 EMRK und einem ca. zehnjährigen Aufenthalt im Staat der Antragstellung das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Judikatur eine Trennung von Familienangehörigen, mit denen ein gemeinsames Familienleben im Herkunftsland nicht zumutbar ist, im Ergebnis nur dann für gerechtfertigt erachtet, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie dies insbesondere bei Straffälligkeit des Fremden oder bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug der Fall ist (vgl. VwGH 19.6.2020, Ra 2019/19/0475, mwN).

Im vorliegenden Fall ist, wie bereits erwähnt festzuhalten, dass die Kinder des BF in Österreich mit deren Mutter zusammenleben und ihnen der Status der Asylberechtigten zukommt. Seit XXXX besteht kein gemeinsamer Haushalt mit dem BF.

Es wird in diesem Zusammenhang nicht verkannt, dass eine Rückkehrentscheidung des BF zu einer Trennung zu seinen Kindern führt und nur unter bestimmten Umständen gerechtfertigt ist. Derzeit besteht jedoch zwischen dem BF und seinen Kindern aufgrund gewalttätiger Vorfälle kein Kontakt. Das alleinige Obsorgerecht kommt der Mutter zu. Seitens der Kinder ist auch keine Kontaktaufnahme erwünscht und wurde im Zuge von therapeutischer Behandlungen der Töchter des BF bei Psychiatern und Psychologen von einem unmittelbaren Kontakt mit dem BF abgeraten. Im Jahr XXXX wurde eine einsteinstweilige Verfügung zum allgemeinen Schutz vor Gewalt oder zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre erlassen und somit eine Gefährdung der Ex-Frau durch den BF festgestellt. Die beiden Töchter mussten Gewalttätigkeiten gegenüber der Ex-Frau des BF oft ansehen und war auch der BF gegenüber den gemeinsamen Kindern mehrmals gewalttätig.

 

Der Verfassungs- und der Verwaltungsgerichtshof misst dem Recht auf persönlichen Kontakt zwischen Vater und Kind sowie der Möglichkeit körperlicher Nähe und nonverbaler Interaktion in der Beziehung zwischen Vater und Kleinkind grundsätzlich große Bedeutung bei. Im vorliegenden Fall ist jedoch das Familienleben des BF und das Kindeswohl seiner Töchter des BF erheblich gemindert, da von den Kindern des BF kein (auch kein temporäres) Zusammenleben sowie keine Kontaktaufnahme gewünscht und ebenso von Experten empfohlen wird. Durch Gewaltvorfälle wurde die Beziehung des BF zu seinen Töchtern erheblich belastet.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände im gegenständlichen Fall ist festzuhalten, dass es dem Beschwerdeführer generell freisteht, den Kontakt zu seinen Töchtern - sofern diese dies wünschen – und somit einen Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet im Wege der Beantragung eines Aufenthaltstitels und einer anschließenden rechtmäßigen Einreise herbeizuführen, zumal gegen ihn kein Einreiseverbot besteht; vgl. die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs VwGH 22.01.2013, 2012/18/0201, 29.06.2017 Ro 2016/21/0007, 17.03.2016, Ro 2016/21/0007, und insbesondere 30.07.2015, Ra 2014/22/0131, sowie § 11 Abs 1 Z 3 NAG und die Voraussetzungen für die Erteilung von Visa nach der Verordnung (EU) 2016/399 (Schengener Grenzkodex) und nach dem FPG.

Ebenso wäre es dem BF prinzipiell möglich und zumutbar, die den Kontakt mithilfe moderner Kommunikationsmittel zu pflegen. Dass ein solcher Kontakt insgesamt nicht gleichzusetzen ist mit einer funktionierenden Eltern(teil)-Kind-Beziehung bei einem Zusammenleben im gemeinsamen Haushalt, steht außer Frage, doch darf in diesem Zusammenhang erneut darauf hingewiesen werden, dass derzeit kein Kontakt mit den Töchtern besteht und ebenso empfohlen wird. Bei den Töchtern des BF handelt es sich zudem um keine Kleinkinder, sondern um Jugendliche.

Die weiteren Aspekte des Kindeswohls vermögen das Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet kaum zu erhöhen: Soweit der BF Österreich allein verlassen sollte, werden die Töchter des BF, soweit dies heute beurteilt werden kann, bei deren Mutter aufwachsen. Damit ist der nach der Judikatur zumindest wünschenswerte, bisweilen sogar notwendige ständige Kontakt des Kindes mit der Mutter jedenfalls gewährleistet. Medizinische Versorgung und die Befriedigung existentieller Bedürfnisse sind ebenfalls wenigstens auf dem in Österreich allgemein verfügbaren Mindestniveau sichergestellt.

 

Im Hinblick auf die sonstigen festgestellten Integrationsbemühungen des BF ist darauf hinzuweisen, dass damit im vorliegenden Fall nicht eine solche Verdichtung der persönlichen Interessen des BF dargetan wurde, dass von „außergewöhnlichen Umständen“ im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gesprochen werden könnte und ihm schon deshalb unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein dauernder Aufenthalt in Österreich ermöglicht werden müsste (vgl. etwa VwGH 6.4.2020, Ra 2019/01/0428, mwN).

 

Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen und darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrags unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip [„no one can profit from his own wrongdoing“], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).

 

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

 

II.3.4.7. Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung in den Iran unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht schlüssig dargelegt.

 

II.3.4.8. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Es wird auf die bereits getroffenen Ausführungen zu den privaten und familiären Bindungen des BF und der Vorhersehbarkeit der Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes verwiesen. Die eingeräumte Frist erscheint angemessen und wurden diesbezüglich auch keinerlei Ausführungen in der Beschwerde getroffen.

 

Die Verhältnismäßigkeit der seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.

 

II.3.4.9. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, ist die Beschwerde gegen die Spruchpunkt III. und IV. der angefochtenen Bescheide als unbegründet abzuweisen.

 

II.3.5 Aufgrund der oa. Ausführungen ist der belangten Behörde letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass der BF im Falle einer Rückkehr in den Iran dort mit der erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefahr im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 8 Abs. 1 AsylG ausgesetzt wäre. Auch die Voraussetzungen für die getroffene Rückkehrentscheidung liegen vor.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, dem Refoulement-schutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht.

 

Ebenso wird zu diesem Thema keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert. In Bezug auf die Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides liegt das Schwergewicht zudem in Fragen der Beweiswürdigung.

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